Vorschlag Notierung

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Hi,

mal wieder eine Anfängerfrage von mir :)

Und zwar zum Thema Noten-Verzierungen und langer bzw. kurzer Vorschlag.
Mal ein Beispiel als Bild...siehe rote Kästchen.

Was ist eigentlich der Mehrwert dieser Notierung gegenüber der normalen Darstellung ohne diese verkleinerte Note? (Also gegenüber der Normalschreibweise der entsprechend kürzeren Notenwerte mit entsprechenden Balken, welche im Anfängerbeispiel ja zusätzlich mit aufgezeigt ist.)

Also beim Triller sehe ich sofort ein; Man spart Platz und gewinnt Übersichtlichkeit gegenüber 16tel/32tel Balken etc.
Beides kann aber kein Grund für die spezielle Notierung beim Vorschlag sein, oder?

Gibt es andere Gründe, wie z.B.
* mögliches Weglassen (wobei es technisch ja anders als beim Triller immer machbar sein sollte),
* oder dass die Melodie herausgestellt werden soll?
* oder dass nich nicht auf die erste Note betone sondern auf Hauptnote...wie eigentlich?
* dass ich nicht auf Zählzeit spiele sondern etwas eher...aber eigentlich doch laut Recherchen...
* oder sonst irgendwas?

Viele Grüße,
André
 

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Wie Vorschlagsnoten gespielt werden, ist stark vom konkreten Stück und der damit verbundenen Aufführungspraxis abhängig. Generell hat der Interpret aber dabei eine Menge Freiheit mehr, als wenn die Noten einfach "regulär" notiert wären. Ein durchgetrichen notierter Vorschlag (Acciaccatura) wird außerdem "so kurz wie möglich" gespielt, was in regulären Noten sowieso recht schwierig zu schreiben ist. Aber wie gesagt, vor allem ist wichtig zu wissen, was für ein Stück man vor sich hat, und ggf. die entsprechende Epoche und/oder das Genre und ggf. auch den Komponisten zu recherchieren.
 
Hi,

OK...wenn es nur die Freiheit ist :)
Aber mir erscheint es schon recht seltsam, dass man sich eine Notierung ausdenkt, wo man dann über verschiedene Epochen und Genres etc. recherchieren muss, um dann hoffentlich die Ursprungsintention zu treffen - und speziell Mr. Verzierungsnotation Bach wollte es ja wohl recht exakt verstanden wissen (irgendwo gelesen).

Bei Trillern/Mordent etc. versteh ich es ja auch, dass man dort ja nach technischen Möglichkeiten des Musikers entsprechend eingreifen kann und soll (auch Lesbarkeit etc.) - aber diese Vorschlagsnotation entzieht sich meinem Verständnis zunächst mal.

Viele Grüße,
André
 
Es sind halt... Verzierungen. Das heißt, sie gehören nicht direkt zur Melodie, wurden vielleicht vom Komponisten sogar nachträglich erst eingefügt. Im Barock zum Beispiel ist es auch nicht unübliche Praxis, mehr zu verzieren als ausgeschrieben ist (und manchmal gibt es auch Unterschiede je nach Noten-Version). Insofern ergibt es meiner Meinung nach schon Sinn, dass man solche "Anhängsel" auch als Anhängsel notiert. Meiner (natürlich fast komplett laienhaften) Meinung nach ist die Benutzung auch zumindest ein wenig aus der Mode gekommen, in moderneren Stücken wird wohl tatsächlich tendentiell etwas genauer ausgeschrieben.

Aber jeder Komponist ist ja auch Kind seiner jeweiligen Zeit, und ich glaube nicht, dass z.B. Bach darüber nachgedacht hat, dass seine Stücke 300 Jahre später noch populär sein würden, geschweige denn dass dann Interpreten vielleicht darüber rätseln, wie er bestimmte Notierungen meinte. Auch Tempo-Angaben sind nicht eindeutig; es ist also eigentlich immer erforderlich, die Aufführungspraxis zu berücksichtigen. Im Jazz und Blues steht auch der Shuffle-Rhythmus beinahe niemals explizit dran... aber wenn man sich mit den Genres auseinander gesetzt hat, weiß man das dann halt eigentlich sowieso. :-)
 
Hi,

irgendwie tu ich mich schwer mit "das sind halt Verzierungen", mach wie Du magst ;) Will ja auch keinen Blödsinn mir aneignen.

