Will als Erwachsener Klavier lernen, klappt aber nicht

@Klaacht: Ich bin Spät-Wiedereinsteiger, allerdings mit solider Basis, aber eben auch mit Beruf, Familie und anderen (zu vielen) Hobbies. Ich komme auf keine 20 Minuten täglich. Damit mache ich keine großen Fortschritte, aber in meiner Situation reicht es immerhin, um neues Repertoire aufzubauen.

Nach Deiner Schilderung hast Du wahrscheinlich (unter anderem) folgende beiden Defizite für Dich erkannt:
  1. Vermutlich bist Du technisch-motorisch nicht da, wo Du gerne wärst. D.h. Du kannst vielleicht nur Stücke mit relativ geringem Schwierigkeitsgrad bewältigen
  2. Zudem fliegst Du zu oft raus, d.h. auch Stücke, die Du technisch eigentlich bewältigen kannst, kannst Du nicht fehlerfrei von vorne bis hinten durchspielen, schon gar nicht vor Publikum.
Punkt 1 kannst Du mit einer Erhöhung des Übepensums adressieren, oder indem Du kleinere Brötchen bäckst und Dich mit einfachen Stücken zufrieden gibst. Mein Vorschlag für Dich wäre die Option "kleinere Brötchen".

Punkt 2 kannst Du ebenfalls durch Erhöhen des Übepensums adressieren. Vielleicht gehst Du aber auch vom Literaturspiel (also dem Kleben an den Noten) weg und arbeitest stattdessen zielgerichtet auf Improvisation hin. Du müsstest dann Zeit in Harmonielehre und auch ins bewusste Musikhören investieren. Ein gewisses Maß an Literaturspiel wird erforderlich sein, um eine Basis an technischen Fertigkeiten aufzubauen. Aber das Problem "ich flieg raus" würde sich entschärfen, und auch das Problem, zu einem Zeitpunkt x immer nur ein einziges Stück im Repertoire zu haben (nämlich das, das man gerade weggelegt und noch nicht vergessen hat).

Du wirst damit keine bühnenreifen Improvisationsfertigkeiten aufbauen, aber für abendliches Geklimper zur eigenen Erbauung kann das reichen. Mehr willst Du vielleicht gar nicht?

Ciao
- Karsten
 
Alles sehr gute und gutgemeinte Ratschläge bisher, sie beseitigen nur nicht das eigentliche Hauptproblem:

Erwachsene Einsteiger brauchen sehr, sehr lange, bis sie z. B. ein auch nur leichtes Weihnachtslied "schön" spielen können. An diesem bitteren Fakt führt leider kein Weg vorbei, auch nicht tausend Tipps.

CW
 
Noch einmal danke für die vielen Hinweise. Eine einfache Lösung gibt es anscheinend nicht (wäre auch zu schön gewesen). Ich muss wohl mehr Zeit investieren oder es lassen.
 
Es gibt eine einfache Lösung ;)
Sieh Deine Situation als normal an und nicht als problematisch, und schon ist die Sache gelöst.

Nein, so einfach ist es beim Lernen eines Tasteninstruments in der Tat nicht. Mit der von Dir genannten Übezeit wirst Du vermutlich nichts von dem, was Du schon kannst, komplett wieder vergessen, aber das Weiterkommen ist halt sehr langsam.
 
Noch einmal danke für die vielen Hinweise. Eine einfache Lösung gibt es anscheinend nicht (wäre auch zu schön gewesen). Ich muss wohl mehr Zeit investieren oder es lassen.
Du bist doch Mathematiker, überleg mal, wie lange hast du gebraucht um dir die Mathematik reinzuziehen ? Und in der 11. Klasse, puuh, ein Integral, mit Exponenten drin, schwer, wie kann ich das nur lösen, aber heute, nachts um drei, das gleiche Integral, du weisst es auswendig, fehlerfrei. Und so ist es mit Klavier, Übung, Erfahrung, Wissenshintergrund braucht man. Stell dir vor, du hättest am Anfang des Studiums gesagt, so, ich will Mathematiker werden, dafür werde ich jetzt jeden Tag 20min einige Aufgaben rechnen, und nach 2 Jahren schreibst du im Mathematikerforum, hallo, ich komme gar nicht weiter !
 
So ist es, in der Grundschule wird 5 Std. pro Woche Mathe gelernt und dazu kommen noch Hausaufgaben. Von null weg schafft man in zwei Jahren einfache Rechnungen, mehr ist nicht drin. Du meinst mit einem Drittel des Mathe-Pensums (20 Min pro Tag) kann man ein komplexes Instrument wie Klavier lernen. Ich hoffe, du kannst dann den Rest selbst ausrechnen. Also, wie weit werde ich (verglichen mit Mathe) mit 20 Minuten Lernzeit pro Tag in 2 Jahren kommen?
 
