Alfred Brendel feiert 80. Geburtstag

Also ich bin ja ein Fan vom Notentext und einer Interpretation mit Herz, Hirn und Seele!!! Das schließt sich doch hoffentlich nicht aus! :p

Die genaue Auseinandersetzung mit dem Notentext bildet die Basis für alles Weitere. Und was man da alles entdecken kann! Wobei man natürlich sagen muss, dass oft schon der Urtext, der in einer Ausgabe steht, eine gewisse Art von Interpretation ist. Denn es gibt ja oft mehrere Ausgangsquellen oder Faksimile, die in Einzelheiten unterschiedlich sind und aus denen der Herausgeber einen "Urtext" kreiert. Neulich hatten wir ja den Fall, wo Badura-Skoda in der Wiener U.E. die Vorschläge des Moments musicauxs f-moll op. 94/3 ganz anders notiert als Gieseking in der Henle-Ausgabe. Man müsste sich, wie es ja auch viele Barockspezialisten machen, wohl mehr mit den Quellen beschäftigen.

Wenn ich jetzt aber mal eine Urtextausgabe als Ausgangspunkt nehme, bemühe ich mich doch, wirklich jede kleinste Kleinigkeit wahrzunehmen, denn sie wirkt sich auf das Klanggeschehen aus und gibt der Interpretation eine größere Tiefe. Bei manchen Stellen/Angaben tue ich mich manchmal schwer - ich würde es lieber anders, mir gefälliger spielen. Doch da ist doch unbedingt meine Aufgabe, verstehen zu wollen, wie der Komponist diese Stelle sieht, in welchem Kontext sie steht, welche Aussage und Bedeutung sie hat. Diese Auseinandersetzung ist ja nicht nur eine mit dem Notentext, sondern auch eine mit mir selbst und das finde ich sehr spannend. Das erweitert den Horizont!

Wenn beim Spielen dann das "Erleben" hinzukommt, wie ich weiter oben schon mal geschrieben habe ( Destenay, dazu gehört m.E. auch der improvisatorische Moment), ergänzen sich architektonische Schönheit und Realisierung des Notentext mit der Liebe zum Stück, mit Herz, Charakter und Gefühl. Ich habe schon mal irgendwo gesagt, dass man m.E. auch bei der Realisierung eines Notentextes viel Freiheiten hat. Schon eine kleine Änderung des Tempos kann viel bewirken, Unterschiede in Gewichtung der Stimmen, Phrasierung, Artikulation, Dynamik ( Lautstärken sind ziemlich relativ) können völlig verschiedene Interpretationen zum Klingen bringen.

Wenn jemand wie Pogorelich sich über Vorgaben rigide hinwegsetzt, kann ich nur sagen 'der darf das, weil er aus einem Kunstwerk eine geniale Aussage macht, die zwar den ursprünglichen Absichten des Komponisten widerspricht, von der wir aber nicht wissen, was der Komponist sagen würde, wenn er sie denn gehört hätte'. Vielleicht wäre er völlig begeistert und wir berauben, wenn wir dies verurteilen, ihn und uns einer ganz neuen Sichtweise. Aber darüber gibt es natürlich geteilte Meinungen. Ich für mich sage ganz klar: was Pogorelich macht, ist für mich nicht erlaubt. Dazu muss man schon ein Genie sein. :p

Liebe Grüße

chiarina
 
saperlot - ich fürchte, Du verbrauchst weniger Buchstaben (und damit Zeit zum tippen), wenn Du aufzählst, wen Du nicht kanntest. Als Edwin Fischer starb (24.01.1960), war ich noch lange nicht auf der Welt.

@Gomez:
waren Strawinski und Villa-Lobos nicht mit dem Interpreten Artur Rubinstein recht gut befreundet?

