Beethoven und das "Zurückhalten"...

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Romantiker

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Ich habe gestern mit meiner Klavierlehrerin den ersten Satz der 17. sonate beethovens durchgesprochen und auch im hinblick auf die chorfantasie, die ich ja auch übe sind wir dabei zu einem wesentlichen ergebnis gekommen, und zwar den effekt des "Zurückhaltens". Ich meine damit das man damit bei besonders dramatischen stellen und/oder übergängen nicht beschleunigt, sondern die emotion in dem maße zurückhält, als dass sie nicht überkocht. Das muss nicht mal heißen, dass man langsamer spielt, sondern einfach das gefühl hat es etwas langsamer und breiter zu spielen, indem man nicht beschleunigt, und somit quasi das gefühl hat als würde man immer noch etwas zurückhalten. Wir waren beide der meinung, dass dies oft einen viel größeren effekt haben kann als ein beschleunigen. wir waren ebenso beide der meinung, dass dies in vielen stücken beethovens praktikabel und sinnvoll ist.

was denkt ihr dazu? kennt ihr das, durch weniger einen größeren effekt zu erzielen ?
 
Ich habe gestern mit meiner Klavierlehrerin den ersten Satz der 17. sonate beethovens durchgesprochen und auch im hinblick auf die chorfantasie, die ich ja auch übe sind wir dabei zu einem wesentlichen ergebnis gekommen, und zwar den effekt des "Zurückhaltens". Ich meine damit das man damit bei besonders dramatischen stellen und/oder übergängen nicht beschleunigt, sondern die emotion in dem maße zurückhält, als dass sie nicht überkocht. Das muss nicht mal heißen, dass man langsamer spielt, sondern einfach das gefühl hat es etwas langsamer und breiter zu spielen, indem man nicht beschleunigt, und somit quasi das gefühl hat als würde man immer noch etwas zurückhalten. Wir waren beide der meinung, dass dies oft einen viel größeren effekt haben kann als ein beschleunigen. wir waren ebenso beide der meinung, dass dies in vielen stücken beethovens praktikabel und sinnvoll ist.

was denkt ihr dazu? kennt ihr das, durch weniger einen größeren effekt zu erzielen ?


Hallo Romantiker,

meinst du denn, das wäre eine gestalterische Möglichkeit nur für Beethoven?

Meiner Meinung trifft das als Möglichkeit bei vielen Steigerungen zu, unabhängig vom Komponisten ( vielleicht besonders in der Romantik etc.). Vielleicht verstehe ich dich aber auch falsch. Ist es nicht so, dass du dem "Pferd" dann später doch die Zügel schießen lässt? Oder hältst du bis zum Ende diese Zurückhaltung aufrecht?

Wenn die Musik vorwärtsdrängt und sich zu dramatischen Höhepunkten steigert, erhöht es auf jeden Fall die komponierte Spannung, wenn man nicht sofort losgaloppiert wie ein Irrer :p, sondern die größte Steigerung für den Schluss aufhebt und quasi flüsternd leise und gedehnter beginnt. Aber gegen Ende wird man doch auf jeden Fall so viel steigern wie möglich, in der Dynamik, bei schnellen Stellen auch im Tempo, um die verlorene Zeit wieder einzuholen (Agogik).

Aber vielleicht verstehe ich dich ganz falsch. An welche Stelle der Sonate denkst du denn? Mit einem konkreten Beispiel lässt es sich besser diskutieren. :p Am Anfang des schnellen Teils geht's doch irgendwann richtig ab! :p

Liebe Grüße

chiarina
 
Mir ist klar, daß Ihr gerade von anderen Aspekten sprecht - aber als generellen Tip möchte ich noch einflechten, daß man die Musik zwar "aufregend" klingen lassen sollte, aber nicht selber aufgeregt werden sollte, sondern innerlich und körperlich entspannt bleiben sollte!

Sonst erhält man hektisches, undifferenziertes, balleriges Spiel.

LG,
Hasenbein
 
Laut Czerny und 2-3 anderer "Zeitzeugen" soll Beethoven gelegentlich (und nicht ständig!!!) bei einem Crescendo etwas verlangsamt haben.

Ein Anziehen des Tempos muss nicht sein, und ein leichtes Verzögern des Klanghöhepunktes verdeutlicht ihn (gemäß der alten Regel, Akzente etc. leicht verspätet zu bringen)

Aber emotionale Zurückhaltung schmälert in jedem Fall den auskomponierten Affekt - - man stelle sich vor, die lang anvisierte ff C-Dur Apotheose am Ende der Etüde op.25 Nr.12 von Chopin käme bloß mezzoforte... ...

Musik hat starke Effekt und Affekte, und die wollen und sollen auch dargestellt sein - also bloß keine Scheu!
 
