Wagner Klavierauszüge: Der Ring des Nibelungen

  • Ersteller des Themas Herr Toteninsel
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Eine möglichst genaue Wiedergabe des Klavierauszugs braucht man eigentlich nur, wenn man Oper vor Publikum am Klavier aufführt. Wenn man zu sowas verpflichtet wird, dann hat man als Pianist allerdings richtig Stress. :angst:
Unter Bezeichnungen wie "Oper am Klavier" gibt es solche Projekte an vielen Häusern. Damit lassen sich auch weniger bekannte und fast vergessene Sachen wiederbeleben, für die man nicht den kompletten "Apparat" des Hauses aktivieren kann und/oder will. Da muss der pianistische Part schon konzertanten Ansprüchen genügen, während im Probenbetrieb etliche pianistische Details auf der Strecke bleiben können - klare Impulse und abnehmbare Einsatztöne für Solisten, Ensembles und Chor haben zunächst Vorrang.

Als Korrepetitor muss man als erstes die Singstimmen sehr genau kennen - dazu sollte man alle (!) Partien selber singen können. Bei Einzelproben mit Sängern muss man später die Anschlüsse sicher hineinsingen können.
"Selber singen" kann durchaus "stimmlich markieren" bedeuten, da nur wenige Kapellmeister eine podiumstaugliche Solistenstimme besitzen. Die zu singenden Töne werden zum großen Teil jenseits des eigenen Stimmfachs liegen - bei Bedarf oktavieren ist notwendig. Die Töne werden folgerichtig nicht immer klangschön sein, müssen aber in der Höhe erkennbar stimmen. Wie soll man sonst ein Solistenensemble einstudieren, dessen Akteure vielfach nicht komplett bei der Probe anwesend sein können?

Wenn es zu schwierig wird, muss man halt Sachen weglassen oder im Notfall auch mal nur die Singstimme und den Bass bzw. Harmonien spielen. Wer als Repetitor rhythmisch "ohne Knochen" spielt, der übersteht ziemlich sicher seine erste Spielzeit am Opernhaus nicht.
Es gilt schon der Grundsatz: Lieber ein dünneres Satzbild mit richtigen Tönen als ein zu dichter Klaviersatz mit falschen, weil der Spieler manuell überfordert ist. Allerdings soll das auf dem Klavier erzeugte Klangbild schon den Orchesterapparat erahnen lassen, sonst kann man sich den Job eigentlich ganz sparen.

Vor die erste Spielzeit am Opernhaus haben einflussreiche Kreise ein Kapellmeisterstudium an einer Musikhochschule gestellt - mancherorts kann man das Fach "Korrepetition" als eigenständiges Studienfach belegen. Da in den meisten Fällen für den Kapellmeister-Nachwuchs die "Ochsentour" ansteht und mehr pianistische als dirigentische Aufgaben anliegen, funktioniert ohne ein sehr gutes Können am Klavier in diesem Beruf praktisch nichts. Wer sich ein wenig mit dieser Materie beschäftigt, wird sehr schnell erkennen, dass auf den Einsteiger eine Menge Arbeit wartet. Bis zur ersten Position am Haus "mit Dirigierverpflichtung" ist eine beachtliche Wegstrecke zurückzulegen - so viel zum Thema "Ochsentour".

LG von Rheinkultur
 
@mick. Danke für den Einblick. Ich stelle mir gerade das Singen schwierig vor. Auf welchem Niveau kann denn Repetitor mit Stimmlage Bass die Sopranstimmen imitieren? (Was ist in diesem Zusammenhang das sogenannte stimmliche Markieren der Partien?)
Wie von mir angedeutet: Selbst bühnenreif als Gesangssolist konzertieren können die wenigsten. Ist aber auch so nicht nötig. Selbstverständlich sind die Partien in die eigene Stimmlage hinein zu oktavieren, und auch dann werden die hervorgebrachten Töne nicht wirklich klangschön sein. Müssen sie auch nicht, aber sie sollten in der Höhe stimmen, also so erklingen, dass in einem Solistenensemble niemand "aus der Bahn geworfen" wird, was bei grob falschen Tönen ja passieren kann.