Noch mal 1 Beispiel mit Vorschlag. Die Konsequenz wäre doch hier, dass ich unteres d und oberes Vorschlag-b gleichzeitig loslasse, oder (rote Balken)?
Obwohl der Vorschlag als Achtel notiert ist, dauert er laut Ausführungsvorschlag (oben rechts drüber) und laut Verzierungsguide im Netz genauso lange wie die Viertel unten? Ich versteh das irgendwie echt nicht was das soll. Wo liegt mein Fehler?


Und noch eine andere Verzierungsform mit Ausführungsvorschlag. Passen hier Verzierung (Pralltriller? Roter Kasten) und Ausführungsanweisung drüber überhaupt in irgendeiner Interpretation von Verzierungen zusammen oder ist das einfach etwas total anderes?



Viele Grüße,
André
 

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Das erste Beispiel ist wohl das G-Dur-Menuett aus dem Notenbüchlein (BWV Anh 114). Bei Heumann findet sich das z.B. auch, aber mit "falscher" Ausführungs-Erklärung. Ich habe mich just über dieses Stück mit meiner Klavierlehrerin damals auch schon unterhalten... und es gibt letztlich unterschiedliche Interpretationen. Es ist außerdem Barock, also darfst du theoretisch auch nach Herzenslust verzieren ("mehr" geht immer):



Eine ganz andere Interpretation:



Beachte den Unterschied bei 0:15 bzw. 0:43. Im ersten Fall ist der Vorschlag definitiv "lang" (auch wenn es in der Trillerei beinahe untergeht), die japanische Pianistin (und Heumann) spielt ihn kurz. Ich persönlich finde die lange Fassung korrekter, entspricht meiner Meinung nach eher der korrekten Aufführungspraxis (auch wenn ich ebenfalls eher Laie bin).

Bei dem zweiten Beispiel kann ich zumindest sagen, dass ich die Ausführungs-Erklärung für Pralltriller dort falsch finde; so habe ich noch nie einen Triller gespielt gesehen. Wenn es ein Pralltriller wäre, müsste es eigentlich (abgesehen von eventuellen Vorzeichen) f-g-f oder g-f-g-f gespielt sein (im Barock eher auf der oberen Note anfangen), oder wenn es ein Mordent wäre (durchgestrichen), f-e-f oder Verlängerungen davon.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Im ersten Fall ist der Vorschlag definitiv "lang" (auch wenn es in der Trillerei beinahe untergeht), die japanische Pianistin (und Heumann) spielt ihn kurz.

Es ist sicher eine Appoggiatura, keine Acciaccatura gemeint, das ergibt sich einfach aus dem melodischen und harmonischen Verlauf. Und deshalb ist die Note betont, auf der Zeit (also mit der Bassnote zusammen) und lang zu spielen. Man könnte sie sogar deutlich länger spielen als Ton Koopman es tut.

Bei dem zweiten Beispiel kann ich zumindest sagen, dass ich die Ausführungs-Erklärung für Pralltriller dort falsch finde; so habe ich noch nie einen Triller gespielt gesehen. Wenn es ein Pralltriller wäre, müsste es eigentlich (abgesehen von eventuellen Vorzeichen) f-g-f oder g-f-g-f gespielt sein (im Barock eher auf der oberen Note anfangen), oder wenn es ein Mordent wäre (durchgestrichen), f-e-f oder Verlängerungen davon.

Falsch ist der Ausführungsvorschlag sicher nicht, aber die Notation der Verzierung ist ungenau. Gemeint ist dort entweder wie ausnotiert ein Schleifer – dann hätte das Prallerzeichen eigentlich einen kleinen Bogen haben müssen – oder ein Mordent. Ein Praller kommt aus melodischen (stilistischen) Gründen auf keinen Fall in Frage. Wenn man einen Schleifer spielt, sollte man die 16-tel aber eher schneller (ca. 32-tel) nehmen. Gut wäre, es in der Wiederholung immer anders zu machen als im ersten Durchgang.

LG, Mick
 
Zuletzt bearbeitet:
@mick: an einen Schleifer oder Doppel-Vorschlag hatte ich nach der Ausführungs-Anweisung auch gedacht, aber wusste das Zeichen dafür nicht... nur dass das nicht mit dem Pralltriller-Zeichen zusammen passt, da war ich mir sicher. :-) Mag aber ein simpler Druckfehler sein, kommt vor. :konfus:

@andrePankraz: welches Stück ist das genau? Mal beim IMSLP nachsehen?
 
