Wie wird man ein guter Klavierlehrer und was tut man vorher?

Sowas, wie du berichtest, Wiedereinaussteiger, gibt es an den Musikhochschulen der Welt zu Hauf *ggg* Das ist das Problem: wenn einem selbst etwas sehr leicht fällt, kann man unter Umständen gar nicht mehr nachvollziehen, wie jemand das nicht können kann. Man will zwar helfen, aber hat keine Ahnung, was da los ist.
Mir geht das so mit Gehörbildung... ich höre absolut und bin ansonsten auch seit Kindesbeinen extrem gut geschult, weswegen mich mal Kommilitonen vor einer Prüfung gefragt haben, ob ich ihnen helfen könnte... und dann stand ich da wie der Ochs vorm Berg :D Ich hab absolut versagt...

Auf der anderen Seite glaube ich, dass man gerade als Instrumentalist wirklich davon profitieren kann, selbst einmal - angeregt durch Schüler - zu überdenken, wie man da eigentlich was anstellt. Und ich glaube auch nicht, dass man sich prinzipiell dazwischen entscheiden muss, ein guter Pädagoge oder ein guter Instrumentalist zu sein. Nur, wenn man ein guter Pädagoge sein will, muss man eben auch ein reflektierter Instrumentalist sein. Das ist sowieso eine gute Sache. *g*

Heißt es nicht auch "Docendo discimus"...?
 
Hallo,
hier schreibe ich nicht die Lösung der Frage, mit der Stilblüte begonnen hatte.
Monte hat ein großes Problem angesprochen: das Spektrum von Schülern ist ungemein breit, ein angehender Lehrer muss sich damit einstellen.

Es ist völlig unexakt und wenig hilfreich, von „dem Schüler“ zu sprechen.
Es gibt die kleinen Kinder (1.+2. Klasse), sie lernen fast zweckfrei nur durch spielen, sie wollen von Noten am liebsten nichts wissen, sie spielen nur nach Gehör das nach, was sie vorgespielt bekommen haben.
Es gibt die größeren Schulkinder (3.-5./6.Klasse), die mit dem größten Ehrgeiz was einüben, weil sie es dann vorführen und damit Eindruck schinden wollen.
Es gibt die Vorpubertäts- und Pubertätskinder, die „nicht wissen, was sie wollen, aber das mit aller Kraft“.
Es gibt die verträumte Jugendliche, die einfach vor sich hin klimpern will und die die Klavierstunde als Wohlfühlstunde anstrebt.
Es gibt die schlacksigen, hochgeschossenen Jungs, Hände wie Klodeckel, die eingekrümmt auf dem Klavierhocker „hocken“ und nicht so recht wissen, was sie da sollen.
Es gibt die vielen Jungs, die spätestens mit 14 aufhören, weil das Leben ohne Klavier viel interessanter ist.
Es gibt die fleißigen und hoch motivierten Mädels, von denen jeder Klavierlehrer träumt, denen aber nicht jeder Klavierlehrer gerecht wird.
Es gibt den erwachsenen Anfänger oder Wiedereinsteiger, der nie Zeit zum Üben hat, da er beruflich so eingespannt ist.

Motivierte und einigermaßen talentierte Studenten zu unterrichten ist keine Kunst. Hohe Kunst ist, einen noch nicht festgelegten Schüler für die Musik zu gewinnen und bei der Stange zu halten.

Was will der Schüler? Schwierige Frage, oft verwechselt er seinen eigenen Willen mit den Erwartungen seiner gleichaltrigen Kameraden oder dem, was er dafür hält.
„Was willst Du als nächstes spielen?“ Woher sollte der arme Schüler wissen, was ihm alles an guten Stücken gefallen könnte?

Ziele
In meinem Mathelehrerdasein ist es mir vorgegeben: das Ziel ist das Niveau des Schulabschlusses und das für alle, da gibt es keine Diskussion.

