Verhalten nach dem Ende des Konzertes...

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Rodrigo

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28. Dez. 2007
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Hallo,

man hat gerade den letzten Ton des Stückes gespielt, und steht langesam auf.

Und nun meine Frage :):

Was dann?
Wie verbeugt man sich richtig?
Wie oft?
Wann soll man von der Bühne gehen?
Was habt ihr für Erfahrungen/ Wie macht ihr das?

Erzählt mir einfach mal wie ihr ein Konzert beendet ;)

MFG
Rodrigo
 
Also früher bin ich nach Vorspielen immer von der Bühne gerannt :D

Dann habe ich es so gelernt: Letzten Ton ausklingen lasen, langsam aufstehen, nach vorne gehen, sich verbeugen (nur so halb mit dem Oberkörper nach vorne und die Arme dabei etwas nach hinten) und dann nichts wie weg ;)
Bei richtigen Konzerten habe ich es immer so gesehen: Mehrmals verbeugen, von der Bühne gehen und bei anhaltendem Geklatsche nochmal kommen und die Zugabe spielen.
 
Kommt auch auf den Künstler an und welches Image er von sich aufbauen will. Jemand der eher schüchtern ist bzw. sich absichtlich vom Publikum distanzieren will, vielleicht auch um eine unnahbare Aura aufzubauen, spielt das Stück, lässt es ausklingen, es gibt Applaus, der Künstler geht etwas weiter nach vorne auf die Bühne, nickt dem Publikum einmal kurz zu und lächelt kurz und flüchtig und geht dann würdevoll aber bestimmt von der Bühne.

Dann gibt es noch Künstlerpersönlichkeiten die einen familiären Kontakt zum Publikum haben und Nähe schaffen wollen, lächeln und winken, immer wieder sich etwas verneigen, weiter lächeln, nochmal winken, lachen, winken ... usw.
Dies suggeriert dem Publikum "man ist Mensch geblieben" und sehr volksnah, kann aber auch schnell anbiedernd und zu kleinbürgerlich wirken.

Dann gibt es da noch Künstler die eine Mischung aus beidem sind: Der Welt entflohen und von der Muse entrückt. Die stellen sich dann minutenlang auf die Bühne und lassen sich beklatschen, suchen aber keinen Blickkontakt zum Publikum, lächeln auf gar keine Fall oder beachten das Publikum gar mit einem freundlichen Blick, nein- sie schauen mit einem verlorenen, melancholischen aber erhabenen leicht arroganten Blick gegen die Decke, den Kopf leicht zurück geneigt, einen Arm vielleicht hinter dem Rücken verschränkt. Irgendwann drehen sich sich abrupt um, als hätten sie eine Eingebung oder Vision gehabt und wetzen von der Bühne (ohne das Publikum anzusehen), als ginge es darum, jetzt woanders die Welt zu retten.

Für den letzten Ton eines Stückes sollte eine Geste, dramatisch und effektbetont einstudiert werden. Hier kann man von Karajan lernen. In dieser Pose sollte man für ca. 30 Sekunden verweilen. Erst danach sollte applaudiert werden.

;)​
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Also das allerwichtigste ist meiner Meinung nach der Moment zwischen dem letzten Ton und dem ersten Klatschen.
Irgendjemand hatte hier eine Signatur, in der stand, dass nicht der Applaus dsa wichtige ist, sondern die Stille vor dem Applaus, dieser Meinung bin ich auch.
Kleine Kinder spielen den letzten Ton, während sie Aufstehen und gerade schnell das nächste Notenheft hinknallen, das ist so, als würde man einen schönen Film eine Minute vor Schluss beenden.
Man hat zwar das wesentliche gesehen und verstanden, aber... nicht wahr ;)

Die Spannung nach einem anstrengenden Stück zu halten und dem Publikum unmissverständlich klar zu machen, dass der Vortrag NOCH NICHT zu Ende ist, erfordert sehr viel Selbstbewusstsein und Mut zur Stille.
Sehr oft hört man in langsamen Stücken, dass Pausen zu kurz ausgehalten werden - aus Angst, das Publikum könnte sich langweilen.
Man muss sich sagen: Jetzt spiele ich, und alle sind gekommen, um das zu hören, sind wegen mir gekommen, und ich darf mir so viel Zeit nehmen, wie ich brauche.
Nach dem letzten Ton also nicht in sich zusammensinken, sondern die Hände noch halten und nicht wegschauen.
Diesen Moment kann man genießen, der ist nämlich ganz besonders... So eine wahnsinnige Spannung im Raum.

Wie man sich danach verhält, hängt, wie Play schon schrieb, vom Künstler und auch der Form des Konzertes ab.

Die meisten Pianisten legen bei der Verbeugung nahe dem Instrument eine Hand auf den Flügel.
Was ich auf keinen Fall machen würde, ist, ein krampfhaft ernstes Gesicht zu wahren, um seriosität zu suggerieren - Wenn einem applaudiert wird, möchte man automatisch lächeln, und warum sollte man das denn nicht tun?
Ich hörte mal einen sehr begabten 13jährigen Jungen in einem internationalen Wettbewerb, der extrem steif war und keine Mine verzog. Furchtbar!
 
