sinnvolles, systematisches, effektives Üben?

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Hallo zusammen,

inspiriert durch den Faden "Übedauer von Konzertpianisten" möchte ich gerne folgende Frage aufwerfen:

Wie übt man

effektiv
sinnvoll
systematisch.

Mir ist klar, dass das mal wieder eine Gießkannenprinzip-Frage nach VP-Art ist.:p

Will sagen: manchmal liegt es an der Art des Übens, dass man nicht schnell Erfolge erzielt.

Bei mir zum Beispiel tun sich mit Akkorden Probleme auf, und ich meine, es liegt daran, dass ich oft zu sehr in Melodien denke, weil vom Streichinstrument kommend.

Wie übt man so etwas zum Beispiel sinnvoll und effektiv? Oder gebrochene Akkorde, soll man die als Griffe durchgehen? *grübel*

Oder: wie erarbeitet man sich ein neues Stück sinvoll. Ich seh immer einmal im Schneckentempo durch, und sichte, wo Problemstellen sind. Dann geh ich in die Details, rechts und links einzeln, Stück für Stück wieder zusammenbauen.
Dann auf Tempo bringen.:confused:

Ich freu mich über eure Tipps, Ideen und Anregungen.:)

LG
violapiano
 
Mh, gute Frage...

Jemand gab mir mal den Rat, die schwierigen Stellen wie Sorgenkinder zu behandeln. Um die müsse man sich im Regelfall ja ganz besonders kümmern, damit sie die gleichen Chancen wie die "Selbstäufer" bekommen und nachher genauso lebenstüchtig sind.

Also erstmal konsequent um die "Sorgenpassagen" kümmern? Leichter gesagt als getan, denn man will ja nicht immer nur die doofen Stellen spielen, sondern die Melodie fließen lassen. ...;-).

Das oft beschworene getrennte Üben der linken und rechten Hände ist wahrscheinlich für Literatur notwendig, die über mein Level hinaus geht. Meist übe ich daher neue Stücke noch mit beiden Händen gleichzeitig, dann aber takt- oder zeilenweise, bevor ich Stückchen für Stückchen weiter gehe.
 
Ich glaube, es wäre anschaulicher und insgesamt nutzbringender, wenn man sich ein bestimmtes Stück suchen würde, dessen Notentext gemeinfrei ist, und dann diskutiert man konkret mögliche Vorgehensweisen.

lg marcus
 
Für "konkret und am Stück" müsste ich drei bis vier Fäden eröffnen....

-Akkorde, gebrochene Akkorde lernen, wie?

-neue Stücke, wie fängt man sinnvoll an, wie baut man aus?

- wie und wann bringt man ein Stück auf Tempo? Beginnen mit den Problemstellen? MancheFingersätze funktionieren ja auch nicht im schnellen Tempo.

-wie nutzt man die Übezeit sinnvoll. Wie eine Übeeinheit aufbauen, so dass sie effektiv ist.

immer noch zu allgemein?
 
Bei gebrochenen Akkorden ist die Handversetzung sehr wichtig. Die kann man separat üben, indem man die gebrochenen Akkorde nicht gebrochen spielt, sondern eben akkordisch.

Beispiel: C-Dur Arpeggio über 2 Oktaven, erst hoch dann wieder runter.

Üben kann man das dann, in dem man zunächst c e g c' mit 5 3 2 1 als Akkord spielt und dann die Hand versetzt auf e' g' c'' mit 3 2 1. Die Versetzung der Hand von einem Akkord zum andern übt man erst langsam und dann eben immer schneller.

Hier kann man auch den Rat von rolf mit den blitzschnellen Bewegungen befolgen. Das würde dann so gehen (rolf: bitte korrigieren, falls ich es falsch verstanden habe):

Beispiel: Metronom auf 80 (oder weniger oder sogar gar nicht), jeden Akkord einen Schlag anschlagen und dann ein Schlag Zeit um den nächsten Akkord vorzubereiten. Das Vorbereiten läuft dann so ab, dass man die Hand und die Finger möglichst schnell so auf die Tasten legt, dass man den nächsten Akkord anschlagen kann.
 
