3) Die grimmigen Wirkungen sibirischer Kälte
Je kälter die Außenluft im Winter ist, desto weniger Wasser enthält sie, absolut gesehen. Und desto stärker muss sie in den Wohnräumen aufgeheizt werden. Dabei wird sie, relativ gesehen, sehr trocken. Meistens wird das zu einem guten Teil durch die Anwesenheit von Lebewesen und durch den Gebrauch von Küchen- und Sanitäreinrichtungen kompensiert. Im
Normalfall pegelt sich dann
im Winter die
Luftfeuchte in Wohnräumen auf
ca. 40% ein. Das stecken Klaviere und
flügel in der Regel locker weg, wenn auch mit reduzierter Stimmreinheit.
Anders ist das
bei länger andauernder großer Kälte mit tiefen Minus-Temperaturen. Da kann bei intensivem Heizen die
Innenraum-Luftfeuchte leicht bis 30% oder sogar 20% absinken. Dann gilt die
wichtigste Faustregel: Bei Außentemperaturen unter 0°C musst du innen systematisch und effektiv Luftfeuchte nachliefern und das Ergebnis fortlaufend am Hygrometer überprüfen.
Wenn du nichts tust, bekommst du schon nach Tagen oder sogar Stunden
gruselige Verstimmungen in deinem Klavier oder Flügel, mit vernehmlicher Tendenz zu
verringerter Tonhöhe und
matterem Klang. Doch leider ist dies nur das harmloseste Ärgernis, womit unter solchen Umständen zu rechnen ist. Deutlich schwerer wiegt es, wenn
womöglich der Resonanzboden (neue)
Risse bekommt - aber immerhin, selbst dann kann man noch spielen.
Richtig fatal wird es erst, wenn das
Stimmstockholz einschrumpft und die Wirbel nicht mehr hält, und wenn dann einzeln oder reihenweise die
Saiten abrutschen. Und ganz furchtbar wird es, wenn wegen zusammengetrockneten Holzes alle
wichtigen Verschraubungen lose werden. Dabei kann die Mechanik mitsamt Regulation und Intonation völlig aus dem Ruder geraten. Im schlimmsten Fall lösen sich auch
Verleimungen, und auf die gesamte Statik und Stabilität des Instruments ist kein voller Verlass mehr....
Seit Februar 2009 bekam ich etliche Pianos zu sehen, die mich das Fürchten lehrten. Daher
lege ich dir nahe, dein Instrument vor unnötigem Leiden zu bewahren.
Vergiss bitte die armseligen und unhygienischen Hängebehälter für Heizkörper und befreie dich von dem Traum, ein Wohnzimmer-übliches Zimmerpflanzen-Aufgebot werde es schon richten. Und haltlos ist auch die immer noch verbreitete Annahme, regelmäßiges Lüften würde im Winter die Luftfeuchtigkeit günstig beeinflussen - eher das Gegenteil ist der Fall. Die Wahrheit ist deshalb:
Du musst wirklich etwas tun! Im Folgenden werde ich ein paar Möglichkeiten aufzeigen.
a) Stoßbefeuchtung
Simpel und effizient für kleine bis mittelgroße Räume kann ein handelsüblicher elektrischer
Wasserkocher wirken. Den füllst du täglich einmal mit der üblichen Füllmenge von 1,5 Litern, stellst ihn auf den Fußboden mitten im Raum und lässt das Wasser bei (wichtig!) geöffnetem Deckel verkochen, bis es gerade noch die Heizschlingen bzw. den Heizboden bedeckt. Dann musst du ihn natürlich abschalten, weil er sonst kaputt geht. Die Prozedur dauert ungefähr eine Viertelstunde, muss selbstverständlich von Anfang bis Ende beaufsichtigt werden und schafft
3-10% Luftfeuchteergänzung sofort. Sehr wirkungsvoll und hygienisch einwandfrei - aber bestimmt nicht jedermanns Sache. Zumal der dafür genutzte Wasserkocher schon nach kurzer Zeit kaum noch für normales Wasserkochen zu empfehlen ist und dicke Kalkschichten auf den Heizschlingen ausbildet.
b) Wäschetrocknen
Wer oft oder gar täglich Wäsche zu trocknen hat und dies noch traditionell ohne elektrischen Trockner tut, kann die Wäscheständer
im Klavierzimmer aufstellen. Das ist zwar
nicht sonderlich gemütlich, aber in Sachen Feuchtigkeit sehr wirkungsvoll.
c) Luftfeuchte-Stab für Klavier oder Flügel?