LG von Rheinkultur
 
Vor die erste Spielzeit am Opernhaus haben einflussreiche Kreise ein Kapellmeisterstudium an einer Musikhochschule gestellt - mancherorts kann man das Fach "Korrepetition" als eigenständiges Studienfach belegen. Da in den meisten Fällen für den Kapellmeister-Nachwuchs die "Ochsentour" ansteht und mehr pianistische als dirigentische Aufgaben anliegen, funktioniert ohne ein sehr gutes Können am Klavier in diesem Beruf praktisch nichts. Wer sich ein wenig mit dieser Materie beschäftigt, wird sehr schnell erkennen, dass auf den Einsteiger eine Menge Arbeit wartet. Bis zur ersten Position am Haus "mit Dirigierverpflichtung" ist eine beachtliche Wegstrecke zurückzulegen - so viel zum Thema "Ochsentour".

An kleineren Häusern bekommt man durchaus auch als Anfänger eine "Dirigierverpflichtung". Was natürlich nur heißt, dass man irgendeine Operette oder Spieloper nachdirigieren muss, wenn die Leitung des Hauses das anordnet. Ein Anrecht auf eine Vorstellung hat man damit nicht, und eine eigene Einstudierung schon lange nicht. Mein Vater hat damals als Anfänger sogar in Düsseldorf (A-Haus) ein paar Vorstellungen bekommen. Natürlich nicht den Ring, sondern "Die lustige Witwe" und den "Wildschütz". Glück gehabt!

LG, Mick
 
An kleineren Häusern bekommt man durchaus auch als Anfänger eine "Dirigierverpflichtung". Was natürlich nur heißt, dass man irgendeine Operette oder Spieloper nachdirigieren muss, wenn die Leitung des Hauses das anordnet.
Kleinere Häuser oder Tourneetheater machen fallweise eine Ausnahme und bieten die eine oder andere Einstiegsmöglichkeit bei der Wiederaufnahme eines Repertoirestücks, gerne aus dem Bereich der deutschen Spieloper (speziell Lortzing). Operette ist übrigens ein heikles Terrain, auf dem so mancher schon baden gegangen ist. Tempogefühl, Geschmeidigkeit und die Kenntnis gewisser Bühnenkonventionen sind unerlässlich, um gute Ergebnisse abzuliefern - und die weit verbreitete Geringschätzung dieser Gattung schon unter Studenten kann sich in der Praxis bitter rächen.

LG von Rheinkultur
 
@Rheinkultur: Wie wahr! In wie vielen Interviews von erfolgreichen Dirigenten habe ich schon gelesen, die vor einer Geringschätzung der Operette warnen. Karajan hielt die Operette für die beste Schule des Kapellmeisters! Und mal ehrlich - eine gute Fledermaus ist nicht leichter zu dirgieren als viele Stücke des vermeintlich wertvolleren, ernsten Faches.
 
Kleinere Häuser oder Tourneetheater machen fallweise eine Ausnahme und bieten die eine oder andere Einstiegsmöglichkeit bei der Wiederaufnahme eines Repertoirestücks, gerne aus dem Bereich der deutschen Spieloper (speziell Lortzing). Operette ist übrigens ein heikles Terrain, auf dem so mancher schon baden gegangen ist. Tempogefühl, Geschmeidigkeit und die Kenntnis gewisser Bühnenkonventionen sind unerlässlich, um gute Ergebnisse abzuliefern - und die weit verbreitete Geringschätzung dieser Gattung schon unter Studenten kann sich in der Praxis bitter rächen.

LG von Rheinkultur

Eine Wiederaufnahme (mit zumindest einer BO, HP und GP) wäre schön - nur bekommt man die als Anfänger nicht, sondern nur ein Nachdirigat (ohne eigene Proben). Da muss man sich - ob's einem gefällt oder nicht - sehr eng an die Interpretation der ursprünglichen Einstudierung halten. Sonst rappelt's ordentlich im Karton und die Karriere ist möglicherweise zu Ende, bevor sie richtig angefangen hat. :bomb:
 