Beispiel: C-Dur Arpeggio über 2 Oktaven, erst hoch dann wieder runter.

Üben kann man das dann, in dem man zunächst c e g c' mit 5 3 2 1 als Akkord spielt und dann die Hand versetzt auf e' g' c'' mit 3 2 1. Die Versetzung der Hand von einem Akkord zum andern übt man erst langsam und dann eben immer schneller.

Hier kann man auch den Rat von rolf mit den blitzschnellen Bewegungen befolgen. Das würde dann so gehen (rolf: bitte korrigieren, falls ich es falsch verstanden habe):

Beispiel: Metronom auf 80 (oder weniger oder sogar gar nicht), jeden Akkord einen Schlag anschlagen und dann ein Schlag Zeit um den nächsten Akkord vorzubereiten. Das Vorbereiten läuft dann so ab, dass man die Hand und die Finger möglichst schnell so auf die Tasten legt, dass man den nächsten Akkord anschlagen kann.

hallo,

speziell das würde ich nicht mit kompakten Akkordgriffen machen, sondern Ton für Ton. Wenn der 5. Finger c anschlägt, berührt der 3. Finger schon oder sofort das e - und dann lange warten. Und so immer weiter.

Natürlich kann man sich auch die Akkordgriffe durch anschlagen klarmachen, aber das braucht eigentlich kein Tempo: das geht übers Sehen.

Wenn man von Ton zu Ton (hier am besten staccato) übt, dann braucht man hierfür die Hand nicht spreizen - das nimmt viel Anstrengung. Irgendwann kann man das machen, indem man dabei den Arm ganz gleichmäßig und ruhig seitwärts führt: die Finger kommen quasi von allein mit.

Gruß, Rolf
 
sinnvolles, systematisches und effektives Üben

Hallo Violapiano,

Dein Thema hier kann vielfältige Antworten anregen. - Der Eintrag in meinem Blog "meine Arbeitsweise als Amateurpianist" deckt einen Teil des Spektrums ab.

https://www.clavio.de/forum/blog.php?b=48

So mache ich es immer noch: im Jahr 2010 zwei Chopin-Abende und wenn danach noch Zeit bleibt gibt es neue und alte Etüden.
Allzu große Abweichungen von diesem Kurs erlaube ich mir bei meinem Zeitbudget einfach nicht.

