Alter Bechstein A: auf was achten?

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Ka8

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Moin,

da ich mir demnächst aus beruflichen Gründen eine kleine Zweitwohnung zulegen muss und ich diese mit einem netten, nicht zu großen, aber auch nicht zu kleinen, alten deutschen Flügel (1,75m sollte er schon haben, über 2m wirds schwierig mit dem Platz und den anderen Hausbewohnern ;) ) ausstatten möchte, halte ich z. Z. schon etwas die Augen offen. Ich kann z. Z. wirklich nicht mehr als 6000 € ausgeben, weiß auch dass ich dafür keine überholten Instrumente bekomme. Der Flügel muss auch optisch nicht ganz hübsch sein, sollte aber eine ordentliche Grundsubstanz haben, so dass ich erst einmal 2-3 Jahre ohne größere Probleme meine 1-2 h am Tag spielen kann, sich aber spätere Investitionen lohnen würden. Wer sucht, findet leider auch immer sehr schnell und so wurde mir von einem vertrauensseligen Klavierbauer ein Bechstein A aus 1909 oder 1910 für 6000 € angeboten. Dieser soll in sehr sehr gutem Originalzustand sein, verfügt über eine Schwander-Mechanik und eine angeblich makellose Elfenbeinklaviatur. Der Klavierbauer meinte, dass dieser meine Ansprüche erst einmal einige Zeit befriedigen sollte, solange ich nicht jeden Tag 5 Stunden Liszt-Etüden spielen würde. Er gibt außerdem zwei Jahre Garantie, machte aber auch keinen Hehl daraus, dass mich das Instrument ohne jegliche Überholung nicht noch Jahrzehnte erfreuen könnte, was ich ja auch nicht erwarte. Abseits von Klang und Spielgefühl, welche mir ja zunächst einmal zusagen müssten (was ich aber durch das Anspielen von anderen alten Bechstein A und B aber fast erwarte), wollte ich hier einmal in die Runde fragen, ob es bei derlei Bechsteinen abseits der "normalen" Dinge (über die Begutachtung von Instrumenten und Spielart gab es ja in Vergangenheit schon einige Fäden) etwas besonderes zu Beachten gibt, etwa bei der Mechanik oder der Gussplatte (habe mal irgendwo gelesen, dass die bei alten Bechsteinen gerne mal anreißen). Zwar erwarte ich nicht, über den Tisch gezogen zu werden, aber ein kritischer Blick kann ja nie Schaden. Haltet Ihr weiterhin den Preis für angemessen, vorausgesetzt der Flügel wäre wirklich in einem Top-Originalzustand?

PS: Sollten hier anwesende Klavierbauer in der Nähe der Achse Hamburg-Frankfurt-Freiburg etwas im genannten Preisbereich da haben, gerne PN an mich :p

Danke im voraus und einen netten Abend wünscht

Ka8
 
Bechstein-Flügel jener Jahre können tolle Instrumente sein.

Sie sollen aber einen gewissen Hang zum Plattenriss haben. Zahlen hierzu sind mir nicht bekannt. Hörte es nur mal. (oder war das speziell nur ein Problem der B-Größen..?..)

Was zur Reparatur i.d.R. das Ausbauen der Platte erfordert, dann das Schweißen in vorgespanntem Zustand, mit gewärmten Streben im mittels Kehlnaht vorbereiteten Schweißbereich. Das ist nicht einfach. Schweißfachtechniker können zwar das Material für die Schweißelektrode bestimmen und den Rahmen vorwärmen zum Schweißen. Wo und wie aber klavierfunktional, technisch der Rahmen zum Schweißen gespannt werden muss, damit er hinterher nicht erneut unter seinen Spannungen im Betrieb reißt, ist Expertensache.

Ich würde einen alten Bechstein daher nur erwerben, wenn der Rahmen rissfrei ist. Oder der Rahmen bereits geschweißt ist - und die Schweißung bzw. der dann neubesaitete Flügel bereits Transporte überstanden hat.

Neben all den anderen Dingen, die bei alten Flügeln so wichtig sind: die Wirbel halten? Stimmstock in Ordnung? Stege in Ordnung? Filze OK? Hämmer OK? Saiten uU rostig? Mechanik OK? Etc. Das übliche Programm, einen alten Flügel zu bewerten. Bzw. die Abschätzung, wenn einer der Punkte nicht gegeben ist, was eine entsprechende Reparatur kosten wird.
 
Hallo,

ich wäre in der Tat sehr vorsichtig mit alten Bechsteinflügel, gerade der B neigt zu Plattenbrüchen (was nicht heißt daß selbige beim A oder C ausgeschlossen wären).
Zwar gibt es wahre Künstler unter Klavierrestauratoren, welche mittels Spachtelmasse und etwas Goldbronze den Bruch unsichtbar machen können, jedoch hält ein solches Instrument nie die Stimmung.
Auch eine geschweißte Platte hält nicht die notwendige Zugbelastung der Saiten. Das Verschrauben mittels Gußflunschen ist da schon etwas haltbarer, jedoch auch nicht optimal, Gußplattenbrüche sind leider nun mal ein Totalschaden.
Stimmstock, Wirbel, Mechanik, Stege, Resonanzboden usw. läßt sich alles in Ordnung bringen, fraglich ist dann allerdings ob man für die Reparaturkosten nicht gleich einen neuen Flügel bekommen hätte?

Am sinnvollsten ist es den Flügel von einem unabhängigen Klavierbaumeister zu vor begutachten zu lassen.