Eine Wiederaufnahme (mit zumindest einer BO, HP und GP) wäre schön - nur bekommt man die als Anfänger nicht, sondern nur ein Nachdirigat (ohne eigene Proben).
Korrekt, danke für die Klarstellung! Das Nachdirigat findet natürlich im Zuge der Wiederaufnahme mit fertig probierter und gestellter Produktion statt, an der man nichts Grundlegendes mehr ändern sollte. Für die theatererfahrenen Mitleser sind die Abkürzungen kein Neuland, trotzdem: BO bedeutet Bühnen-Orchester-Probe, HP Hauptprobe und GP Generalprobe. Gebräuchlich sind auch KHP für Klavier-Hauptprobe und OHP für Orchester-Hauptprobe, woraus zu entnehmen ist, ob die musikalischen Teile der Produktion vom Orchester oder einem Pianisten gestaltet werden.

LG von Rheinkultur
 
Karajan hielt die Operette für die beste Schule des Kapellmeisters! Und mal ehrlich - eine gute Fledermaus ist nicht leichter zu dirgieren als viele Stücke des vermeintlich wertvolleren, ernsten Faches.
Da hatte der große Altmeister absolut recht - und ich meine nicht nur die zum Jahreswechsel obligatorisch gegebene Fledermaus, sondern auch die vielen anderen Klassiker dieser Gattung wie Bettelstudent oder Vogelhändler. Wenn man sich dann noch überlegt, in welcher gegenseitigen persönlichen Wertschätzung sich Lehár und Puccini verbunden fühlten, ist der künstlerische Rang einer Operette nicht mehr länger strittig.

LG von Rheinkultur
 
Da hatte der große Altmeister absolut recht - und ich meine nicht nur die zum Jahreswechsel obligatorisch gegebene Fledermaus, sondern auch die vielen anderen Klassiker dieser Gattung wie Bettelstudent oder Vogelhändler. Wenn man sich dann noch überlegt, in welcher gegenseitigen persönlichen Wertschätzung sich Lehár und Puccini verbunden fühlten, ist der künstlerische Rang einer Operette nicht mehr länger strittig.

LG von Rheinkultur

Wobei man schon Unterschiede machen sollte - Fledermaus und Lustige Witwe sind sicher die besten Operetten des Repertoires. Dann gibt es noch erträgliche wie Csardasfürstin, Vogelhändler, Bettelstudent oder Vetter aus Dingsda, die auch noch irgendwie Spaß machen. Aber beim Weißen Rössl, Maske in Blau oder Feuerwerk ist man als Dirigent wohl eher froh, wenn der Kelch an einem vorübergeht. :lol:
 
Wobei man schon Unterschiede machen sollte - Fledermaus und Lustige Witwe sind sicher die besten Operetten des Repertoires. Dann gibt es noch erträgliche wie Csardasfürstin, Vogelhändler, Bettelstudent oder Vetter aus Dingsda, die auch noch irgendwie Spaß machen. Aber beim Weißen Rössl, Maske in Blau oder Feuerwerk ist man als Dirigent wohl eher froh, wenn der Kelch an einem vorübergeht. :lol:

Und was ist mit dem Zigeunerbaron? "Ja mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh, ist Schweinespeck." Mir hat der jedenfalls besser als die Csardasfürstin gefallen.

LG Terri
 

Wobei man schon Unterschiede machen sollte - Fledermaus und Lustige Witwe sind sicher die besten Operetten des Repertoires. Dann gibt es noch erträgliche wie Csardasfürstin, Vogelhändler, Bettelstudent oder Vetter aus Dingsda, die auch noch irgendwie Spaß machen. Aber beim Weißen Rössl, Maske in Blau oder Feuerwerk ist man als Dirigent wohl eher froh, wenn der Kelch an einem vorübergeht. :lol:
Jein - das ist auch ein Stück weit Geschmackssache. Die letztgenannten Stücke beziehen auch Elemente verschiedener Tanzmusikgenres ihrer Zeit ein, da kannst Du auch "Glückliche Reise" oder "Blume von Hawaii" eingruppieren: Magst Du populäre Melodien aus der gleichen Zeit, diverse UFA-Filmschlager, wobei die Grenze zur Film-Operette fließend verläuft, dann kannst Du Dich auch damit ganz gut anfreunden. Und nicht zu vergessen, das Erfolgsmusical nach 1950 hat sich auf dieser Basis weiterentwickelt: West-Side-Story, My fair Lady, Hello Dolly oder Anatevka basiert auf einer Musiktradition, die durch Romberg, Friml oder Victor Herbert repräsentiert wurde, während zur gleichen Zeit die Berliner Operette unter Kollo, Lincke oder Gilbert populär war. Aber das hat mit dem Fadenthema, also mit den Ring-Klavierauszügen, eher wenig zu tun.