Viele Grüße

Walter
 
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Hallo VP,
so ungefähr sieht mein Vorgehen aus:
1. Klar guck ich zuerst die Noten an, Taktart, Tonart, Abschnitte, Wiederholungen, Charakter des Stücks .... (mach` ich oft abends als Bettlektüre ;-))
2. Rhythmus klopfen
3. Melodie summen/singen
4. Beides zusammen
5. Dann ans Klavier: linke Hand beginnt (ich beginne meistens mit der nicht-Melodie führenden Hand), das Ziel ist für später in der linken Hand eine zuverlässige Führung zu haben.
6. jetzt kommt rechts, bzw. der Melodie-tragende Teil. Hierbei versuche ich langsam durch präzises Bewegen ein Gefühl für den Bewegungsablauf zu bekommen (gilt natürlich auch für links)
7. Es schließen sich viele, viele, viele laaaangsamste Durchgänge an, Sinnabschnitte passagenweise, zunehmend beidhändig (hier achte ich aber darauf, dass ich jede Hand bewusst bewege und nicht nur mittappse). Ich lasse gerne die Hände mal in gewissen Positionen ruhig liegen und spüre wie sich das anfühlt, dabei experimentiere ich auch, vor allem wenn es um den Fingersatz geht (wobei hier Tempovarianten wichtig sind). Sinnvoll ist auch das, ich nenne es "Vertikalisieren", von horizontalen Abläufen. D.h. ich greife aufeinanderfolgende Noten zusammen (typisches Beispiel: Arpeggien). Irgendwann bin ich soweit, dass ich das Stück in gemütlichem Tempo aber sehr präzise spielen kann. Unter präzise verstehe ich Artikulation, Dynamik und natürlich die Phrasierung. Und ich achte auf mein Gefühl in Armen und Schultern, ja und ob ich feste und unverkrampft auf dem Hocker sitze (a never ending story!!). Diese Vorgehensweise ermöglicht es mir, das Technische und Musikalische sinnvoll zu verbinden.
8. Ich übe komplizierte oder unbequeme Stellen separat (+Übergänge). Auch hierbei gehe ich langsam ans Werk, erst mit Hand auflegen, Bewegungsabläufe "studieren". Das Ziel ist hier: konkret zu formulieren welcher Bewegungsbestandteil mir schwerfällt, was ich üben möchte und vor allem wie. Was oft hilft ist das staccato spielen. Das Üben schwieriger Stellen braucht halt echt nen Plan, sonst nudelt man die Stelle x-Mal runter und kanns trotzdem noch nicht.
9. Wenn ich Lust habe, nehme ich das Stück in diesem Zustand auf (wie z.B. den Doctor Gradus hier bei den Einspielungen), einfach um zu hören, ob es locker und flüssig klingt, Krampf kann man auch hören.

Was das Tempo betrifft, das kommt von alleine. Nach meiner Erfahrung ist jeder Versuch das Tempo zu forcieren zum Scheitern verurteilt. Leider falle ich immer wieder drauf rein :D

So jedenfalls mach` ich das in groben Zügen. Vielleicht hätte auch gereicht zu sagen: ich übe mit konkretem Tagesziel und Begründung. Dann kann es doch gar nicht so uneffektiv sein.

LG, Sesam

P.S. So vorzugehen habe übrigens nicht ich mir ausgedacht, sondern viele Impulse stammen von meiner hochgeschätzten KL. Ohne dass wir direkt darüber gesprochen hätte, habe ich das aus der Art wie wir Stücke im Unterricht bearbeiten abgeleitet. Deshalb: guter Unterricht ist der Ursprung effektiven Übens. Stichwort "Lernen am Modell".
 
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Hallo zusammen,
danke euch allen erstmal für die vielen Gedanken zu den Themen, muss man ja sagen.

Ich habe gerade noch eine Erfahrung gemacht: ich habe etwas schwereres angefangen, und habe dann weiter gelernt am Vorgängerstück. Und siehe da: esklappt besser.:confused: Kennt ihr das auch?

LG
violapiano
 
Bei mir sind nochmal einige Gedanken zu dem Thema aufgekommen:

~> Wenn man ein neues Stück einübt und zunächst nur ca. 20 Takte spielt und diese anschließend wiederholt, geht dies viel einfacher von der Hand als beim erstmaligen Durchspielen.
Macht es also Sinn ein Stück immer abschnittweise (immer je ~20 Takte wiederholend) einzuüben und evtl. zum Schluss einmal komplett durchzuspielen?

~> Wie oft sollte man die komplette Prozedur überhaupt wiederholen?
Je mehr desto besser, oder gibt es eine Grenze ab der man sich nur das Gehirn zuballert?
 
Hi xXpianOmanXx,
~> Wenn man ein neues Stück einübt und zunächst nur ca. 20 Takte spielt und diese anschließend wiederholt, geht dies viel einfacher von der Hand als beim erstmaligen Durchspielen.
Macht es also Sinn ein Stück immer abschnittweise (immer je ~20 Takte wiederholend) einzuüben und evtl. zum Schluss einmal komplett durchzuspielen?
das abschnittsweise Einüben ist ein etabliertes (das) Standardverfahren. Allerdings sollte man die Abnschnitte mehr nach musikalischen Kriterien (und nicht nur der Taktzahl) auswählen.