Gibt es Ziele für den Klavierunterricht?
Das Fernziel allen Klavierunterrichts müsste eigentlich sein, das ganze Leben mit Musik zu bereichern und nicht nur die Kindheit und Jugend an den Tasten zu verbringen.
Für den Kl.-Lehrer müsste das heißen: wie mache ich meinen Schüler selbständig und letztlich von mir unabhängig? Es wird mal eine Zeit geben, in der der Schüler nicht mehr zur Klavierstunde kommen wird. Was wird dann von den vielen Stunden übrig sein?

Wollen die Eltern überhaupt, dass ihr Nachwuchs überdurchschnittlich gut Klavier spielen lernt und stundenlang übt oder ist der Kl-Unterricht nur ein teurer Spielplatz oder ist er für sie Alibiveranstaltung, weil doch für die Kleinen was getan werden soll?

Oft wissen weder Eltern noch Schüler, welches Ziel die Reise mit dem Klavierunterricht überhaupt haben kann.

Ein paar mögliche Ziele:
Ich kenne erwachsene Klavierspieler, die improvisieren bloß, haben keine Notenkenntnisse und das reicht ihnen so. Andere begleiten Lieder nach Gehör, ebenfalls ohne Notenkenntnisse. Andere haben Notenkenntnisse und spielen dann und wann mehr schlecht als recht, es gefällt ihnen selbst nicht. Ich für meinen Teil lerne nach wie vor weiter an immer mehr Stücken der Klavierliteratur.

Muss hier ein Klavierlehrer zusammen mit den Eltern eine „Vision“ entwickeln, wohin mit seinen Zöglingen die Reise gehen könnte?

Walter
 
Mal noch eine andere Frage: Es wird immer davon gesprochen, dass der praktizierende Junglehrer "sich weiterbilden" soll. Gibt es überhaupt irgendeine Art und Möglichkeit von Weiterbildung oder Fortbildung von Instrumentallehrern? Mir fallen nur Meisterkurse und Fachliteratur ein, die ja beide nicht ins Schwarze treffen. Bieten Musikschulen Fortbildungen für ihre eigenen Lehrer an?
 
Beim Klavier lernen steht ein Lernen von Fertigkeiten im Vordergrund. Lernen von Fertigkeiten gibt es in den verschiedensten Bereichen.

Im schulischen Mathematikunterricht geht es darum, bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln. Dazu muss eine bestimmte Reihenfolge eingehalten werden (in den technischen Sportarten nennt man so was eine methodische Reihe).
Z. B. müssen meine Schüler erst Potenzrechenregeln lernen und einüben. Erst dann können wir an Exponentialgleichungen und Logarithmus gehen (Im Bodenturnen muss der Übende erst mit ausgestreckten Armen in der Verlängerung des Rückens in den Handstand schwingen können, bevor er überhaupt mit einem technisch zufrieden stellenden Handstützüberschlag anfangen kann usw.). Der Matheschüler kann das ganze Kapitel Exponentialfunktionen verstehen lernen und einüben und so lange bei Polynomfunktionen grottenschlecht sein.

So gibt es bei allen Fertigkeiten Sparten, die für sich eingeübt und beherrscht werden können, ohne dass die benachbarten Sparten zeitgleich beackert werden müssen.

Kann sich ein Klavierlehrer seinen privaten Lehrplan erstellen, von dem er überzeugt ist?
Was mache ich mit Kindern und kleinen Händen? Was mache ich mit den heranwachsenden jungen Leuten?

Oktaven, Doppeloktaven, Griffsicherheit bei Akkorden, kleine und große Arpeggien sind weitgehend unabhängig von Tonleitern, Terztonleitern u.ä.
Ganz ähnlich wie im Matheunterricht kann im Klavierunterricht eine gute Zeit zugebracht werden mit Oktaven und verwandten Spieltechniken (s.o.), die ein entsprechendes Stück zum Ziel haben. Empfiehlt sich vielleicht, um die herangewachsenen Kinder und Jugendlichen mit Oktavenlärm bei der Stange zu halten. (hat bei mir geholfen).

