Meine KL rät mir, nicht nur abschnittweise zu üben, sondern ein Stück immer wieder ganz durchzuspielen. Dabei soll ich Fehler ignorieren und über sie hinwegspielen. Mir scheint es aber, als würden sich Fehler in meinem Gedächtnis festsetzen, wenn ich nicht herausfinde, warum ich mich verspielt habe. Ich habe dann immer das Bedürfnis, den Fehler zu korrigieren.
Warum soll beim Durchspielen keine Fehlerkorrektur erfolgen (abgesehen davon, dass Zuhörende den Fehler dadurch vielleicht nicht bemerken)?
Es geht dabei tatsächlich um den Zuhörer. Der kann kleine Spielfehler weit besser tolerieren, als einen Abbruch mit Neustart.
Aber es geht auch um den Pianisten ... darum, dass der von Fehlern, wenn sie passieren, nicht gleich aus dem Konzept gebracht wird.
Du sollst sicherlich nicht aufhören, fehleranfällige Stellen gesondert zu bearbeiten. Allerdings sollte das auf die Übesituation beschränkt bleiben.
Wenn du vorspielst (Fremden, Bekannten oder auch nur dir selbst), dann solltest du den Fluss der Musik nicht abreißen lassen. Daher die Aufforderung, einfach weiter zu spielen.
Dabei geht es auch darum, dass du lernst, gemachte Fehler zwar nicht komplett zu ignorieren (eine Scheißegal-Haltung kann nicht das Ziel sein), ihnen aber nicht (mehr) so viel Aufmerksamkeit zu schenken, dass es dich raus bringt. Fehler passieren eben manchnal ... auch bei Stücken, die man 10, 50 oder 100 mal in Folge fehlerfrei gespielt hat.
Ich freue mich darüber, dass ich das kann ... ich musste das aber auch erst lernen (durch einige Erfahrungen mit Bands).
Es geht nicht primär um einen technisch fehlerfreien Vortrag (der natürlich das Ziel sein muss), sondern um das Stück ... so, wie es dasteht (mit ein bisschen was von dir dazu) und wie es sich der Komponist wahrscheinlich gedacht hat. Damit das wirken kann, muss es flüssig durchlaufen ... und einzelne Fehler machen es auch nicht kaputt, wenn es flüssig durchläuft.
Fehler gekonnt zu überspielen muss aber auch geübt werden ... sieh die Aufforderung deiner KL einfach als Einladung dazu.
Zum Üben bieten sich Stücke an, die du bereits spielen kannst, bei denen aber noch hin und wieder mal Fehler passieren ... konzentriere dich nur aufs Durchspielen. Es muss nicht unbedingt im tempo sein oder bleiben und es darf auch mal hakelig klingen ... die Hauptsache ist erstmal, dass du es bis zum Ende durchziehst.
Wenn ich ein neues Stück übe, spiele ich es meist zwei mal komplett durch. Einmal am Anfang einer Übe-Session (davor evtl. nur ein paar Aufwärmübungen).
Dann arbeite ich an den passierten Fehlern, Hakeligkeiten oder Geschwindigkeitsschwankungen, zu langen Pausen etc. (unterbrochen von kleinen anderen Stücken und Übungen zum auflockern).
Am Ende spiele ich das neue Stück dann nochmal komplett durch und überprüfe dabei, ob meine erarbeiteten Lösungen auch im Fluss funktionieren.