Viele alte Klaviere zerschlagen

B

bizo

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18. Mai 2021
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Hallo
aus einem etwas traurigen Anlass möchte ich hier etwas anregen. Ich war gestern bei einem Antiquitätenhändler in Leonberg und erkundigte mich wegen Klavieren.
Da wurde mir gesagt das man bei Entrümplungen usw schon sehr sehr viele Klaviere zertrümmern musste da nicht genug oder keine Abnehmer da sind und ein Transport sowie Lagerung zu aufwändig und teuer sind.
Ich finde diese Zerstörung von Kulturgut von so kleinen Händlern die nur gewinnorientiert, egoistisch sind, skandalös und möchte Euch anregen
ein paar einflußreiche Musikliebhaber usw zu kontakten so daß man jemand findet der eine alte Fabrikhalle/großes Gebäude hat oder man mietet sowas und kann dann so Instrumente lagern bis die Scheitelwelle des kulturlosen Elektronikwahns und der Oberflächlichkeit durchgezogen ist und in der Zwischenzeit diese Instrumente an Menschen verteilen oder günstig verkaufen oder so.

Liebe Grüße
 
Auch ein Klavier lebt nicht ewig. Vielleicht waren sie tatsächlich schrottreif? Wer "gewinnorientiert" ist, wird nichts von Wert verschrotten. Ein verrostetes, von Motten zerfressenes, nicht mehr stimmbares Oberdämpfer ist leider nichts mehr wert.
 
Das Problem ist, dass es zu viele alte Klaviere in problematischem Zustand gibt, die u.a. vererbt werden und vom Design her, aber vor allem hinsichtlich des Zustands für die Mehrheit überhaupt nicht attraktiv sind. Ein ähnliches Problem haben ja auch Antiquitäten aus der Gründerzeit, da sitzen die Antiquitätenhändler auch drauf und finden keine Abnehmer, weil die optische Erscheinung zurzeit nicht modern ist, und nutzen diese teilweise nur noch als Ersatzlager für Ausbesserungen.
 
In aller Regel sind solche Instrumente zu verschenken bei eBay-Kleinanzeigen und co. und es findet sich dann kein Abnehmer.
Wenn sie dann verschrottet werden, sind sie entweder:

- irreparabel defekt oder die Kosten einer Instandsetzung übersteigen den anschließenden Wert
- nicht (mehr) besonders gut und man bekommt für wenig Geld etwas Besseres
- finden nicht schnell genug einen Abnehmer
- jemand hat keine Ahnung

Der materielle Wert wird aber meist eher überschätzt als unterschätzt. Wenn es nicht gerade Chopins Pleyel, Beethovens Graf oder ein Silbermannscher Flügel Friedrichs des Großen ist, gibt es kaum eine Wertsteigerung, weil das Instrument antik ist. Das ist z.B. bei Geigen oder Cembali anders, Trotzdem wird sicher auch das ein oder andere schöne Instrument verschrottet was schade ist. Das dürfte aber relativ selten passieren, wenn Steinway drauf steht oder auch Bösendorfer, Bechstein, Blüthner...
Die Qualität von deutschen Instrumenten war auch sagen wir im Jahr 1920 sehr viel schwankender als 1960. 1920 wurden noch viele nicht so gute Instrumente hergestellt, ein deutsches Klavier aus den 1960ern, das nicht arg misshandelt wurde, egal ob Schimmel, Seiler, Sauter, Ibach oder was auch immer ist fast immer noch ein vernünftiges Instrument.

Wenn du einen Standplatz hast, findest du sicher sehr günstig oder kostenlos ein Instrument, dass dir Freude macht, hergestellt von 1871-1945.

