Wie spiele ich Bach?

Ludwig

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Hallo zusammen,

wie öfter am Rande erwähnt, werde ich mich in den nächsten Jahren(!) wohl länger mit dem Herrn aus Eisenach beschäftigen.

Ein Blick und ein kurzes Durchhören durch die Inventionen/Sinfonien und dem WTK ergeben sofort eine undurchschaubare mögliche Anzahl an Interpretationen.
Allein jede Verzierung kann unterschiedlich aufgefasst und umgesetzt werden.

Im WTK findet sich folgender Satz: "Es bleibt also dem Spieler überlassen, Phrasierung und Artikulation festzulegen"

Doch muss es doch irgendwelche Anhaltspunkte geben, an die ich mich richten kann?
Wie arbeite ich mit Bach?
Wie gehe ich an diese umfangreichen Werke heran?

Allein die harmonische Komplexität seiner Werke stellt mich bis dato vor einer Herausforderung.

Bin auf eure Aussagen gespannt.
Ich werde am Dienstag übrigens dieses Thema auch mit dem KL besprechen.

Schönen (Rest)Sonntag
Ludwig

P.S.
"Bach müsste nicht Bach sondern Meer heißen"
 
Im WTK findet sich folgender Satz: "Es bleibt also dem Spieler überlassen, Phrasierung und Artikulation festzulegen"

Mei, die künstlerische Freiheit läßt ja gerade in der heutigen Zeit alles zu - aber ich gehe jetzt mal davon aus, daß Du Bach möglichst authentisch spielen möchtest?
Zunächst sei erst einmal gesagt daß Bach keine Dynamik wie zu Beethovens Zeiten hatte, und auch ein Tonhaltepedal war nicht vorhanden. Bach solllte grundsätzlich ohne Pedal gespielt werden. Weiterhin bei Bach nicht so anz ohne - Gewichtspiel; verlager Dein Körpergewicht auf die Hände.
Und jetzt komme ich zum häßlichsten Teil: Bach ist mehrstimmig, versuche die verschiedenen Stimmen rauszulesen, und spiele sie entsprechend hervorhebend oder im Hintergrund. Die Mehrstimmigkeit in den Bach Stücken ist wohl die größte Herausforderung.

Viele Grüße

Styx
 

Das ist eine sehr schöne Frage. Warum? Weil es vermutlich ganze Bibliotheken voll mit Abhandlungen über dieses Thema gibt. Und wenn es so dermaßen viel darüber gibt, heißt das nichts anderes, als dass es eine engültige Tausenddollarantwort nicht gibt.

Wenn man sich die Inventionen von fünf verschiedenen Bigshots der Pianistenszene anhört, wird man fünf unterschiedliche Interpretationen hören. Schon die Verzierungen spielt kaum einer wie der andere. Ich habe daraus für mich den Schluss gezogen, mein zugegebenermaßen nicht so besonders großes Bachrepertoire so zu spielen, wie es mir gefällt.

Und @Styx, man kann den Standpunkt vertreten, Bach muss ohne Pedal gespielt werden, weil es damals kein Pedal gab. Das sehen aber heutige Interpreten völlig anders und nutzen selbstverständlich das Pedal, ich übrigens auch. Zu manchen Stücken des WTK beispielsweise passt das Pedal hervorragend, zu anderen eher nicht.

Nix Genaues weiß man also nicht. Das ist immer am besten, es lässt Freiheit. Unter anderem deswegen ist der alte John S. Creek mein Lieblingskomponist.

CW
 
Und @Styx, man kann den Standpunkt vertreten, Bach muss ohne Pedal gespielt werden, weil es damals kein Pedal gab. Das sehen aber heutige Interpreten völlig anders und nutzen selbstverständlich das Pedal, ich übrigens auch. Zu manchen Stücken des WTK beispielsweise passt das Pedal hervorragend, zu anderen eher nicht.

Es ist sicherlich koane Straftat Bach mittels Pedal zu mißhandeln - es ist dann nur koa Bach mehr. Ich sag mal so, des Prelude C-Dur, klingt mit Pedal sehr schön romantisch, nur brauchst ja des Pedal garned bei Bach, spiels doch einfach legato, Bsp: Minuett:



Viele Grüße

Styx
 
Es ist sicherlich koane Straftat Bach mittels Pedal zu mißhandeln
@Styx ...beginnst du zu dreiklängeln?
...sämtliche bedeutenden Bachinterpreten am Klavier haben die zum Instrument gehörenden Pedale (Plural) mitverwendet - es wird halt meist Bach auf dem modernen Flügel gespielt. ...brauchst ja nur mal geneu bei den berühmten Gouldaufnahmen hinhören (wenn das ncht klappt: es gibt da genügend Filmmaterial)
 
Zuletzt bearbeitet:

Wenn du dir mal die Noten vom WTK ansiehst, wirst du schnell erkennen, daß es als solches kaum Anweisungen vom Komponisten gibt.