Die Suzuki-Violinschule ist nach dem Prinzip der methodischen Reihe aufgebaut. Dem bekannten a-moll Violinkonzert von Vivaldi (Op.12) gehen Musik-Stücke voraus, die dieselbe Spieltechnik zum Thema haben. Eines dieser Stücke ist dann sogar der erste Satz des Konzerts in abgekürzter Form. Spielen und spielen nach Gehör ist hier am Anfang dran, Noten lernen kommt erst später. (Wie bei der Muttersprache … wird argumentiert.)

Bei der Klavieranfängerliteratur eignen sich z.B. die Kinderstücke von Kabalewksi für so was.
Bei diesen Stücken sagt jeder Klavierlehrer: spiele die Akkord-Zerlegungen erst mal als Akkorde. Damit ist ein Schüler im Anfängerstadium überfordert.
Ich habe früher (habe mal 10 Jahre Kl.Unterricht gegeben) meinen Klavierschülern eben diese Akkorde rausgeschrieben, auf größere Notenzeilen als im Druck. Genau das Gleiche beim berühmten C-Dur Präludium von Bach. Ganz nach dem Vorbild der Suzuki-Schule, erst die Vorübungen als komplette Musikstücke, dann das Originalstück hinterher.

Fehlt in der Klavierschulenlandschaft ein Gegenstück zu der Suzuki-Schule?
Ein Klavierlehrer könnte ja so was entwickeln.

(Ein guter Mathelehrer entwirft Übungsblätter ohne Ende, wenn er merkt, dass seine Lieben noch Zusatzübungen brauchen. Auch die Lehrer anderer Fächer erarbeiten sich ihr eigenes Übungsmaterial.)

Es gibt da als Klavierlehrer-Beispiel Klaus Flashar von der Musikschule Spandau: Kostenlose Noten - free music scores - Gratis Bladmuziek
Er hat viele Stücke für seine Schüler selbst bearbeitet. Die Schüler können die Noten herunterladen und müssen sie nicht erst besorgen oder warten, bis sie jemand besorgt hat. Mit dem Urheberrecht haben sie auch keine Probleme. Die Stücke können auch im Internet nachgehört werden. – Ein Riesenaufwand der seine Zeit gekostet hat, aber genial!

Vor Beginn der Instrumentallehrertätigkeit kann man sich ein Repertoire von Schülerliteratur zulegen und diese Stücke evtl. sogar einspielen.
Man kann Vorstellungen über die gewünschte Entwicklung von Schülern entwickeln und eine Abfolge von Schülerliteraturstücken für diese Entwicklung auflisten (Lehrplanarbeit). Wie steht es mit Vorübungen zu diesen Stücken? Gibt es andere Stücke, die auf ein Zielstück hin gut vorbereiten? Braucht es eine Bearbeitung?

Wie wäre es mit einer Streicher-Begleitung von Unterrichtsliteratur? Ein gutes Keyboard könnte diese Streicher-Begleitung liefern. – Motiviert vielleicht das eine oder andere Kind.

Man kann sich dann mit Kommilitonen oder auch Dozenten über diese Vorstellungen unterhalten und z.B. Literaturvorschläge austauschen.

