Tristan-Akkord, Prometheus-Akkord

Marlene

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Bitte habt Nachsicht mit mir und meinen Fragen, denn um das zu verstehen bin ich noch nicht tief genug in dieses Fachgebiet vorgedrungen. Leider habe ich im Internet keine schlüssigen Antworten auf meine Fragen gefunden.

Über den „Tristan-Akkord“

Tristan-Akkord.png

(Grafik: Wikipedia)

heißt es (bei Schott):

Er ist eine Doppeldominante mit tief alteriertem Quintton im Bass und großem Sextvorhalt (6+) vor dem Septimleitton; fügt sich nicht in die Kadenz ein, steht „richtungslos“ im Raum, lässt den Hörer in der Luft hängen und erweckt so das Gefühl von Verlorenheit.

Da blicke ich nicht durch.

Ich habe mir den Kopf über die Wikipedia-Grafik und die Doppeldominante zerbrochen, die doch eigentlich gis und dis sein müsste. Also habe ich mir die Noten bei IMSLP angeschaut.

Tristan-Akkord-Partitur.png

Da erkenne ich sie als g und d der Klarinetten. Ist das die erwähnte Doppeldominante?

Im Bass soll sich ein tief alterierter Quintton befinden. Welcher soll das sein, es ist im Akkord kein b zu sehen. Ich habe mir die Noten bei IMSLP angeschaut. Die Klarinette spielen zwar in Es-Dur aber im Akkord sehe ich keine Tiefalteration. Was also ist mit dem „tief alterierten Quintton“ gemeint?

Was ist der „große Sextvorhalt?“ – das A im Auftakt (Wikipedia-Grafik)?


Ich hätte eine Verballhornung (frei nach LMG) des „Mystischen Akkordes“

„Übermäßig-Quart-vermindert-Quart-übermäßig-Quart-rein-Quart-rein-Quart-Prometheus-Akkord“.

besser unterlassen ;), denn der Akkord hat mich zum Nachdenken angeregt.

Er entzieht sich Dur und Moll und besteht aus aufeinander geschichteten Quarten (und Tritonus). Wird ein solcher Akkord auch umgekehrt oder gelten die Umkehrungen nur für Dur- und Moll-Akkorde?
 

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Er entzieht sich Dur und Moll und besteht aus aufeinander geschichteten Quarten (und Tritonus). Wird ein solcher Akkord auch umgekehrt oder gelten die Umkehrungen nur für Dur- und Moll-Akkorde?

Hallo Marlene,

kurz zum Prometheus-Akkord...

Ich hatte hier mal was über diesen zusammengeschrieben, was dir sicher hilft. Skrjabin selbst hat ihn nicht wissenschaftlich beschrieben, sondern nach eigener Aussage intuitiv gefunden. Er nutz ihn eher als Tonvorrat und breitet ihn sowohl horizontal, als auch vertikal in allen möglichen Konstellationen aus.

Viele Grüße!
 
Ich habe mich mit dem Tristan-Akkord selbst nicht eingehender beschäftigt, aber die Beschreibung erscheint mir schlüssig:

Die Doppeldominante ist H-Dur, mit Septime also:

h dis fis a

Die tiefalterierte Quinte ist f (deswegen also kein b in den Noten) und der große Sextvorhalt ist gis. Also:

h dis f gis

Wenn man dann die Quinte in den Bass verschiebt, hat man den Tristan-Akkord.

Die Klarinetten in A heißen so, weil sie ein a spielen, wenn ein c notiert ist. Entsprechend sind sie in der Partitur in c-Moll notiert. As-d erklingt also als f-h, also identisch mit den Fagottstimmen.

Ich hoffe, ich habe keinen Fehler gemacht.
 
Ich hoffe, ich habe keinen Fehler gemacht.

Hast du nicht...

Den Akkord im Tristan-Vorspiel funktionsteoretisch als Doppeldominate zu a-Moll zu deuten macht deswegen Sinn, weil Wagner ihn anschließend zum Dominantseptakkord (E7) auflöst, der wiederum freilich ebenfalls auflösungsbedürftig wäre.