Wenn es um Flügel namhafter Hersteller geht (die in der Regel auch nicht umsonst und in vernünftigen Zustand auch nicht preisgünstig zu bekommen sind), wage ich sogar die Prognose, dass die Instrumente zur Zeit des deutschen Kaiserreichs stark im Preis steigen werden. Immerhin sind das die Instrumente, auf denen der alte Liszt, Brahms, Debussy, Ravel, Rachmaninow, Schönberg u.v.m. gespielt haben.

Und irgendwann schwappt vielleicht die historische Aufführungspraxis in den Klaviermainstream der Spätromantik über, dann ist sowas sicher gefragt.
 
Und irgendwann schwappt vielleicht die historische Aufführungspraxis in den Klaviermainstream der Spätromantik über, dann ist sowas sicher gefragt.
Bis der richtige Zeitpunkt für "irgendwann" gekommen ist, sind die Instrumente allerdings weiter gealtert und der altersbedingte Wartungsbedarf nimmt zu. Gefragt bleiben weiterhin nur die einstigen Marktführer der Branche, soweit die dann noch existierenden Instrumente in gutem Zustand sind. Auch die Ersatzteilbeschaffung wird nicht einfacher. Man bedenke, dass es vor dem Ersten Weltkrieg in der Reichshauptstadt Berlin nicht nur Bechstein, sondern etwa zweihundert (!) Pianomanufakturen gab. Der größte Teil derselben überstand einen der beiden Weltkriege oder die große Weltwirtschaftskrise 1929 nicht, wurde dann aufgekauft oder ersatzlos abgewickelt.

LG von Rheinkultur
 
Gefragt bleiben weiterhin nur die einstigen Marktführer der Branche, soweit die dann noch existierenden Instrumente in gutem Zustand sind

Aber wenn ein Instrument in sehr gutem Zustand statt vielleicht 15000 dann 50000 wert sein sollte, lohnt eine wesentlich aufwändigere Restauration. Ich halte schon für möglich, dass ein 1880er Bechstein mal sehr viel wert sein kann, wenn auch vielleicht nicht ganz so viel wie ein 1840er Pleyel.
 
Ich finde diese Zerstörung von Kulturgut von so kleinen Händlern die nur gewinnorientiert, egoistisch sind, skandalös
Der kleine Händler würde mit Sicherheit diese Instrumente lieber für ganz kleines Geld abgeben als sie entsorgen. Aber die Realität zeigt, dass noch nicht einmal Abnehmer existieren, wenn die Instrumente kostenlos abgegeben werden. Das Problem liegt also nicht bei den Händlern, sondern im Umstand begründet, dass es dafür überhaupt keinen Markt gibt und wirklich niemand die Instrumente haben will. Es will eben keiner ein Musikinstrument bei sich zu Hause hinstellen und es sogar zu spielen erlernen, weil die Instrumente halt da sind. Als Berufsmusiker sage ich sogar: ein Musikinstrument ist für uns ein Gebrauchsgegenstand - und wenn dieser qualitativ schlecht, abgespielt, nicht mehr gebrauchsfähig ist, fehlt der Bedarf. Und der Berufsmusiker hat in der Regel bereits mindestens ein Instrument zu Hause stehen und gar keinen weiteren Platz für weitere "Kulturgüter". Bitter, aber Tatsache.

so daß man jemand findet der eine alte Fabrikhalle/großes Gebäude hat oder man mietet sowas und kann dann so Instrumente lagern bis die Scheitelwelle des kulturlosen Elektronikwahns und der Oberflächlichkeit durchgezogen ist und in der Zwischenzeit diese Instrumente an Menschen verteilen oder günstig verkaufen oder so.
Die Frage ist eben immer die gleiche: wer soll das bezahlen? Den Marktanteil künstlich erhalten ist ein Betätigungsfeld für Denkmalschützer, die dafür Gelder der Allgemeinheit in Anspruch nehmen können, um einen nicht vorhandenen Bedarf künstlich zu generieren. Übrigens werden tatsächlich bereits Klaviere und Flügel an Senioreneinrichtungen, Begegnungsstätten, Jugendfreizeiteinrichtungen, Kindergärten und dergleichen verschenkt und es gibt Projekte mit Spätaussiedlern, Asylbewerbern, Behinderten und anderen Personenkreisen, denen man Möglichkeiten zum Musizieren und sogar Unterricht bietet. Wenn diese nicht in einem stärkeren Umfang wahrgenommen werden, ist eben auch hier der Bedarf gedeckt. Erworbene Medienkompetenz vermag im übrigen zu verhindern, dass es zu Kulturlosigkeit und Elektronikwahn kommt. Denn richtige Nutzung der elektronischen Medien ermöglicht uns beispielsweise das Erstellen professionellen Notenmaterials und dessen Vertrieb und noch vieles mehr.

