Ich denke, man bekommt einfach, was man bezahlt. Ist bei den akustischen Pianos ebenso, ein 8.000-Euro-Instrument leistet nicht dasselbe wie eines um den doppelten oder dreifachen Betrag. Auch da gibt es bei günstigen Instrumenten Aspekte, die stören und nerven können.
Dass in der Vermarktung alles positiv dargestellt wird und die Schwächen unterschlagen werden, das ist seit Menschengedenken so. Gut, dass es Foren gibt und Läden, wo man sich von den Dingen noch selbst ein Bild machen kann. "Ung'schaut kauft ma nix", sagt man hier.
Diese Vertriebsstrategie geht nur auf, weil eben nicht alle dieselben Ansprüche mitbringen, beim Kauf oft noch gar nicht die nötige Sensibilität fürs Thema haben. Bei den einen ist das eine Entwicklungsphase, bei anderen bleibt es auch ein Leben lang so.
Und viele Interessenten wollen ja einfach auch hören, dass billig auch sehr gut sein kann. — Ja, das kann es unter Umständen auch sein, sind dann jedoch eigentlich Vertriebsirrtümer.
Zu ein wenig Demut gegenüber den Preisen hilft auch sich vorzustellen, wie dieser zustande kommt. Nicht nur, dass man vom Kaufpreis die Mehrwertsteuer abziehen muss, auch die Handelsspanne sieht der Hersteller nie. Bei einem Klavier, das um 12.000 Euro zum Verkauf steht, sieht der Hersteller doch nur rund 8.000 Euro.
Der Hersteller muss auch Marketing betreiben, Künstlern sein Instrument gratis anbieten, Werbeflächen bezahlen und die Händler über Boni und vergünstigten Zurverfügungstellung der Ausstellungsinstrumente motivieren, seine Marke vorrangig anzubieten. Da kann man gleich wieder einen Tausender von jedem Instrument abziehen, da waren es nur mehr 7.000 Euro.
Bei 100 Stunden Arbeitszeit für ein Instrument, das sind zweieinhalb Arbeitswochen, laufen in Europa für Fachkräfte schon Kosten in der Höhe von rund 4.000 Euro auf. Vermutlich wird man noch mehr Zeit benötigen, um ein ein Tasteninstrument zusammengebaut zu bekommen, bei aller Automatisierung. Da bleiben von unseren fiktiven 7.000 Euro nur mehr 3.000 Euro für den ganzen Rest.
Ein Klavier besteht aus tausenden Teilen. Diese in gleichmäßiger anzufertigen und zusammenzubauen erfordert nicht nur einen umfangreichen Maschinenpark sondern auch permanente Qualitätskontrolle und gelingt eben nicht ohne Ausschuss. Nachbesserung ist regelmäßig erforderlich.
Und nun sind wir beim Material, wo vom Gussrahmen, über die Saiten bis zum Naturstoff Holz und Filz — für aus industrieller Sicht tatsächlich sehr überschaubare Mengen — viele verschiedene Varianten vorgehalten werden müssen.
Auch die Verpackung dieses sperrigen Produkts ist ein unterschätztes Thema. Wer hier spart hat später vermehrt Reklamationen.
Der Transport zum Händler will auch noch bezahlt werden, bis dahin muss das Klavier in kontrollierter Atmosphäre untergebracht sein, "Langsamdreher" stehen da schon mal ein halbes Jahr im Lager. Auch die Ersatzteilhaltung ist bei der Vielzahl von Instrumententypen nicht zu unterschätzen, nicht zuletzt dadurch haben Gleichteilstrategien für den Hersteller ihren Reiz.
Und was gerne übersehen wird, das sind die Kosten für die Produktionshallen, die Instandhaltung der Produktionsanlagen und die vielfältigen Sicherheitsbestimmungen vom Brandschutz über den Blitzableiter bis zum Rolltor, was alles regelmäßig und natürlich kostenpflichtig überprüft sein will. Und nicht zu vergessen: Energie ist inzwischen ein echter Kostenfaktor, alleine die Beheizung von Werkshallen kostet ein Vermögen. — Von den ganzen unproduktiven administrativen Aufwändungen wie Buchhaltung, Betriebsrat und Co. will ich gar nicht erst schreiben.
Und nicht zuletzt geht auch einmal etwa schief. Ein kleiner Transportschaden, ein Instrument, das einfach nicht attraktiv klingen will, das ist auch Realität und beschädigt die Rendite nachhaltig.
Ich glaube nicht, dass die Hersteller ihr Geld leicht verdienen.
Und dass die europäischen Instrumente schmerzlich teuer sind, liegt meines Erachtens zu einem Großteil an der "Manufakturarbeit" in kleinen Serien und den Lohnkosten, weniger am Material oder dem handwerklichen Können.
So gesehen wundert mich die aktuell zu beobachtende Ausdünnung des europäischen Angebotes nicht.