Skrjabin verwendet den Tristan-Akkord z.B. ziemlich zu Beginn der 4. Sonate, nur von Auflösung ist dort keine Spur.

Viele Grüße!
 
Ich hoffe, ich habe keinen Fehler gemacht.
Soweit alles richtig.

Er entzieht sich Dur und Moll und besteht aus aufeinander geschichteten Quarten (und Tritonus). Wird ein solcher Akkord auch umgekehrt oder gelten die Umkehrungen nur für Dur- und Moll-Akkorde?
Dieser Akkord ergibt sich aus einem Kontext, der durch von Vorhalten geprägte Stimmführungen beherrscht wird. Es handelt sich also nicht einfach um ein auf den Punkt gebrachtes Einzelgebilde, vielmehr ist die durch die Vorhaltbildungen aufgebaute Spannung das Spezifische, dazu kommen wegfallende Details, die den "Schwebezustand" nachhaltig verstärken: Der erste Volltakt ist nicht ausharmonisiert, die Töne a, f, e gehören der Tonart a-moll an, der aber das charakterisierende Element der Mollterz (c) fehlt. Der "Tristan-Akkord" ist dadurch gekennzeichnet, dass der Grundton H durch die doppelte Auflösungsbedürftigkeit (gis nach a, f nach e) nach unterschiedlichen Richtungen an prägender Wirkung verliert. Entspannung bringt auch die der Doppeldominante folgende Dominante nicht, zum einen aufgrund des neuerlichen Vorhalts ais nach h, zum anderen aufgrund der Einführung als wiederum auflösungsbedürftiger Dominantseptakkord, der sich aber nicht auflöst.

Fazit: Es handelt sich also nicht um einen isolierbaren Akkord, sondern ein aus Vorhaltspannungen entstehendes Gebilde, das eigentümlich vage im Raum steht - ohne die darum ablaufenden Stimmfortschreitungen so nicht denkbar.

Zum Überlegen: Neu ist der eigentliche Akkord keineswegs, sondern bereits bei Spohr anzutreffen und bei Beethoven. Es empfiehlt sich, diesen Akkord im Kopfsatz der Sonate op. 31 Nr. 3 zu suchen und zu erforschen, was damit passiert.

Es gibt ein Orchesterwerk von Bernd Alois Zimmermann, dessen Material sich aus verfremdeten Zitatstrukturen zusammensetzt. In der "Musique pour les soupers de roi Ubu" werden die beiden Zitate von Beethoven und Wagner übereinander geschichtet.

Tristan-Akkord und Prometeus-Akkord haben eine Gemeinsamkeit, die auch dem Mozart-Akkord eigen ist: Sie sind nur in einem bestimmten Kontext denkbar, der zum Verständnis des jeweiligen Phänomens bekannt sein sollte.

Frohes Schaffen wünscht
mit LG Rheinkultur
 
Den Akkord im Tristan-Vorspiel funktionsteoretisch als Doppeldominate zu a-Moll zu deuten macht deswegen Sinn, weil Wagner ihn anschließend zum Dominantseptakkord (E7) auflöst, der wiederum freilich ebenfalls auflösungsbedürftig wäre.
Das ist richtig, zur harmonischen Auflösungsbedürftigkeit kämen aber die melodischen Spannungen (Vorhaltbildungen) und die Tatsache, dass die beiden Vorhaltnoten f und gis in unterschiedliche Richtungen aufzulösen wären: f ginge zum Dominant-Ton e, gis hingegen zum nichtdominantischen a, das ja im dominantischen E-Dur-Akkord nicht vorkommt. Natürlich kommt es beim Folgeakkord ganz anders: Die Dissonanzspannung baut sich an anderer Stelle erneut auf.

Skrjabin verwendet den Tristan-Akkord z.B. ziemlich zu Beginn der 4. Sonate, nur von Auflösung ist dort keine Spur.
Man nehme sich mal den Beginn von Spohrs Violinkonzert Nr. 8, op. 47 vor, in dem dieser Akkord ebenfalls anzutreffen ist:
http://conquest.imslp.info/files/im...SIBLEY1802.20691.7977-39087009423569score.pdf

Fündig wird man direkt auf der ersten Seite: Was passiert vorher und nachher?