LG von Rheinkultur
 
Das ist nun wahrhaft keine neue Entwicklung. Bereits in den 70er Jahren berichtete U.R. über einen Lebenden auf dem Müll, wo verbürgt ist, dass zweimal (!) im Monat 40 (!) Klaviere angeliefert wurden (frei Haus):

Wie schön, wenn du weißt
Die sorgende Stadtreinigung liefert zweimal im Monat
Für dich frische Möbel aus
Und sogar frei Haus
Manchen Tisch in Form einer Niere
Vierzig Klaviere
Zwei Schaukeln, ein Reck und ein Sammelband Micky-Maus

 
Wie ich vorgestern schon man kurz schrob, schrob ich heute wieder. Der Fuchs von vorgestern, stand heute wieder in meinem Garten. Diesmal beobachtete er mich. :017:
 
bis die Scheitelwelle des kulturlosen Elektronikwahns und der Oberflächlichkeit durchgezogen ist
Schreibt jemand, der recht oberflächlich auf einem Digi improvisiert und diese Oberflächlichkeit in seinem Elektronikwahn auch noch digital veröffentlicht, ganz zu schweigen von seiner oberflächlichen Meinung zu Musik unterschiedlicher Kulturen.
 

Um Instrumente so zu lagern, dass sie nicht kaputt gehen, braucht man schon ein klimatisch einigermaßen günstiges Gebäude. Da ist es mit einer simplen Fabrikhalle nicht getan.
Ich sage zwar immer augenzwinkernd, dass ich "meine" kleine Orgel vom Avatarbildchen in meine LKW-Halle umziehe, falls die Kirche sich irgendwann von ihr trennen will, aber dazu müsste die Halle erst einmal vorbereitet werden. Dem LKW und den Radgreifern ist es wurscht, wenn es im Winter a***kalt in der Halle ist. Ein Instrument nähme das auf Dauer übel.

Mein heißgeliebtes altes Klavier (von ca. 1908/1910) mit neuem Innenleben (von 1980) wurde von einem Kommilitonen auch mal als minderwertig bezeichnet und ganz Unrecht hatte er von seinem Standpunkt aus wohl auch nicht. Es ist nun mal kein Flügel und eben auch nicht mehr als ein ordentliches Instrument für Nichtvirtuosen. So dürfte es vielen älteren Instrumenten gehen, und manche sind halt auch tatsächlich weitgehend "durch", wenn sie bei einer Haushaltsauflösung mit rausgeworfen werden. Darüber kann man traurig sein, ja, aber alle retten? Wohl kaum.
 
Übrigens werden tatsächlich bereits Klaviere und Flügel an Senioreneinrichtungen, Begegnungsstätten, Jugendfreizeiteinrichtungen, Kindergärten und dergleichen verschenkt
Ja, massenhaft. Die bekomme ich dann immer wieder im Außendiest zu sehen. Meist haben die edlen Spender lediglich die Entsorgungskosten gespart (auch wenn sie es anders gewollt bzw. gedacht haben). Da sind echte Gurken und Schrotthaufen darunter. Ich kann nur staunen.

