Troubadix
Dorfpolizist
- Dabei seit
- 3. Mai 2011
- Beiträge
- 2.516
- Reaktionen
- 2.521
„Es wäre schrecklich für mich, nichts als ein Komponist von Sonaten und Sinfonien zu bleiben.“, sagte Skrjabin einst seinem Freund Leonid Sabanejew. Man darf dies nicht falsch verstehen. Skrjabin hatte nichts gegen Sonaten und Sinfonien, er sah sie aber als Sinnbild der absoluten Musik. Skrjabin wollte mehr. Er wollte alle Künste zu einem höheren Zweck vereinen, die Welt verändern, eine vollkommene und allumfassende Kunst schaffen.
Damit begrüße ich euch zu diesem, von mir ja im Faden über Polyrhythmik vor ein paar Wochen bereits angedrohten Thread über die Sonaten Skrjabins. Mit Skrjabin ist es seltsam… Jeder kennt ihn irgendwie, es fallen einem sofort Schlagworte wie Farbenklavier, Polyrhythmik, Tritonus, Skrjabin-Akkord, Prometheus-Harmonik und ähnliches ein, aber es überlege mal jeder für sich, wie viele Stücke er von Skrjabin wirklich im Ohr hat. Wer kennt seine wundervollen Preludes (kennt ihr dieses zum Beispiel?), seine Etüden (außer op.8 Nr.12 ;)), wer kann auf Anhieb den Beginn seines Klavierkonzertes oder seiner dritten Sinfonie summen? Ich wette, dass das Ergebnis bei vielen recht dürftig ausfällt und das ist sehr schade.
Mit den Sonaten ist es ähnlich. Knapp die Hälfte von ihnen kann man ruhigen Gewissens zum (zumindest erweiterten) Standardrepertoire zählen, dennoch habe ich das Gefühl, dass sie nicht so bekannt sind, wie sie sein sollten (ihr dürft gerne widersprechen, wenn ihr es anders empfindet). Dabei gehören sie mit zu dem Schönsten, was die Spätromantik, bis hin zur Frühmoderne zu bieten hat. Man kann an ihnen sehr schön die Entwicklung Skrjabins verfolgen. Sind anfangs noch die Einflüsse Chopins zu erkennen, so löst er sich ab op.19 immer mehr von ihm, später auch von den gewohnten Formen, ja sogar von der Tonalität. Der anfangs akkordische, weicht immer mehr einem figurierten Satz mit faszinierenden Klangimpressionen statt klaren Melodien.
Wie viele Sonaten hat Skrabin eigentlich geschrieben? Viele haben wohl die Zahl 10 im Sinn, tatsächlich sind es aber 12 und eine unvollendete, nur werden die zwei Jugendwerke in gis-Moll und es-Moll sowie die unvollendete Sonate (auch ein Jugendwerk) oft unterschlagen. Daran ist Skrjabin übrigens teilweise selbst schuld, da er seinem Jugendwerk äußerst kritisch gegenüberstand. Er spielte sie auch nie im Konzert und bemühte sich nicht um die Komplettierung unvollendeter Stellen. So wurde von der es-Moll-Sonate nur der Kopfsatz gerettet und als Allegro appassionato op.4 herausgegeben. Dabei zeigen diese ersten Sonaten bereits Skrjabins Auseinandersetzung mit der „Krise der Sonatenform“.
Ich möchte diesen Faden nun etwas anders gestalten, als den Szymanowski-Faden. Hier kann und soll jeder zu jeder Zeit über alles schreiben, was ihm zu irgendeiner der Sonaten in den Sinn kommt, ganz egal ob ich diese Sonate schon erwähnt habe oder nicht. Dies können gerne Aufnahmen, Meinungen zu den einzelnen Sonaten, Erfahrungen, wer Lust hat auch gerne Analysen usw. sein. Vielleicht kann ja der eine oder andere sogar etwas über Spielerfahrungen mit einer der Sonaten sagen. Ich werde wie gewohnt im Laufe des Fadens wieder in unregelmäßigen Abständen (hab leider momentan nicht so viel Zeit, wie beim Szymanowski-Faden) zu jeder Sonate schreiben, was ich darüber weiß, auch abhängig davon, in welche Richtung sich der Faden entwickelt. Und bitte: Scheut euch nicht mir mitzuteilen, wenn ich irgendwo mal Blödsinn schreibe, ich will schließlich auch etwas dabei lernen.