LG von Rheinkultur
 
Tristan-Akkord und Prometeus-Akkord haben eine Gemeinsamkeit, die auch dem Mozart-Akkord eigen ist: Sie sind nur in einem bestimmten Kontext denkbar, der zum Verständnis des jeweiligen Phänomens bekannt sein sollte.

Das stimmt natürlich. Interessant ist, dass Skrjabin den Prometheus-Akkord bereits sieben Jahre vor dem Prometheus verwendet hat, nämlich im Prelude op.37 Nr.2 in Takt 6, welches sich grundsätzlich noch innerhalb der Dur-Moll-Harmonik mit wagnerschen Einflüssen bewegt. Dort verwendet er ihn interessanter Weise funktionstheoretisch als Nonenakkord der Doppeldominante. In den späteren Werken spielt die Funktion des Akkordes als Dominante freilich keine Rolle mehr, da die Funktionstheorie dort nicht mehr greift.

Viele Grüße!
 
Ach herrje, ich habe schon geahnt, dass die Antworten neue Fragen aufwerfen werden. Ich werde mich in aller Ruhe damit beschäftigen.

Troubadix, ich hatte zuerst die Forensuche und Google bemüht, weil ich sicher war, dass Du darüber berichtet hast. Aber es gab keinen Treffer. Danke für Deinen Link.

Danke für Eure Antworten - ich bin mal gespannt wieviel ich davon nachvollziehen kann.
 
Jetzt habe ich mal versucht Sinn und Verstand in Eure Erläuterungen zu bekommen. Der Erfolg war kläglich. Das ist wirklich verwirrend für einen Anfänger. Ich habe schon nicht erkannt, dass es sich um H-Dur handelt (in dem Auszug der Partitur kommt kein dis vor).

Und dann die Klarinetten in A, die deshalb so heißen, weil sie ein a spielen, wenn ein c notiert ist und entsprechend in der Partitur in c-Moll notiert sind. Das verwirrt mich noch mehr ;). Aber von drei Bb gleich auf Es-Dur zu schließen entspringt meinem Mangel an Wissen (oder einer Fixierung weil ich Es-Dur mag).

Jetzt kommt noch a-moll ins Spiel und E7... :konfus::denken:

Ich werfe das Handtuch und lege die Fragen zum Trisan-Akkord mal zwei Jahre in die Schublade.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe schon nicht erkannt, dass es sich um H-Dur handelt (in dem Auszug der Partitur kommt kein dis vor).
Das dis wird vom Englischhorn gespielt - wie die A-Klarinetten ein transponierendes Instrument, allerdings in F notiert. Das Geschriebene klingt eine Quinte tiefer als notiert.

Und dann die Klarinetten in A, die deshalb so heißen, weil sie ein a spielen, wenn ein c notiert ist und entsprechend in der Partitur in c-Moll notiert sind.
Transponierende Instrumente in A-Stimmung, in der das Geschriebene eine kleine Terz tiefer klingt als notiert. Das Tongeschlecht ändert sich nicht: Moll bleibt Moll. Sollen die erklingenden Töne der Tonart a-moll angehören, sind sie in c-moll zu notieren, das wie die Paralleltonart Es-Dur drei Bs besitzt.

Ich werfe das Handtuch und lege die Fragen zum Trisan-Akkord mal zwei Jahre in die Schublade.
Es gibt hier etliche neben Dir, die diese Thematik interessiert und die unsere Erklärungen ebenfalls mit Gewinn lesen. Übrigens ist dieses Vorstoßen in komplexe Bereiche der Tonalität eine recht anspruchsvolle Materie, die selbst angehende Berufsmusiker ganz schön fordern kann. Da gerät sogar mancher Musikstudent schon ins Schleudern, obwohl er sich hier sicher auskennen sollte. Allerdings lässt sich diese Herausforderung erfahrungsgemäß durchaus meistern - möglicherweise dauert es gar keine zwei Jahre.