~> Wie oft sollte man die komplette Prozedur überhaupt wiederholen?
Je mehr desto besser, oder gibt es eine Grenze ab der man sich nur das Gehirn zuballert?

Laut Untersuchungen ist das Gehirn nach ca. 10 -20 Wiederholungen der genau gleichen Sache, also ohne Varianten, "gesättigt".

Gruß
 
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Wissenschaftliche Untersuchungen? Quelle? :cool:
Aber auf 10-20 Mal muss man erstmal kommen :)

Dennoch, je öfter man einen Pfad begeht, desto ausgeprägter wird er.. Das , dachte ich mir, gilt auch für die Nervenverbindungen...
 
Hi xXpianOmanXx,
Wissenschaftliche Untersuchungen? Quelle?
Aber auf 10-20 Mal muss man erstmal kommen

war mir klar, dass jemand die Quelle will. ;-)
Ächz, bin jetzt aber zu faul die entsprechenden Bücher durchzusehen.
Ich nehm das "wissenschaftlich" zurück (es gibt auch unterschiedliche Angaben deswegen von mir zu 10-20 zusammengefasst).

Dennoch, je öfter man einen Pfad begeht, desto ausgeprägter wird er.. Das , dachte ich mir, gilt auch für die Nervenverbindungen...

Das scheint (damit du nicht nach der Quelle fragst ;-) ) ab einer bestimmten Anzahl von direkt nacheinander durchgeführten Wiederholungen nicht zu stimmen, der Lerneffekt nimmt ab.

Gruß

PS: Am meisten lernt man übrigens im Schlaf (besonders Motorik). :D
 
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Irgendwann ist ein Pfad auch ausgelatscht und muß erneuert werden...

Ich glaube, es kommt darauf an, was man gerade vorhat. Während man ein Stück einübt, durchläuft man ja mehrere Stadien des Verstehens, und zwar auch motorisch. Wenn ich eine kurze Stelle einstudiere, macht es irgendwann "klick" und ich habe begriffen, wie sie zu spielen ist. Natürlich habe ich bis dahin möglicherweise diverse andere Versionen kennengelernt und muß mich nun daran gewöhnen, die richtige zu bevorzugen. Ich glaube, daß diese Gewöhnung am besten durch Wiederholen funktioniert. Aber ob man dafür tatsächlich Abschnitte von rund 20 Takten bis zu 20 Mal pro Tag wiederholen sollte, bezweifle ich. Bei einer Spieldauer von fünf Minuten für das ganze Stück kommt man da schon fast auf zwei Stunden und hat diverse Stellen möglicherweise nicht nur 20 Mal sondern 160 Mal gespielt (z.B. Alla Turca - Mozart KV 331, die ersten zwei Takte - wenn auch hoffentlich jedesmal unter einem anderen Gesichtspunkt).

Es kommt natürlich darauf an, wie komplex ein Stück ist, und was überhaupt abgesichert werden muß. Wenn es um den Ablauf geht, sind 20 Wiederholungen an einem Tag möglicherweise genau richtig, wobei es dann ausreichen könnte, die im Kopf vorzunehmen. Wenn es aber darum geht, die schweren Stellen zwischen die einfachen einzubauen, die man schon länger kann, halte ich es für besser, sich auf eben diese Stellen zu beschränken, indem man den nächstgrößeren musikalisch sinvollen Abschnitt um eine solche Stelle herum wiederholt. Das sind immer wesentlich weniger als 20 Takte, und wenn es sich um einen relativ langen Abschnitt handelt, den man einbauen will, kann man sich auch auf den Übergang beschränken, also ungefähr die letzten zwei Takte dieses Abschnitts und die ersten zwei des folgenden. Auf diese Art akkumulieren sich auch die Wiederholungen einzelner Stellen während einer Übungssitzung.

