Unterrichten nur "Ausweg" fuer "schlechte" Konzertpianisten?

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jannis

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In vielen Diskussionen klingt an, dass die Konzertpianisten, die es eben "nicht geschafft" haben, dann zum Unterrichten verdammt sind. Ich frage mich nur manchmal, ob diese Sichtweise nicht einseitig ist. Als Kuenstler will man eigentlich einem Publikum etwas sagen. Dieses Mitteilungsbeduerfnis ist fuer mich fundamental. Natuerlich ist eine Moeglichkeit der Kommunkation das Spielen vor einem groszen Publikum im Konzertsaal. Ein Teil der Zuhoerer "versteht" aber vielleicht nichts von Musik, geht nur aus Konvention ins Konzert, liest waehrend des Konzertes Werbeprospekte (habe ich wirklich erlebt!), am Schluss gibt es Beifall, aber im Prinzip geht man dann einfach. Als Lehrer kann man Musik persoenlich vermitteln, Interesse wecken, evtl. sogar dauerhaft den Schueler begeistern. Also ein anderer "Kanal" der Kommunikation, der viel erfolgreicher sein kann als ein Konzert.
Ich finde auch "Gespraechskonzerte" eine sehr interessante Form der Kommunikation, die nachhaltiger sein kann als "auf die Buehne gehen, spielen, fertig", wobei das Programmheft von anderen Personen geschrieben wird. Wie seht Ihr das? Siegt sozusagen der "glamour" eines groszen Auftritts immer und empfindet Ihr die anderen Kommunkationskanaele nachrangig oder ist Euch der "Kommunikationsaspekt" egal?
 
In vielen Diskussionen klingt an, dass die Konzertpianisten, die es eben "nicht geschafft" haben, dann zum Unterrichten verdammt sind.
...dass diese "Anklänge" weitenteils blanker Blödsinn sind, kann man unschwer selber eruieren ;-) denn wäre es so, wie diese "Anklänge" herausposaunen, dann z.B. "hätte es" Prof. Aimard "nicht geschafft"...
Verblüffenderweise war und ist die Liste der unterrichtenden erfolgreichen Pianisten gar nicht mal so klein. (ja, V. Margulis hat natürlich nie an einem hintertupfinger Musikschülchen gelehrt - aber dort landen Absolventen mit Konzertexamen ebenfalls nicht)
 
Das stimmt natuerlich, Rolf, allerdings habe ich (leider) auch in Gespraechen mit Klavierstudierenden oft diese Angst vor dem Unterrichten herausgehoert. Vielleicht bin ich einfach "an die falschen" geraten oder sie wollten eben ihrer Angst Ausdruck verleihen, an der hintertupfinger Musikschule zu landen. Und diese Angst kann ich sehr gut verstehen.
Jannis
 
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@jannis
Es ist mit Sicherheit nicht jede Form des "Unterrichtens" gleichzusetzen.

Außerdem - was ist verkehrt daran, nach dem Studium eine feste Stelle in Klein-Hintermberg zu bekommen, Berufserfahrung zu sammeln und sich hernach peu-à-peu zu verbessern?

Der BWL-Absolvent steigt in der Regel auch nicht als Manager ins Berufsleben ein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es gibt viele Professoren, die erst Karriere machen und sich dann dem Trubel wieder entziehen und unterrichten. Und viele (nicht alle natürlich) fühlen sich auch zum Unterrichten berufen und leisten da gerne hervorragende Arbeit - die sie aber dennoch nur deshalb leisten können, weil sie Top-Musiker sind, inklusive "hochkarätiger" Auftrittserfahrung, evtl. auch Wettbewerbsgewinne, CD-Produktionen u.ä.
Und längst nicht alle Professoren werden schon als Studenten berufen wie Bernd Glemser oder Anna Vinnitskaya. Manche bewerben sich viele Male, bis sie dann irgendwann (zu Recht!) eine Professur oder auch andere gute Stelle erhalten.
Auch abseits von Hochschulen kann Unterrichten Spaß machen und beabsichtigt sein. Ich kenne Klavierstudenten, die nicht konzertieren, sondern unterrichten wollen und dies auch tun.
Mein Verdacht ist, dass Langeweile beim Unterrichten (auch) mit einem Mangel an Know-How zusammenhängt. In interessantem Unterricht langweilt sich keiner, weder Lehrer noch Schüler. Da können auch 6-Jährige 60 Minuten beschäftigt werden.
Und noch ein Gedanke - fast jeder freut sich, von seinen Fähigkeiten zu erzählen und etwas, das er gut kann, weiterzugeben. Das macht natürlich mehr Spaß mit engagierten bzw. interessierten Schülern, das ist klar.