LG von Rheinkultur
 
Das dis wird vom Englischhorn gespielt - wie die A-Klarinetten ein transponierendes Instrument, allerdings in F notiert.

Beim Englischhorn ist aber ein Fis notiert, wieso F?

Das mit c-moll bei den transponierenden Instrumenten leuchtet mir ein. Du kannst die Dinge so schön verständlich erklären. :)

Ich komme schon ins Schleudern wenn mich jemand fragt welche weißen Tasten Fis-Dur hat. Die sechs Kreuze fallen mir zwar ein, aber schon überlege ich... ach ja, h und eis. Es dauert wohl noch eine Weile bis die Anworten auf solche Fragen wie aus der Pistole geschossen kommen. ;)
 

Mein Favorit:
2.3.3.18. verminderter dreifach verminderter Septakkord
C, Eses, Geses, Heses
Quelle: http://www.mu-sig.de/Theorie/Tonsatz/Tonsatz08.htm

Ja, klingt isoliert wie eine Umkehrung von F6 oder Dm7 ... ist aber was gaaaanz anderes!
Ist es. Allerdings kann man es mit den theoretischen Geistesflügen auch maximal auf die Spitze treiben. Zum einen funktionieren solche Konstellationen nur auf dem Papier, zum anderen hat sich die Einstellung durchgesetzt, für die in der Musizierpraxis stehenden Sänger und Instrumentalisten eine möglichst gut lesbare Notationsform zu finden: So wenig Versetzungszeichen wie irgend möglich.

Beispiel aus der eigenen Notenschreibpraxis: Am nächsten Wochenende findet die Premiere einer Operettenproduktion statt, zu der ich die Arrangements für einige Einlagenummern beigesteuert habe. Diese waren teilweise nicht nur zu orchestrieren, sondern auch noch in eine andere Tonart zu transponieren. Eine davon war mit sechs B notiert und dann noch einen Ganzton tiefer zu transponieren - und wechselte unter Verwendung zusätzlicher Vorzeichen zwischen Dur und Moll hin und her. Das originale Ges-Dur und Ges-Moll ist bereits nicht gerade bequem zu lesen - bei notiertem Fes-Dur und Fes-Moll wären vermutlich die Instrumentalisten auf die Barrikaden gegangen. Mit E-Moll-Vorzeichnung und zusätzlichen Kreuzen für die Dur-Abschnitte konnten alle Beteiligten hingegen sehr gut leben - dem Entdecker der Enharmonik sei Dank gesagt, da ich ansonsten erstmals in der Musikgeschichte nicht nur Doppel-, sondern Dreifach-Bs hätte verwenden müssen. Von Alkan und Reger sind mir zwei Literaturbeispiele des Dreifach-Kreuzes bekannt, vom Dreifach-B kein einziges.

LG von Rheinkultur
 

Nicht so schnell aufgeben...

Wie ich bereits erwähnt habe, sollte man den Prometheus-Akkord weniger als Akkord, sondern viel mehr als sechs Töne eines zur Verfügung stehenden Tonraumes (als Sechstonraum, wenn man so will) sehen. Darf ich eine einfache, erste Annäherung an den Prometheus-Akkord empfehlen? Man muss sich nur mal ein Stündchen Zeit nehmen...

Gehe mal von einem einfachen Dominantseptakkord aus, zum Beispiel basierend auf C. Du hast also den Tonvorrat c-e-g-b. Jetzt klimper mal eine Weile mit diesen vier Tönen rum. Spiele die Töne einzeln, spiele sie in unterschiedlicher Reihenfolge, als Arpeggio, als Akkord, löse mal nach F-Dur auf usw., bis dir der Klang dieses Akkordes in den unterschiedlichsten Varianten vertraut ist.

Wenn du das gemacht hast, dann füge die None hinzu. Du erhältst also den Tonvorrat c-e-g-b-d. Jetzt klimper mit diesem Vorrat in ähnlicher Art und Weise rum, lass auch mal zwischendurch die Septime oder die Quinte weg, löse wieder nach F-Dur auf usw., bis du den Klang verinnerlicht hast. Bei diesem C79 Akkord sprengst du absolut noch keine tonalen Grenzen, zum Beispiel hättest du Beethoven damit nicht schocken können (im ersten Satz von op.101 findet sich ein schönes und mit durchschnittlichen Händen schwierig zu greifendes Beispiel, aber auch in vielen anderen Werken), die Romantiker schon gar nicht. Dir wird auffallen, dass auch dieser Akkord als Dominante wirkt.