PS: Apropos "Motorik im Schlaf lernen": Natürlich sollte man sich vor dem Schlafengehen bzw. während der Übungssitzung die jeweils richtigen Versionen fett markieren, damit man nicht die falschen "erschläft" ;) Die falschen Versionen lernen sich besonders gut, wenn man aus Freude am Erreichten zum Schluß das gesamte Stück endlich mal "richtig" durchspielt, am besten mit größtmöglichem Ausdruck. Eigentlich sollte man sich das für den Anfang der nächsten Sitzung vorbehalten, aber ich weiß ja aus eigener Erfahrung, wie schwer das manchmal fallen kann.

PPS: Quellenangabe: Meine eigene Erfahrung
 
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Hi,

kann ich nur zustimmen was Guendola sagt, aber nur noch eine Anmerkung zu den "wissenschaftlichen" Aussagen zu Wiederholungen.

Sie beziehen sich im wissenschaftlichen Sinn (Labor Bedingung) ausdrücklich darauf, dass man eine Bewegung völlig identisch mehrmals ausführt.

Das tritt bei gutem Üben (hoffentlich) nicht auf. Man sollte nämlich bei Wiederholungen immer mal wieder den Punkt der Aufmerksamkeit und/oder die Art der Ausführung (Artikulation, Dynamik, Tempo, Rhythmik, ...) wechseln.

Gruß
 
zu den "wissenschaftlichen" Aussagen zu Wiederholungen.

Sie beziehen sich im wissenschaftlichen Sinn (Labor Bedingung) ausdrücklich darauf, dass man eine Bewegung völlig identisch mehrmals ausführt.

Aha, das ist bei 20 Takten natürlich völlig unmöglich! Aber den Sturzflug der linken Hand in den ersten Takten von Chopins Revolutionsetüde habe ich tatsächlich ungefähr so gelernt. Aber im Grunde genommen ist das ja eine mehrfache Wiederholung des gleichen Bewegungsablaufes mit jeweils leicht unterschiedlichen Nuancen. Angewendet auf Bachs C-Dur Präludium aus dem WTK käme man eher auf Übungsabschnitte von halben Takten bzw. auf ganze Takte, wenn man die Wiederholungsanzahl halbiert.

Mit der gleichen Methode habe ich übrigens ziemlich effektiv den Korbwurf beim Basketball gelernt :)
 
M.E. ist Wiederholung die beste Möglichkeit sich bestimmte Bewegungsabläufe anzueignen.
Was noch dafür spricht: Während der REM-Phase tut das Gehirn auch nichts anderes als tagsüber aufgenommene Impulse noch einmal durchzugehen; zu wiederholen!

Bin dann mal Chopin op. 10 n°1 für heute zum 5. Mal spielen ;) (dass ich die auch erst nach op.25 n°12 anknabbere... und die Revolutionsetüde will ich auch noch ins Hirn hämmern :))
 
Hi xXpianOmanXx,
M.E. ist Wiederholung die beste Möglichkeit sich bestimmte Bewegungsabläufe anzueignen.
Was noch dafür spricht: Während der REM-Phase tut das Gehirn auch nichts anderes als tagsüber aufgenommene Impulse noch einmal durchzugehen; zu wiederholen!
klar, neue Bewegungen lernt man hauptsächlich durch bewusstes mehrfaches Ausführen der Bewegung.

Die Wissenschaftler haben sich halt nur dabei gefragt, ich mich übrigens auch ;-) , wie sieht der Lernfortschritt nach jeder Ausführung aus? Nimmt der Linear beliebig zu oder tritt eine Sättigung auf?

Ich denke die Antwort ist klar: Selbstverständlich tritt eine Sättigung auf (Sonst müsste man ja nur beliebig oft wiederholen und irgendwann ist man Horowitz ;-) ).
Jetzt ist nur noch die Frage nach wieviel Wiederholungen man in der Sättigung ist und es überhaupt nichts mehr bringt weiterhin die Bewegung zu wiederholen. Diese Anzahl ist wohl relativ gering, eben 10-20.