Walter
 
Insgesamt habe ich nicht sehr viel Erfahrung mit verschiedenen Klavierlehrern. Und wie Walter schon in zwei Beitraegen sehr treffend dargestellt hat, kommt es sehr auf den Einzelschueler an, auf den sich die Lehrperson einstellen muss. Aus eigener Erfahrung moechte ich aber zwei Punkte anmerken, die problematisch sein koennen:
1.) Zu viel Lob bzw. auch Tadel: Den Klavierlernenden sollte eigentlich klar gemacht werden, dass der Lehrer Ihnen beim Erarbeiten der Stuecke hilft. Es gibt nicht immer einfach ein "falsch" und "richtig" fuer das Lob und Tadel so einfach verteilt werden kann. Zuviel und unberechtigtes Lob schadet genauso wie zuviel und ungerechter Tadel. Der Schueler, die Schuelerin sollen lernen, nicht dem Lehrer zu gefallen sondern fuer sich selbst etwas zu gewinnen, naemlich Musik zu lernen. Dieser Uebergang muesste irgendwie waehrend der Pubertaet geschafft werden (Kinder ueben natuerlich zuerst, um den Lehrern oder Eltern zu gefallen).
2.) Unter 1.) habe ich schon von "Musik" lernen geschrieben. Mein Klavierunterricht war viel zu sehr auf das "druecke die richtige Taste zur richtigen Zeit mit der in den Noten stehenden Lautstaerke" abgestellt. Es geht aber darum, eine vernuenftige (das heiszt in sich schluessige) Interpretation des Notentextes zu erzeugen. Die Interpretation soll aber gehoert werden und nicht nur in der Vorstellung der Spielenden existieren. D.h. man braucht allgemeines Musik(hoer)verstaendnis. Wie bekommt man das? Ich glaube, es ist tatsaechlich wie bei einer Sprache: Die Lehrperson muss immer wieder Vorsprechen (also Vorspielen), Mitspielen (z.B. eine Oktave hoeher) um die grundlegenden Dinge beizubringen. Kann jemand chinesisch Sprechen nur aus einer Beschreibung der Aussprache lernen, ohne dass jemand vorspricht, und immer wieder das Gesprochene durch erneutes Vorsprechen korrigiert? Nein, sicher nicht. Genauso ist es wohl auch bei Musik. Das Aufsagen (Rezitieren) groeszerer Gedichte kann erst nach dem allgemeinen Erlernen der Sprache funktionieren und die lernt man eben durch Nachsprechen des Vorgesprochenen, das ist keine "Einschraenkung der Interpretationsfreiheit der Lernenden" sondern ermoeglicht erst, die richtige Deklamation zu lernen. Und ja, das gilt auch und gerade fuer "weniger Begabte". Lieber "Alle meine Entchen" in guter Interpretation als anspruchsvolle (also komplexe) Stuecke sinnlos von den Noten abspielen!
Literaturwahl: Ich muszte relativ viel "modernes Zeug" spielen und begleiten. Bartok, Roussel, Martinu etc.. Das ist nicht so einfach wie es sich vielleicht manche Musiklehrer vorstellen ("man gewoehne die Kinder frueh an moderne Musik"). Auch wenn diese Komponisten mit der Tradition z.T. bewuszt brachen, so gibt es eben doch einen Bezug zu eben dieser Tradition. Wenn man aber die Tradition nicht versteht, wie soll man dann meinetwegen Martinu verstehen? Der Weg zur modernen Musik fuehrt eben (leider?) ueber die Klassik.
Was ich mir sehr schwierig vorstelle: Viele Kinder haben wahrscheinlich keine mit ihnen Kinderlieder singenden Eltern (die viele Elemente der "Klassik" beinhalten: Viertaktphrasen, Kadenzen etc.). Sie hoeren vielleicht Einaudis Filmmusik oder "Unterhaltungsmusik", die mit der "klassischen" Musik und ihrer Ausdrucksvielfalt nicht unbedingt zu vergleichen ist. Das soll jetzt nicht arrogant sein, aber es ist ein Unterschied zwischen einem Drama von Schiller oder Goethe und einem Gebrauchstext oder "Aerzteroman" oder einem Text zu einem Spielfilm, der eben auch durch die Bilder und nicht den Text allein wirkt. Ich will damit sagen, dass die Erfahrung, sich mit Musik auszudruecken, vielen Kindern fehlen mag, dafuer aber Musik als "berieselnde Geraeuschkulisse" allgegenwaertig ist (siehe Kaufhaus). Fuer diese ist es besonders wichtig, die "Deklamation der Klangrede" zu lernen und zwar intuitiv durch Nachahmung wie eine Sprache.
Damit wird ja eigentlich eine neue Dimension eroeffnet: Musik nicht als angenehmes Hintergrundgeraeusch oder Illustration eines Films sondern als selbstaendige Ausdrucksform. Komischerweise waren alle meine Lehrpersonen sehr zurueckhaltend im Demonstrieren und Mitspielen. Gut, jetzt ist das nicht mehr so, aber der Unterricht ist trotzdem ganz anders, vielleicht auch eigenartig, aber fuer mich sicher sehr geeignet (er besteht vor allem aus Kritik, Analyse und Ausprobieren noch anderer Loesungen, sowohl musikalisch als auch falls notwendig technischer Art. Das kann auch ganz elementare Dinge betreffen.).
Fuer Kinder deswegen unbedingt zu empfehlen: Improvisationsuebungen und Komponierspiele. Dabei jetzt nicht gleich ans Notenschreiben denken sondern wirklich ans spontane Musizieren. Das wiederum musste ich frueh und ich bin dankbar dafuer.
Jannis
 