Jetzt verminderst du die Quinte und erhältst somit c-e-ges-b-d. Experimentiere mit diesem Tonvorrat wieder herum, vergleiche den Klang zu den vorherigen Akkorden. Wie wirkt dieser Akkord, wenn du ihn als Dominante verwendest? Klingt interessant, oder?

Nun fügst du zum Dominantseptnonakkord mit tiefalterierter Quinte die Sexte hinzu. Du erhältst also c-e-ges-a-b-d als Tonvorrat. Experimentiere wieder mit diesem Tonvorrat in den unterschiedlichsten Varianten herum. Was passiert, wenn man diesen Tonvorrat in Quarten schichtest? Dann erhältst du c-ges-b-e-a-d und das ist nichts anderes, als der Prometheus-Akkord. Wenn man mit diesen sechs Tönen ein bisschen rumklimpert, dann stellt sich schon ein bisschen der typische Skrjabin-Klang ein.

Wir haben nun den Prometheus-Akkord auf C gebildet. Als nächsten Schritt kann man den Akkord auf As und auf Fis bilden. Jetzt kann man mal testen, wie sich diese drei Tonvorräte abwechselnd anhören. Man beginnt also auf C zu klimpern, nach einer Weile wechselt man nach As, dann nach Fis und wieder zurück nach C, als nächstes vielleicht nach E usw...

Das Spiel kann man beliebig weit ausbauen, Rhythmus reinbringen, sich mehr auf die Tritonus-Intervalle konzentrieren, einfache Rhythmik reinbringen usw... Zum einen macht das viel mehr Spaß, als es hier beim Lesen vielleicht scheinen mag, zum anderen lernt man einiges dabei und man beginnt, Skrjabins späte Werke mit anderen Ohren zu hören. Ich mache das immer wieder gern.

Zum Einstieg in die Prometheus-Harmonik empfehle ich Skrjabins schönes Albumblatt op.58.

Viele Grüße!
 
Was passiert, wenn man diesen Tonvorrat in Quarten schichtest? Dann erhältst du c-ges-b-e-a-d und das ist nichts anderes, als der Prometheus-Akkord.

Eigentlich wollte ich ja die Dokumentation in 3Sat sehen, aber Du hast mich mit Deinem ausführlichen Beitrag so richtig neugierig gemacht. Ich begebe mich gerne auf Entdeckungsreise. Das war nebenher auch eine gute Fingerübung (meinem Klavierlehrer hätten sich allerdings die Haare gesträubt, wenn er gesehen hätte wie ich die Akkorde gegriffen habe ;)). Es klang schon recht interessant nachdem das g tiefalteriert habe. Irgendwie dissonanter.

Aber wenn ich Quarten schichten soll, dann muss es doch wohl ein Fis sein. Ein Ges (zum b) wäre doch eine Terz.

Albumblatt op. 58 – wenn das nicht mystisch klingt... :)

Lieber Troubadix, ich danke Dir für diesen Beitrag – ich war richtig gerührt, als ich ihn gelesen habe. Er offenbart Deine Liebe zu Skrjabins Musik, die Du mir und anderen nahebringen möchtest. Bei mir ist es geglückt, denn Skrjabin kommt mir immer näher.

Ich habe ja in "Ich.." von dem Pianisten aus Afghanistan geschreiben, durch den ich erstmals Kontakt zu Skrjabin hatte. Diesen Interpretationen werde ich bestimmt beiwohnen:

http://www.nageebgardizi.com/website/?page_id=1016
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber wenn ich Quarten schichten soll, dann muss es doch wohl ein Fis sein.