Bin dann mal Chopin op. 10 n°1 für heute zum 5. Mal spielen ;) (dass ich die auch erst nach op.25 n°12 anknabbere... und die Revolutionsetüde will ich auch noch ins Hirn hämmern :))

Wow, du hast aber ein super Übe-Programm.
Übrigens da gibt es auch noch wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass es besser ist möglichst viele verschiedene Dinge (Stücke) in relativ kurzen Abständen (ca. 5-20min) zu lernen/üben, statt nur eine Sache eine längere Zeit.

Mal ein paar Literatur Hinweise:

  • Renate Klöppel, Die Kunst des Musizierens: Von den physiologischen und psychologischen Grundlagen zur Praxis (Taschenbuch - 1997)
  • Andreas C. Lehmann, John A. Sloboda, Robery H. Woody, Psychology for Musicians: Understanding and Acquiring the Skills
  • Aaron Williamon , Musical Excellence: Strategies and Techniques to Enhance Performance
  • Gabriele Wulf , Attention and Motor Skill Learning

Gruß
 
Was Wiederholungen anbelangt:

mir ist aufgefallen, dass ich eine Verbesserung nur über eine bestimmte Anzahl von Wiederholungen erreiche.
Danach ist es sinnvoll für mich, die Sache ruhen zu lassen und später noch am Tage oder am nächsten Tag einmal aufzugreifen.

Als ob es sich im Gehirn und den Fingern setzen muss.:confused:

LG
VP
 
Hier wurden ja bereits verschiedene interessante und nützliche Hinweise gegeben.

Was mir etwas aufstößt, ist, daß die Meinung zu herrschen scheint, beim Lernen von Stücken gehe es primär um "Bewegungslernen".

Dies ist irreführend bis falsch.

Es geht um Arbeit am Klang, welche bestimmte Bewegungen nach sich zieht. (Oder anders gesagt: Klang und Bewegung sind 2 Seiten derselben Münze.)

Es ist kontraproduktiv, mit der Vorstellung zu arbeiten, man müsse erstmal "Bewegungen einschleifen", und die liefen dann automatisiert ab, und dann könne man, quasi als Sahnehäubchen, am Klang etc. arbeiten.

Erstens hat bereits Martienssen in "Schöpferischer Klavierunterricht" darauf hingewiesen, daß der "Klangwille" immer Auslöser aller Aktion sein muß, statt etwas "aus der Motorik heraus" zu tun und anschließend zu überprüfen, ob's sich gut angehört hat.

Zweitens hat das Max-Planck-Institut u.a. mit einem einfachen Versuch nachgewiesen, daß die Bewegungssteuerung über die Wahrnehmung des Ergebnisses (in unserem Fall der Klang) und nicht im motorischen System erfolgt.

Hier die Zusammenfassung der Ergebnisse:

http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2001/pri0166.pdf

Ich habe das Experiment sogar mal selber nachgebaut, und es ist tatsächlich so wie beschrieben.

Konzentriert man sich also beim Klavierspiel auf Bewegungen, so wird alles tendenziell schwierig, kompliziert und "unzuverlässig", und die Feinheit in der klanglichen und rhythmischen Abstimmung läßt zu wünschen übrig. Ist die Aufmerksamkeit hingegen im Klang, so improvisiert der Körper immer passender dazugehörige Bewegungen.

Es sollte daher niemals Ziel des Übens sein, "Bewegungen genau gleich auszuführen" oder "Stellen genau gleich zu spielen". Dies ist sowieso unmöglich! Vielmehr sollte man jede Wiederholung beim Üben mit großer Klang-Aufmerksamkeit durchführen und die Stelle jedesmal neu erleben.

LG,
Hasenbein
 

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