Übrigens ist es bei mir im Wohnviertel mittlerweile Usus, dass Kartons mit Gegenständen auf dem Gehweg stehen mit einem Zettel daran: "Zu Verschenken". Ist auch nett gemeint, aber mal ehrlich: das ist doch in den meisten Fällen Müll. Ist das bei euch in anderen Städten ebenso? Ist das gerade ein Trend? Dazu muss man sagen, dass bei uns hier in Münster eh ein mal im Monat jeder seinen Sperrmüll an die Straße stellen kann. Jeder Bezirk hat seinen festen Abfuhrtermin. Da hat sich eine ganze Branche etabliert, die umher fährt und brauchbare Sachen heraus fischt und weiter verwertet/verkauft. Finde ich eigentlich super und habe ich früher auch regelmäßig gemacht.
 
Aber wenn ein Instrument in sehr gutem Zustand statt vielleicht 15000 dann 50000 wert sein sollte, lohnt eine wesentlich aufwändigere Restauration. Ich halte schon für möglich, dass ein 1880er Bechstein mal sehr viel wert sein kann, wenn auch vielleicht nicht ganz so viel wie ein 1840er Pleyel.
Ein Hochklavier niemals. Dann würde es konkurrieren in der Liga der Flügel, und da zieht beinahe jeder den Flügel doch vor.

ich beobachte einen Spezialmarkt - EINEN bestimmten Instrumententyp, einen mal hoch geachtet gewesenen Konzertflügel einer nicht ganz unbekannten New Yorker Firma, den sie von 1875 bis 1884 gebaut hatten. Diese Flügel tauchen immer mal wieder im Handel auf, meist kann man ein-zwei-drei Stück bei New Yorker Händlern stante pede erwerben. Die Preise beginnen bei 40.000 USD, und gehen versuchsweise mal hoch auf 1.2 Mio USD, und dann, wenn es teurer ist als 150.000, noch teurer wird, bleiben diese super feinen Flügel einfach und brutal stehen.

Der Typ, ein Galerist auf der Tenth Ave., der man versuchte, 1.2 Mio USD zu bekommen, mit dem Argument, das sei der einzige Flügel aus dem Gewinnerjahr 1876 der Weltausstellung in Philadelphia, super restauriert, ich würde sagen, "über-restauriert", weil da ein begnadeter Typ auis Seattle all die Features dranbastelte, wie sie heute auch die feinen Hamburger Flügel tragen, Vogelaugenahorn innen und so..., ich sage dann "unauthentisch" zu solchem Getue..., der ist auf dem Ding Jahre sitzengeblieben.

Es ist schon so, wie Rheinkultur es sagte. Ein Klavier, auch ein Flügel, ist zuallererst ein Instrument, ein Objekt, das etwas zu tun hat. Das kaufen sich nur Leute, die damit etwas anfangen können. Und die Leute, die - wie die ca. 500 Besitzer nicht gespielter Flügel rund um Berlin - die sie einfach nur herumstehen haben als Simulatoren von bürgerlicher Kultur, die WISSEN weder, was an alten Flügeln so Besonderes sei, noch haben sie Interesse speziell daran. Der Anschein von Kultur ist auch gewahrt, wenn es ir-gend-ein Flügel ist, hauptsache, es steht ein teurer Name dran.

Wochen um Wochen stand vor Jahren ein 1860er Steinway in Los Angeles herum. Ein Semikonzerter ca. 220 lang, einer der letzten Geradsaiter aus diesem Hause, #3023, niemand wollte ihn haben.