Richtig erkannt, da habe ich zu schlampig formuliert! Skrjabin notiert den Ton ja deswegen auch als Fis, hat sich aber musiktheoretisch nach eigener Aussage keine Gedanken über den Akkord gemacht. Als Ges lässt sich der Ton aber meiner Meinung nach leichter musiktheoretisch herleiten, wie in meinem Beitrag geschehen, weil man den Akkord dann "einfach" als alterierten Dominantseptnonakkord mit hinzugefügter Chopin-Sexte (siehe meinen Beitrag im Skrjabin-Faden) erklären kann.

Viele Grüße!
 
Albumblatt op. 58 – wenn das nicht mystisch klingt... :)

Der Vorteil ist, das hier die Prometheus-Harmonik sehr klar und transparent vorliegt Wenn du magst, dann kannst du ja mal versuchen, das Klangzentrum, also den Prometheus-Akkord, auf dem der Tonvorrat beruht, im ersten Takt zu identifizieren.

upload_2015-3-4_22-38-34.png

Das Klangzentrum ändert sich ab Takt 5.

Lieber Troubadix, ich danke Dir für diesen Beitrag – ich war richtig gerührt, als ich ihn gelesen habe. Er offenbart Deine Liebe zu Skrjabins Musik, die Du mir und anderen nahebringen möchtest. Bei mir ist es geglückt, denn Skrjabin kommt mir immer näher.

Das freut mich natürlich! Ich finde den Klang der Prometheus-Harmonik unglaublich faszinierend und spannend. Es ist eine ganz eigene Welt. Leider hält sich die Zahl derer, die sich für solche Musik interessieren sehr in Grenzen (selbst unter den Musikinteressierten), in meinem Umfeld gibt es quasi niemanden. Deswegen freue ich mich immer, wenn jemand Interesse an der Thematik hat und sich die Gelegenheit zum Austausch bietet.

Viele Grüße!
 
mal ein paar ganz einfach zu verstehende Sachen:
1. die Dissonanz f-h-#d-#g hat etwas irritierend den Spitznamen "Tristanakkord" bekommen (quasi als abkürzendes Schlagwort für harmonisch unbestimmte, vage, sehnsüchtige Klangfolgen)

2. tatsächlich ist es sinnvoller, die ersten Tristantakte als Motivzusammenhang aufzufassen (Sehnsuchtsmotiv wird das gerne genannt, ist eines der zentralen Leitmotive der Oper Tristan und Isolde: es ist kombiniert aus einer leittönigen Harmoniefolge aus Dissonanzen mit einem chromatischen Viertonmotiv (#g---a-#a--h-)

2a. das Viertonmotiv mit seinem Rhythmus taucht verblüffenderweise schon bei Mozart (Fantasie d-Moll) und Beethoven (Pathetique) auf, es ist quasi musikalisches Basismaterial

2b. der Tonvorrat der Dissonanz f-h-#d-#g ist prinzipiell nüscht anderes als ein Septakkord der siebten Stufe der Durskale oder ein Septakkord der zweiten Stufe der Mollskale: f-h-#d-#g kann man auch als f-#g-h-#d anordnen, dann ist ersichtlich, dass das VII7 von Fis-Dur ist*) bzw. II7 in dis-Moll*)
also prinzipiell ist der Tonvorrat nichts anderes als ein gewöhnlicher Septakkord, der die Funktion einer Subdominante haben kann (und in dieser Weise taucht er massenhaft vor Wagner auf)

2c. einige Komponisten vor Wagner, z.B. Spohr**) und Chopin***) entdeckten, dass dieser Septakkord weitere Funktionen erhalten kann: in der c-Moll Etüde ist das Tonmaterial f-h-ba-be****) eine Variante des "Chopinakkords" und führt dominantisch in die Tonika c-Moll (g-f-h-e => jetzt mit Orgelpunkt c als c-g-f-h-e => jetzt ersetzt der Orgelpunkt den Grundton der Dominante (g) c-f-h-e => dann kommt die kleine None über dem weggekürzten Dominanton hinzu c-f-h-e-ba => und nun das Ganze in c-Moll statt C-Dur c-f-h-be-ba -- und das löst sich prima nach c-Moll auf ---- so kompliziert kann Chopin manchmal sein)

