Total verunsichert

Tja, das müsstest Du auch erst mal testen. Evtl. kannste das ja mal mit @GSTLP ausprobieren: Nicht die Stoßzunge fühlen sondern den Hammer, wie er auf den Finger schlägt. Ich bezweifel, dass Du auch hier noch einen Unterschied bemerkst (von dolle und nicht so dolle mal abgesehen), aber würde mich auf jeden Fall interessieren!
Genau das würde ich auch einwenden. Dass man an der Stosszunge Unterschiede spürt erscheint mir logisch. Aber was letztlich für den Hammer und damit den Ton zählt ist die Energie die auf den Hammer übertragen wurde. Die kinetische Energie eines Objekts ist laut Physik E = 1/2*m*v^2, sie hängt also nur von der Masse und der Geschwindigkeit ab, und auf die Masse hat der Spieler keinen Einfluss.

Auf was, liebe "Seele des akustischen Klaviers"-Beschwörer, außer der Geschwindigkeit des Hammers, soll denn der Anschlag bitte schön einen Einfluss haben? (und jetzt bitte keine "das kann man mit der Sprache der Physik nicht erklären"-Ausflüchte ;-))
 
Genau das würde ich auch einwenden. Dass man an der Stosszunge Unterschiede spürt erscheint mir logisch. Aber was letztlich für den Hammer und damit den Ton zählt ist die Energie die auf den Hammer übertragen wurde. Die kinetische Energie eines Objekts ist laut Physik E = 1/2*m*v^2, sie hängt also nur von der Masse und der Geschwindigkeit ab, und auf die Masse hat der Spieler keinen Einfluss.

Auf was, liebe "Seele des akustischen Klaviers"-Beschwörer, außer der Geschwindigkeit des Hammers, soll denn der Anschlag bitte schön einen Einfluss haben? (und jetzt bitte keine "das kann man mit der Sprache der Physik nicht erklären"-Ausflüchte ;-))

Hallo,

ich gebe Dir bedingt recht, @Klaus6. Aus meiner naturwissenschaftlichen Brille gibt es zwei freie Parameter, die Lautstärke und Klang des mechanischen Klaviers beeinflussen:

1. die von Dir genannte Bewegungsenergie des Hammers. Diese ist alleine bestimmt von der Geschwindigkeit des Hammers nach Verlassen der Stoßzunge und der Masse des Hammers. Dieser Freiheitsgrad alleine würde es nicht erlauben, bei einer Lautstärke verschiedene Klangfarben zu erzeugen. Mathematisch-physikalisch gesehen: sowohl Obertonreichtum als auch Lautstärke sind Funktionen des Parameters Hammergeschwindigkeit.

2. den Anschlagspunkt des Hammers auf der Saite. Dieser hat einen direkten Einfluss auf den Obertongehalt des angeschlagenen Tons.

Wie sollte nun der 2. Parameter durch den Pianisten beeinflusst werden? Nach meinem Verständnis könnte dies geschehen durch eine unterschiedliche "Historie" in der Beschleunigung des Hammers, während dieser noch mit der Stoßzunge in Kontakt steht. Dies könnte zu unterschiedlichen elastischen Verformungen des Hammerstiels führen, welches zu einem vom Pianisten aus gesehenen Vor- und Zurückschwingen des Hammers während seines Flugs führen würde. Dies könnte eine Abweichung des Anschlagspunkts bewirken.

Allerdings fällt es mir schwer nachzuvollziehen: selbst wenn diese Verformung in einem relevanten Ausmaß erfolgt, wie kann diese durch einen Pianisten reproduzierbar gesteuert werden? Diese Fragen könnten z.B. durch Aufnahmen mit Hochgeschwindigkeitskameras beantwortet werden. Vielleicht gelänge es, den Unterschied der Kontrolle dieses Parameters durch gute oder weniger gute Pianisten direkt nachzuweisen.

Bei den Glaubenskriegen, die zu dem Thema ausgefochten werden, gibt es vielleicht bereits einen solchen Nachweisversuch. Kennt jemand solche Aufnahmen?