Wochen um Wochen stand vor Jahren ein Mangeot-Steinway, auch Semikonzerter, in Clermond-Ferrand herum, mehrere Runden auf ebay-FR, keiner tat die verlangten 1.000 EUR in den Pott für diese Queen-Anne-Schönheit in schleiflack-weißbeige mit Goldbordüren, das schönste, was man je im Serienbau machte - und es war im Design der Klanganlage ein "Henry-Flügel"..., wie ich sie nenne, ein Flügel, dessen Klanganlage noch von Henry Jr. gemacht wurde und nicht wie alle späteren ab ca. 1865 von Theo Steinweg, alle diese Henry-Dinger klingen famos und sehr besonders. Keiner wollte ihn haben. Keiner hat da eine Antenne für den geschichtlichen Hintergrund.

Dann ist bei alten und uralten Flügeln noch die Gefahr, FÄlschern aufzusitzen. Mich mailte mal die Kuratorin der Tasteninstrumente aus Brüssel an, ihr sei ein Grotrian-Flügel von 1853 angeboten worden, Fotos anbei, was ich davon halte... Das Ding war bezüglich Alter eine Fälschung. Bei der vielleicht nur oberflächlichen Sanierung hatte der polnische Holzvirtuose sich an der Seriennummer eines deutlich jüngeren Instrumentes zu schaffen gemacht... Es war zwar wohl ein echter Grotrian..., aber keineswegs so alt wie behauptet. Ich habe vor dem Ankauf gewarnt, oder es solle nur wenig Geld bezahlt werden, um eines Tages mal eine Sonderausstellung "Echt versus Fälschung" zu gestalten...

Denn das Wissen um diese Dinge der Entwicklung kommt hinzu zu den Anforderungen, einen Nutzen ziehen zu können. Alles, was von dieser Firma zwischen 1856 und 1886 gemacht wurde, ist mir von hohem Interesse - aber um das wirklich wertschätzen zu können, sollte man wohl - wie ich, so gestört.. - jahrelang an diesem Thema dranbleiben. Reiche Menschen, die Klaviere und Flügel sammeln könnten, tun das in der Regel nicht. Die sind meist hochgradig beschäftigt mit anderen Dingen, z.B. Geldverdienen. Oder sie sind, wie der Mann in Bergheim-Ohe oder die Beurmanns ehedem in Holstein, extrem selten.

Denn die allerwenigsten Menschen betreiben ein privates Klaviermuseum. Die, die das tun, sind eh schon prächtig investiert... Sie bekommen in der Regel im Alter dicke Probleme mit ihrer Sammlung, zumal wenn sie eigens auch noch einen Techniker beschäftigen, der ihnen ihre Pretiosen in Schuss hält...

Es ist also leider bei Klavieren nicht so wie bei den Cremonenser Violinen. ... ... ...

Da gibt es übrigens ein wirklich schickes Buch, "Violin Fraud", in dem ein überaus kundiger Mensch berichtet, was bei Violinen so alles betrügerisch getrieben wird...
Der stellt zum Beispiel eine Stradivari vor, die niemals von einem Stradivari gebaut worden war - jedoch sind alle Einzelteile 100pro verbürgt von Stradivari.

... nur ist leider die Beobachtungsgabe, das Vermögen, kleine Unzulänglichkeiten im Holz und in den Auswirkungen auf den Klang auszukontern, niemals von einem Stradivari angewendet worden - mangels Meister, der die Teile aufeinander einpasste. Alle Teile sind Stradivari, aber damit ist das Instrument noch lange keine Stradivari. ... Und das Ding klingt miese. Weil? Stradivari hatte nur die Teile gefertigt, nicht aber das Instrument als Ganzes.

Klaviere und Flügel sind leider von sowas weit weit entfernt.
 
Also ohne hier nun alles lesen zu wollen, finde ich es sogar gut, dass Klaviere mit der Zeit zerschlagen/verschrottet werden. Sonst hätte man mit Klavieren auch das aus den Asterix-Comics bekannte "Hinkelstein"-Problem:

Ein Hinkelstein lebt ewig und (wenn man mal von den Geschehnissen im Band "Obelix GmbH & Co. KG" absieht) ist die technologische Entwicklung bei Hinkelsteinen auch so weit abgeschlossen, dass es nicht zu neuen, bahnbrechenden Entwicklungen kommen wird.

