Vorschläge bei Mozart

bechode

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Hallo
ich spiele zur Zeit die Mozart Sonate in A-Dur (KV331) und wollte mal fragen wie ihr die einzelnen Vorschlägen spielt.
Jedenfalls stand im Vorwort meiner Urtextausgabe (und wurde von meinem Lehrer bestätigt), dass man bei Mozart nicht unterscheiden konnte ob man nun einen kurzen oder langen Vorschlag zu spielen hat. Mein Lehrer sagte mir auch, dass Mozart auch oft unter Zeitdruck mal in der Kutsche komponieren musste und demnach seine Originalskripte oft sehr unsauber waren und auch manchmal kleine Dinge wie Bindebögen vergessen wurden.

Aber woher weiß man jetzt wie man es spielen soll? Wie macht ihr das?

Mein Lehrer meint jedenfalls ich sollte es mir eben aussuchen was mir besser gefällt, aber das wäre ja eben Geschmacksache und könnte demnach jeder anders spielen...
Ich spiele es jetzt eben so wie ich es aus anderen Aufnahmen kenne, aber ich hab auch noch nie eine Aufnahme gehört, bei dem der Anfang beim "Türkischen Marsch" mit kurzem Vorschlag gespielt wurde, obwohl man es ja eigentlich könnte/dürfte.
Jedenfalls finde ich, dass es im gesamten Klangbild schon einen Unterschied macht was man wählt und manchmal hört sich auch beides nicht schlecht an.

lg bechode
 
Im Prinzip hast Du natürlich recht. Aber es gibt Notationskonventionen, über die sich auch ein Wolfgang Amadé nicht hinweggesetzt hat (obwohl Leopold Mozart schon in seiner Geigenschule von alten Zöpfen sprach, die abgeschnitten gehörten - er meinte damit die langen, häufig betonten Vorhalte, die als Vorschläge notiert werden). Ein schönes Beispiel für die Ambivalenz der Vorhalte ist übrigens das Thema der a-moll-Sonate.
 
Hallo Bechode,

das ist eine sehr interssante Frage!

Ich stehe nämlich momentan in einer Klavier- Violinsonate von Mozart auch vor dem Problem, ob ich einen kurzen oder langen Vorschlag machen soll!

Eines ist aber klar: Im Gegensatz zur Romantik folgt der Vorschlag bei Mozart immer auf den Grundschlag.
In der Romantik (19. Jahrhundert) folgt er vor dem Grundschlag.

Liebe Grüße, Mario
 
teilweise hat mozart dinge nicht reingeschrieben, weil es noch ein wenig wie bei bach war. Jeder wusste wie solche stellen gespielt werden, halt nach den damaligen "geflogenheiten". Aber ich finde , dass Mozart überhaupt nicht nachlässig war mit dem was er in der Noten reingeschrieben hat. Er hatte eine GANZ genaue Klangvorstellung von seiner Musik .Ich habe das auch beim Spielen und mit meinem Lehrer gemerkt. Spielt man eine kleine pause um eine 1/1000 Sekunde zu lang oder zu kurz, so wird das ganze Klangbild zerstört.


In meiner Urtextversion steht ein langer Vorschlag am Anfang des Rondo Alla Turca. Das ist doch eine Achtel mit einem Sechzehntel - Vorschlag der keine durchgestrichene Fahne hat. Dies ist ein langer Vorschlag. Das bedeutet, dass sich die Notenlänge des "a" um die Lange der Vorschlagsnote reduziert. Rhythmisch gesehen äquivalent zu zwei 16. Noten. Aber mozart hätte ja auch zwei 16. Noten hinschreiben können. Nein, er hat aber daraus ne 8. Note mit nem langen 16. Vorschlag gemacht. Er wusste nämlich genau wie's klingen soll, nämlich mit "H" einem das betonter ist als das "a"


Außerdem: Wenn das im Urtext so steht, wird Mozart ja wohl im Manuskript auch nen langen Vorschlag geschrieben haben. Auch wenn z.B Henle viel Scheiß in die Mozartnoten reinschreibt, soviel glaube ich denen dann doch noch.