An sich hat man viele Freiheiten, betreffs der Tempis und auch wie du artikulieren / verzieren magst. Weniger Freiheiten ergeben sich im Rythmus. Wobei auch abundan rubatis gespielt werden.

Ich persönlich mag auch keinerlei Pedal bei Bach. Mir egal ob Bach selber es genommen hätte oder es andere machen. Wobei mir die ein oder andere toccata vom Frey gefällt und der tupft des öfteren mit dem Pedal.

Was ja schon gesagt wurde ist die Stimmführung, die absolute Polyphonie. Sogesehen sind alle Töne die du spielst Gleichberechtigt. Du musst für deine Interpretation entscheiden welche Stimme wann im Vordergrund ist.

Du wirst sicher mit 2 stimmigen Stücken anfangen und dort ist es noch recht überschaubar.

Ich persönlich bin Gould Fanatiker. Ich liebe seine Art zu spielen. Hör dir ruhig mal was von ihm an.

Interessant finde ich zum Beispiel wenn du dir mal das c moll präludium vom ersten WTK anhörst wie Golud dort Melodietöne mal bindet, mal staccato spielt, dann auf einmal die Basslinie rausarbeitet und wie der letzte Teil des Stückes sehr cembaloimitierend im Rubato gespielt wird.

Bach ist auch harmonisch noch recht überschaubar, immerhin ist es noch nicht so abgefahren wie beim Scriabin oder Debussy:-D

Ich glaube es gibt nichts besseres für einen Einsteiger in der klavierliteratur, als fleißig und mit echter Inbrunst Bach zu spielen. Die Polyphonie zwingt einem dazu das hören zu lernen und jeden Ton gründlich zu spielen.

Ich wünsche dir viel Erfolg!

Lg lustknabe
 
Aha, Pedal bei Bach am Klavier also "quasi-verboten", dann aber auch jede Dynamik bitte, dasz hier keiner unterschiedliche Stimmen unterschiedlich laut spielt, und die Betonungen werden nur mit rhythmischen Laengungen und Verkuerzungen erzeugt. Vorsicht, der vorstehende Satz koennte Ironie enthalten!
Bachs Musik ist nicht so sehr "instrumentgebunden" wie Chopins oder Debussys (Klavier)musik. Man darf also zur Darstellung der Musik durchaus die instrumentengegebenen Moeglichkeiten ausnuetzen. Danke, dasz Rolf von "den Pedalen" im Plural spricht! Keiner hat gesagt, dasz das Pedal zu romantisierenden Klangeffekten eingesetzt werden soll, es hat auch andere Funktionen.
Jannis
 
Nun ja, einige der geäußerten Auffassungen kann ich nicht ganz teilen.

Wenn nichts in den Noten steht, heißt das nicht, dass man beliebige Freiheiten hat. Es steht nichts drin, weil man davon ausging, dass eh alle wissen, wie man das macht. Daraus einen Freibrief zur Willkür abzuleiten, wie es z.B. GG macht, dürfte nicht von Bach intendiert sein. Sehr aufschlussreich ist dabei in Sachen Artikulation und Verzierungen das bekannte Büchlein seines Sohnes Carl Philipp. Da gibt es natürlich immer noch Spielräume und man muss überlegen, was man auf einem modernen Klavier möglicherweise anders macht.

Natürlich mit Pedal. Da, wo es geht. In einer dichten Fuge wie WTC 1 C-Dur werden sich nicht viele Gelegenheiten finden. Diese altbekannte Klavierlehrerargumentation (hat Bach ja schließlich nicht gehabt) ist completely Nonsens. Jeder Cembalist spielt wie ein Depp Überlegato, um genau diesen Effekt zu erzeugen.

Schöne Grüße
Axel
 
Sehr informativ und überschaubar:
" Das Clavierspiel der Bachzeit " von Paul Heuser bei Schott Verlag.
LG Doc
 
Ich glaube es gibt nichts besseres für einen Einsteiger in der klavierliteratur, als fleißig und mit echter Inbrunst Bach zu spielen. Die Polyphonie zwingt einem dazu das hören zu lernen und jeden Ton gründlich zu spielen.