(genauer genommen gibt es noch einen dritten Parameter, der beim Spielen auch manchmal stören kann: die Auslenkung einer bereits schwingenden Saite im Moment eines erneuten Anschlags, aber der ist meines Erachtens garantiert nicht vom Pianisten zu steuern=

Viele Grüße
KrautundRueben
 
@KrautundRueben ich gebe dir Recht, deswegen sind Klaviertechniker ja auch sehr darauf aus, den Anschlagspunkt optimal einzustellen. Allerdings sehe ich nicht wie ein Spieler durch seinen Anschlag den Anschlagspunkt beeinflussen könnte, wie du ja auch sagst.

Ich glaube, dass viele unter dem Wort "Anschlag" und "Klang" nicht nur den einzelnen produzierten Ton sondern auch die Art, wie unterschiedliche Töne aufeinander folgen (z.B. wie "legato" oder "staccato") meinen. Dann ist natürlich nicht nur die Geschwindigkeit der Hammerköpfe, sondern auch die Zeitpunkte zu denen die Hammerköpfe und die Dämpfer ausgelöst bzw. zurückgesetzt werden relevant. Durch unterschiedliche Anschlagsarten kann man diese Parameter unterschiedlich gut kontrollieren, insofern macht es natürlich Sinn, verschiedene Anschlagsarten zu beherrschen. Das sind aber alles Techniken, die man auf einem digitalen Piano (abgesehen von den bereits genannten Nachteilen) genau so einsetzen kann.
 
Bei den Glaubenskriegen, die zu dem Thema ausgefochten werden, gibt es vielleicht bereits einen solchen Nachweisversuch. Kennt jemand solche Aufnahmen?
Es gibt da einige Untersuchungen, zum Beispiel hier:
https://arxiv.org/pdf/1011.4560.pdf
und hier:
https://www.speech.kth.se/music/5_lectures/contents.html

Hier ist ein Teil der sich explizit mit der Fragestellung die wir diskutieren auseinandersetzt:
https://www.speech.kth.se/music/5_lectures/askenflt/pianist.html
Der Autor bringt noch einen interessanten Aspekt in die Diskussion ein, nämlich das Tastengeräusch beim Auftreffen der Holztaste (gibt sogar ein Sound-Sample dazu).

Ich liebe die sehr typisch wissenschaftlerische Zusammenfassung des Autors:

"In summarizing the present results, we cannot rule out the possibility that the pianist's touch may have an influence on the character of the piano tone." :-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich gleube Eiuch Physikern ja auch. NUR: Man setze einen Amateuer, einen Halbprofi und einen Spitzenpianisten in einem Raum mit guter Akustik an ein sehr gutes Instrument. Alle spielen nur einzelne Töne mit dem Ziel unterschiedlichste Klangformen zu erzeugen. Die Unterschiede werden gewaltig sein! Obwohl doch das simple Variieren der Geschwindigkeut reichen müsste - und das schafft eben auch der Anfänger...

Erklären kann ichs aber auch nicht.

Der vermutlich folgende Einwand, alles was man (heute!) nicht erklären könne, sei Humbug, Esoterik oder Einbildung, scheint mir allerdings sehr hochtrabend anthropozentrisch...
 
Der vermutlich folgende Einwand, alles was man (heute!) nicht erklären könne, sei Humbug, Esoterik oder Einbildung, scheint mir allerdings sehr hochtrabend anthropozentrisch...

@fisherman, es könnte da noch einen Faktor in dem von Dir geschilderten Versuchsaufbau geben: den psychologischen Faktor, dass der Zuhörer weiß, wer da am Instrument sitzt.

Den Faktor könnte man durch eine Blindstudie eliminieren. Wäre mal spannend ob dann nach Anonymisierung der Tonerzeuger noch ein statistisch relevanter Unterschied festgestellt wird...
 