LG von Rheinkultur
 
Und was ist mit dem Zigeunerbaron? "Ja mein idealer Lebenszweck ist Borstenvieh, ist Schweinespeck." Mir hat der jedenfalls besser als die Csardasfürstin gefallen.
Zu den gelungenen Werken dieses Genres kannst Du einige Stücke des Walzerkönigs zählen, schon richtig: Zigeunerbaron, Gasparone, Nacht in Venedig oder das fast pasticcioartige Wiener Blut.
 
Seit wann ist Gasparone von Johann Strauß? Zu den mus. allerbesten Operetten zählen noch ein paar Offenbachsachen und Boccacio von Franz von Suppe.
Gas-Patrone, äääääh, Gasparone ist natürlich ein weiteres wirkungsvolles Opus aus der Feder von Millöcker, das allerdings wie auch seine Gräfin Dubarry durch Neufassungen von fremder Hand gravierende Veränderungen erfahren hat, die einigen nachgeborenen Personen immer noch Tantiemen sichern. Wer das nicht möchte, wird auf die Urfassungen zurückgreifen. Ein gleiches gilt für einige Stücke des Walzerkönigs, an dem unter bestimmten Voraussetzungen Korngolds Erben immer noch mitverdienen...!

Aus der "goldenen" Ära ist Carl Zellers Vogelhändler auf jeden Fall erwähnenswert, wobei Einzelnummern aus dem Kellermeister und dem Obersteiger ebenfalls überlebt haben. Offenbach (Hoffmanns Erzählungen, Orpheus in der Unterwelt, Pariser Leben und einige weitere) ist mit seiner deutsch-französischen Biographie ein gattungsspezifischer Sonderfall, da die Ästhetik der Opéra Comique spürbar gegenwärtig ist, für die Komponisten wie Auber, Thomas, Boieldieu oder Adam beispielhaft stehen. Im Grunde hat jedes Land seine charakteristische Weiterentwicklung der Opera buffa hervorgebracht, zu der die spanischen Zarzuelas ebenso wie die oftmals exotisch angehauchten Stoffe der Engländer Sullivan und Jones zu zählen wären.

LG von Rheinkultur
 
zu Offenbach ist anzumerken, dass Hoffmanns Erzählungen eine richtige Oper ist, schöne Helena und Orfeus hingegen Musterbeispiel der Operette franz. Prägung - um retour zu Wagner zu kommen: der hasste Offenbach und hatte mit einem Opeettenlibretto versucht, ihn zu parodieren... Was nicht sonderlich gelungen war...
 
Verzeihung, dass ich jetzt erst antworte: (Mich interessiert auch die Operettendiskussion, ich folge nämlich nicht dem Ausspruch, du sollst keine Götter neben mir haben.):

Vielleicht sollte man noch die Opern/Operetten von Gilbert und Sullivan erwähnen. "The Mikado" ist auch musikalisch durchaus ein Spaß.

Zur Librettofrage: Die Qualität einer Operette/Oper daran festzumachen, ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Wenn man nicht gerade seine Libretti selber schreibt (da sind wir wieder bei Wagner) oder ein Genie als Kollegen hat (Strauss/Hofmannsthal) müssen sich gerade Operettenkomponisten häufig mit sehr zweit- oder drittklassigem rumschlagen.
Sogar Beethovens "Fidelio" wird ja nicht gerade wegen seinem Libretto gelobt (ich weiß, kein Operettenbeispiel)

Apropos Ansehen der Operette: War es nicht Brahms der bezüglich der Fledermaus meinte: "Leider nicht von mir?" -> Auch leichte Muse muss man können!

Mit den besten Grüßen und einem Dankeschön für die angeregte (wenn auch Off-Topic) Diskussion

Der Herr Toteninsel ("Der" tse, tse)
 

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