alte musik - wie?

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Hallo Freunde!
Ich hätte eine Frage betreffend Alte Musik.
Wenn ihr z.B. ein Stück von Händel spielt, das für Cembalo geschrieben wurde, spielt ihr es mit forte-Pedal oder ohne? Und wie sieht es aus mit der Dynamik?

Ich spiele nämlich alles was für Cembalo geschrieben wurde ohne Pedal und mezzo-forte.

Lg
emmanuel
 
Hallo Emmanuel,
über dieses Thema findet man ganze Regale in Bibliotheken.
Das Stichwort heißt: Historische Aufführungspraxis.

Ich will diese Themen nur ganz knapp anreißen:
1. Du hast auch heute noch die Möglichkeit auf einem Cembalo
zu spielen, wenn es Dir um die Authentizität geht.

2. Du lebst im 21. Jahrhundert, erlebst die Musik im 21. Jahrhundert und
hast auch ein Instrument des 21. Jahrhunderts, dessen Ausdrucksmöglickeiten
Du nutzen kannst.

3. Ein Zwischenweg ist gangbar. Spiel auf einem Instrument des 21. Jahrhunderts und bediene Dich der Ausdrucks- und Gestaltungsmittel des 17. und 18. Jahrhunderts.
Dazu muss man vor allem sehr viel wissen.

Ich bin schon immer ein Anhänger von Möglichkeit 2 gewesen, auch wenn man sich dafür in der Öffentlichkeit verhauen lassen muss und auch den Bach-Wettbewerb nicht gewinnen wird.

Aber wenn Dich dieses Thema wirklich interessiert, ist eine gewisse Lektüre unumgänglich.

Beste Grüße
Claudius
 
Ein Cembalo hat durchaus dynamische Möglichkeiten, und zwar durch Register. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Klangfarben und mehrere Lautstärkestufen. Abgesehen davon erreicht man am Cembalo (und auch auf der Orgel) Dynamik durch unterschiedliche Tonlängen, was man Artikulation nennt. Ein Haltepedal gibt es beim Cembalo nicht, also klingen die Töne immer nur so lange, wie man die Tasten hält.

Am Klavier kann man diese (Un-)Möglichkeiten imitieren, indem man nur bestimmte Dynamikstufen benutzt und die Bewegungen dort hin ebenfalls mit Artikulation erreicht. Wenn man intensiv mit Artikulation arbeitet, verbietet sich die Pedalbenutzung automatisch.

Meiner Meinung nach sollte man aber einfach eine "Übersetzung" für Klavier spielen. Das Klavier ist ein anderes Instrument als ein Cembalo und wenn z.B. Klaviermusik mit Gitarre gespielt wird (der Unterschied ist auch nicht größer), spielt man die Gitarre auch nicht klavierartig. Also Treppendynamik und nur leichte Crescendi und Decrescendi, die man aber nicht durch Artikulation erreichen muß. Das Klavier hat nun mal die Anschlagsdynamik und damit kann man Musik noch lebendiger gestalten. Bezüglich des Haltepedals muß man natürlich bedenken, daß Barockmusik durch die Artikulation eine eigene Rhythmik bekam, zumal Legato nicht die übliche Spielweise war (auch wegen der Artikulation, aber nicht nur). Diese Rhythmik muß natürlich erhalten bleiben. Andererseits sind heutige Räumlichkeiten akustisch wesentlich trockener und ganz ohne Pedal klingt ein Klavier schnell dröge.

Es kommt im Übrigen nicht darauf an, Musik so zu spielen, wie sie zu Lebzeiten des Komponisten gespielt wurde, es kommt darauf an, die Idee und den Charakter zu erkennen und dem Publikum weiterzugeben.

Busoni wird für seine Barock-Interpretationen sowohl geliebt wie auch gehaßt. Allen kann man es nicht recht machen, die Entscheidung liegt bei einem selbst.