Nein, aber man kommt halt entsprechend langsam voran.
 
Nein, aber man kommt halt entsprechend langsam voran.
Das ist klar ;-) Das nehme ich auch in Kauf. Besser langsam als gar nichts gelernt. Trotzdem haben mich meine Kinder vom Niveau her noch nicht eingeholt ... so ineffektiv kann meine Überei also gar nicht sein.

Jeder wie er kann.
Natürlich gehe ich konform damit, dass wer wenig übt, keinen Perfektheitsanspruch an sich stellen kann.
Aber meine Kinder sind jetzt noch Kinder. In zwei, bis vier Jahren sind es Teenie, dann kann ich meine Überzeit steigern. DAS kann ich locker erwarten.
 

Auweia ... ich persönlich spiele Klavier, weil es mir Spaß macht ... nicht um DEINEN Ansprüchen zu genügen!
Aber back to Topic, um mich gehts hier ja nicht. ;-)

Und genau das ist der Punkt. Der TE möchte gern auf einem gewissen Niveau spielen können. Dass er dies aktuell nicht kann frustriert ihn, der Spaß bleibt auf der Strecke. Um das angestrebte Niveau zu erreichen hilft aber nur eines: die Übezeit erhöhen und effektiver üben.
 
Um das angestrebte Niveau zu erreichen hilft aber nur eines: die Übezeit erhöhen und effektiver üben.
Hoffentlich. Sicher ist das aber nicht. Es kommt darauf an, wie weit das aktuelle und das angestrebte Niveau voneinander entfernt sind. Ist die Distanz zu groß, muss man sie zunächst einmal auf einen realistischen Wert verringern. Sonst kann man sich das Üben von vorneherein als vergebliche Liebesmüh' sparen.

CW
 
Trotzdem ist problembezogenes, effektives Üben in 20min nicht drin!

Das mag für Fortgeschrittene stimmen - für Anfänger mit entsprechend kürzeren Stücken stimmt es jedenfalls nicht. Üben ist eine Frage der Konzentration und des gezielten Vorgehens. Wer effizient übt, ist auch effektiv. Ich würde sogar stark vermuten, dass jemand, der nur 20 min hat, viel effizienter übt als jemand, der mehr Zeit hat und vielleicht am Anfang erst ein bißchen rumklimpert und dann erst richtig übt. Wer nur 20 min hat, fängt eben gar nicht erst mit Klimpern an.

Zum Problem des TE würde ich sagen, dass seine Erwartungen zu hoch sind. Hier im Faden haben einige geschrieben, die viel mehr üben und in den ersten Jahren trotzdem nicht zuverlässig bei Vorspielen fehlerfrei durch ihre Stücke kommen. Man muss sich doch nur mal die -zig Fäden in Clavio anschauen, in denen teilweise viel fortgeschrittenere Erwachsene beschreiben, wie nervös sie beim Vorspielen sind und was ihnen beim Vorspielen vor Publikum alles schon schiefgelaufen ist. Als erwachsener Anfänger braucht es eben einfach noch ein bißchen mehr Zeit, bis man halbwegs zuverlässig auch vor Zuhörern fehlerfrei durchkommt. Ich würde Klaacht also einfach raten: Ansprüche auf ein machbares Niveau bringen und weitermachen, der Rest kommt schon noch.
 
Ich bin auch stark in einen Verein mit Vereinsarbeit vor Ort und daheim eingebunden und dazu noch Vollzeit berufstätig. Außerdem habe ich daheim viele Tiere zu versorgen (die letzten Wochen habe ich noch dazu 3 Katzenkinder mit der Flasche großgezogen).
Mir bleibt an so manchem Tag (und gerade verstärkt eben in den letzten Wochen) kaum Zeit zum Üben unter der Woche. Da konnten es auch mal 15 Minuten sein - im Normalfall versuche ich allerdings 30 Minuten hinzubekommen. Ich habe ein Eigenheim, da habe ich auch schon öfters nach 22 Uhr geübt.
Das Defizit versuche ich allerdings am Wochenende und im Urlaub (ich fahre nicht weg) auszugleichen.
Ich weiß nicht, ob man das als Ausgleich sehen kann, aber heute habe ich mich richtig geplagt und ich denke, daß ich am Schluß bei meinen Übungsstücken schon ordentlich weitergekommen bin.
Ich schaue aber, daß ich auf jeden Fall täglich in die Tasten greife.
 