Aber die ganzen Sternchen-Berufe, zu denen viele hinschielen (Model, Schauspieler, Profi-Sportler, Pianist, Prinzessin) sind ohne Zweifel alle anstrengend und viele steigen irgendwann aus.
Nicht alle natürlich... :D
 
@Barratt : Ich glaube, die hintertupfinger Musikschule war jetzt eher als Symbol fuer schlechte Bezahlung und uninteressierte Schueler gedacht. Selbstverstaendlich haengt das Interesse der Schueler auch vom "Wie" des Unterrichts ab, aber welcher Studierte unterrichtet schon gern die hier viel zitierten, langweiligen TEY-Sachen anstelle von Schumanns "Album fuer die Jugend" oder Bachinventionen etc.?

@Stilblüte : Das kann ich alles sehr gut nachvollziehen. Mich hat nur immer wieder ueberrascht, dass der "Kommunikationsaspekt" anscheinend bei einigen eine untergeordnete Rolle spielt. Krass ausgedrueckt, die Motivation "Sternchen" zu werden ist eine staerkere als Musik in irgendeiner Weise zu vermitteln.
Ich habe ja immer gehofft (voellig naiv natuerlich), dass die Menschen durch gute Musik zu "besseren Menschen" werden, eine Katharsis erleben, also toleranter, nachsichtiger, hilfsbereiter werden (vielleicht das, wovon Beethoven in der 9. Symphonie traeumt). Dazu durch Musikvermittlung beizutragen, waere ein Traum. Aber Sternchen zu sein um des Sternchens willen erscheint mir schal und langweilig, ja geradezu "illegitim".
Das klingt jetzt sehr idealistisch und ist es auch. Das kann gefaehrlich werden, wenn es die einzige Motivation waere, Musik zu machen.
Glauben die Profis an einen Katharsiseffekt, an das "geistig Erhebende", an die "Erbauung" als sinngebendes Element des Musikmachens oder geht es hauptsaechlich um das eigene Ego?

Jannis
 
Glauben die Profis an einen Katharsiseffekt, an das "geistig Erhebende", an die "Erbauung" als sinngebendes Element des Musikmachens....?

Na klar! Die Profis glauben an all' das und an noch viel mehr!

Und wenn sie damit fertig sind, kümmern sie sich wieder um ihr Konto und um ihr Ego. Ein Glück, Profis sind auch nur Menschen.

CW
 
Glauben die Profis an einen Katharsiseffekt, an das "geistig Erhebende", an die "Erbauung" als sinngebendes Element des Musikmachens
Johann Sebastian Bach komponierte die Goldbergvariationen
Glenn Gould nahm die Goldbergvariationen auf
Hannibal Lector hörst sich das an und frisst Leute
...geistig erhebende Katharsis hätte ich mir anders vorgestellt.
:-D:-D:-D
 
Das ist wohl wahr, aber vielleicht gilt das nur fuer Soziopathen wie Hannibal Lecter?
Der Katharsis-Gedanke spielt bei mir eine grosze Rolle: Nach einem Konzert oder einem Stueck, bin ich ganz anderer Stimmung als vorher. Normalerweise bin ich sehr ausgeglichener Stimmung, auszer das Stueck oder die Interpretation waren schlecht. Bei manchen Mahler- oder Schubertsymphonien z.B. bin so ergriffen, dass ich den Beifall danach als profan empfinde.
Wenn ich Klavier studiert haette, wollte ich danach auf jeden Fall beides: Unterrichten und Konzerte spielen bzw. auch Programmtexte schreiben. In der Hinsicht habe ich einfach einen Mitteilungsdrang, das ist meine Motivation. Klar, als Profi muesste auch das Geld hinterher stimmen, das finde ich weder verwerflich noch einen "Verrat" an den Prinzipien, aber nur Ruhm und Geld allein koennten mich auch nicht motivieren.
Jannis
 