Fuer das Du so jung bist hast Du ein enormes Wissen, ich dachte Du kommst aus der Renaissance.Warum ich all diese Namen aufliste hat nicht den Grund mich darzustellen dies habe ich alles andere alls noetig, bin dankbar wenn ich alleine oder mit meinen Freunden bin diese kennen mich und wissen bescheid . Ich verstehe natuerlich ,wenn da jemand auf so ein Forum kommt mit dem Namen Destenay und erzaehlt so offen, dann habe ich auch Verstaendniss, dass der Eine oder Andere vielleicht ueberfordert ist. NEIN der Grund ist der , ich moechte Erfahrungen die ich mit diesen grossen Kuenstlern auch Dank meines Schicksals machen durfte weiter gebe . Es gibt einen Deutschen Pianisten Wolfram Lorenzen der aehnliche Erfahrungen machen durfte ich kenne ihn auch. :Des
Ein besonderer Grund hat es auch noch und dieser stimmt mich nachdenklich,
durch das ich franzoesich spreche erfahre ich mehr was man ueber Deutsche Pianisten spricht, gegenueber einem Deutsch sprechenden waere man diskreter.Es ist haeufig zu hoeren die Deutschen haben grossartige Komponisten aber keine interessanten Pianisten und die ,die sie haben sind nichts, langweilig pingelik usw.usw. Ich bin da anderer Meinung, aber die Antwort auf die Frage an Alfred Brendele welchen juengeren Pianisten er interessant findet war niederschmaetternt, es gibt keinen sie sind alle auf Selbstdarstellung aus, hingegen grosses Lob den jungen Geigerinen.
Die aehnliche Frage ging an Maurizio Pollini, er wollte keine Auskunft geben an seinem Gesichtszug war zu erkennen was er sich dabei dachte und dies war unverkennbar, er schwaermte nur so von der alten grossen Garde. In Frankreich wird eben viel ueber Musik gesprochen und diskutiert wir haben einen Radiosender France Music dort wird 24 Stunden vorwiegend klassische Musik ausgestrahl und viel diskutiert haeufig mit prominenten Kuenstlern .Ich persoehnlich freue mich, wenn wieder Juengere kommen die den Stammbaum erweitern, aber so soll es angeblich gar nicht aussehen.
Dies ist der Grund warum ich ausfuehrlich bin und auch betone, dass ich etliche gut gekannt habe und meine Erfahrung auch Leuten wie hier weitergebe moechte, bis jetzt konnten meine Studenten und auch Schueler die Freude an der Musik haben nur profitieren.
Wenn dies nicht gewuenscht ist , kann ich gerne mal von den Frauen die an den Baechen mi Waschbrettern ihre dreck Waesche ruppel, sprechen. Dies gibt es noch sehr viel, der Deutsche haette sofort Angst um die Umwelt , die Fische dort bleiben leben und werden mit hohen Genuss gegessen, bon appetite :kuss::kuss:
 
Also ich bin ja ein Fan vom Notentext und einer Interpretation mit Herz, Hirn und Seele!!! Das schließt sich doch hoffentlich nicht aus! :p

Die genaue Auseinandersetzung mit dem Notentext bildet die Basis für alles Weitere. Und was man da alles entdecken kann! Wobei man natürlich sagen muss, dass oft schon der Urtext, der in einer Ausgabe steht, eine gewisse Art von Interpretation ist. Denn es gibt ja oft mehrere Ausgangsquellen oder Faksimile, die in Einzelheiten unterschiedlich sind und aus denen der Herausgeber einen "Urtext" kreiert. Neulich hatten wir ja den Fall, wo Badura-Skoda in der Wiener U.E. die Vorschläge des Moments musicauxs f-moll op. 94/3 ganz anders notiert als Gieseking in der Henle-Ausgabe. Man müsste sich, wie es ja auch viele Barockspezialisten machen, wohl mehr mit den Quellen beschäftigen.