P.S: ein kurzer vorschlag klingt doch auch scheiße oder ?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Wenn das im Urtext so steht, wird Mozart ja wohl im Manuskript auch nen langen Vorschlag geschrieben haben.
Genau das ist doch das Problem, dass man bei Mozart lange und kurze Vorschläge nicht von einander trennen konnte. Bei meiner Urtext-Ausgabe sind auch nur(!!) lange Vorschläge notiert, die man aber wie gesagt auch als kurze Vorschläge spielen könnte.

Spielt man eine kleine pause um eine 1/1000 Sekunde zu lang oder zu kurz, so wird das ganze Klangbild zerstört.
Ja das kann ich bestätigen! Mein Lehrer ermahnt mich immer, dass die Pausen auch komponiert wurden.

P.S: ein kurzer vorschlag klingt doch auch scheiße oder ?
Naja es klingt eben anders. Ich finde auch, dass es interessant klingt! Aber ich spiel da auch mit langem Vorschlag, wahrscheinlich aber auch nur weil man es nicht anders gewohnt ist.

Ich beziehe mich jetzt aber nicht nur auf den Türkischen Marsch sondern auf die ganze Sonate, die etwas unbekannter ist und ich da manchmal echt nicht weiß wie ich jetzt den Vorschlag zu spielen habe. Aber einfach drum würfeln kann ja auch keine Lösung sein...

lg bechode
 
Hallo,

ich zitiere mal Türk zu den Vorschlägen (allerdings war auch ihm offenbar klar, wie schwierig das Feld ist).

"Man pflegt die V. gewöhnlich in zwey Klassen zu bringen; in die erste ghören die veränderlich langen, die zweyte aber die unveränderlich kurzen V. Unter der ersten Garrung versteht man diejenigen V., welche eine kürzere oder längere Dauer bekommen, je nachdem sie vor einer längeren oder kürzeren Note stehen. Sie verhalten sich größtenteils wie Dissonanzen zu dem Basse und kommen gewöhnlich nur vor anschlagenden Noten auf dem guten Takttheile vor. In langsamer Bewegung finden sie wohl auf jedem Takttheile statt.
Unter den unveränderlich kurzen V. versteht man alle die, welche immer nur eine sehr kurze Dauer erhalten, die folgende Note mah ihrer Geltung nach lang oder kurz seyn. Diese unveränderlichen V. kommen nicht selten bey solchen Noten vor, welche auf den schlechten Takttheil oder nur auf durchgehende Taktglieder fallen. Übrigens versteht es sich von selbst, daß die veränderlichen Vorschläge mehr vor langen, so die unveränderlichen mehr vor kurzen Noten angebracht werden."

Bei Türk folgen jetzt mehrere Seiten Beispiele für beide Arten. Es lohnt, das zu lesen.

Einige Seiten später finden wir in den Erläuterungen zu kurzen Vorschlägen einige Bsp., die nah legen, dass die Stelle bei Mozart am Anfang des Alla turca kurz zu spielen ist. Allerdings schränkt Türk auch das wieder ein.

Ich würde zumindest versuchen, diese erste Figur nicht wie 4 glatte 16-tel klingen zu lassen. Das hätte er auch ohne Vorschlag notieren können.

Eine rhythmisch exakte Notation der Vorschläge war damals nicht üblich. Auch Car Philipp schreibt, dass eine exakte Notation erst langsam in Mode kommt, vielleicht, weil man sich damals schon des Problems bewusst war. Mozart wusste sicher, was er hören wollte. Ob es so notiert ist, ist die andere Frage. Sicher hat man damals auf Konventionen vertraut, die allen bekannt waren.

Schöne Grüße
Axel
 
Die Notierung des h' als langer Vorschlag macht nach den Konventionen der damaligen Zeit schon Sinn - als Vorhalts-Dissonanz auf "betonter" Zeit: Somit erhält nämlich der Beginn des "Doppelschlags" mehr Gewicht, als ihm eigentlich (im Sinne eines leichten Auftakts) zukommt.
 