Ich habe in meiner Kindheit 8 Jahre Klavierunterricht gehabt und vorigen Sommer nach 35 Jahren wieder zu üben begonnen. Ich übe täglich 1-2h und trotzdem bin ich erst bei einem (kurzen!) Stück so weit, dass ich sage, es klappt allmählich so, wie ich es mir vorstelle. Und das erst nach Tipps einer KL, bei der ich seit neuestem Unterricht nehme.

Was ich sagen will: es ist ganz normal, dass man die Stücke nicht so spielen kann, wie man sich das vorstellt. Auch wenn die Zuhörer relativ beeindruckt sind, ist man selber praktisch nie zufrieden.

Vor einem Jahr habe ich mit Akkordeon begonnen, wobei ich etwa doppelt so viel Zeit am Klavier verbringe wie am Akkordeon. Unlängst habe ich festgestellt, dass ich ein Stück, dass mir vor einem halben Jahr zwar schwer, aber machbar vorkam, plötzlich praktisch fehlerfrei vom Blatt spielen konnte. Regelmäßiges Üben zahlt sich aus, aber es dauert einfach, bis man Fortschritte merkt.

20 Minuten tägliche Übungszeit erscheinen mir jedoch arg kurz, da bin ich gerade mit meinen Tonleiterübungen durch. Dann kommt noch Technik (momentan Hanon), und anschließend Repertoire. Wenn man 20 min täglich übt, muss man diese Zeit wirklich perfekt einteilen. Was schlägt der KL vor?
 
Ich kann zwar nicht weiterhelfen, aber mir hilft dieser Faden hier gerade enorm, denn ich fing auch langsam an, an mir zu zweifeln. Ich nehme seit September mit 46 Jahren zum ersten mal in meinem Leben Klavierunterricht. Ich übe in der Woche ca. eine Stunde, am WE gerne auch mehr. Es macht mir riesigen Spaß, auch wenn ich eine für mich schwierige Stelle zig mal im Schneckentempo wiederholen muss, bevor der Knoten platzt. Wenn ich einmal mit dem Üben angefangen habe, höre ich eigentlich erst auf, wenn ich muss (oder merke, dass ich eine Pause brauche).

Allerdings hadere ich seit einiger Zeit mit mir, da ich es fast nie hinkriege, ein Stück fehlerfrei und ohne Hänger zu spielen. Mein KL meint zwar, das wäre normal und er sieht da auch überhaupt kein Problem, aber irgendwie hatte ich immer im Hinterkopf, dass er das nur sagt, um mich zu beruhigen.

Nachdem, was ihr hier so schreibt, darf ich meinem KL aber wohl Glauben schenken und kann somit demnächst wieder entspannter und unbefangener spielen.

Danke dafür.
 
Zuerst dachte ich auch, der KL sagt das nur so, dass das mit dem Verspielen normal ist, und ich hatte kein Vertrauen, weder in ihn noch mich. Inzwischen habe ich hier so oft gelesen, dass es anderen im allgemeinen ebenso ergeht, und mein Selbstvertrauen ist wieder da. Es braucht eben Zeit, und mich stört es auch nicht mehr so, wenn ich hängen bleibe, es macht ja trotzdem einen riesen Spass. Aber klar, durchs Stück kommen ohne Verspieler, wenns mal gelingt, das gibt schon einen Kick:-D
 
Allerdings hadere ich seit einiger Zeit mit mir, da ich es fast nie hinkriege, ein Stück fehlerfrei und ohne Hänger zu spielen.
Die schwierigen Sachen, an denen man übt, um weiterzukommen, bekommt man selten fehlerfrei in einem Rutsch hin. Mehrere Schwierigkeitsgrade darunter klappt das schon eher.

Mit solchen "sehr einfachen" Stücken ohne technische Herausforderungen kann man nicht nur das Blattspiel praktizieren, oder den Fokus auf musikalischen Ausdruck legen, sondern auch probieren, sich gnadenlos durch Fehler durchzukämpfen und eben nicht hängenzubleiben, auch wenn mal einen ganzen Takt lang miserabel improvisierter Unsinn zu hören ist. Selbst wenn einem nichts mehr einfällt und man plötzlich mitten in der anfängertypischen Generalpause steckt: im Notenblatt vorwärtsgehen und im Tempo bleibend weitermachen, der Zuhörer ergänzt sich die Lücke dann schon.

Üben ist ja letztlich Fehler suchen, dann dort stehenbleiben und wiederholen. Vortragen ist genau das nicht! Letzteres kann man auch spezifisch üben.
 

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