Den Faktor könnte man durch eine Blindstudie eliminieren. Wäre mal spannend ob dann nach Anonymisierung der Tonerzeuger noch ein statistisch relevanter Unterschied festgestellt wird...
Ich habe nochmal ein bisschen recherchiert und es gibt tatsächlich eine solche Studie:
https://iwk.mdw.ac.at/goebl/papers/GoeblBresinFujinaga2014-JASA-PianoTouchQuality.pdf
Das Resultat der Studie ist, dass unterschiedliche Anschlagsarten Einfluss auf die Nebengeräusche (Geräusch des Fingers beim Berühren der Taste, Geräusch der Taste beim Auftreffen auf den Stopper) haben, aber der eigentliche Ton der Saite unbeeinflusst ist und auch von Hörern nicht unterschieden werden kann. Anders ausgedrückt, wenn man die ersten 100ms weglässt hören sich alle Anschlagsarten bei gleicher Lautstärke gleich an.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir ist bei dem Expereriment unklar, wieso man mit der eigenen Fingersensorik am anderen Ende der Mechanik wesentlich anderes fühlen sollte, als der andere ausübenden Finger und vor allem was dieses Fühlen mit dem Schwingungsverhalten der Saite zu tun hat.
Es gibt nicht nur technisch-wissentschaftlich Denkende sondern auch Pianisten, die einzig Lautstärkenunterschiede als Gestaltungsmittel gelten lassen, Hier Karl Betz, Pianist und Professer aus Würzburg.
http://karlbetz.de/kapitel12.pdf
 
Jedes individuelle akustische Instrument ist ein bisschen anders. Gar nicht zwingend besser oder schlechter, anders eben. Auch innerhalb einer Marke. Und dann kommt der Klavierbauer und macht es noch einmal ein bisschen anders, wenn man möchte.

Das elektrische Gerät gibt nur das Geräusch ab, das irgendwer mal irgendwann/irgendwo gesampelt hat. Da ist nicht individuell. Und wiederum: Auch das hat Vorteile und Nachteile.

Es hat doch keinen Sinn, jemandem seine persönlichen Präferenzen ausreden zu wollen.

Am besten stellt man sich beides hin, und dann ist Ruhe (buchstäblich). :lol:
 
... mit Ausnahme der Seitenverschiebung..., Die dir den anderen, in aller Regel einiges weicheren Filz unter den Anschlagsfinger gibt, der nicht so hart gespielt ist neben der Rille ... da lässt er dich ran.

Macht also mal bewusst von der Verschiebung Gebrauch. Das ist erstaunlich, spannend, was man da machen kann.

das hat Hr. Gruzman in dem von @Stilblüte genannten Workshop ebenfalls vorgeführt, und das war wirklich spannend. Wie unterscheidet sich der Klang mit und ohne Verschiebung?

Herr Gruzman hat dabei unsere Aufmerksam auf den "Sustain" eines Tons gelenkt.

Werden alle drei Saiten eines Chors gleichzeitig angeschlagen, dann verklingt der Ton nach dem Anschlag auch relativ gleichmäßig mit leichter Wellenbewegung, da die Amplitude aller drei Saiten ab dann aufgrund der immer vorhandenen Energieabgabe an die tragenden Teile und die Luft relativ gleichmäßig abnimmt.

Anders, wenn verschiebungsbedingt eine Saite nicht angeschlagen wird. Diese fängt nach dem Anschlag an sympathisch mitzuschwingen. Dafür muss aber erst Energie von den anderen Saiten auf diese übertragen werden, was eine gewisse Zeit dauert. Und das kann man hören! Der Effekt ist, dass nach dem Anschlag nach wenigen Sekunden der Ton erneut "aufblüht" sobald die nicht angeschlagene Saite voll angeregt ist. Und das führt dazu, dass der Ton deutlich länger "trägt". Das ist mir vorher nie in dem Maß aufgefallen!

Da der Ton immer von Hn. Gruzman angeschlagen wurde und der direkte Vergleich zwischen Verschiebung und Nichtverschiebung möglich war, gehe ich hier nicht von einer psychologischen Täuschung aus.

Einfach nochmal zuhaus probieren und hinhören!

Viele Grüße
KrautundRueben
 

Voraussetzung ist allerdings, dass die Mechanik richtig eingestellt ist, was leider oft nicht der Fall ist. Die dritte Saite darf vom Hammer nicht berührt werden.
 

Ich auch, und zwar von deinem grottenschlechten Deutsch. Vor kurzem habe ich mir ein schönes Schimmel Klavier gekauft. 112 hoch und knapp 146 breit. Kommt es genau auf den letzten Zentimeter an? 1500€ plus Transport plus Stimmung plus demnächst Regulation. Da komme ich etwa auf 2000, habe dann aber ein zwar kleines aber wirklich schönes Klavier. Was du nicht machen darfst, ist Händler aufsuchen. Die zocken dich bei diesen Preisen ab.
 