Mal vielleicht meine Erfahrungen; Pianisten welche viel auftreten haben auch entsprechende Nachfragen an Unterrichtswilligen. Gescheiterete Pianisten leben in der Regel von Harz IV, leben von Sozialhilfe, oder verdienen sich ihre Schrippen mit sonst welch gelernten Berufen - so sie denn etwas anderes können. Aber kein gescheiterter Konzertpianist wird durch unterrichten überleben können - und ich denk ich weiß da wovon ich red....:rauchen:

Viele Grüße

Styx
 

In vielen Diskussionen klingt an, dass die Konzertpianisten, die es eben "nicht geschafft" haben, dann zum Unterrichten verdammt sind. Ich frage mich nur manchmal, ob diese Sichtweise nicht einseitig ist. Als Kuenstler will man eigentlich einem Publikum etwas sagen. Dieses Mitteilungsbeduerfnis ist fuer mich fundamental. Natuerlich ist eine Moeglichkeit der Kommunkation das Spielen vor einem groszen Publikum im Konzertsaal. Ein Teil der Zuhoerer "versteht" aber vielleicht nichts von Musik, geht nur aus Konvention ins Konzert, liest waehrend des Konzertes Werbeprospekte (habe ich wirklich erlebt!), am Schluss gibt es Beifall, aber im Prinzip geht man dann einfach. Als Lehrer kann man Musik persoenlich vermitteln, Interesse wecken, evtl. sogar dauerhaft den Schueler begeistern. Also ein anderer "Kanal" der Kommunikation, der viel erfolgreicher sein kann als ein Konzert.
Ich finde auch "Gespraechskonzerte" eine sehr interessante Form der Kommunikation, die nachhaltiger sein kann als "auf die Buehne gehen, spielen, fertig", wobei das Programmheft von anderen Personen geschrieben wird. Wie seht Ihr das? Siegt sozusagen der "glamour" eines groszen Auftritts immer und empfindet Ihr die anderen Kommunkationskanaele nachrangig oder ist Euch der "Kommunikationsaspekt" egal?

Ich denke, es kommen viele verschiedene Szenarien in unserer Gesellschaft vor:
Tatsächlich kenne ich Einige, die wirklich voller Elan das Musikstudium begonnen haben, und meinten, Sie könnten danach Karriere machen und vom Spielen leben. An Unterricht haben diese Leute gar nicht gedacht. Das kann man dann wirklich als "gescheitert" betrachten. Um zu überleben, müssen diese sich an Hochschule und evtl. mehreren Musikschulen sich abstrampeln, woraus sich ergibt, dass sie keine Zeit mehr zum Üben und Spielen (was sie eigentlich wollten) haben. Schlecht spielen tun diese Leute jedoch gar nicht einmal, die Konkurrenz ist einfach zu groß und die Nachfrage zu gering.
Im Idealfall weiß der Studierende mit Richtung Konzertexamen jedoch, dass er wahrscheinlich wird unterrichten müssen, bereitet sich dementsprechend parallel darauf vor und hat auch Spaß daran, auch wenn seine "begabten" Schüler in der Minderzahl sein könnten (nicht jeder hat das Glück, an Hochschulen unterrichten zu dürfen).
Dann gibt es auch Leute, die gut Klavierspielen, von vorherein aber vorhaben, nicht zu konzertieren und nur zu Unterrichten. Auch das kann für einige Leute eine Erfüllung sein...