Mal noch eine andere Frage: Es wird immer davon gesprochen, dass der praktizierende Junglehrer "sich weiterbilden" soll. Gibt es überhaupt irgendeine Art und Möglichkeit von Weiterbildung oder Fortbildung von Instrumentallehrern? Mir fallen nur Meisterkurse und Fachliteratur ein, die ja beide nicht ins Schwarze treffen. Bieten Musikschulen Fortbildungen für ihre eigenen Lehrer an?
Fündig wirst Du bei den verschiedenen Fachverbänden für Berufsmusiker, beispielsweise beim Verband Deutscher Musikschulen (VdM) und beim Deutschen Tonkünstlerverband (DTKV), die in der zweimonatlich erscheinenden Neuen Musikzeitung (nmz) mehrere komplette Seiten mit entsprechenden Angeboten füllen. Die Bandbreite der Veranstaltungen und Initiativen ist vielfältig - eher unerfreuliche Nebenerscheinung ist, dass immer wieder selbige mangels Beteiligung nicht stattfinden können.

Eine grundsätzliche Aussage meinerseits zum Thema: Wer von den zu vermittelnden Inhalten nicht selbst begeistert ist, vermag auch andere nicht zu begeistern. Wer also vorrangig deshalb unterrichtet, weil das Füllen des Terminkalenders mit Konzertengagements mangels Nachfrage nicht gelingt, hat sicherlich als Pädagoge nicht die besten Ausgangsvoraussetzungen. Nicht auszuschließen ist es freilich, dass sich die Freude am Unterrichten mit der Zeit entwickelt, so wie sich mancher Appetit erst beim Essen einstellt. Es geht aber stets darum, sich für etwas zu entscheiden, weil man es selbst will, in diesem Falle das Unterrichtenwollen. Wer sich für das Unterrichten entscheidet, weil er erkannt hat, dass es für die ursprünglich angestrebte Solistenlaufbahn nicht reicht, müsste das Unterrichten als neues persönliches Ziel definieren, zu dem er genauso leidenschaftlich ja sagt wie zur ursprünglichen Karriereplanung. Nicht unmöglich, aber eben nicht leicht, da diese Entscheidung zum einen eine Menge Ehrlichkeit und Selbsterkenntnis voraussetzt, zum anderen darf sich nicht das Bild des Scheiterns manifestieren. Wer sich also für eine neue Fachrichtung entscheidet in der Hoffnung, da auf dem Instrument nicht mehr so viel können zu müssen, muss leider damit rechnen, auch andernorts Schiffbruch zu erleiden.

LG von Rheinkultur
 
Das Fernziel allen Klavierunterrichts müsste eigentlich sein, das ganze Leben mit Musik zu bereichern und nicht nur die Kindheit und Jugend an den Tasten zu verbringen.

Das sehe ich prinzipiell auch so. Auch wenn man vermutlich nicht in jeden Schüler diesen "Samen" legen kann. Schlimm ist allerdings, wenn durch falsche didaktische Methoden (z.B. zuviel Zwang, oder Zwang zu Dingen, die der Schüler partout nicht will), genau diese Basis zerstört wird.