Voraussetzung ist allerdings, dass die Mechanik richtig eingestellt ist, was leider oft nicht der Fall ist. Die dritte Saite darf vom Hammer nicht berührt werden.
... woraufhin ich die Verschiebung zuhause gleich selbst neu reguliert habe, die war nämlich tatsächlich falsch eingestellt. @GSTLP - nicht von Dir! Da hatte ich selbst "nach Gehör" Hand angelegt.
 
... woraufhin ich die Verschiebung zuhause gleich selbst neu reguliert habe, die war nämlich tatsächlich falsch eingestellt. @GSTLP - nicht von Dir! Da hatte ich selbst "nach Gehör" Hand angelegt.

... und jetzt schraubt gleich jeder zu Hause an seinem Flügel rum?

Es ist nicht entscheidend daß die 3.Saite nicht angeschlagen werden darf - was soll denn dann bei einem z.B. 1-saitigen Ton angeschlagen werden?
Auch bei den 2-saitigen Chören werden beim linken Pedal immer noch beide Saiten angeschlagen.

Es geht darum daß der Hammer die Saiten mit einer anderen Stelle des Filzes trifft, welche anders intoniert ist und deswegen eine etwas andere Klangfarbe erzeugt - bei einem 3-saitigen Chor ergibt sich in der Regel daß die 3. Saite nicht direkt angeschlagen wird - es gibt aber auch Einstellungen bei bekannten Herstellern wo die 3. Saite noch gestriffen oder ganz knapp nach getroffen wird und alles ist richtig solange die Klangfarbe sich unterscheidet.
 
Die Umsetzung der Transversalschwingung am vorderen Stegstift, wo die Ablenkung zur Seite einen Anteil Seitwärts-Schwinugng einleitet, bzw. eine Rotation der Saitenschwingung, die man mit Hochgeschwindigkeitskameras aufzeichnen und dann auswerten kann.
oder ob du eine Agraffe auf dem Steg hast
Bei den Stegagraffen, die ich verwendet habe, tendieren die angeschlagenen Saiten aus der vertikalen Schwingung nach einiger Zeit auch in die Seitwärtsschwingung.
Dazu brauche ich keine Hochgeschwindigkeitskamera. Ein dicht dabeistehender Metallwinkel wird nach einiger Zeit von der schwingenen Saite berührt.
Toni
 
Wenn es nur zwei Saiten gibt, wird die dritte sowieso nicht angeschlagen... :-D
 
... und jetzt schraubt gleich jeder zu Hause an seinem Flügel rum?

Erstens mal bin ich nicht jeder, und zweitens: bei allem Respekt für das Klavierbauerhandwerk und Verständnis für die Furcht vor Verdienstausfällen: es gibt keinen Zwang, für Veränderungen am eigenen Flügel einen Klavierbauer zu engagieren. Überlasse doch diese Entscheidung bitte jedem Einzelnen. Jeder ist dann auch selbst dafür verantwortlich, wenn ihm die Saiten um die Ohren fliegen.

Eines ist auch klar: nur weil ich das tue rate ich keinem anderen, es mir gleich zu tun.
 
ich hab jetzt auch mal in Google nach "Piano Funktion linkes Pedal" gesucht - und sage und schreibe die obersten sechs Einträge sprechen ALLE davon, dass die Mechanik so weit verschoben wird, dass bei den dreiseitigen Chören nicht mehr alle Saiten angeschlagen werden. Darunter sind auch Klavierbauerseiten. Weiter habe ich dann nicht mehr geschaut, da mir langweilig wurde.

In einem Video von Piano Lang sieht man sogar, wie die Mechanik so weit verschoben wird bis die Kerben im Hammer wieder nahezu auf die Positionen der Saiten fallen, also ziemlich genau um den Abstand einer Saite zur Nachbarsaite verschoben wird.

@Peter: da so offtopic, vielleicht die Nachrichten zu dem Thema in einen eigenen Faden verschieben?
 

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