Soll heißen: Kauft man einmal einen Hinkelstein, behält man den auch sein Leben lang, was ein großes Problem für Hinkelsteinproduzenten ist. Die Hinkelsteinproduktion lohnt sich nämlich nicht, weil es viel sinnvoller ist, auf dem Gebrauchtmarkt einen Hinkelstein zu kaufen.

Nun ist es so, dass für mich Musikkultur auch Musikinstrument-Kultur bedeutet. Ich möchte, dass sich familiär geführter Klavierbau in alten Handwerksunternehmen (mit all ihrem Wissen und ihrer Erfahrung) auch weiterhin lohnt, und diese Kultur weiter bestehen bleibt. Und nicht, dass schrottreife Klaviere zu Dumpingpreisen den Markt überfluten.

Und nun genug halbernst gemeinte Beiträge :-D.
 
@Wiedereinaussteiger ich meinte natürlich Flügel. Die von mir erwähnen Komponisten und berühmte Pianisten wie Viñes und co. dürften kaum auf Pianinos konzertiert haben und dann ist der Historische Aufführungspraxis-Faktor schnell weg.
 
@Wiedereinaussteiger ich meinte natürlich Flügel. Die von mir erwähnen Komponisten und berühmte Pianisten wie Viñes und co. dürften kaum auf Pianinos konzertiert haben und dann ist der Historische Aufführungspraxis-Faktor schnell weg.
Ja OK. Ein Flügel ist schließlich nur eine Bauform der Gattung "Klavier". Hinzu kommen en detail das Pianino oder Hochklavier, das, was wir normalerwiese unter "Klavier" verfrühstücken, und das Tafelklavier.

Welch letzteres in Europa gegen 1850, 55 verschwand, in dickeren, massiven Ausführungen in den USA aber noch bis gegen 1885, 90 privatim en vogue war. Bis dann 1904 oder wann der Klavierbauverband der USA seine Mitglieder aufforderte, von diesen ollen (durchaus auch neuen, nie verkauften) Dingern etliche mit zur nächsten Convention zu bringen. Man baute einen ca. 12-15 Meter hohen Stapel, und dann steckte man ihn feierlich an - Ende des Tafelklavieres, sollte das wohl symbolisieren.

Arme Tafis. Sie haben eine Seele. So brutal misshandelt...

In Valldemosa auf Mallorca wird in einem Trakt des Kartäuser-Klosters ein altes Pleyel-Klavier heiß und innig verehrt. Es streiten sich sogar mehrere Zweige der Bankier-Erbengemeinschaft, denen das Kloster nun gehört - in welcher Zelle es historisch war. Lustiger Wikipedia-Artikel. Es sei das, auf dem Chopin den Winter 1838/39 gespielt und u.a.v. die Regentropfen-Prelude erstverfertigt habe. So erzählen es wohl die dortigen Bärenführer.

OK konzertiert nicht, aber komponiert.

Und es war auf eiem Klavier, aber nicht auf DEM Klavier, das dort gezeigt wird.

Also auch abseits Flügel wird sehr ernsthaft am Klavier gearbeitet.

Ich habe - als mein Flügel kam - auf Geheiß des KLaviermackers ;-) mein Gerhard-Adam-Klavier, gute dt. Ackergaul, einer Frau gegeben, die darauf jahrelang Untericht gab und intensiv musizierte (Rock Piano, harte Stufe).
Bis dann irgendwann die Hämmer sich nicht mehr abziehen lassen, dann soll es wohl weg. Tscha. So kann's gehen. Es aber hier dem kleinen schwarzen Drachen wieder hinzuzugesellen... och nee. Das Klavier ist ansonsten bestimmt noch taff, aber - es braucht dann eben neue Hämmerchen.

Schon darauf hat dann eigentlich keiner mehr noch Lust, sich zu kümmern.