Muss hier ein Klavierlehrer zusammen mit den Eltern eine „Vision“ entwickeln, wohin mit seinen Zöglingen die Reise gehen könnte?

Das wäre wohl der Idealfall. Schließlich weiß ich dann, worauf ich als Schüler hinarbeite.

Ich kann mir aber vorstellen, daß oft weder Eltern noch Schüler eine konkrete Vorstellung davon haben. Und manches zeigt ja erst die Zeit (z.B. ob dauerhaftes Interesse entwickelt wird).

Vom KL wird sicher ein ganzes Stück weit erwartet, genau diese Frage aktiv lösen zu können, und eben "das richtige" dafür, für diese "Reise", zu tun.

Mein Klavierunterricht war viel zu sehr auf das "druecke die richtige Taste zur richtigen Zeit mit der in den Noten stehenden Lautstaerke" abgestellt.

Auch Horowitz tat nichts anderes ;) Allerdings muß das "wie" - natürlich - von einem guten Musikverständnis (Musikalität) getragen, gesteuert, durchdrungen, sein.

Lieber "Alle meine Entchen" in guter Interpretation als anspruchsvolle (also komplexe) Stuecke sinnlos von den Noten abspielen!

Ist auch meine Meinung (wenn auch ein etwas krasses Beispiel). Was man spielt, bzw. was man dann auch öffentlich macht, über Youtube etc., sollte vor allem schön anzuhören sein.

Das gilt auch auf Konzertpianistenniveau. Technisch perfekte "Ratterei" hilft mir z.B. persönlich wenig - wenn ich nicht einen (den) entscheidenden musikalischen Funken im Stück wahrnehme, an dem ich mich dann freuen kann.

Das könnte eines der größten Probleme, selbst bei Anfängern, sein: daß sie zu schnell "Technik" lernen wollen, um mit dieser "Technik" dann beeindrucken zu können. Sich selbst, oder andere. Technik ist dann das Synonym für "viele Tasten schnell drücken zu können", möglichst schnell von den "einfachen, primitiven" Stücken wegzukommen.

Es gilt also, einen möglicherweise beim Schüler vorhandenen reinen "Technikdrang" im Zaum zu halten. (wobei das streng genommen falsch ausgedrückt ist. Technik ist niemals etwas schlechtes - je mehr man davon hat, desto besser. Allerdings: ein technisch anspruchsvolles Stück ohne Musikalität gespielt, das ist etwas schlechtes).

Und, ein sehr wichtiger Punkt: wie lernt man Schülern die Musikalität? Meiner Meinung nach, lernt man diese über das genaue Zuhören. Viel, viel Musik, unterschiedlicher Art, unterschiedlichen Ausdrucks, genau hören, die Musikalität darin entdecken, feststellen: Stück A hat mehr Musikalität als Stück B (und wieso).

Oft im Forum diskutiert wurde auch, den Anspruch an "musikalische Qualität" von Stücken bei Schülern zu entwickeln. Bachs erste Invention ist in dieser Hinsicht Lichtjahre von TEY-Stücken entfernt. Musikerfahrene Menschen wissen das, und auch, daß die Invention letztendlich viel mehr, und viel länger, Spaß bereitet.
Auch das ist Teil guten Musikunterrichts.

Schönen Gruß
Dreiklang
 
Schlimm ist allerdings, wenn durch falsche didaktische Methoden...
Heute bei dem Klaviertransport sprach ich lange mit der Frau vom Verkäufer. Sie hatte als 7 Jahre lang Klavierunterricht, welche sich zu einem schieren Trauma entwickelten. Später verdrängte sie das Klavierspiel so stark (sie ist musikalisch, Sängerlin, hört auch gerne Klaviermusik), dass sie, als sie sich zum Abschied an den Flügel gesetzt hat, nicht mal mehr wusste, wo denn jetzt das C ist. Ähnliches kenne ich vom Russisch (da hatte ich ne Eins). Alles verdrängt, alles vergessen.
 