Es ist natürlich eine Bereicherung, sich am Klavier mal mit Artikulation zu beschäftigen und es ist auch kein Fehler zu lernen, Pausenanfänge präzise einzuhalten und sich auf die authentischen Prasierungen von Barockmusik einzulassen. Bach klingt oft nach Gedudel, weil er falsch gespielt wird, und nicht, weil jemand Pedal oder Dynamik benutzt. So gesehen sollte man sich tatsächlich erstmal mit der ursprünglichen Spielweise auseinandersetzen und auf Pedal verzichten. Wenn man ein Stück so begriffen hat, kann man vom Cembalo- auf Klaviermodus umschalten und wieder alle "Register" (die es ja eigentlich nur beim Cembalo gibt) ziehen, die das Klavier bietet.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Im Prinzip ist der Sachverhalt ja schon umrissen.

Ein Cembalist denkt übrigens auch in dynamischen Kategorien. Das ist einfacher als über Längen von Tönen nachzudenken.

Grundsätzlich kann es natürlich nicht schaden, sich einige wichtige Quellen anzusehen. Auf der Seite von Kölnklavier gibt es nützliche Sachen.

Letztlich ist es eine Transkription. Ätzend finde ich, wenn jemand versucht, auf einem Klavier Cembalo zu spielen. Meistens ist es einfach dröge. Dann doch lieber mit anständigen pianistischen Mitteln. Aber das wird natürlich immer ein Streitpunkt bleiben.

Grüße
Axel
 
anständig - unanständig :)

Eben darum, ob das anständig ist oder nicht, geht ja der Streit ;)

wenn es da wirklich ernstzunehmenden Streit gibt, dann werden sicherlich Goulds zwei Aufnahmen der Bachschen Goldbergvariationen sowie die Scarlatti-Sammlung von Horowitz von einigen als unanständig bezeichnet - ich gebe zu, dass mir hier die unanständigen Versionen deutlich besser gefallen :D

Gruß, Rolf
 
Hallo Emmanuel,
über dieses Thema findet man ganze Regale in Bibliotheken.
Das Stichwort heißt: Historische Aufführungspraxis.

Ich will diese Themen nur ganz knapp anreißen:
1. Du hast auch heute noch die Möglichkeit auf einem Cembalo
zu spielen, wenn es Dir um die Authentizität geht.

2. Du lebst im 21. Jahrhundert, erlebst die Musik im 21. Jahrhundert und
hast auch ein Instrument des 21. Jahrhunderts, dessen Ausdrucksmöglickeiten
Du nutzen kannst.

3. Ein Zwischenweg ist gangbar. Spiel auf einem Instrument des 21. Jahrhunderts und bediene Dich der Ausdrucks- und Gestaltungsmittel des 17. und 18. Jahrhunderts.
Dazu muss man vor allem sehr viel wissen.

Ich bin schon immer ein Anhänger von Möglichkeit 2 gewesen, auch wenn man sich dafür in der Öffentlichkeit verhauen lassen muss und auch den Bach-Wettbewerb nicht gewinnen wird.

Das ist schoen zusammengefasst. Aber ich denke nicht, dass man heutzutage deshalb in der Oeffentlichkeit "verhaut" wird. Vielmehr kommt es mir so vor, als ob die bei weitem meisten Pianisten viel naeher bei (2) als bei (3) anzusiedeln sind.

Horowitz wurde schon von Rolf genannt und sein Scarlatti ist sicher ein Extrembeispiel fuer Var. 2. Hier sind ein paar weitere willkuerliche Beispiele, die (meiner Empfindung nach) Ausdrucksmoeglichkeiten nutzen, die ueber die Moeglichkeiten des 17./18. Jh. hinausgehen. Wuerde mich interessieren, ob das andere auch so sehen, damit klar ist, dass wir dieselbe Vorstellung von Var. (2) vs. (3) haben.

Eduard Kunz - Scarlatti (vom letzten Van Cliburn Wettbewerb, eine viel gelobte Interpretation, die ihn auch in die 2. Runde gebracht hat - also auch bei Wettbewerben scheint Var. (2) kein Problem zu sein)
Gould - Bach
Stephen Hough - Rameau
Sokolov - Rameau
Sokolov - Couperin
Argerich - Scarlatti
Joanna MacGregor - Bach
Schiff - Bach

Andererseits - ich weiss gar nicht wirklich, was Musterbeispiele zu Variante (3) waeren. Am ehesten so etwas? Oder was waeren gute Beispiele fuer diese dritte Variante?