LG, Joh
 
Es gibt doch auch mit Sicherheit Pianist/innen, die zwar die Musik heiß und innig lieben und hervorragend beherrschen, aber die "Konzertsituation" als stressig und belastend empfinden.

Meine Gesangslehrerin berichtete mir mal von einem hervorragenden Tenor, der von seinem Umfeld zu jedem Auftritt mehr oder weniger auf die Bühne geprügelt werden musste, weil er die Situation wohl als extrem unangenehm empfand.
 
Und viele möchten eine Familie gründen und sesshaft werden und geben deshalb ihre Konzerttätigkeit auf, bzw. schränken sie stark ein.
 
Die Frage ist nur, was sie dann machen:

wenn sie gerne unterrichten, ist alles perfekt. Wenn sie einen Partner haben, der genug Geld reinbringt, auch :-) Oder sie nehmen doch einen anderen Job an, studieren noch was anderes etc... (in meinem Bekanntenkreis kenne ich jeden dieser Fälle)
 
Es ist doch ein Luxus unserer Zeit, dass ein Künstler überhaupt von seiner Kunst leben kann. Das funktioniert nur, weil Kunst in eine kommerzielle Welt eingebunden ist, die sie tragen kann. Seit dankbar, dass ihr für's Musikmachen überhaupt Geld bekommt. Im Sportbereich ist das nicht anders.
Es ist Arrogant den vortragenden Künstler, über den begabten Lehrer zu stellen.
 
Ziemlich viele Schnitzer für einen so kurzen Text:
Es ist doch ein Luxus unserer Zeit, dass ein Künstler überhaupt von seiner Kunst leben kann. Das funktioniert nur, weil Kunst in eine kommerzielle Welt eingebunden ist, die sie tragen kann. Seit dankbar, dass ihr für's Musikmachen überhaupt Geld bekommt. Im Sportbereich ist das nicht anders.
Es ist Arrogant [Komma fehlt] den vortragenden Künstler, über den begabten Lehrer zu stellen.
... zumal der Tenor der bisherigen Beiträge in eine ganz andere Richtung weist. Aber vielleicht will hier auch nur jemand seine Vorurteile kultivieren. Kunst war schon immer an ökonomische (nicht: "kommerzielle"!) Voraussetzungen gebunden. Und es gab immer schon Künstler, die von ihrer Kunst leben konnten, und solche, die vor einem Leben als "freie Künstler" zurückgeschreckt sind (E.Th.A. Hoffmann, Ch. Ives, H. Rousseau).
 
Ziemlich viele Schnitzer für einen so kurzen Text:
Na und. Ist ja auch kein Deutschlehrerforum.
... zumal der Tenor der bisherigen Beiträge in eine ganz andere Richtung weist.
Ist der Tenor wirklich, dass der auftretende Künstler mehr wert ist als der Lehrer?
Aber vielleicht will hier auch nur jemand seine Vorurteile kultivieren. Kunst war schon immer an ökonomische (nicht: "kommerzielle"!) Voraussetzungen gebunden. Und es gab immer schon Künstler, die von ihrer Kunst leben konnten, und solche, die vor einem Leben als "freie Künstler" zurückgeschreckt sind (E.Th.A. Hoffmann, Ch. Ives, H. Rousseau).
Speziell die klassische Musik wird in Deutschland massiv vom Staat subventioniert. Das ist für mich auch ok. Das funktioniert aber nur, wenn genügend Geld in der Kasse ist, die nunmal aus unserem kommerziellen Umfeld gespeist wird.
 
Ist der Tenor wirklich, dass der auftretende Künstler mehr wert ist als der Lehrer?
Genau dies wird ja von den meisten hier nicht so gesehen.
Speziell die klassische Musik wird in Deutschland massiv vom Staat subventioniert.
Das Wort "Subventionen" ist im übrigen ein billiges Totschlagargument. Redet man im Falle von Bildungsausgaben von Subventionen? Sind Ausgaben für Infrastruktur, Feuerwehr und Polizei, sind Sozialleistungen Subventionen? Wer redet von "subventionierten" Sportanlagen und Stadien für randalierende Fußballfans?
 

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