Nun ist Gerhard Adam zwar kein Niemand, aber er war auch kein Blüthner, Bechstein, Steinway, Bösendorfer ... Also wird es wohl in die Tonne gehen. Es sei denn, jemand nutzt die aktuelle Notlage an den Metal_Supply-Märkten, und wettet auf die knapp 180 oder so Kilo Guss, die an metall drinstecken, und fieselt sich im Bass die Kupferdrähte raus.

Ein nicht ganz unkundiger Mensch hatte mal das Bonmot drauf, dass er jede Wette halte, zu jedem Zeitpunkt auf Deutschlands Straßen ca. 200 Kleintransporter, VW-Busse u.ä. mit einem Klavier im bauche anzutreffen.

Wie das?
"Ebay - Klavier, ab 1 EURO" ...

Wo sich dann - erst NACH dem Transport - herausstellt, dass der Stimmer es nicht stimmen kann, oder andere teure Sachen vorliegen, außer dem Stimmstockriss auch kaputte Saiten, Rahmenriss, Stege-Risse... und und und ...

Na und was wird daraus, wenn Entsorgung kostet?
Eine ebay-Auktion, "Klavier, ab einem Euro!"
Mit nachfolgendem Kleintransport.
 
Alles, was von dieser Firma zwischen 1856 und 1886 gemacht wurde, ist mir von hohem Interesse

Dann wird ihm wohl der Speichel von den Lefzen tropfen, wenn er die Restaurierung eines 1875er Grotrian Konzerters verfolgt, mit New Yorker Gußplatte, versteht sich. Der aufwändigste Schritt, nämlich die Polyesterlackierung rückstandslos zu entfernen, ist soeben abgeschlossen worden.

Denn die allerwenigsten Menschen betreiben ein privates Klaviermuseum. Die, die das tun, sind eh schon prächtig investiert... Sie bekommen in der Regel im Alter dicke Probleme mit ihrer Sammlung, zumal wenn sie eigens auch noch einen Techniker beschäftigen, der ihnen ihre Pretiosen in Schuss hält...

Gottseidank gibt es noch Ausnahmen. Die eine hier in Wien ist immer so gut in Schuß, dass die Instrumente regelmäßig in Konzerten und auf CDs zu hören sind. Die andere ist noch halb geheim in Berlin, hat aber auch ganz klar die Zielsetzung, jedes einzelne Instrument in perfekt spielfertigem Zustand zu halten und entsprechend zu nutzen.
 