Fazil Say legt bei der Verbeugung die rechte Hand aufs Herz. Ich fand das sehr treffend: "von Herzen / with love", sehr menschlich und anrührend.
 
Also das allerwichtigste ist meiner Meinung nach der Moment zwischen dem letzten Ton und dem ersten Klatschen. [...] Die Spannung nach einem anstrengenden Stück zu halten und dem Publikum unmissverständlich klar zu machen, dass der Vortrag NOCH NICHT zu Ende ist, erfordert sehr viel Selbstbewusstsein und Mut zur Stille.
Ich erinnere mich an zwei Konzerte. Tatjana Nikolajewa mit der "Kunst der Fuge" und Rudolf Serkin mit den "Goldberg-Variationen", wo man nach dem Schlußton fast minutenlang (zumindest in meiner Erinnerung) eine Stecknadel hätte fallen hören können. Aber leider liegt es zuallerletzt im Ermessen des Interpreten, wie lange man die Stille genießen kann. In den meisten Fällen ist es eher ein "unerzogenes" Publikum, das nicht nur glaubt, man könne bis zum Erklingen des ersten Tones munter drauflosschnattern, sondern auch nach dem Verklingen des letzten Tones sofort wieder mit dem eigenen Lärmen anfangen.

Bei "Feuerwerksmusik" (Ungarische Rhapsodien u.ä.) ist da ja auch nichts gegen einzuwenden. Aber generell zeigt zu früh einsetzender Applaus, wie wenig Gespür das Publikum für den "Zauber der Musik" hat.
 
Am Ende eines Konzerts

Hallo Rodrigo,

Applaus gibt es ja nicht nur am Ende eines Konzerts, sondern auch nach einer Serie von Einzelstücken, sei es eine Sonate, eine Suite oder einfach eine eigene Auswahl von Stücken.

Ich lege beim Zusammenstellen eines Programms Wert darauf, dass ich zumindest am Anfang eine längere Zeit zusammenhängend spielen kann, einfach um mich auf mich, das Instrument, den Raum und die Musik einzustellen und nicht immer wieder "anfangen zu müssen". Ich habe mein Publikum nach der Pause für den zweiten Teil auch schon gebeten, mich doch durchspielen zu lassen und "wenn es Ihnen gefallen hat, doch bitte erst ganz am Schluss zu klatschen".

Unterbrechungen für hilfreiche Hinweise auf Einzelheiten der Musik erlaube ich mir erst später in einem Programm. Eine solche (einseitige) Kommunikation mit dem Publikum wird von den Leuten meist gerne gesehen und trägt zu einem positiven Klima des Konzerts wesentlich bei. Das hat Auswirkungen bis hin zum Verhalten am Ende des Konzerts.

Das Entgegennehmen des Applauses hat verschiedenen Charakter, es kommt m.E. auf den Umgang mit dem Publikum an. Zwei Extreme:
Michelangeli sah nicht einmal in den Saal nach seinem Publikum und stolzierte nach seinem Konzert ohne irgend eine Verbeugung oder Zur-Kenntnis-Nahme des Publikums ohne Zugabe wieder raus, so wie er herein gekommen war (habe ich zumindest so erlebt).
Barenboim gab nach einem Chopin-Abend noch 4 Zugaben (darunter die Oktavenpolonaise!) und sah sich zwischen seinen tiefen Verbeugungen im Saal um.

Ich selbst verbeuge mich während des Programms ca. zwei mal in verschiedene Richtungen (halte mich dabei am Klavier/Flügel fest :D ), schaue mich dann im Saal um und setze mich wieder auf den Klavierstuhl und warte dort, bis wieder Ruhe ist.
Am Schluss des Konzerts ähnlich, 2-3 Verbeugungen, Umschauen, dann vielleicht nochmal 2 Verbeugungen, vielleicht noch mit dem Kopf nicken und das wars dann.
Dazwischen schaue ich durch die Reihen, weil mich interessiert, wie sich die Leute geben.

2 hübsche Gesten: auf das Instrument zeigen und fragender Blick ins Publikum - Zugabe? Natürlich immer!
Wenn ich dann nichts mehr zum Spielen habe oder keine Lust mehr habe, klappe ich den Klavierdeckel zu. :rolleyes:

Ich bilde mir ein, dass das so am besten zu mir passt.