Gould - Bach
Tureck - Bach
 
Noch etwas, nach 5 Minuten laenger Nachdenken ;)
Mir kommt es so vor, als ob der verbreitetste Zugang zu alter Musik auf dem Klavier aus Elementen von (3) und (2) besteht, mir feallt z.B. ein

(3)
  • weniger intensiver Pedalgebrauch
  • weniger Rubato
(2)
  • intensive Ausnutzung der Dynamikmoeglichkeiten des modernen Klaviers
  • staerkeres Legato als in "historischen" Zugaengen ueblich waere (?)
Der Scarlatti von Horowitz oder Eduard Kunz (s. Link oben) ist hingegen "extremer" in Richtung (2), weil er auch in Bezug auf Pedal und Rubato freier ist. Mehr in Richtung von (3) stehen z.B. die Aufnahmen von Tureck und Gould, die ich oben verlinkt habe, die (zumindest fuer meine Ohren) den Eindruck eine weniger freie Dynamik und auch ein abgesetzteres Spiel (also keine Legato-'Dekadenz')

Interessantes Thema, bin gespannt auch andere Meinungen!

P.S. klavierrestaurator - ich hoffe, das geht nicht zu weit an Deinem speziellen Thema vorbei. Wenn doch, sorry :)

Wenn ihr z.B. ein Stück von Händel spielt, das für Cembalo geschrieben wurde, spielt ihr es mit forte-Pedal oder ohne? Und wie sieht es aus mit der Dynamik?

Ich spiele nämlich alles was für Cembalo geschrieben wurde ohne Pedal und mezzo-forte.

Du bist also ein recht extremer "Dreier" gemaess der Liste von PianoAktiv.
Ich bin - wie schon klargeworden sollte - eher nahe der "2": freie Dynamik, auch Pedal, aber oft sparsamer (ja nach Stueck)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Die Aussage von Axel, dass es sich letztendlich um eine Transkription handelt, finde ich gut, weil sie so das Lösen von Zwängen ermöglicht.

Für Ansatz (3) würde ich auch mal gern explizit Beispiele wissen, wen man eindeutig in die Schublade schieben könnte (Vielleicht Wolfgang Rübsam ?).

Bezüglich des Pedalgebrauches bei Bach stolpere ich immer wieder über die Aussage, das sei nicht historisch und dürfe deshalb nicht sein. In meinen Augen ist aber fragwürdig, einen historisch motivierten Ansatz auf dem modernen Klavier zu verfolgen. Für mich ist es wichtiger zu betonen, dass der übermässige Pedalgebrauch dem Herausarbeiten polyphoner Strukturen eher entgegenwirkt, und deshalb der Pedaleinsatz gut zu dosieren ist.

Wer wirklich historisch informiert spielen möchte, ist heutzutage sicherlich längst bei den entsprechenden Instrumenten.

Viele Grüße,
Kristian
 
Bezüglich des Pedalgebrauches bei Bach stolpere ich immer wieder über die Aussage, das sei nicht historisch und dürfe deshalb nicht sein. In meinen Augen ist aber fragwürdig, einen historisch motivierten Ansatz auf dem modernen Klavier zu verfolgen. Für mich ist es wichtiger zu betonen, dass der übermässige Pedalgebrauch dem Herausarbeiten polyphoner Strukturen eher entgegenwirkt, und deshalb der Pedaleinsatz gut zu dosieren ist.

Volle Zustimmung, sehr gut ausgedrueckt! Das klare Herausarbeiten der horizontalen Linien (wann immer die Musik polyphon konzipiert ist) ist sicher ein absolutes Muss, egal fuer welchen stilistischen Zugang man sich entscheidet.
 
Hallo an alle!
Ich habe mal gespannt gewartet, dass ihr die Meinungen sagt. :D
Ich finde voll interessant was ihr alles geschrieben habt und was ihr von der ganzen Sache meint.