Vielleicht noch zum Schwierigkeitsgrad: Skrjabin beginnt sein Sonatenwerk auf sehr hohem Schwierigkeitsgrad und steigert diesen bis ins Exorbitante, es sind also wirklich harte Brocken. Für den weit fortgeschrittenen Amateur sind wohl nur einzelne Sätze aus den frühen Sonaten drin, hören darf sie aber zum Glück jeder. :)
Beginnen möchte ich mit seinen Jugendsonaten. Wie gesagt zeigt sich bereits hier die Auseinandersetzung mit der „Krise der Sonatenform“, die in der Zeit nach Beethoven um sich schlug. Skrjabin schrieb die beiden Sonaten im 15. und 17. Lebensjahr. Nach eigenem Bekunden hat Skrjabin das Studium der Sonaten Beethovens „aus Langeweile“ abgebrochen, dennoch waren sie ihm bekannt. So kannte er natürlich auch dessen zweisätzige Sonaten und die beiden „Sonata quasi una fantasia“. Ebenso dürften ihm die verkappten Sonaten von Schumann (Fantasie in C-dur) und Schubert (Wanderer-Fantasie) als Lösungsversuche der „Krise der Sonatenform“ bekannt gewesen sein. Eine romantische Erneuerung bei den Sonaten, nämlich ein „Basismotiv“, das alle Sätze zumindest unterschwellig miteinander verbindet (Chopin Sonate in h-moll, Brahms Sonaten, Francks Violin-Sonate in A-dur...) und letztendlich sogar auf Beethoven selbst zurückgreift und in seiner radikalsten Form in der Einsätzigkeit von Liszts h-Moll-Sonate mündet, war Skrjabin bekannt.
Als Skrjabin seine gis-moll-Sonate schrieb, war er gerade mal vierzehneinhalb Jahre alt. Gewidmet ist sie seiner ersten großen Liebe, Natalia Sekerina. Bereits im Namen weist Skrjabin darauf hin, dass es sich um keine Sonate mit klassischem Aufbau handelt, sondern um eine „Sonate-Fantasie“. Die Sonate besteht aus zwei Sätzen, wobei der erste, langsame Satz (Andante) eher als Einleitung wirkt und fließend in den zweiten, schnellen Satz (Allegro vivace) übergeht. Harmonisch ist sie deutlich an der Romantik orientiert, auch rhythmisch sind die so typischen Besonderheiten Skrjabins noch nicht vorhanden. Dennoch handelt es sich um ein Jugendwerk, das man sich durchaus mal anhören sollte.
Zum Anhören: Skrjabin – Sonate-Fantasie op. posth.
Hier die Noten.
Bei der es-Moll-Sonate geht Skrjabin einen anderen Weg. Er wollte die mehrsätzige Sonate mit den Themen des ersten Satzes in einen festen Rahmen spannen, ohne an der Mehrsätzigkeit zu rütteln. Die beiden Themen durchziehen also nicht die gesamte Sonate, sondern werden als Coda im Final-Satz drangehängt.
Wie gesagt ist von dieser Sonate nur der Kopfsatz erhalten geblieben und als Allegro appassionato op.4 veröffentlicht. Einem wilden Beginn in Triolen folgt ein lyrisches Seitenthema. In der linken Hand zeigt sich bereits die für Skrjabin typische Weitgriffigkeit, auch die ständigen extremen Dynamiksprünge sind typisch. Die anschließende Durchführung ist auch Harmonisch um einiges fortgeschrittener, als die gis-Moll-Sonate. Die Polyrhythmik kommt ebenfalls mehr zur Geltung. So findet man bereits Polyrhythmen im 3/2, 4/3 und sogar 5/3. Eine Kadenz in vollen Akkorden führt uns zur Reprise.