Wenn ich jetzt aber mal eine Urtextausgabe als Ausgangspunkt nehme, bemühe ich mich doch, wirklich jede kleinste Kleinigkeit wahrzunehmen, denn sie wirkt sich auf das Klanggeschehen aus und gibt der Interpretation eine größere Tiefe. Bei manchen Stellen/Angaben tue ich mich manchmal schwer - ich würde es lieber anders, mir gefälliger spielen. Doch da ist doch unbedingt meine Aufgabe, verstehen zu wollen, wie der Komponist diese Stelle sieht, in welchem Kontext sie steht, welche Aussage und Bedeutung sie hat. Diese Auseinandersetzung ist ja nicht nur eine mit dem Notentext, sondern auch eine mit mir selbst und das finde ich sehr spannend. Das erweitert den Horizont!

Wenn beim Spielen dann das "Erleben" hinzukommt, wie ich weiter oben schon mal geschrieben habe ( Destenay, dazu gehört m.E. auch der improvisatorische Moment), ergänzen sich architektonische Schönheit und Realisierung des Notentext mit der Liebe zum Stück, mit Herz, Charakter und Gefühl. Ich habe schon mal irgendwo gesagt, dass man m.E. auch bei der Realisierung eines Notentextes viel Freiheiten hat. Schon eine kleine Änderung des Tempos kann viel bewirken, Unterschiede in Gewichtung der Stimmen, Phrasierung, Artikulation, Dynamik ( Lautstärken sind ziemlich relativ) können völlig verschiedene Interpretationen zum Klingen bringen.

Wenn jemand wie Pogorelich sich über Vorgaben rigide hinwegsetzt, kann ich nur sagen 'der darf das, weil er aus einem Kunstwerk eine geniale Aussage macht, die zwar den ursprünglichen Absichten des Komponisten widerspricht, von der wir aber nicht wissen, was der Komponist sagen würde, wenn er sie denn gehört hätte'. Vielleicht wäre er völlig begeistert und wir berauben, wenn wir dies verurteilen, ihn und uns einer ganz neuen Sichtweise. Aber darüber gibt es natürlich geteilte Meinungen. Ich für mich sage ganz klar: was Pogorelich macht, ist für mich nicht erlaubt. Dazu muss man schon ein Genie sein. :p

Liebe Grüße

chiarina

Ich danke Dir von ganzen Herzen, Du hast dies Ausgedrueckt was ich weitergeben wollte.
Eine Komposition , ist wie ein Haus es steht Felsenfest da, (hoffentlich) es wurde aufgebaut nach den Idee eines Bauherrn .Die Wohnungen dort drinn koennen von den Bewohner so eingerichtet werden wie sie wollen, dem einen gefaellt es dem anderen nicht. Dies Stellt die vielen Moeglichkeiten dar. Ich hoffe man versteht was ich damit meine :kuss: endlich neue Gespraechsstoffe

Cordialement
Destenay
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Es bleibt dabei: Wer in die Musik zusätzliche Intentionen hineinlegt, hat sie nicht verstanden
und versucht, die Verständnislücken durch etwas Musikfremdes zu kompensieren.

Hallo Gomez,

du bist aber streng! Ganz schön hoch erhobener Zeigefinger.... Ehrlich gesagt, bin ich ein bißchen erschrocken!;) Nicht darüber, dass man sich mit dem Notentext auseinandersetzen soll (das ist wohl selbstverständlich), sondern über die ziemlich unmusikalische Beschreibung dessen, was deiner Meinung nach Musik ist.
Ich sitze nie in einem Konzert und denke mir, aha, der/die Musiker haben die Musik "verstanden", sie haben die Rechenaufgabe richtig gelöst. Tolles Konzert! Ich sitze da drin und wenn ich weinen muss, dann war das Konzert schön.

Was hältst du davon:
http://www.youtube.com/watch?v=Wt44_q73SGs&feature=related

"What do you feeeeeel?" "Feel with all your being"

?

LG, Sesam
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Es bleibt dabei: Wer in die Musik zusätzliche Intentionen hineinlegt, hat sie nicht verstanden
und versucht, die Verständnislücken durch etwas Musikfremdes zu kompensieren.

Dabei bleibt es nun aber ganz bestimmt nicht!