Jetzt:
1. wenn ich mir ein Cembalo leisten könnte, dann würde ich diesen Faden überhaupt nicht begonnen… :(

2. Ich bin um 95% ein Dreier. Die kurzen Stücke, die mögliche weiße auch schnell sind, muss ich auf der Art 3 spielen. Es gibt dann wenige Sachen, wo ich eine leichte Dynamik und Pedal verwende. Ich sehe es nämlich so: wenn man beim Cembalo die Taste drückt, dann hört man erst und ganz kurz den ersten starken Ton. Alles was sofort nach dem Anschlagen folgt, ist wie… eine „Erinnerung“, die bleibt bis man die Taste loslässt. Wenn man beim Klavier anschlägt, hört man den Anfang des Tones und dessen langsames verschwinden. (hoffentlich habe ich das jetzt nicht zu philosophisch gesagt)
Mir fehlt also dieser erste starke Ton und sein „leises“ Nachklingen. Das ist auch der Grund warum ich nach der Art 3 spiele…

Tja… so weit wollte ich es eigentlich nicht treiben… Ich wollte nur mal wissen wie ihr die Sache schaut und in dem Fall umgeht. Aber bitte! Macht nur weiter, dass ich noch was lernen kann! :D

Lg
emmanuel
 

Da wäre ich sehr vorsichtig.

Was ist Art 3? Ein Klavierspiel, das aller Dynamik, allen klanglichen Reizes beraubt ist? Ist das historische Aufführungspraxis? Oder eine angemessene Interpretation?

Ein paar ketzerische Gedanken dazu:

Wer einmal mit einem Cembalisten gearbeitet hat, weiss, dass der mit aller Gewalt versucht, sein Instrument cantabel, dynamisch und expressiv klingen zu lassen. Weit weg von nähmaschinenartigem Staccato. Genau das erzeugen aber viele Klavierspieler, wenn sie meinen, ein Cembalo imitieren zu müssen.

Jeder Cembalist kennt die Technik des Überlegatos, mit dem eine Art "Pedaleffekt" erzeugt wird. Wenn ein Pianist (an den geeigneten Stellen!) dann auf den Luxus des Pedals verzichtet, wird jeder Cembalospieler mit Unverständnis reagieren.

Glenn Gould hatte keine Ahnung vom Cembalospiel. Wenn man sein non-legato als cembalistisch interpretiert, liegt man sicher falsch. Ich sehe es einfach als ganz persönliche und exzentrische Marotte. Von GG gibt es Cembaloaufnahmen mit Händel-Suiten. Noch uncembalistischer kann man kaum spielen. Das heisst nicht, dass seine Klavieraufnahmen nicht spannend und erhellend sein können. Historisch "richtig" ist daran allerdings nichts.

Ebenso sind oft zitierte Aufnahmen z.B. von Karl Richter keine Referenz. Richter war Hobbycembalist, er hat das nie studiert oder sich ernsthaft damit befasst. Sicher, er spielte viele korrekte Töne, cembalistisch war es aber nie. Auch das kann kein Vorbild sein.

Wenn man wirklich fantastische Kollegen wie Koopmann, van Asperen, Rousset u.a. hört, fällt auf, wie sehr sie sich um einen lebendigen und expressiven Klang bemühen. Das sollte das Vorbild sein.

Grundsätzlich gefällt mir Cembalomusik auf dem Klavier selten (der Sokolv-Link mit Couperin ist allerdings erschütternd gut). Wenn, dann aber bitte mit allen Mitteln, die das Instrument hergibt. Und tatsächlich: am liebsten als Bearbeitung von Busoni. Ich möchte Musik hören und kein Skelett.

Schöne Grüße
Axel
 
@ Ich möchte Musik hören und kein Skelett.

Volle Zustimmung! Auf Youtube geistert irgendwo eine "historisch" sein wollende Schubertaufnahme herum - wie auf einem Hackbrett, grauslich.

LG

Pennacken
 
Alte Musik- aber wie?
Frage an die Freunde der historischen (?) Aufführungspraxis:
Sind denn die verwendeten Instrumente tatsächlich aus der Zeit von Bach, Haydn und Mozart?
 
Für mich ist das eine Mogelpackung.
Instrumente, - die angeblich alt sein sollen,( wie Dirigenten oft bei einer Einführung behaupten,-
" Wir spielen auf alten Instrumenten") aber in Wirklichkeit sind es Kopien, die unter Umständen neuer als die sogennanten modernen Instrumente sind. Ist wirklich jede Kopie von einem Original kopiert ? Oder baut man die Intstrumente einfach so, wie man denkt, dass sie früher gebaut wurden? Haben die alten Instrumentenbauer wirklich ihre Arbeitsweise so dokumentiert, dass ein genauer Nachbau möglich ist? Keinem ist es gelungen eine Stradivari so zu kopieren, dass sie wie ein Original klingt, oder bleiben wir bei den Tasteninstrumenten, eine Silbermann Orgel, ein Silbermann-Cembalo oder Hammerklavier. Insofern ist die sogenannte historische Aufführungspraxis in meinen Augen nur ein großer Betrug.
 