Grüßle

Walter
 
da hängt viel vom jeweiligen Programm ab!
mein Lieblingsprogramm seit Jahren ist:
Beethoven op.111
Liszt Sonate h-Moll (passen beide in 45min hineien)
----Pause----
Mussorgski Bilder einer Ausstellung (26-27min maximal)
Wagner/Liszt Tannhäuser Ouvertüre (z.Z. 14 1/2 min)

nach op.111 bleibe ich eine Minute lang sitzen und schaue auf die Klaviatur, egal was sich im Publikum regt. nach der Schweigeminute für Beethovens Abschied verbeuge ich mich nur einmal und gehe raus ---- also sehr ernst alles, passend zu op.111
nach der Lisztsonate bin ich emotional wirklich geschafft, erschüttert, also bleibe ich eine Weile sitzen (dabei setzt dann meist Applaus ein), muss mir mit einem Handtuch das Gesicht trocken wischen, dann aufstehen, drei Verbeugungen (links, mitte, rechts), rausgehen, wieder herein kommen, noch mal drei Verbeugungen, dabei ins Publikum lächeln

im zweiten Teil wirds dann lockerer, d.h. die Musik ist ja jetzt weniger todernst - also reinkommen, alles anlächeln, sich verbeugen, hinsetzen und gleich mit etwas "show" voll hinein in die Promenade (sichtbar lautlos lachen, den homophonen Anfang mit beiden Zeigefingern spielen!) - dann mit der Musik mitgehen, im Ballett, Marktplatz, Baba Yaga & Kiewer Tor mit Freude daran auch Technik und Virtuosität demonstrieren. Noch während am Ende das Pedal den Es-Dur Bombast hält aufstehen. In aller Regel ist es dann laut (ich glaube, dass diese Musik die emotionale Spannung aus dem ersten Teil abbaut), jetzt alle anschauen, mehrmals verbeugen, lächeln, zunicken usw.
(-----klar: der "ernste" Interpret hat sich quasi vermenschlicht, hat die bunten Bilder mit Effekt rausgebracht, da ist "endlich" keine Andacht mehr, wenn man so sagen kann)
dann kommt (für mich) die schlimmste Anstrengung, weil die Tannhäuser Ouvertüre hör- und sichtbar ultraschwierig daherkommt und das auch soll (extrem gute Musik in extrem virtuosem Gewand), und da werden dann (meine) letzten Reserven mobilisiert, und da ich darauf trainiert bin, funktioniert das auch. Der Effekt nach der Akkord- und Oktavenschlägerei am Ende ist immer vorhersehbar: wenn das geklappt hat, dann ist der Beifall wirklich heftig! Dann habe ich keine Scheu, zu zeigen, dass mich das alles sehr angestrengt hat (sich trocken wischen, durchatmen usw.), und dann geht der übliche Tanz vor den Zugaben los (man bekommt Blumen, mehrmals raus gehen und wieder zurück kommen, immer lächeln und sich beim Publikum bedanken)
--- Schubert/Liszt Ständchen oder Schumann/Liszt Widmung als erste Zugabe, dann eine Chopin-Etüde, zuletzt Prokovevs suggestion diabolique

und ein Geständnis: wenn ich Ondine, Liebestod, Träumerei, Abendstern-Transkription oder sogar den langen Mephistowalzer zugebe, dann bin ich davon überzeugt (und vor Freude randvoll), dass ich wirklich gut gespielt habe.

und noch was, wie ich finde sehr wichtiges: wenn alles dann aufbricht, sollte man nicht unnahbar verschwinden! ich bin nach Auftritten immer für alle zu sprechen, es kommt immer vor, dass "Kultur-Honoratioren", Veranstalter, aber auch Leute aus dem Publikum Fragen haben - da bin ich gerne bereit, wenn auch erschöpft, Auskunft zu geben.

--- übrigens das "Deckel zuklappen" habe ich auch oft praktizieren müssen (irgendwann kann man einfach nicht mehr, man hat furchtbar Durst - und ich Sünder will dann endlich eine rauchen!)
 
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und ich Sünder will dann endlich eine rauchen!

Und die hast Du dann auch verdient. Danke für die Einblicke in die Gemütswelt und Anstrengungen eines Konzertpianisten. Du bist der erste hier, der die körperliche und mentale Anstrengung eines Konzerts so anschaulich vermittelt. Und an dieser Stelle auch gleich: Willkommen hier im Forum!
 

die Liszt Sonate dauert 26min (ich mag das andande und das quasi adagio nicht ewig zelebrieren, der gesamte "Rest" hat ungefähr die Tempi, die man an den beliebten "schwierigen Stellen" erwartet), op111 macht dann die knappe Dreiviertelstunde voll (ich spiele das allegro mit Viertel = 144, im zweiten Satz dauert jeder Takt exakt knapp 3 Sekunden, d.h. jedes Taktdrittel = 63 MM)
so kommt dieses "timing" zustande, mir gefallen meine Tempovorstellungen (obwohl ich für meine ziemlich schlank gespielte op.111 nicht nur Lob ernte... was solls: Cerny und Moscheles haben diese Tempi für die Variationen notiert, ich probiere halt aus, ob das geht und ob das gut klingt --- und ich finde: ja, das klingt gut und holt die Variationen aus dem ewig langsamen Esoterikhimmel heraus)
 

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