Ein Anziehen des Tempos muss nicht sein, und ein leichtes Verzögern des Klanghöhepunktes verdeutlicht ihn (gemäß der alten Regel, Akzente etc. leicht verspätet zu bringen)


Hallo Rolf,

du hast natürlich völlig recht, allerdings hatte ich die Einleitung der Sturmsonate im Kopf, von der Romantiker gesprochen hatte. Wenn man da in den ersten 20 Takten der Einleitung sich (im Tempo/ dynamisch ...) immer nur zurückhält und nicht auch mal nachgibt und nach vorne spielt (z.B. nach dem forte in T. 13), wird die Dramatik nicht ausgeschöpft. Aber vielleicht meinte Romantiker diese Stelle gar nicht.

Liebe Grüße

chiarina
 
Wenn man da in den ersten 20 Takten der Einleitung sich (im Tempo/ dynamisch ...) immer nur zurückhält und nicht auch mal nachgibt und nach vorne spielt (z.B. nach dem forte in T. 13), wird die Dramatik nicht ausgeschöpft.

Largo
Allegro (beschleunigend) - Adagio
Allegro (beschleunigend - Takt 20 evtl. etwas rit.)
Allegro ab Takt 21 in geradem Tempo
- - meinst Du es ungefähr so? Das dürfte wirkungsvoll sein. Dynamische Zurückhaltung dürfte unangemessen sein: Beethoven organisiert die Kontraste ja ganz deutlich, und er verwendet starke Kontraste.
Bzgl. des Tempo: ab Takt 21 läuft dann der eigentliche Sonatenkopfsatz, und der sollte keine auffallenden Temposchwankungen im Allegro haben.

herzliche Grüße,
Rolf
 
Largo
Allegro (beschleunigend) - Adagio
Allegro (beschleunigend - Takt 20 evtl. etwas rit.)
Allegro ab Takt 21 in geradem Tempo
- - meinst Du es ungefähr so? Das dürfte wirkungsvoll sein. Dynamische Zurückhaltung dürfte unangemessen sein: Beethoven organisiert die Kontraste ja ganz deutlich, und er verwendet starke Kontraste.
Bzgl. des Tempo: ab Takt 21 läuft dann der eigentliche Sonatenkopfsatz, und der sollte keine auffallenden Temposchwankungen im Allegro haben.

herzliche Grüße,
Rolf


Aber absolut! Ich hatte vor allem die anfängliche dramatische Entwicklung des 2. Allegros gemeint, die sich vom piano zum forte zunächst bis T. 13 steigert (vielleicht meinte Romantiker diese Stelle, *rätselrat :p* ) und sich dann weiter bis zum Thema fortsetzt.

Vielleicht meinte er ja, dass er das crescendo etwas hinauszögert und eventuell anfangs (T.9/10) die Achtelvorhalte etc. etwas dehnt, um die Spannung zu erhöhen. Mir fällt sonst keine andere Stelle ein, wo so etwas überhaupt möglich wäre. Und wenn man diese Zurückhaltung bis zum Thema aufrechterhalten würde, würde das dieser Wahnsinnseinleitung nicht gerecht (sforzati, unisono im Bass, Chromatik ...... = Verstärkung = Zunahme der Dramatik/Dynamik).

Aber jetzt habe ich schon zweimal "vielleicht" und einmal "rätselrat" geschrieben ..... :p - Aufklärung tut not!

Kuckuck - Romaaaaaantiker :p !

Liebe Grüße

chiarina
 
Mit ausdrucksbedingten Verzögerungen an herausragenden Stellen muss man meiner Meinung nach dosiert umgehen (nicht nur bei Beethoven). Ich höre manchmal Einspielungen, bei denen ich das Gefühl von Gezwungenheit habe, so als ob der Interpret mit aller Gewalt noch mehr ausdrücken wollte als ohnehin schon. Und dann noch mehr und noch mehr. Das kommt daher, dass mit den Ausdrucksmitteln zu früh gewuchert wird und einem dann für den Rest des Stücks die Puste ausgeht. Dann hilft nur noch Gewalt - und das Stück wird "kaputtgespielt".

Verzögerungen sind (vor allem in romantischer Musik) ein wichtiges Ausdrucksmittel. Aber man sollte sie immer im Hinblick auf das gesamte Stück bzw. im Hinblick auf die musikalische Entwicklung innerhalb des ganzen Stücks einsetzen.