Ja sicher. Das wäre das passende Argument für die andere Version. Bei Bach finden sich ähnliche Stellen. Man müsste wissen, ob eine Schreibweise in einfachen 16-teln für die damalige Zeit "orthographisch" unmöglich war.

Leider geht aus der Stelle nicht hervor, was harmonisch wirklich gemeint ist. 1. Achtel Grundton a, 2. Achtel Grundton e? Dann wäre die Vorschlagsnote dissonant. Wenn man für den gesamten Auftakt Grundton e annimmt, dann wäre es ein umspielter 4-3 Vorhalt. Dann ist die Vorschlagsnote konsonant.

Vermutlich bleibt es Ermessensfrage.

Schöne Grüße
Axel
 
Bei Siegbert Rampe "Mozarts Claviermusik. Klangwelt und Aufführungspraxis - ein Handbuch" (Kassel, Bärenreiter 1995) finden sich folgende Gedanken (S. 201f):

Vorschläge vor der rhythmischen Gruppe "Viertel-Achtel-Achtel" bzw. "Achtel-16tel-16tel" sollten Stereotypen angesehen werden. CPE Bach (1753) propagiert die kurze Wiedergabe, Hiller (1774) und Türk (1789) lassen beide Möglichkeiten offen, tendieren jedoch eher zur langen Variante. Für Pleyel (1796), der stärker dem süddeutsch-österreichischen Raum zuzuordnen ist, existiert nur noch die lange Version.

Erwähnenswert ist das Autograph der Sonate B-Dur KV 281, wo Mozart im dritten Satz (T 146) die ausgeschriebene Lesart (vier Achtelnoten) durchstreicht und durch die Notation mit Vorschlag ersetzt.

Rampe merkt an, daß die Notation als Vorschlag einen stärkeren (also oratorischen) Akzent verlangt mit einem Diminuendo hin zur Auflösung in der Hauptnote.

PS: Im Übrigen kann ich das Buch allen, die sich mit der Aufführungspraxis bei Mozart auseinandersetzen wollen, wärmstens ans Herz legen.
 

Ah, vielen Dank für den Literaturtip. Das besorge ich mir gleich. Rampe ist eine gute Adresse.

Wo ist Pleyel erschienen? Gibt es einen Reprint?

Ich gebe zu, dass die späten Autoren mir nicht so geläufig sind. Meine Instrument ist mehr die Orgel als das Klavier, da steht natürlich Carl Philipp hoch im Kurs.

Kann mich erinnern, dass es ähnliche Stellen schon bei Bach Senior gibt. Ein Schönes Bsp.: "Nun kom der Heiden Heyland" BWV 659, gibt es mit Sicherheit auch für Klavier (Busoni?). In der frühen Weimarer Fassung in T. 7 glatte 16-tel. In der Leipziger Fassung mit Vorschlag. Ist das jetzt dasselbe? Oder hat er das mit voller Absicht geändert?
Fragen über Fragen...

Schöne Grüße
Axel
 
Wo ist Pleyel erschienen? Gibt es einen Reprint?
Soviel ich weiß, leider nein. Wenn ich mal Zeit habe, stelle ich ihn ins Netz - zu meiner sonstigen Quellensammlung.
[...] dass es ähnliche Stellen schon bei Bach Senior gibt. Ein Schönes Bsp.: "Nun kom der Heiden Heyland" BWV 659, gibt es mit Sicherheit auch für Klavier (Busoni?). In der frühen Weimarer Fassung in T. 7 glatte 16-tel. In der Leipziger Fassung mit Vorschlag. Ist das jetzt dasselbe? Oder hat er das mit voller Absicht geändert?
Danke für den Hinweis. Wahrscheinlich sitzt der alte Bach jetzt auf Wolke 17 und lacht sich scheckig, worüber wir uns Gedanken machen.
 

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