Du kennst bestimmt die langen
Rohre, die man in die Badewanne legt, damit sie sich mit Wasser vollsaugen, und
die man dann in das Klavier oder den Flügel hängt, damit sie dort gezielt für ein zuträgliches Kleinklima sorgen. Die Methode ist
seit Jahrzehnten beliebt, lässt sich prima und
preisgünstig (ver)kaufen - und ist
leider erfahrungsgemäß völlig uneffektiv. Weil nämlich de fakto fast niemand das lästige wöchentliche Nachfüllen tatsächlich ausführt. Und wer's konsequent macht, hat binnen Kurzem eine
Bakterienschleuder, wie beim Heizkörperhänger, und außerdem eine schnelle
Verkalkung des Rohr-Innenlebens. Mit destilliertem Wasser wäre es besser - aber wie kriegt man das teure Nass ins Rohr?? Ich hätte wohl eine Idee; und wer mit dieser Methode wirklich arbeiten will, möge bei mir nachfragen. Allen anderen
schlage ich vor, lieber bessere Luftfeuchte-Methoden weiter zu verfolgen. (Und auch von der Uralt-Methode des Wasserglases unten im Klavier verabschiede dich besser. Das ist unfallträchtig, die Wirkung ist schwach und schwer kontrollierbar, auch wenn es bei sorgsamer Anwendung dem Klavier nicht weh tut und ein ganz klein wenig besser ist als gar nichts.)
d) Klimaanlage für Klavier und Flügel ("Dampp-Chaser", "Life-Saver")
Diese Einrichtungen sind die zeitgemäße HighTech-Weiterentwicklung des altbackenen NoTech-Luftfeuchte-Stabs. Sie bestehen aus einer
Trockenheizung, einer
Nassheizung und einem
hygrostatischen Schalt- und Regel-Element. Das System kostet incl. fachgerechter Installation mehrere hundert Euro. Auch hier muss man natürlich den Wasserbehälter der Nassheizung stets nachfüllen und sorgfältig hygienisch pflegen. Die
Methode ist nicht billig, aber sie ist sicher eine der effektivsten Klimaschutzmaßnahmen für Pianos, im Winter wie im Sommer. Und langfristig amortisieren sich die Anschaffungskosten dadurch, dass der Stimmservice seltener benötigt wird.
e) Raumluftbefeuchter
Wenn du
sowohl deinem Klavier oder Flügel, als auch dir selbst etwas Gutes tun willst, dann sorge in deinen Räumen kontinuierlich und gleichmäßig für die nötige Luftfeuchte. In einschlägigen Bau-, Sanitär-, Elektronik- und anderen Fachmärkten findest du eine hinlängliche Auswahl an Luftbefeuchtern, die gemäß dem
Verdampfungs-, Vernebelungs- oder Luftwäsche-Prinzip funktionieren, teilweise auch mit automatischen Schaltern und/oder hygrostatischer Regelung. In allen Fällen ist es unverzichtbar, sich sorgfältig nach den jeweiligen Gebrauchsanweisungen zu richten, insbesondere hinsichtlich der
Hygiene. (Zu den ggf. anempfohlenen teuren Hygienezusätzen gibt es allerdings auch günstigere Alternativen.)
HALT: All zu viel ist ungesund!
Achtung, es kommt durchaus vor, dass besonders gewissenhafte Gemüter es mit der winterlichen Raumluftfeuchte zu gut meinen. Dann ist es draußen klirrend kalt, und drinnen steht die Luftfeuchte trotzdem stramm bei 55% oder noch mehr. Das kann leider furchtbar in die Hose gehen. Denn die hohe Feuchte wird nur in wirklich exzellent isolierten Räumen in der Luft gehalten. Überall sonst, wo es "normal" zugeht, haben auch beheizte Räume kalte Ecken und Flächen, an denen sich die Feuchtigkeit bis hin zur Tropfnässe abschlägt und schnell Schimmelbildung bewirken kann - gar nicht gesund, das. Dazu kommt, dass man einen hochfeuchten Raum an klirrenden Frosttagen praktisch nicht lüften kann, ohne dass sich sofort Nebel bildet, mit Nässe-Abschlag auf allen Gegenständen incl. Piano.
Empfehlung deshalb: Knapp 40% bis allerhöchstens 50% relative Raumluftfeuchte an strengen Frosttagen.
Das Wichtigste noch einmal:
- Tu etwas für die winterliche Raumluftfeuchte, wenn es draußen richtig kalt ist.
- Tu dann systematisch und kontinuierlich etwas.
- Kontrolliere die Wirkungen deiner Maßnahmen regelmäßig.
-- Fortsetzung folgt --