Etwas anderes, was ich auch gelegentlich beobachte, ist, dass an den falschen Stellen verzögert wird. Das ist sicher auch Geschmackssache, aber manchmal ist es dem "Energiefluss" des Stückes angemessener, ohne Zurückhaltung zu spielen. Zum Beispiel wird bei Schlüssen manchmal zu früh gebremst. Ich habe unten das Ende von Brahms' Händel-Variationen, op. 24 angehängt. Meinem Empfinden nach sollte man hier bei den 16teln (=drittletzter Takt) noch nicht verzögern, sondern erst bei den beiden Schlussakkorden. In folgender Einspielung wird jedoch schon bei den 16teln gebremst, das nimmt dem Schluss einen Teil seiner Wirkung. Oder milder ausgedrückt: die Wirkung verändert sich sehr, je nachdem wann verzögert wird. Mir gefällt das Ende der Fuge ohne Zurückhaltung besser.

http://www.youtube.com/watch?v=9iSmkhmUTXE#t=4m10s

Grüße von
Fips
 

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  • Brahms - Händel-Variationen, op. 24 - Schluss der Fuge.jpg
    Brahms - Händel-Variationen, op. 24 - Schluss der Fuge.jpg
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Natürlich ist mir klar, dass das ein unsiversales Gestaltungsprinzip ist, das nicht an Beethoven gebunden ist. Ich hatte hier lediglich Beethoven alleine erwähnt, da ich mir diese Frage beim Einstudieren zweier seiner Werke gestellt habe.
Und natürlich ist mir auch klar, dass man zur richtigen Zeit "die Zügel wieder schießen lassen muss, habe ich hier nur nicht erwähnt.

Mir geht es wie ihr auch schon erwähnt habt um ein sinnvoll dosiertes Einsetzen dieses Effekts. Konkret bei dieser Sonate pflege ich in der Introduktion die Anfänge der Allegro-Teile ein wenig langsamer anzugehen und im Tempo zu steigern (hier die Verzögerung aber nur minimal). Am Ende des ersten Allegro-Teils mache ich kein ritardando, sondern spiele bis zum sforzato durch.
Ein Zurückhalten scheint mir hier dramaturgisch sehr sinnvoll in Takt 12, aber wie chiarina auch einwandte, lasse ich es von oben herunter (T.13) "laufen".
Außerdem mache ich noch eine kleine Verzögerung in T. 20, bei der ich gemerkt habe, dass sie mir technisch sogar entgegenkommt, da es mit einer kleinen Verzögerung ein wenig einfacher ist den Anfang des Hauptthemas klanglich gut zu gestalten.(Das soll aber nicht heißen, dass ich nur deshalb die Verzögerung mache, erschiene sie mir nicht musikalisch sinnvoll, würde ich auch darauf hinarbeiten sie zu "entfernen" !!)

Ab dem Anfang des Hauptthemas bin ich wie rolf der Meinung, dass das Tempo im Großen und Ganzen gleich bleiben sollte. Kleine Verzögerungen mache ich hier nur noch in T. 68 (hoffe ich hab mich nich verzählt ;) ), das is der Anfang der Stelle mit dem Achtel-Lauf in der l.H und den "seufzenden Terzen" in der r.H. .(und bei der entsprechenden Stelle in der Reprise)

Wie rolf schon sagte sit die Introduktion durch starke Kontraste geprägt, einerseits die poetisch-lyrische Akkordbrechung im Largo und dann die unruhigen Achtel im Allegro. In T.13 muss für mich der Höhepunkt der Einleitung liegen und deshalb erscheint mir das Zurückhalten in T.12 äußerst sinnvoll, um den Effekt zu verstärken.
 
In T.13 muss für mich der Höhepunkt der Einleitung liegen und deshalb erscheint mir das Zurückhalten in T.12 äußerst sinnvoll, um den Effekt zu verstärken.

Damit spielst Du gegen Beethovens Rhythmik: in Takt 12 sind die Akkorde synkopisch, in Takt 13 nicht - das begreift man nicht, wenn Takt 13 zu spät bzw. nach einer Verzögerung beginnt. (ganz ähnlich sind die Synkopen vor der Schlußgruppe im 3. Satz op.27,2)

Überhaupt laufen die kurzen Allegro-Abschnitte des Anfangs immer in ein Ziel hinein - eigentlich stoppt kein Läufer vor dem Zielband, oder?
 

Wie du schon sagst, würde ich es eher als ein Gestaltungsmittel allgemein sehen, als es jetzt auf Beethoven zu fixiereren. Aber selbst wenn man einen Komponisten aussuchen müsste, auf welchen das sehr oft zutrifft, würde ich Beethoven eigentlich ziemlich meiden. Gerade er benutzt (im Vergleich mit seinen klassischen Zeitgenossen) eine vergleichsweise "aggressive" musikalische Sprache, die sich durch zahlreiche Synkopen, rhythmische Verschiebungen, urplötzliche Sforzati etc. ausdrückt. Natürlich soll man kein Karate aufm Klavier spielen, aber zurückhalten muss man sich bei Beethoven (an den richtigen Stellen) eigentlich nicht so.. ;)

Alles Liebe
 

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