Zum Anhören: Skrjabin – Allegro appassionato op.4
Hier die Noten.
So, das war einmal der Anfang. Ich hoffe, ihr findet Gefallen an diesem Faden und natürlich freue ich mich auch über jede Unterstützung, Meinungen etc…
Viele Grüße!
Damit begrüße ich euch zu diesem, von mir ja im Faden über Polyrhythmik vor ein paar Wochen bereits angedrohten Thread über die Sonaten Skrjabins. Mit Skrjabin ist es seltsam… Jeder kennt ihn irgendwie, es fallen einem sofort Schlagworte wie Farbenklavier, Polyrhythmik, Tritonus, Skrjabin-Akkord, Prometheus-Harmonik und ähnliches ein, aber es überlege mal jeder für sich, wie viele Stücke er von Skrjabin wirklich im Ohr hat. Wer kennt seine wundervollen Preludes (kennt ihr dieses zum Beispiel?), seine Etüden (außer op.8 Nr.12 ;)), wer kann auf Anhieb den Beginn seines Klavierkonzertes oder seiner dritten Sinfonie summen? Ich wette, dass das Ergebnis bei vielen recht dürftig ausfällt und das ist sehr schade.
Mit den Sonaten ist es ähnlich. Knapp die Hälfte von ihnen kann man ruhigen Gewissens zum (zumindest erweiterten) Standardrepertoire zählen, dennoch habe ich das Gefühl, dass sie nicht so bekannt sind, wie sie sein sollten (ihr dürft gerne widersprechen, wenn ihr es anders empfindet). Dabei gehören sie mit zu dem Schönsten, was die Spätromantik, bis hin zur Frühmoderne zu bieten hat. Man kann an ihnen sehr schön die Entwicklung Skrjabins verfolgen. Sind anfangs noch die Einflüsse Chopins zu erkennen, so löst er sich ab op.19 immer mehr von ihm, später auch von den gewohnten Formen, ja sogar von der Tonalität. Der anfangs akkordische, weicht immer mehr einem figurierten Satz mit faszinierenden Klangimpressionen statt klaren Melodien.
Wie viele Sonaten hat Skrabin eigentlich geschrieben? Viele haben wohl die Zahl 10 im Sinn, tatsächlich sind es aber 12 und eine unvollendete, nur werden die zwei Jugendwerke in gis-Moll und es-Moll sowie die unvollendete Sonate (auch ein Jugendwerk) oft unterschlagen. Daran ist Skrjabin übrigens teilweise selbst schuld, da er seinem Jugendwerk äußerst kritisch gegenüberstand. Er spielte sie auch nie im Konzert und bemühte sich nicht um die Komplettierung unvollendeter Stellen. So wurde von der es-Moll-Sonate nur der Kopfsatz gerettet und als Allegro appassionato op.4 herausgegeben. Dabei zeigen diese ersten Sonaten bereits Skrjabins Auseinandersetzung mit der „Krise der Sonatenform“.
Ich möchte diesen Faden nun etwas anders gestalten, als den Szymanowski-Faden. Hier kann und soll jeder zu jeder Zeit über alles schreiben, was ihm zu irgendeiner der Sonaten in den Sinn kommt, ganz egal ob ich diese Sonate schon erwähnt habe oder nicht. Dies können gerne Aufnahmen, Meinungen zu den einzelnen Sonaten, Erfahrungen, wer Lust hat auch gerne Analysen usw. sein. Vielleicht kann ja der eine oder andere sogar etwas über Spielerfahrungen mit einer der Sonaten sagen. Ich werde wie gewohnt im Laufe des Fadens wieder in unregelmäßigen Abständen (hab leider momentan nicht so viel Zeit, wie beim Szymanowski-Faden) zu jeder Sonate schreiben, was ich darüber weiß, auch abhängig davon, in welche Richtung sich der Faden entwickelt. Und bitte: Scheut euch nicht mir mitzuteilen, wenn ich irgendwo mal Blödsinn schreibe, ich will schließlich auch etwas dabei lernen.