Übrigens ist es bei mir im Wohnviertel mittlerweile Usus, dass Kartons mit Gegenständen auf dem Gehweg stehen mit einem Zettel daran: "Zu Verschenken". Ist auch nett gemeint, aber mal ehrlich: das ist doch in den meisten Fällen Müll. Ist das bei euch in anderen Städten ebenso? Ist das gerade ein Trend?
Diese Gepflogenheit gibt es schon länger. Aber drei Beispiele nur aus den letzten paar Wochen in unserem Stichsträßchen, in dem ich mein Domizil habe:
  1. Vor Hausnummer 9a lag ein stattlicher Haufen Outdoor-Kinderspielzeug (für den Sandkasten oder den Strand) in einem selbst gezimmerten Holzverschlag mit der Kennzeichnung, alles sei zu verschenken. Viel Resonanz war nicht festzustellen. Gut möglich, dass die Anbieter und ursprünglichen Besitzer das meiste einfach wegwerfen mussten.
  2. Vor Hausnummer 7 stand ein Bücherregal Eiche rustikal Einsachtzig hoch oder so, Aufschrift "Zu verschenken". Der Hausherr erzählte mir, er habe das gute Stück nach dem Ableben der alten Dame von Hausnummer 4 im Zuge der Haushaltsauflösung vor etlichen Jahren übernommen. Daraufhin kontaktierte ich meine Vermieterin, die öfter mal möblierte kleine Wohnungen zu vermieten hat. Antwort: bloß das nicht, wir haben das Haus selber mit alten Sachen bis zum Platzen voll. Sie organisiert für die Pfarrfeste unserer Heimatgemeinde einen Eine-Welt-Laden und einen riesigen Trödelstand - besonders schlecht verkäuflich seien Schallplatten und vor allem Bücher. Vor wenigen Tagen hatte ich ein einfaches Bücherregal zwecks Entsorgung wochenlang in meiner Wohnung stehen. Nun sah ich vor dem gegenüber stehenden Haus Nummer 16a teilweise demontiertes Mobiliar stehen, klingelte also viermal zwecks Absprache, ob ich mein Regal zu den wohl für den Sperrmüll bestimmten Gegenständen stellen dürfte. Da nie einer öffnete, tat ich das einfach kurz vor dem Abholungstermin. Hat geklappt.
  3. Vor Hausnummer 22 wurde ein kompletter Karton voll mit Kochbüchern aller erdenklichen Weltregionen deponiert: ungarisch, chinesisch, mexikanisch... . Entgegen der Schilderungen meiner Vermieterin war der tatsächlich am Ende des zweiten Folgetages so gut wie leer.
Was ist daraus zu folgern? Die meisten bürgerlichen Haushalte platzen vor Besitztümern nur so aus allen Nähten. Mit Musikinstrumenten verhält es sich ähnlich: wer dem Musizieren zugetan ist, legt sich aus freien Stücken ein Instrument zu und der Bedarf ist damit meistens gedeckt. Keiner wartet darauf, dass man ihm dann noch ein gebrauchtes Klavier oder gar einen Flügel anbietet, wobei letzterer richtig viel Platz wegnimmt. Dazu sind die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung im Laufe der Zeit vielfältiger geworden, gerade auch da, wo man sich mit passivem Konsumieren begnügt, das keine großen Anstrengungen mehr erfordert im Gegensatz zum Erlernen eines Instruments oder zur Ausbildung der eigenen Singstimme.

Dazu muss man sagen, dass bei uns hier in Münster eh ein mal im Monat jeder seinen Sperrmüll an die Straße stellen kann. Jeder Bezirk hat seinen festen Abfuhrtermin. Da hat sich eine ganze Branche etabliert, die umher fährt und brauchbare Sachen heraus fischt und weiter verwertet/verkauft. Finde ich eigentlich super und habe ich früher auch regelmäßig gemacht.
Selbst in der freien Kulturszene gibt es das: da fahre ich als musikalischer Leiter zusammen mit dem Betreiber einer privat organisierten Musiktheaterbühne im Auto zur Probe und der Regie führende Betreiber fährt mit dem Wagen rechts an den Straßenrand vor einer beachtlichen Menge Sperrmüll mit der Bemerkung, da läge doch allerhand Brauchbares für Kulisse und Requisite der aktuellen Produktion, steigt aus dem Wagen und packt diverses Kleinmobiliar in den Kombi, um es zuhause mit handwerklichem Geschick in einen bühnentauglichen Zustand zu bringen. Schließlich ist man kein subventioniertes Theater, das alles vom Regisseur gewünschte Material einfach anschafft oder für teures Geld maßanfertigen lässt. Richtig so. Und nach abgespielter Produktion finden die Ausstattungsmaterialien in umgearbeiteter Gestalt Verwendung in der Folgeproduktion. Weggeworfen werden die allermeisten Sachen erst dann, wenn der Theaterbetrieb endgültig und unwiderruflich zu Ende ist. Da wurde Nachhaltigkeit gelebt, bevor die gestelzte Reden haltende Politikerkaste die Existenz dieses Begriffs überhaupt entdeckt hat. Wie sagte schon Erich Kästner: es gibt nichts Gutes, außer man tut es...!

LG von Rheinkultur
 

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