Ravel Konzert G-Dur

Stilblüte

Super-Moderator
Mod
Dabei seit
21. Jan. 2007
Beiträge
11.406
Reaktionen
16.990
Hallo!

Ich versuche, die aktuelle Zeit zu nutzen, ein paar ältere Aufnahmen endlich anzuhören. Hier ist meine Generalprobe zur zweiten Meisterklassenprüfung mit dem Ravel-Konzert für zwei Hände :-)
Die Prüfung selbst war vermutlich noch etwas besser, weil Publikum dabei war, aber die darf man leider nicht aufnehmen. Glückwunsch auch an das (wirklich anspruchsvolle) zweite Klavier und die virtuose Blätterin :-D


View: https://www.youtube.com/watch?v=tJhKZXI-xOs&feature=youtu.be


1. Allegramente
2. Adagio assai 8:35
3. Presto 18:30
 
Sehr schön! Toll!

Besonders der Peitschenschlag im dritten Satz hat mir gefallen. Ganz am Anfang hat er leider gefehlt - das wäre doch eine tolle Aufgabe für die Umblätterin gewesen... :005:
 
Ich war auch beim Durchhören ganz beeindruckt von der durchschlagenden Kraft der Peitsche. :004: Aber den Klavierdeckel gegen den Korpus knallen finde ich furchtbar.
Leider ist die Tonqualität ansonsten weniger gut, als ich gehofft hatte, so wirken die dichten Passagen etwas undurchsichtig und hektisch.

Ich finde es übrigens sehr lustig, was Ravel so über dieses Konzert gedacht und gesagt hat - u.a. dass es absichtlich "unbeschwert und brillant" sei, dass es "im Geiste Mozarts und Saint-Saens' steht" und dass außerdem "die Musik eines Konzerts unbeschwert und brillant sein [sollte] und nicht auf Tiefe oder dramatische Effekte abziehlen [sollte]". Das kann er kaum ernst gemeint haben, denn der zweite Satz besitzt eine Tiefe wie nur wenig andere Musik, und der dritte besteht ausschließlich aus Effekten...:005:

Interessant auch, dass Ravel (der wohl als ein unterdurchschnittlicher Pianist galt) das Konzert selbst uraufführen und auf Tournéen spielen wollte. Tatsächlich ist das Stück rein technisch - verglichen mit anderen Solo-Kompositionen - verhältnismäßig leicht zu spielen, von einigen wenigen Stellen abgesehen, an die man sich etwas gewöhnen muss. Ich glaube allerdings, dass es möglich ist, an diesem Stück vollkommen vorbei zu spielen, wenn man keine Idee hat, was man damit anfangen soll. Ddas kann einem mit Saint-Saens nicht so schnell passieren.
Ich meinte übrigens am Notentext zu erkennen, dass Ravel kein Spitzenpianist war - an einigen wenigen Stellen merkt man der Komposition an, dass die klangliche Idee vor der praktischen Umsetzung steht. Bilde ich mir jedenfalls ein.

Der 3. Satz erinnert mich von der Wirkung an die Toccata aus dem Tombeau de Couperin, ich finde ihn aber unvergleichlich viel einfacher. Allerdings ist meine Wahrnehmung vermutlich etwas verzerrt, weil ich jetzt deutlich besser spiele als zu dem Zeitpunkt, wo ich mir an der Toccata die Zähne ausgebissen habe. Schwierigkeiten wie auf deren letzten Seiten tauchen allerdings hier nirgends auf.
Vermutlich habe ich in diese letzten Seiten mehr Zeit investiert als in das ganze Konzert :musik032:

Sehr spannend ist Ravels Klaviersatz, den ich als deutlich anders empfinde als in den Solowerken. Allein der Anfang und Schluss des 3. Satzes sind ungewöhnlich, die Triller-Kadenz im 1. Satz und der gesamte zweite Satz bieten kaum Vergleiche in der Literatur, zumindest kenne ich keine.
Ravel geht sehr kreativ mit Bitonalität und chromatischen Tonleitern um, und seine Instrumentation ist natürlich wie immer oberste Liga.
 