Seinen musikalischen Bankrott kann man nur für sich selbst erklären. Dies könnte allerdings mit dem zitierten Satz durchaus gelungen sein. Eine allgemeine Verbindlichkeit ist für solche Behauptungen aber sicher nicht gegeben.

Trotzdem will ich nicht minder unqualifiziert gegenbehaupten:
wer der Musik als hochtheoretische und eindimensional wahrheitsgebundene Geheimwissenschaft pflegt, hat sie nicht verstanden und versucht seine Musiklücken durch Ablenkungsmanöver zu kaschieren.

Dabei wird es nun bestimmt nun auch nicht bleiben. Das wäre mir auch lieber so. In der Musik weiß keiner alles. Keiner hier und keiner sonstwo. Ich schon gar nicht. :cool:

Guten Abend.
 
Hallo, Sesam!

Ehrlich gesagt, bin ich ein bißchen erschrocken!;)
Nicht darüber, dass man sich mit dem Notentext auseinandersetzen soll
(das ist wohl selbstverständlich), sondern über die ziemlich
unmusikalische Beschreibung dessen, was deiner Meinung nach Musik ist.

Du bist ziemlich erschrocken über die unmusikalische Beschreibung dessen,
was - Deiner Meinung nach - meiner Meinung nach Musik sein soll.
Ich wiederum bin nicht erschrocken, sondern nur verwundert, denn ich habe mich
in meinem letzten Beitrag zwar zur Geschichte der Verschriftlichung von Musik geäußert,
den damit einhergehenden Problemen, aber zum Wesen der Musik nichts gesagt.

Auch die Gleichsetzung "Verstehen = Lösen einer Rechenaufgabe"
stammt nicht von mir; Du hast sie in meinen Text hineingelesen.

Ich frage ganz unpolemisch, aber ich frage aus gegebenem Anlaß Destenay und Dich:
Was ist das für ein merkwürdiger Reflex, jemandem Herzlosigkeit zu unterstellen,
nur weil er über Musik nachdenkt? Und was ist an dem Appell, sich um das
der jeweiligen Musik angemessene Verständnis zu bemühen, an der Aufforderung,
im Notentext mehr als nur eine Improvisationsgrundlage zu sehen, so unerträglich,
daß man mich darüber zum Wissenschaftler, Mathematiker oder Anatom umdefinieren muß?

Gruß, Gomez
 
Und was ist an dem Appell, sich um das
der jeweiligen Musik angemessene Verständnis zu bemühen, an der Aufforderung,
im Notentext mehr als nur eine Improvisationsgrundlage zu sehen, so unerträglich,
daß man mich darüber zum Wissenschaftler, Mathematiker oder Anatom umdefinieren muß?

Lieber Gomez,

das weiß ich nicht - ich weiß nur, dass das nicht mein Appell ist ;)

Warum auch? Du hast ja recht: selbstredend muss dem Spielen das Verstehen vorausgehen - - - - und dann allerdings stellt man fest, dass man Entscheidungen treffen muss, weil man nicht restlos alles, was in einem Musikstück steckt, auf einmal, in einem Rutsch darstellen kann. Die Auswahl an erkannten Stimmungs- und Klangfarbennuancen macht es eben möglich, den Gegenstand "Musikstück" aus verschiedenen Perspektiven zu wahrzunehmen - und sowas nennt man landläufig "Interpretation". Das Musikstück, falls es den Namen Musik verdient, ist mehr als die Summe der Interpretationen.

Es können falsche oder blöde Entscheidungen getroffen werden - na ja, was soll´s, das Ergebnis hört man dann ja. Aber eine restlos alles zu Tage fördernde Superrealisierung, die mehr als alle subjektiven Interpretationen zusammen an Erkenntnisgewinn brächte, halte ich bei wirklich kunstvoller Musik für eine Chimäre.