Ich hoffe mal, daß so etwas eher die Ausnahme ist...

Aber eigentlich würde mich interessieren, was gewisse Forenmitglieder wohl hierzu sagen: ;)

Motivierte und einigermaßen talentierte Studenten zu unterrichten ist keine Kunst.

Was mir dazu einfällt: dazu braucht man Kenntnis über hohe pianistische spieltechnische Schwierigkeiten, und wie man diesen begegnet. Dann sollte man selbst entsprechend gut spielen können, und entsprechend viel schwierige Sachen spielen können (damit auch den Studis mal das Kinn runterklappt, und man entsprechende Dinge auch demonstrieren kann). Viel zu wissen und gelesen zu haben, ist sicher auch nicht verkehrt. Außerdem, ist es auch eine hohe Verantwortung, Hochbegabte weiter auszubilden - man macht da ja u.U. mehr kaputt, als bei Tante Krause, bei der das Klavierlernen dann halt ein Jährchen länger dauert (und die das vermutlich nicht mal merkt, und trotzdem glücklich ist).

Im anderen Fall stehen da Studium, Abschlußprüfungen, vielleicht sogar die weitere "Karriere", auf dem Spiel.

(allerdings, ist es auch eine hohe Verantwortung, einem "Newbie" das Klavierspielen beizubringen. Dessen Zeit und Geld, und Motivation, stehen letztendlich eben auch auf dem Spiel. Das soll aber in diesem Fadenkontext natürlich nicht entmutigen)
 
Aber eigentlich würde mich interessieren, was gewisse Forenmitglieder wohl hierzu sagen: ;)
erstmal vollständig zitieren... ;)
Motivierte und einigermaßen talentierte Studenten zu unterrichten ist keine Kunst. Hohe Kunst ist, einen noch nicht festgelegten Schüler für die Musik zu gewinnen und bei der Stange zu halten.
der erste Satz ist wahr.
der zweite Satz wird allerdings weder die Kunstgeschichte revolutionieren noch die Auffassung von den Künsten :D:D
 

Soso, ich als Student bin also leicht zu unterricht :p:klavier: Wenn ihr wüsstet
 
Verstehe ehrlich gesagt nicht, was das für eine Aussage sein soll. Ein Student ist leicht zu unterrichten - aber es ist ganz und gar nicht leicht, einem Klavierstudenten hilfreichen, fördernden, fordernden, guten Unterricht zu geben. Sicher genauso wenig leicht, als einen Anfänger zu unterrichten. Die Anforderungen sind nur andere.
 
Ich habe mir die vorherigen Beiträge nicht mehr alle durchgelesen. Ich bin Lehramts-Musikstudentin und habe eine kleine Handvoll Schüler. Ich gehöre damit sicher nicht zu den Profis. Ich denke ich kann Leuten für den Hausgebrauch genug vermitteln, aber auch nicht zu Profis werden lassen. Was mir bisher fehlte: Lehrer sein ist doch auch viel typsache. Das sage ich aus Schüler- und Lehrersicht. Es gibt Lehrer, die mag ich als Mensch einfach gerne und DESHALB gehe ich gerne in den Unterricht (natürlich auch mit qualitativ gutem Unterricht gepaart). Das geht mir auch als Lehrende so: Ich merke bei manchen Schülern, dass es persönlich auch gut passt. Und ich hatte auch schon Schüler, bei denen das persönliche eben NICHT passte - und das beruht dann auch auf Gegenseitigkeit. Wie auch immer: Ich glaube um ein guter Lehrer zu sein gehört auch ein gewisser Typ. Und da sind die Vorlieben doch auch individuell: Ich persönlich mag gerne strenge Lehrer und keine, die zu schnell loben. Wenn ich mit "meinen" Kindern so umgehen würde, wie ich meine Instrumente teilweise lerne, wären die alle auch ganz schnell wieder weg. Ich glaube man kann viel lernen, es gibt aber auch Dinge, die kann man nicht lernen...
 

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