Natürlich gibt es genaue Baupläne alter Instrumente. Die historische Aufführungspraxis ist kein Betrug, sondern eine Gegenbewegung zur „ahistorischen“ Aufführungspraxis, die vor der Entstehung eines musikhistorischen Bewusstseins in der Aufführungspraxis üblich war.

Übrigens spricht man eher von „historisch informierter Aufführungspraxis.“ Schon dieser Begriff widerlegt die Behauptung, dass alles
sei.
 
Keinem ist es gelungen eine Stradivari so zu kopieren, dass sie wie ein Original klingt,
Inwieweit eine hunderte Jahre alte, mehrfach umgebaute Violine noch so klingen kann wie zur Bauzeit, sei dahingestellt.
oder bleiben wir bei den Tasteninstrumenten, eine Silbermann Orgel, ein Silbermann-Cembalo oder Hammerklavier.
Das gilt ebenso für Tasteninstrumente, deren Klangqualität sich im Laufe der Jahre/Jahrhunderte sicher nicht verbessert.
 
Wenn ich von Betrug rede, dann in dem Sinne, dass diese neuen Kopien-Instrumente angeblich so klingen, wie die zu Bachs Zeiten. Niemand kann kann behaupten, dass das so ist. Man kann bestenfalls behaupten, dass es so geklungen haben könnte. Selbst wenn wenn wir Baupläne von alten Instrumenten haben, ist das Material- ob Holz, Blech, Saiten, Klebstoff usw. und die Verarbeitung heute nicht mehr so wie früher. Ein Originalklang aus der Barockzeit ist unwiederbringlich verloren und kann nie wieder hergestellt werden. Die alten Klaviere aus der Haydn-Zeit sind abgenutzt und werden nie wieder so klingen wie damals. Nachbauten werden in unseren Ohren anders klingen wie vor 200 Jahren, selbst wenn der Klang genau der gleiche wäre.
Es spricht nichts dagegen, dem nachzuspüren, wie es früher geklungen haben könnte, aber das Ergebnis kann nie den Anspruch auf Authentzitiät erheben.
Dagegen ist mir deine Argumentation supekt. Die historischen Aufführungspraxis versteht sich also als Gegenbewegung zur " "ahistorischen" Aufführungspraxis. Aber eine solche hat es nie gegeben. Das kann man nur behaupten, wenn man 1680 und 1980 im direkten Vergleich ansieht. Aber in diesen 300 Jahren gab es ja eine Entwicklung, einen schleichenden Prozess, indem sich Instrumentenbau und Spielweise verändert haben. Und jeder Musiker ist und war immer ein Kind seiner Zeit. Wenn man es heute anders machen will, gut-,aber man kann nicht Menschen aus anderen Zeiten einen Vorwurf machen, dass sie die nicht die gleiche Sichtweise hatten wie einige heute. Insofern war Karajan nicht " ahistorisch", er hat so gespielt, wie es zu seiner Zeit üblich war. Die Rückbesinnung auf Originalinstrumente ist ein Versuch UNSERER Zeit, (auch wenn es diese Instrumente nicht mehr gibt), aber auch diese Sichtweise wird keinen Ewigkeitswert besitzten und beanspruchen können.
 
Die Rückbesinnung auf Originalinstrumente ist ein Versuch UNSERER Zeit, (auch wenn es diese Instrumente nicht mehr gibt), aber auch diese Sichtweise wird keinen Ewigkeitswert besitzten und beanspruchen können.
Das ist doch aber ohnehin klar. Und genau darauf hat der Grandseigneur der historisch informierten Aufführungspraxis, Nikolaus Harnoncourt, immer wieder hingewiesen, nämlich, dass es nicht mehr als ein Versuch sein kann, weil die historischen Zeugnisse nur ausschnitthaft vermitteln können, wie früher musiziert wurde und meistens nur Abweichungen vom Gewöhnlichen thematisiert wurden, denn das Gewöhnliche war zu seiner Zeit ohnehin allgemein bekannt.
 

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