Ich entstamme einem extrem bach-affinen Umfeld. "Musik" war im wesentlichen "Bach". OK, ein paar andere gab es auch, aber die sind eigentlich überflüssig. So war die Denke.

Ups, zu früh abgeschickt. Mist.

Demzufolge habe ich, solchermaßen geprägt, in meinem "1. Klavierleben" fast nur Bach gespielt. OHNE Pedal. Es ist mir heute bewusst, dass zeitgenössische Interpreten das Pedal einsetzen. Aber irgendwie hatte ich es nur mit Puristen zu tun... Das hatte zur Folge, dass ich mit dem Pedal eigentlich gar nicht richtig umgehen konnte.
 

Das hatte zur Folge, dass ich mit dem Pedal eigentlich gar nicht richtig umgehen konnte.

Nicht das ich irgendwas könnte, aber das Pedal habe ich in letzter zeit bei scriabin und debussy häufig genug gebraucht und bin so auch ganz zufrieden puristisch zu sein, auch wenn die hiesigen Professoren anderer Meinung sind. Sollte ich mich irgendwann super wohl fühlen, kann man es ja immer noch experimentell einsetzen. Wie gesagt mir gefallen manche Aufnahmen von David Frey und er tupft viel. Bei den Aufnahmen vom GG habe ich es noch nicht gehört, aber ich habe auch nur ne CD von dem kompletten WTK 1.
Und ja, ich als Anfänger sprach erstmal nur vom forte pedal. Das sostenuto wird für gewisse orgelpunkte Gold wert sein und das linke pedal sicherlich auch.... aber man kann auch all das ohne Pedal(e) dynamisch spielen. Quasi erstmal basics lernen.

Lg lustknabe
 
...sämtliche bedeutenden Bachinterpreten am Klavier haben die zum Instrument gehörenden Pedale (Plural) mitverwendet - es wird halt meist Bach auf dem modernen Flügel gespielt.
Eben. Man könnte lediglich einfordern, die Pedale (ebenfalls Plural) mit Bedacht einzusetzen - aber gilt das nicht für andere Komponisten auch? Das linke Pedal gelangt ja nicht zum Einsatz, um künstliches (weil sonst nicht beherrschtes) Piano-Spiel herbeizuführen, sondern um eine deutlich andere Klangfarbe bei den Gestaltungsmitteln zur Hand zu haben. Orgel und Cembalo ermöglichen durch die Wahl der Registrierung unterschiedliche Klangfarben, der moderne Flügel verfügt dafür über eine reiche Palette an Anschlagsnuancen - warum diese nicht im vergleichbaren Sinne nutzen, um ein polyphones Gefüge plastisch zu gestalten? Sofern möglich, ist nichts dagegen einzuwenden, beispielsweise einen Orgelpunkt ins Tonhaltepedal zu nehmen, obwohl es selbiges erst seit dem fortgeschrittenen 19. Jahrhundert gibt.

Relativ unergiebig sind auch Spekulationen, ob Bach anders komponiert hätte, wenn ihm ein Instrument neuerer Bauart zur Verfügung gestanden hätte. Denn das früher nicht existente rechte Pedal ist nicht allein dazu da, Tonkomplexe aneinander zu binden, sondern ein Klangbild räumlicher und plastischer zu gestalten. Entsprechend nuanciert ("tupfen") gelangt es dann eben zum Einsatz.

LG von Rheinkultur
 
Relativ unergiebig sind auch Spekulationen, ob Bach anders komponiert hätte, wenn ihm ein Instrument neuerer Bauart zur Verfügung gestanden hätte.

Bach soll dem "modernen" Hammerklavier sehr ablehnend gegenübergestanden haben. Unter Bachfanatikern ist der Einsatz des rechten Pedal´s verpönt (hatte in meiner Jugendzeit mal so einen KL für den es offensichtlich keine anderen Komponisten außer Bach gab). Mir selbst ist es so ziemlich wurscht ob man Bach nun besser mit oder ohne Pedal spielt, ich spiel ihn einfach garnicht :rauchen:


Viele Grüße

Styx
 
Diese altbekannte Klavierlehrerargumentation (hat Bach ja schließlich nicht gehabt) ist completely Nonsens. Jeder Cembalist spielt wie ein Depp Überlegato, um genau diesen Effekt zu erzeugen.
In der Tat ist die These, bei Bach die Pedale nicht anzurühren, weil auf den historischen Instrumenten nicht vorhanden, letztlich unsinnig. Allerdings sollte beim Pedalgebrauch der Aspekt im Blickfeld bleiben, dass der Klaviersatz daraufhin angelegt ist, alles prinzipiell mit den Fingern greifen, binden und halten zu können. Entsprechend nuanciert und sorgfältig wird dann der Gebrauch der Pedale erfolgen - aber ist das nicht auch bei späterer Literatur so, dass man vernünftig und angemessen pedalisiert? Dass bei den Impressionisten alles in einem diffusen Pedalnebel verschwimmt, gehört in den Bereich der Mythen und Märchen. Übrigens haben sich Debussy, Ravel und andere Komponisten jener Zeit wiederholt auf historische Vorbilder bezogen (Couperin, Rameau und weitere), so dass entsprechende Überlegungen nicht nur auf das Bach'sche Lebenswerk bezogen sein müssten.

LG von Rheinkultur
 
Perfekt da ist doch was interessantes dabei :super:

Die Pedalfrage ist für mich eigentlich hinfällig - da es keine Information darüber gibt, für welches Instrument er z.B. das WTK geschrieben hat.

War es das Clavichord, ein Instrument auf dem man nicht nur dynamisch spielen konnte, sondern auch ein Vibrato(!)?
Oder das Cembalo, das aber auch Klangfarben ermöglicht?

Nur stutzig macht mich die Aussage von @Axel - wenn alle wussten, wie Bach zu spielen sei, dann muss das doch irgendwo festgehalten worden sein?
Würde mich mal interessieren.

Unabhängig davon habe ich also weite Freiheiten bei der Interpretation, was ich einerseits gut finde (kein "Da -steht-aber-piano" mehr), andererseits erfordert das eine denkende Spielweise.
Wo will ich hin, wie drücke ich die Noten aus - das steht nun nicht mehr im Notentext.

Vielleicht gehört diese "Befreiung" von der absoluten dynamischen Ausführung einer RKS zum Werdegang eines Klavierspielers - nicht mehr vorgekaut, nun ist Phantasie gefragt:super:

Das Hervorheben von Stimmen finde ich übrigens recht schwer. Aber ich denke da kriegt man nach einer Weile den Dreh raus - hoffe ich

Welche Interpretation würdet ihr noch empfehlen und warum (Hommage an den Hörvergleichsthread :-D )?
 
Zuletzt bearbeitet:
Die von Gould, weil sie äußerst eigenwillig und trotzdem überzeugend sind.
Die von Schiff, weil sie eine maßvolle und ausgeglichene Ruhe verströmen.
Und die von Gulda.

Weil ich den schon einmal gesehen habe.

CW
 
Die Pedalfrage ist für mich eigentlich hinfällig - da es keine Information darüber gibt, für welches Instrument er z.B. das WTK geschrieben hat.
Man sollte auch bedenken, dass das Wohltemperiere Klavier (so wie viele andere Klavierwerke) nicht nur für das Klavier komponiert wurde, sondern dass auch jede Menge andere Instrumente "darin vorkommen" und nachempfunden sind. Lebendig werden z.B. die Goldberg-Variationen ja nicht dadurch, dass man sie (so wie Gould) seziert, in Einzelteile zerlegt und dann wieder zusammenbaut, sondern dass man all die verschiedenen Instrumente, Spielarten und Klangfarben versucht umzusetzen, die darin vorkommen. Auch das Wohltemperierte Klavier ist voll davon.
...wenn alle wussten, wie Bach zu spielen sei, dann muss das doch irgendwo festgehalten worden sein?
Würde mich mal interessieren.
Es wurde halt mündlich weitergegeben. Unsere heutige Gewohnheit jedes Fliegenpünktchen für die Ewigkeit zu konservieren, zu speichern und zu archivieren war nicht zu allen Zeiten derart zentral im Denken der Leute. Und das Privileg zu haben, wertvolles Wissen mündlich überliefert zu bekommen, hat damals vermutlich auch mehr bedeutet als heutzutage. Heute erfährt man etwas und macht damit, was man will. Damals erfuhr man etwas und empfand eine innere Verpflichtung, das Gelernte zu bewahren und weiterzugeben.

von der absoluten dynamischen Ausführung einer RKS...
Hilfe! Sprecht bitte Klartext. RKS? MPS? Ich bitte um Erklärung.

Grüße von
Fips
 
MPS ist eine Plattenfirma, Musikproduktion Schwarzwald.

CW
 

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