Woran merkt man, daß die Regulierung nicht stimmt ?

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Rubato

Guest
Hallo,

letztens war der Klavierstimmer da (ich war selbst leider nicht dabei) und sagte dann wohl, dass die Regulierung nicht stimme. Er hats dann nachreguliert (ca. 60€ extra zusätzlich zur Stimmung), ich bin mir nur nicht sicher, ob das wirklich nötig gewesen wäre.

Denn: Davon hatte ich selbst - sorry - noch nichts gemerkt. Zwar spiele ich sicher nicht auf höchstem Niveau (bin kein Pianist oder Musikstudent etc.), aber trotzdem: Bei dem Klavier stehen alle Tasten gleich hoch, alle Tasten funktionieren und repetieren sehr gut, etc. Im Vergleich zu neuen Instrument im Klaviergeschäft merkt man sehr wohl Unterschiede im Anschlagsverhalten (leichter, schwerer, "angenehmer", "direkter", etc.), aber ich konnte bisher nicht feststellen, daß bei meinem Klavier nun explizit etwas "nicht stimmt".

Daher die Fragen:

- Wie kann man eine fehlerhafte Regulierung feststellen ?

- Handelt es sich hierbei nur um Nuancen, die eben ein professioneller Pianist in seinen letzten 10% Ausdruckmöglichkeiten behindern ?

- Was würde wohl eine komplette Überarbeitung des Klaviers so kosten, wenn man es völlig neu regulieren und dabei auch noch gleich die Hammerköpfe abziehen läßt (ich will es möglicherweise verkaufen, und ich verkaufe ungern etwas, was nicht in Ordnung ist, lieber verlange ich dann mehr Geld für das überarbeitete Instrument) ?

Vielen Dank für Eure Hinweise !
 
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Hallo Rubato,
es gibt ein paar wichtige Eckdaten der Klavier-Regulierung:
a) Tiefgang der Tasten ganz vorn knapp 1 cm
b) Die Verbindung zwischen Tasten und Mechanik ist direkt mit einem ganz minimalen Bewegungsspielraum (ca. 0,2 mm), den man beim minimalen Betätigen der Tasten merkt. Mehr sollte es nicht sein, weniger darf es nicht sein (sonst gibt's Anschlag-Ausfälle)
c) Die Hämmer sollten bis ca. 3mm, bzw. extrem konzertant bis 1mm, vor die Saite getrieben und dann zuverlässig ausgelöst werden und zurückfallen.
d) Der gesamte Hammerweg beträgt, je nach Konstruktion, minimal ca. 43 und maximal 50 mm, und ist bei allen Hämmern gleich (in manchen Fällen auch zum Bass hin minimal größer als im Diskant, aber nicht größer als 50 mm)
e) Die Hämmer werden bei Zeitlupen-Tastendruck nach der Auslösung ca. 1 cm vor den Saiten abgefangen, bei beherztem Tastendruck ca. 2 cm vor den Saiten.
f) Die Dämpfer sollen bei halbem Hammerweg beginnen, abzuheben.
g) Bei Betätigung des rechten Pedals sollen alle Dämpfer zuverlässig und gleichzeitig abheben.
h) Bei Betätigung des linken Pedals sollen die Hämmer mit der Klappleiste um ca. ein Drittel bis maximal die Hälfte des Hammerwegs vorgeschoben werden.
i) Die Litzenbändchen zum Rückholen der Hämmer sollen bei Betätigung des linken Pedals höchstens leicht gespannt sein, dürfen aber die Hebeglieder nicht mit anheben.
k) In Ruhelage sollten alle Tasten gleichmäßig hoch stehen.
l) Der Anschlag sollte geschmeidig und gut läufig sein und sich nicht "gummimäßig" nach zu stramm gespannten Federn anfühlen.

Das alles kannst du ja mal bei deinem Klavier checken.

Aber über allem ist das Wichtigste dies:
DU SELBST bist die Hoheit in Sachen Zufriedenheit, sofern es deine Dinge betrifft. Lass dir keine Bären aufbinden, an denen du gar kein Interesse hast!

Und wenn du ein Klavier verkaufen willst, mit dem du selbst prima zurechtkommst - warum solltest du dir dann die Maßstäbe von Perfektionisten zueigen machen?