Viele Grüße

Styx
 
Hallo Styx,
willkommen im Forum.
Ich muss dir aber in Teilen widersprechen: Grundsätzlich sind Plattenbrüche ein großes Übel. Ob es sich dabei aber um einen Totalschaden handelt, hängt sehr von der grundsätzlichen Konstruktion des Flügels ab sowie von der Lage der Bruchstellen. Die typischen Bechsteinrisse an den Diskantspreizen sind *in aller Regel* unkritisch, insbesondere was die Stimmbarkeit des Flügels betrifft. Ich kenne haufenweise alte Bechsteinflügel mit Gussplattenrissen, und keiner hatte ein Problem mit der Stimmhaltung.
Wohlgemerkt, ohne Not würde ich keinen Flügel mit Plattenrissen kaufen, auch wenn kein Totalschaden vorliegt ...
 
Aber nun macht mal nicht die Pferde scheu. Es gibt sicherlich Plattenrisse an der Diskantspreize bei Bechstein häufiger als bei anderen Instrumenten, trotzdem ist das jedoch selten. Und was den hier hinterfragten Flügel angeht: Es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass dieser Flügel einen Plattenriss hat, denn der Klavierbauer hat dies nicht bei der Instrumentenbeschreibung angegeben. Kein seriöser Händler würde dies verschweigen, denn es wäre Täuschung des Kunden. Davon abgesehen wäre dann auch ein Verkaufspreis von 6000€ unrealistisch und die Beschreibung fehlerhaft, in dem Sinn, dass der Flügel nicht im sehr guten Originalzustand wäre, sondern einen ganz erheblichen Makel hätte.

Ich würde empfehlen, den betreffenden Flügel erstmal in Ruhe anzuschauen. Über den Preis von 6000€ aus der Ferne endgültig zu urteilen, ohne das Instrument gesehen zu haben, ist nicht sehr sinnvoll. Der Straßenpreis für abgespielte A-Flügel im äußerlich verschlissenen bis ramponiertem Zustand liegt etwa zwischen 1500 und 3000€, je nach Substanz. Dem entsprechend ist ein Preis von 6000€ für ein unverbasteltes und überdurchschnittlich gut erhaltenes Instrument durchaus im Rahmen. Ich würde aber erwarten, dass der Flügel zu diesem Preis einer kleinen Revision unterzogen wurde. Also: Reinigung, Hammerköpfe abziehen und intonieren, Mechanik regulieren, Kleinteile ersetzen, alles je nach Notwendigkeit.
 
Hallo,

so, da bin ich wieder. Was soll ich sagen, ich werde das Instrument nehmen, denn es hat beim Spielen sofort "klick" gemacht, wobei ich auch den Vergleich zu einigen anderen, schon restaurierten Bechsteins, Ibachs und einem Grotrian hatte. Vom Zustand her ist der A sehr gut (auch die Platte, wobei ich jetzt mal nicht von Spachtelmasse und Bronzefarbe ausgehe), v. a. komplett unverbastelt, womit er eine gute Basis für eine Restaurierung bildet, die ich ihm aber erst in einigen Jahren zukommen lassen werde. V. a. von der Spielart war ich aufs Positivste überrascht, die Schwander-Mechanik spielte hervorragend. Symphatisch übrigens, wenn der Klavierbauer einem den Flügel vorher extra reguliert und noch einmal kurz vorher nachstimmt, ich hatte es bei fast allen Besichtigungen die letzte Zeit nämlich sehr oft mit verstimmten Instrumenten zu tun, selbst in großen Klavierhäusern scheint ein Herrichten der Instrumente für extra angereiste Kaufinteressierte nicht immer selbstverständlich zu sein, zumal wenn sie nicht neu sind und einen Polyester-schwarz anblinken. Auch klanglich begeisterte mich der A natürlich, sehr großer Farbenreichtum, kräftige Mittellage und Diskant, im Bass natürlich etwas schlanker als der auch angespielte B, aber trotzdem noch schön knackig. Auch das Bechsteineigene Druckpunkt-Haltepedal wird mir trotz einiger Eingewöhnungszeit wohl viel Freude bereiten. Optisch ist der Flügel trotz seiner 100 Jahre noch ein Gedicht - oktagonale Beine, nette Lyra und Notenpult, der Schellack glänzt noch leicht und hat keinerlei blanke Stellen. Hart wird jetzt nur die Wartezeit bis zum Winter, da ich den A erst dann stellen werden kann :( Bis dahin bekommt der Flügel dann noch eine umfassende Inspektion inkl. kleinerer Arbeiten und wird bis zur Auslieferung kostenlos direkt im Betrieb eingelagert.

Ich kann für mich persönlich auch das Fazit ziehen, dass ich es angenehmer finde, in einer Werkstatt zu kaufen, bei der sich der Klavierbauer primär als Instrumentenmacher, Restaurator und Liebhaber zeigt und sich viel Zeit für Erklärungen und das Probespielen lässt, anbei auch noch Getränke und Kekse bereitstellt. In Klavierhäusern kam ich mir doch durch die Verkäufer manchmal regelrecht bedrängt vor, man bekommt gerade auf technische Fragen oft nur oberflächliche Antworten oder wird zu Instrumenten gedrängt, deren Kauf man bereits am Anfang des Gesprächs kategorisch ausschloss (bei mir waren es z. B. die Asiaten)

So, jetzt bin ich fertig, danke aber allen für die konstruktiven Beiträge und wünsche eine angenehme Nacht

Ka8
 
aber nicht der Flügel der seit 1-2 Jahren bei ebay angeboten wird?
 
Hallo,

ich weiß nicht genau welchen Flügel Du meinst, aber meiner ist noch nicht bei Ebay angeboten worden, ich habe Ihn sozusagen direkt im Werkstatt-Betrieb ausgesucht und gespielt
 

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