Das große c-Moll Nocturne von Chopin verträgt sowohl heroische, als auch düstere Farben - beides steckt drin. Entscheidet man sich mehr für das eine oder mehr für das andere, dann interpretiert man meiner Ansicht nach nichts hinein, sondern man wählt aus dem aus, was drin erkennbar ist.

herzliche Grüße,
Rolf
 
Und was ist an dem Appell, sich um das
der jeweiligen Musik angemessene Verständnis zu bemühen, an der Aufforderung,
im Notentext mehr als nur eine Improvisationsgrundlage zu sehen, so unerträglich,
daß man mich darüber zum Wissenschaftler, Mathematiker oder Anatom umdefinieren muß?

Gegenfrage: "angemessenes" Verständnis? Was ist das? Verständnis ist klar, soweit nichts Außergewöhnliches, aber "angemessen"?

LG, Sesam
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Wenn ich mich schon, statt meiner eigentlichen Lektüre zu widmen, durch den Thread gewuselt habe, wird sich heut auch noch die Zeit zum Antworten finden.

Ich wundere mich, wie Gomez' Beitrag zu solch einem Aufhänger werden konnte.
Der doch im Prinzip etwas sehr simples besagt:
Sich mit dem Notentext auseinandersetzen ist, meiner Meinung nach, etwas elementares. Nicht unbedingt einfaches, aber doch grundlegendes.
Um mich hier eines literarischen Beispieles zu bedienen, wenn es schon um das "angemessene" Vortragen ging. Ließt du einen Text laut vor, rezitierst ihn also und es steht geschrieben:
"Denk doch mal nach!" schrie er
Dann wäre es angemessen diesen Ausruf auch zu schreien. Die "angemessenen" Anweisungen in der Musiksprache herauszulesen mag nun nicht ganz so einfach sein, aber mit viel Beschäftigung möglich.

Das die Werke eben Facettenreich sind, das beweist du mit deinem letzten Beispiel, Rolf. Und das steht auch nicht im Widerspruch zu Gomez' Aussage. Man kann nicht alle Facetten auf einmal wiedergeben, das ist wahr. Aber sich auf einige wenige zu konzentrieren und diese möglichst fein herauszuarbeiten, dass ist doch etwas anderes, als wenn man das ganze Stück als eben jene lose Improvisationsbasis nimmt, wie manche es scheinbar gerne hätten.

Im übrigen können einem auch im Konzert die Tränen fließen. Undzwar nicht nur durch "irrationale/unbeschreibbare" Gefühlswallungen, sondern auch durch Erkenntnis. In dem Sinne, dass man Zusammenhänge innerhalb des Werkes deutlicher denn je, oder gar zum ersten mal wahrnimmt. Das Aufbauen der Stimmen und die Verflechtung ineinander.
Es mag natürlich ein Jammer sein, dass man dazu aufpassen und auch (wenngleich nicht nur) mit dem Kopf dabei sein muss...


Schöne Grüße, Raskolnikow
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
[...] ist Musik auf ihre Realisierung angewiesen.
Lassen sich aus dieser Beobachtung nicht noch nützliche "Folgegedanken" ableiten?
Anders als ein Roman, der eine endgültige, exakte Form haben muss, muss die Musik immer wieder von neuem ins Leben gerufen werden.
Sie ist deshalb nicht auf eine Realisierung angewiesen. Auch der Musik Schuberts schadet es in gewissem Sinne nicht, wenn sie schlecht aufgeführt wird. Im konkreten Fall mag die Musik vlt scheußlich sein, aber die Werke an sich bleiben davon völlig unberührt.
Banale Folgerung: Musik schlecht (/anders) zu spielen schadet ihr Gott sei Dank nicht :)


Zitat von Gomez de Riquet:
Was die Notationspraxis betrifft, so läßt sich eine Zunahme an Genauigkeit konstatieren.
[...]
Sie geht einher mit der Trennung zwischen Komponist und Interpret,
darüberhinaus dem Beginn der Repertoirepflege, die Komponisten überhaupt erst auf die Idee kommen ließ, der Nachwelt ihren musikalischen letzten Willen zu vermitteln.
Kannst du das noch näher ausführen? Mir leuchtet diese Erklärung des Phänomens nicht so recht ein. (Oder sollte das keine Erklärung sein?)