Gruß
Martin
PianoCandle


... und aus Krach wird Klang
 
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Regulierungsfragen

Hallo PianoCandle,

vielen Dank für diese umfassende Antwort. Einige dieser Dinge kann man sicher selbst checken, indem man einfach mal die Blende abnimmt und den Hämmer zuschaut bzw. nachmißt, aber was mich eigentlich irritiert:

Wenn man auf einem Klavier spielt, und die Regulierung der Mechanik stimmt nicht, sollte man das doch selbst beim Spielen merken, oder ist diese Annahme falsch ? z.B. könnte ich mir vorstellen (bzw. ich hatte diesen Fall schon mal), daß es einfach schwierig ist, sehr leise zu spielen, wenn z.B. bei einigen Tasten der Weg bis zum Auslösepunkt (heißt das so?) weiter ist als bei anderen oder wenn der Kraftaufwand höher ist als bei anderen, d.h. man spielt dann einige Töne zu laut, andere erklingen erst gar nicht weil man nicht "tief genug / fest genug" angeschlagen hat. Ist das richtig ?

Also, um es nochmal auf den Punkt zu bringen, wenn man z.B. an einem fremden Klavier sitzt und die Mechanik nicht beobachten kann / will, wie kann man dann beim Spielen merken, ob alles ok ist (wenn nicht ohnehin irgendwas klappert oder Tasten offensichtlich schwergängig sind oder so). Ist der beschriebene Test gemäß den Punkten a) , b) und l) ausreichend ?

Oder: Bin ich da der einzige, der offenbar zu unsensibel ist, sowas zu merken, oder ist es so wie in der Antwort gesagt, daß man bei der Regulierung eben auch alles auf die Spitze treiben kann und der Klavierstimmer möglicherweise einfach überkritisch ist ?
 
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Mein Instrument ist übrigens auch schlecht reguliert. Habe ich vor 4 Monaten gekauft. Das kann man übrigens sehr gut beim spielen merken. Z.B. übe ich ein Stück bei dem der kleine Finger rechts am Ende eines Taktes anschlagen muss was eindeutig zu laut und dominant passiert. An anderen Instrumenten hört sich das ausgeglichener an. Es liegt also nicht an meinem Finger sondern an meinem Instrument.

Übrigens versuche ich oft an anderen Instrumenten zu spielen um meine Finger auch mal ein anderes Instrument spüren zu lassen.
 
Mein Instrument ist übrigens auch schlecht reguliert...

Schaut mal, Stegull und Rubato, so schnell entstehen Gerüchte: Stegulls "auch" trifft womöglich gar nicht zu. Denn bislang müssen wir ja noch annehmen, dass Rubatos Klavier gar nicht wirklich so verkehrt ist, sofern er/sie darauf ungestört spielen kann.
Zur Ehrenbewahrung des dienstleistenden Kollegen sei gesagt, dass du, Rubato, während seiner Arbeit nicht zugegen warst. Mein Vorschlag deshalb: überprüfe mal einige von meinen obigen Angaben
- übrigens, ich vergaß: zu den wichtigen Dingen zählt natürlich auch, dass die Hämmer alle in Reih und Glied stehen und schön mittig ihr zugedachtes Seitenchor anschlagen -
... und dann ruf ggf. deinen Klavierstimmer noch einmal an und frag ihn dazu.

Dies ist mein Standpunkt: Selbstverständlich darf sich jeder gute Fachmensch die Ehre geben, mehr als das direkt Geforderte anzubieten. Dabei sollte er/sie stets an der erreichten Kundenzufriedenheit anknüpfen. Und nicht ohne triftige Not Unzufriedenheiten oder womöglich Ängste herbeireden.
Aber wie gesagt: keine voreiligen Urteile bitte. Überprüf, was er wirklich meinte.

Gruß
Martin
PianoCandle


... und aus Krach wird Klang
 
Ja, tatsächlich probiere ich schon seit gestern, den Klavierstimmer zu erreichen, aber der ist natürlich unterwegs. Mit etwas Geduld wirds aber sicher demnächst klappen. Die anderen Dinge (Hämmer, Tastenspiel, etc.) habe ich mal (natürlich laienhaft) gecheckt und konnte nichts feststellen.

Ach ja, und der Klavierstimmer hatte wohl auch noch etwas von "unterschiedlichen Tastenwegen" gesagt, das war der Grund, warum ich auf das Thema "leise spielen" gekommen war.

Viele Grüße
Rubato
 
Nun ja, wenn Rubato sich grundsätzlich nicht sicher ist ob das Klavier gut reguliert ist oder nicht empfiehlt es sich einen unabhängigen Klavierspieler oder Pianisten ins Haus zu holen und ihn das Instrument ausprobieren lassen.

Mit der Wahrnehmung des eigenen Spiels "ungestörten Spiels" wäre ich vorsichtig. Ein sehr gutes Beispiel ist dieser Thread:

https://www.clavio.de/forum/klavier-keyboard-kaufen-reparieren/11144-wahwahwahwah-effekt.html

Wie schnell gewöhnt man sich an pathologische Zustände und das entwöhnen davon fällt schwer.
 

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