2d. und etliche Komponisten erkannten, dass ein II7 als Vorhalt zu einem gewöhnlichen verminderten Septakkord verwendet werden kann: h-d-f-a als Vorhalt zu h-d-f-#g --- von hier ist es nicht weit zu der Erkenntnis, dass sich wie beim gewöhnlichen verminderten Septakkord vier verschiedene Bezugnahmen einstellen (h-d-f-#g kann zu E7, G7, Cis7, B7 umgedeutet werden - beliebtestes Exempel für diese Praxis ist das Grave zum Beginn der Durchführung in Beethovens Pathetique)

3. der normale verminderte Septakkord sowie sein Vorhalt (in Form eines II7 in Moll) ist also prinzipiell vieldeutig - das entdeckten die Komponisten vor Wagner. Ganz besonders erfinderisch war da Chopin.

4. es war also bekannt, dass Akkorde dieser Bauweise sich bestens für Modulationen eignen - und genau das machte man mit ihnen (wegen ihrer "Mehrdeutigkeit")

5. Wagner erweiterte die Deutungsmöglichkeiten dieser Akkordbildung, indem er den prinzipiell harmlosen II7 als Vorhalt zu anderen komplexen Dissonanzen verwendete: zu Beginn des Tristan ist der (in seinem Tonmaterial harmlose) Akkord f-h-#d-#g als Vorhalt zur Dissonanz f-h-#d-a eingesetzt, und diese Dissonanz wiederum ist nichts anderes als der quintalterierte H-Dur-Septimakkord (h-#d-#f-#a wird verschärft zu h-#d-f-a) - und im offensichtlichen a-Moll Kontext des Vorspiels ist das nichts anderes als die Doppeldominante

6. die Dissonanzenfolge am Beginn bleibt "sehnsüchtig" in der Schwebe, hinter den leittönigen Vorhaltbildungen ist die schlichte Folie DD7-D7

7.das faszinierende allerdings, was durch das Zusammenwirken von Rhythmus, chromatischen Motiven, harmonischer Abfolge und Klangfarben entsteht, ist der merkwürdige und völlig neuartige Umstand, dass man eine traditionelle Dissonanz - den Dominantseptakkord (hier e-#g-h-d) - nicht mehr als Dissonanz wahrnimmt

8. wie schon gesagt, ist der zugrunde liegende II7 vieldeutig - Wagner erhöhte die Vieldeutigkeit dieser Akkordbildung (der II7 hat dort noch viele andere harmonische Bedeutungen, ist also nicht nur und allein Vorhalt zur jeweiligen Doppeldominante - der Wagner war da sehr erfinderisch)

9. amüsant ist, dass diese schwebende chromatische/enharmonische leittönige Harmonik nicht erst hier im Tristan auftaucht: tatsächlich hat Wagner diese Dissonanzenfolge schon viel früher - nämlich in der Walküre****) - entwickelt. Dort finden sich sogar weitaus krassere harmonische Besonderheiten!*****)

10. aber während bei den Komponisten vor Wagner und bei Wagner selber vor seinem Tristan derartige harmonische Feinheiten lediglich vereinzelt auftauchen, so sind sie im Tristan permanent vorhanden (was zur Folge hat, dass die wenigen "normal" kadenzierenden Abschnitte im Tristan im Vergleich zur dominierenden chromatischen Schwebeharmonik geradezu falsch wirken)******)

das war jetzt für @Marlene die Tristanharmonik so einfach wie (mir) möglich zusammengefasst
_____________________
*) ja, da muss korrekterweise das f als #e enharmonisch betrachtet werden
**) siehe die Beiträge von @Rheinkultur
***) Prelude e-Moll, Etüde c-Moll op.25,12
****) das ist enharmonisch exakt dasselbe wie der "Tristanakkord"
*****) kann man glauben, dass ein Moll-Dreiklang dissonant wirkt? dort ist das so...
*****) ein Blick in das "Todverkündungsmotiv" im zweiten Aufzug ist da erhellend
******) das hat u.a. Kurt Pahlen sehr schön beschrieben
 

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