Vielleicht noch zum Schwierigkeitsgrad: Skrjabin beginnt sein Sonatenwerk auf sehr hohem Schwierigkeitsgrad und steigert diesen bis ins Exorbitante, es sind also wirklich harte Brocken. Für den weit fortgeschrittenen Amateur sind wohl nur einzelne Sätze aus den frühen Sonaten drin, hören darf sie aber zum Glück jeder. :)
Beginnen möchte ich mit seinen Jugendsonaten. Wie gesagt zeigt sich bereits hier die Auseinandersetzung mit der „Krise der Sonatenform“, die in der Zeit nach Beethoven um sich schlug. Skrjabin schrieb die beiden Sonaten im 15. und 17. Lebensjahr. Nach eigenem Bekunden hat Skrjabin das Studium der Sonaten Beethovens „aus Langeweile“ abgebrochen, dennoch waren sie ihm bekannt. So kannte er natürlich auch dessen zweisätzige Sonaten und die beiden „Sonata quasi una fantasia“. Ebenso dürften ihm die verkappten Sonaten von Schumann (Fantasie in C-dur) und Schubert (Wanderer-Fantasie) als Lösungsversuche der „Krise der Sonatenform“ bekannt gewesen sein. Eine romantische Erneuerung bei den Sonaten, nämlich ein „Basismotiv“, das alle Sätze zumindest unterschwellig miteinander verbindet (Chopin Sonate in h-moll, Brahms Sonaten, Francks Violin-Sonate in A-dur...) und letztendlich sogar auf Beethoven selbst zurückgreift und in seiner radikalsten Form in der Einsätzigkeit von Liszts h-Moll-Sonate mündet, war Skrjabin bekannt.
Als Skrjabin seine gis-moll-Sonate schrieb, war er gerade mal vierzehneinhalb Jahre alt. Gewidmet ist sie seiner ersten großen Liebe, Natalia Sekerina. Bereits im Namen weist Skrjabin darauf hin, dass es sich um keine Sonate mit klassischem Aufbau handelt, sondern um eine „Sonate-Fantasie“. Die Sonate besteht aus zwei Sätzen, wobei der erste, langsame Satz (Andante) eher als Einleitung wirkt und fließend in den zweiten, schnellen Satz (Allegro vivace) übergeht. Harmonisch ist sie deutlich an der Romantik orientiert, auch rhythmisch sind die so typischen Besonderheiten Skrjabins noch nicht vorhanden. Dennoch handelt es sich um ein Jugendwerk, das man sich durchaus mal anhören sollte.
Zum Anhören: Skrjabin – Sonate-Fantasie op. posth.
Hier die Noten.
Bei der es-Moll-Sonate geht Skrjabin einen anderen Weg. Er wollte die mehrsätzige Sonate mit den Themen des ersten Satzes in einen festen Rahmen spannen, ohne an der Mehrsätzigkeit zu rütteln. Die beiden Themen durchziehen also nicht die gesamte Sonate, sondern werden als Coda im Final-Satz drangehängt.
Wie gesagt ist von dieser Sonate nur der Kopfsatz erhalten geblieben und als Allegro appassionato op.4 veröffentlicht. Einem wilden Beginn in Triolen folgt ein lyrisches Seitenthema. In der linken Hand zeigt sich bereits die für Skrjabin typische Weitgriffigkeit, auch die ständigen extremen Dynamiksprünge sind typisch. Die anschließende Durchführung ist auch Harmonisch um einiges fortgeschrittener, als die gis-Moll-Sonate. Die Polyrhythmik kommt ebenfalls mehr zur Geltung. So findet man bereits Polyrhythmen im 3/2, 4/3 und sogar 5/3. Eine Kadenz in vollen Akkorden führt uns zur Reprise.
Zum Anhören: Skrjabin – Allegro appassionato op.4
Hier die Noten.
So, das war einmal der Anfang. Ich hoffe, ihr findet Gefallen an diesem Faden und natürlich freue ich mich auch über jede Unterstützung, Meinungen etc…
Viele Grüße!