Danke für eure Ideen/Erklärungen.
Das ist Russische Klavierschule 1 Seite 92, irgendein Menuett aus Notenbüchlein für Anna M. Bach, anoymer Komponist. Leider keine nähere Angabe. Prinzipiell hat mich nur interessiert ob das irgendwie zusammenpasst oder ein Fehler ist, konnte das nicht entziffern :)

Das mit Schleifer kann passen, aber dann hats einen Bogen am Ende?

Siehe http://www.pian-e-forte.de/noten/pdf/verzierungen.pdf Seite 5 unten.
 
Zuletzt bearbeitet:
die beiden Notenbeispiele sind aus Menuets im Notenbüchlein, das erste aus dem in G-Dur, das zweite aus dem in d-Moll
 

na sowas :)
ich bleib beim Ausgangsthema...ich verstehe nicht warum man sich überhaupt mit solchen Verzierungsnotationen abgibt, so viel Platz sparen die abseits von Trillern/Arpeggios echt nicht um sich diese Rätselei einzubrocken mit Ausführugnen bei Bach, in Klassik, Romantik etc. - was ein Chaos *schimpf*
 
na sowas :)
ich bleib beim Ausgangsthema...ich verstehe nicht warum man sich überhaupt mit solchen Verzierungsnotationen abgibt, so viel Platz sparen die abseits von Trillern/Arpeggios echt nicht um sich diese Rätselei einzubrocken mit Ausführugnen bei Bach, in Klassik, Romantik etc. - was ein Chaos *schimpf*

Es ist kein Chaos, sondern sehr klar, wenn man das Prinzip verstanden hat. Die Notierung der Appoggiatura (langer Vorschlag) kommt ursprünglich aus der Vokal- und später Violinmusik. An der Notation konnten die barocken Musiker sofort erkennen, dass dort eine Silbe über zwei Noten gesungen wird. Im Spätbarock und auch noch sehr häufig bei Mozart werden zwei 16tel dauernd als Achtel mit Vorschlagsnote notiert. Da weiß ein Geiger sofort, dass die beiden Noten nicht hin und her, sondern legato auf einen Bogenstrich zu spielen sind. Und bei Klaviermusik soll dann dementsprechend artikuliert werden.

LG, Mick
 
Ist auch alles relativ. :-) Ich meine mich zu erinnern, dass Bach schon recht viel "hingeschrieben" hat. Ich hatte weiter vorn schon mal das Beispiel Jazz als modernen Stil angeführt, wo auch ein ziemlich zentrales Element nicht im Notentext steht: der Shuffle- oder Swing-Rhythmus. Ich glaube, Bach hat sich da auch einfach keine großen Gedanken zu gemacht, dass die Gepflogenheiten sich ändern könnten.. und wahrscheinlich hat er gar nicht gedacht, dass (außer vielleicht ein paar Spinnern) überhaupt jemand seine Musik Jahrhunderte später noch spielen würde. Und zu seinen Lebzeiten war's halt "klar", wie es zu lesen und spielen war. :-)

Man könnte denke ich die Noten in eine ausgeschriebene Fassung umformen. Das hat halt nur drei Probleme: erstens nimmt es Freiheiten und gießt das Stück in ein Korsett, das der Komponist so vielleicht gar nicht wollte. Zweitens verstellt das komplette Ausschreiben jeder Verzierung den Blick auf das Wesentliche, also Melodieführung, Harmonien und so weiter... was alles Dinge sind, die der Musiker sich sowieso begreiflich machen muss, damit am Ende Musik herauskommt und kein leierndes Geklimper. Drittens existiert halt der Originaltext so wie er ist und ist mit ein paar Zusatzinfos ganz gut zu interpretieren... an Goethe bauen wir ja auch nicht herum, nur weil die Grammatik sich etwas geändert hat. :-)
 
kennst du (nur als Beispiel) die Tischsitten und Ettikette am Hof Peters des Großen?
den Leuten damals, die dort hindurften, war das bekannt, so bekannt, dass niemand eigens restlos alles aufschrieb -- stell´ dir die Verzierungsnotation(en) des Barock in dieser Weise vor. Sie waren damals nicht chaotisch, nur ist halt nicht restlos jedes Detail überliefert.
 

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