Warum sollte die Idee, "der Nachwelt ihren musikalischen letzten Willen zu vermitteln", erst mit der Trennung von Komponist und Interpret einsetzen? Welche Gründe gibt es, dass Strawinsky, Bartok, Ravel u.a. ihren "musikalischen Willen" exakter aufschreiben als bspw. Mozart oder Bach.

Zitat von Gomez de Riquet:
Aussagekräftig ist dieser Einwand leider nicht. Wir hatten das Thema
an anderer Stelle schon einmal - ich weiß nicht mehr, wo - besprochen:
Wenn Komponisten beim Interpretieren eigener Werke stümpern -
bedeuten ihnen die eigenen Vortragsbezeichnungen nichts -
oder sind sie ihrer Musik einfach spieltechnisch nicht gewachsen?
Warum ist es nicht aussagekräftig? Du sprichst bezeichnenderweise von "stümpern". Dass sie durchaus im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte anders spielen als sie im Notentext angeben, ist so unvorstellbar?

Ich argumentiere so, dass eben wie du selbst sagst, trotz gravierender Diskrepanzen in der Realisation ebenso überzeugende Interpretationen entstehen können. Aber kein Komponist hat mWn mehrere Möglichkeiten im Notentext angegeben. Eine Angabe wie mf-f, Andante-Moderato ist bestenfalls ungewöhnlich, drückt sie doch scheinbar Unentschiedenheit aus.
Der Notentext verlangt eine Genauigkeit, die der Komponist vlt gar nicht so fühlte? (mal ins Blaue hinein fantasiert)

Interessant fand ich z.B. im Variationsworkshop, dass DonBos in seiner Variation f angab, obwohl er ff als völlig richtig autorisierte. Lösung: Die vollen Akkorde und der ganze Charakter der Stelle verleite ohnehin zum ff. Zur Vermeidung von überlautem Dröhnen schrieb er f.

Lieben Dank für diesen spannenden Austausch

marcus
 

Frag nicht mich, oder willst Du mich - eingedenk Deines Tschechow-Mottos -
wie einen Dummkopf aussehen lassen?

Befrage die Musik, die gerade bei Dir auf dem Klavier steht.

HG, Gomez

Na hör mal, du appellierst an die Leserschaft, den Notentext "angemessen" zu verstehen, drückst dich aber um eine Antwort, was wir unter "angemessen" zu verstehen haben.
Ich tröste mich damit, dass du mit hoher Wahrscheinlichkeit das meinst, was gute Klavierlehrer ihren Schülern von der ersten Stunde weg vermitteln: das Bewußtmachen von Entscheidung (Rolf hat es bereits gesagt), oder anders: jeder Note eine klangliche Bedeutung beimessen zu können. Nichts dem Zufall überlassen.
Meinst du das?

LG, Sesam

P.S. Darf ich dich fragen, welche Musik du besonders gerne auf dem Klavier spielst?
 
nebenbei

Warum ist es nicht aussagekräftig? Du sprichst bezeichnenderweise von "stümpern". Dass sie durchaus im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte anders spielen als sie im Notentext angeben, ist so unvorstellbar?
von Tschaikowski weiß man, dass er als Klavierspieler seinen drei Konzerten nicht gewachsen war - von Reger weiß man, dass ihm seine eigenen Bachvariationen zu schwierig zu spielen waren - - denkt man das weiter: Verdi, Puccini, Wagner haben ihre eigenen Sopranarien nie gesungen :D:D
 
Im übrigen können einem auch im Konzert die Tränen fließen. Undzwar nicht nur durch "irrationale/unbeschreibbare" Gefühlswallungen, sondern auch durch Erkenntnis. In dem Sinne, dass man Zusammenhänge innerhalb des Werkes deutlicher denn je, oder gar zum ersten mal wahrnimmt. Das Aufbauen der Stimmen und die Verflechtung ineinander.
Es mag natürlich ein Jammer sein, dass man dazu aufpassen und auch (wenngleich nicht nur) mit dem Kopf dabei sein muss...

