4 Takte Bydlo, linke Hand

W

Wu Wei

Dabei seit
5. Mai 2006
Beiträge
2.421
Reaktionen
3
Hallo,
in folgender Zeile aus "Bydlo" (Mussorgski, "Bilder einer Ausstellung") sind mir die 4 letzten Takte in der linken Hand ein Rätsel.
125_Bydlo_1.jpg

Da die Notenwerte nicht mit dem 2/4-Takt übereinstimmen, scheint es sich ja nur um eine verdeutlichende Notierungsweise zu handeln. Doch ich weiß trotzdem nicht so recht, wie das gespielt werden soll. :?
 
Hallo Wu Wei,

Glatteis ist mein Lieblingsgelände, hier also meine wacklige Pirouette:

spiele einfach die Sexten in durchgehenden Achteln und lass dazu die untere Note jeweils eine Viertel lang liegen. Erst mal natürlich alle zusammen anschlagen.
Ich denke es ist weniger eine verdeutlichende als eine stümperhafte Notation. Das Original habe ich leider auch nicht sondern eben diese Version, die auch Dir vorliegt.
Ein sehr kompetenter Notensetzer ( :-D er wird dies vermutl. lesen und sei herzlich gegrüsst) hat mir neulich erklärt, wie sowas zustande kommt: man verletzt auch Verlagsrechte, wenn der Komponist seit 200 Jahren tot ist, sofern man einfach den Notensatz eines Verlages übernimmt und veröffentlicht. Daher nimmt man sinn- und klangerhaltende Veränderungen an der Schreibweise vor. Mal besser, mal schlechter....hier wohl eher schlechter.
Es könnte sich ursprüngl. um eine Anweisung zur Verwendung von Pedal oder Sostenutopedal gehandelt haben. Oder einfach um die Anweisung, die Viertel unten zu halten. Es könnte sich auch schlicht um einen Fehler handeln. Noch unwahrscheinlicher aber auch noch denkbar: Betonungszeichen. Oder Mussorgsky höchstselbst war besoffen...oder der Notensetzer.
Eine besondere allgemeingültige und gebrächliche Spielanweisung ist das in dieser Form aber nicht.
Mussorgsky selbst wird das auch nicht so eng gesehen haben.
Mein Tippp: zwar immer brav die Anweisungen der Komponisten befolgen. Wenn das Notenblattt allerdings haarsträubenden Unfug vorschlägt, interpretiere ich so, wie ich es vernünftig finde. SWenn im Notenblatt steht, ich soll mit den Knöcheln spielen oder gar im Takt mit dem Kopf an die Wand schlagen überlege ich mir das mindestens dreimal bevor ich es tue :P :P
 
Hallo Rosenspieß,
danke für die Antwort. So ähnlich haben meine Tochter (die muss es nämlich spielen) und ich uns das auch zusammengereimt, und wir sind erst mal zufrieden, dass wir nicht völlig verblödet zu sein scheinen.

Zitat von Rosenspieß:
... Wenn im Notenblatt steht, ich soll mit den Knöcheln spielen oder gar im Takt mit dem Kopf an die Wand schlagen ...
:lol:
Das erinnert mich an eine Anweisung, die wir früher mal spaßhafterweise Penderecki für ein Orgelwerk unterstellt haben: Der Organist schalte das Windwerk aus, lege sich mit Kopf und beiden Unterarmen quer über die gesamte Klaviatur und verlasse nach Verklingen des letzten Tones barfuß die Kirche ... (So absurd uns das damals erschien, ist es doch von den Praktiken manch zeitgenössischer Musikschöpfungen sicher längst in den Schatten gestellt worden. :lol: )
 
:P :P inzwischen findet man wirklich allerhand kurioses Zeugs, das wäre direkt mal einen eigenen Sammelthread wert.

Freut mich, wenn ich Dir und dem Nachwuchs dienlich sein konnte. Sicherheitshalber rufe ich aber Toccata oder den Titscher Franz herbei, ob sie was anderes dazu zu sagen haben. Toccaaaataaaaa, Fraaaanz!!!!

Dem ersten Konzertpianisten des Forums gebührt zweifelsfreie Auskunft. 8)
 
Zitat von Rosenspieß:
Bin schon da! :wink:

Ich denke, die Noten sind korrekt, in meiner Ausgabe steht es genau so.

Die Form von Bydto ist dreiteilig A - B - A

In Teil A sind die Begleitachtel mit einem Tenuto-Zeichen versehen.
Das heißt für mich, beide Akkorde sind gleichgewichtig mit sauberen Pedalwechseln verbunden zu spielen.

Bei Teil B stehen dann diese Viertel mit Hals nach unten.
Das heißt, jedes Viertel bekommt ein Pedal. Die Achtel mit Hals nach oben werden so dicht wie möglich gespielt.

Ich nehme an, Mussorgski hat bereits an das Orchester gedacht, auch wenn das Stück im Original für Klavier geschrieben ist. Die Orchesterfassung von Bilder einer Ausstellung ist ja von Ravel.
 
Zitat von Rosenspieß:
....was ich dann mal mit der doppelten Auslösung versuchen würde.

Damit alle etwas davon haben sollten wir "doppelte Auslösung" näher erläutern.

Eine bedeutende neue Erfindung im Pianofortebau machte 1823 Sebastian Erard, nämlich die doppelte Auslösung (double échappement), welche es ermöglicht, den Hammer noch einmal gegen die Saiten zu treiben, ohne die Taste vorher ganz loszulassen (Repetitionsmechanik).

Man kann damit tatsächlich die gleiche Taste mehrmals hintereinander anschlagen, ohne dass der Ton abgedämpft wird. So können also mehrere gleiche Töne ohne Pedal legato gespielt werden.
 
Zitat von Wu Wei:
(So absurd uns das damals erschien, ist es doch von den Praktiken manch zeitgenössischer Musikschöpfungen sicher längst in den Schatten gestellt worden. :lol: )

Da gibt`s so einiges... :roll:
Ich musste mal ein Werk spielen wo die linke Hand eine Basslinie spielte, die rechte Hand mit einem Suppenlöffel auf den (richtigen!) Saiten einen Rhythmus dazu klopfte und obendrein musste auch noch parallel dazu in einem gaaanz anderen Rhythmus ein griechisches Gedicht dazu geprochen werden. :shock:
Da kam ich dann doch an meine Grenzen - zumal ich kein Griechisch sprechen kann...

Die Frage ist dann auch oft: wie verrückt muss man sein, um so etwas zu komponieren und wem um Gottes Willen gefällt denn so etwas???
 

Zurück
Top Bottom