Hallo Raskolnikow,

so war es auch gemeint. Weniger gefühlsduselig verzückt, sondern berührt von dem kurzen Augenblick, in dem die Musik mit ihrer Stimmigkeit Schönheit offenbart. Natürlich bin ich mit dem Kopf dabei.

Kennst du die Wandlungen des Schönen, des Wahren und des Guten im Verlauf der abendländischen Kulturgeschichte?

LG, Sesam
 
eine interessante und lesenswerte Quelle hierzu:

Beethoven erscheint auf der Welt Jungs ! hoert doch endlich mal auf mit euerm Scheiss, dies Kotzt mich alles an , ihr Glucksscheisser diskutiert ueber Interpretationen ! Ihr habt doch keine Ahnung ,ihr habt mich aus dem Schlaf geweckt mit eueren fuerchterlichen Instrumenten , was war das ?
alles viel zu laut! Ich habe nie von einem Faustschlag F gesprochen, wo waren die Pes kein einziges habe ich gehoert, ihr seit doch bekloppt piepts bei euch ? Ich will meinen Streicher aber schnell ,sonst trette ich euch in den Hintern , diese Frechheit meine Kompositionen so zu verunstalten was erlaubt ihr euch ? dann noch zu behaubten ich wolle dies so , habe alles mitbekommen was bildet ihr euch den ein ! " ich kenne keinen von euch Voegeln " wo ist mein Streicher ! Ah da steht er ja ! das ist mein Instrument mein Streicher. :guitar2:
 
Beethoven erscheint auf der Welt Jungs ! hoert doch endlich mal auf mit euerm Scheiss, dies Kotzt mich alles an , ihr Glucksscheisser diskutiert ueber Interpretationen ! Ihr habt doch keine Ahnung ,ihr habt mich aus dem Schlaf geweckt mit eueren fuerchterlichen Instrumenten , was war das ?
alles viel zu laut! Ich habe nie von einem Faustschlag F gesprochen, wo waren die Pes kein einziges habe ich gehoert, ihr seit doch bekloppt piepts bei euch ? Ich will meinen Streicher aber schnell ,sonst trette ich euch in den Hintern , diese Frechheit meine Kompositionen so zu verunstalten was erlaubt ihr euch ? dann noch zu behaubten ich wolle dies so , habe alles mitbekommen was bildet ihr euch den ein ! " ich kenne keinen von euch Voegeln " wo ist mein Streicher ! Ah da steht er ja ! das ist mein Instrument mein Streicher. :guitar2:

...wollte Gott, der grimme Ludwig würde tatsächlich wiederauferstehen! :D:D:D
 

Dieser musikwissenschaftliche Begriff hat sich bisher außerhalb Frankreichs und der Schweiz noch nicht durchsetzen können, und sollte also auch nicht ohne Erklärung verwendet werden. Destenay meint wohl all jene, die dem Schöpfer des Orfeo aus Mangel an Verständnis Unrecht tun, indem sie in seine Musik zusätzliche, nicht im Notentext fixierte, Intentionen legen.
http://www.youtube.com/watch?v=_XQ6tjxuJ6g
 
Bin gerade noch über ein Zitat gestolpert, das in Anbetracht der laufenden Diskussion gleich doppelt passt...Nach Alfred Brendel ist geniales Klavierspiel
richtig und kühn zugleich. Seine Richtigkeit gibt uns zu verstehen: So muss es sein. Seine Kühnheit überrascht und überwältigt uns mit der Erkenntnis: Was wir für unmöglich gehalten haben, wird wahr. [...] Zur Kühnheit aber gehört jene Übertragung, die das Publikum in den Bann der Persönlichkeit zieht.

Das Zitat aus Brendels "Über Musik" ist im (schönen) Vorwort zu Jürgen Ottens Pianisten-Buch wiedergegeben; der wiederum paraphrasiert Brendel mit: "Kühn und richtig ist, was über die objektive Wahrheit hinausgeht und diese dennoch bewahrt".
 

Zurück
Top Bottom