Besonders der Peitschenschlag im dritten Satz hat mir gefallen.
Das macht die Erstellung von Klavierauszügen für nach 1900 entstandene Partituren mitunter schwieriger, weil Schlagzeugakzente im Orchestersatz auftauchen, die für den akustischen Gesamteindruck wichtig sind und im reinen Klaviersatz fehlen. Das macht beim Korrepetieren neuerer Operetten und Musicals immer viel Spaß, weil z.B. die Choreographien für das Ballett auch schon mal auf bestimmte Perkussions- und Geräuscheffekte abgestimmt sind, die plötzlich nicht mehr da sind, wenn das Ballett mal nicht wie gewohnt die Konserve mit Orchester eingespielt bekommt! Auch diverse Blechbläserfarben (mit und ohne Dämpfer) oder Flageolett-Glissandi der Streicher kann man kaum adäquat in einen Klaviersatz übertragen, wären aber so ausgesprochen charakteristisch für den Orchesterklang, der sich mit dem Klavierklang entweder mischt oder zu Kontrastwirkungen führt. Da beides fehlt, dürfen auch beim Solisten die gewählten Klangfarben "trockener" oder perkussiver ausfallen. Letzteres tut dem Stück in einer solchen Situation sehr gut und der Solopart kommt dann noch frischer rüber. Ein dankbarer Part und richtig klasse gespielt - bereits das erste Hören machte Spaß. Hat mir ausgesprochen gut gefallen.

LG von Rheinkultur
 
Interessant auch, dass Ravel (der wohl als ein unterdurchschnittlicher Pianist galt) das Konzert selbst uraufführen und auf Tournéen spielen wollte. Tatsächlich ist das Stück rein technisch - verglichen mit anderen Solo-Kompositionen - verhältnismäßig leicht zu spielen, von einigen wenigen Stellen abgesehen, an die man sich etwas gewöhnen muss.
Der Komponist überließ allerdings einer hervorragenden Kollegin diese Aufgabe:



Interessant ist, wie viele jazzspezifische Farben (Blech!) im Orchester auftauchen. So viel Gershwin ist inzwischen seltener geworden... .

Ich glaube allerdings, dass es möglich ist, an diesem Stück vollkommen vorbei zu spielen, wenn man keine Idee hat, was man damit anfangen soll.
Das glaube ich allerdings auch. Sobald man durch Anschlagswahl und Pedalisierung spätromantische oder impressionistische Klischees bemüht, agiert man am Stück vorbei. Den stilistisch reifenden Ravel hätte ich mir an der klassisch-sachlichen Stilistik der Groupe des Six (Poulenc, Milhaud) orientiert vorstellen mögen, wenn er länger gelebt und komponiert hätte, möglicherweise mit einer etwas herberen Tonsprache. Die durch den Pianisten zu wählenden Farben können dann durchaus mit stärkerer Leuchtkraft und Härte gewählt werden - wie man es eher dem Klaviersatz von Bartók oder Strawinsky zugedacht und zugetraut hätte. Deine Interpretation schließt diese Möglichkeiten mit ein und macht sie deshalb auch so gut gelungen.

Ich meinte übrigens am Notentext zu erkennen, dass Ravel kein Spitzenpianist war - an einigen wenigen Stellen merkt man der Komposition an, dass die klangliche Idee vor der praktischen Umsetzung steht. Bilde ich mir jedenfalls ein.
Es gibt einige Aufnahmen mit ihm als Liedgestalter und Kammermusiker, in denen er mit Sensibilität und Klangsinn agiert, aber virtuosen Aufgaben hat er sich tatsächlich nicht gerne gestellt. Das konnten andere tatsächlich besser:







LG von Rheinkultur
 
Schön, das Konzert mal auf diese Weise zu hören, das war für mich eine Premiere. Es gefällt mir sehr gut und ich habe sehr gerne zugehört. Das werde ich sicherlich noch öfter machen. Und beim Lauschen der Gedanke: Wie würde es wohl an meinen beiden klingen? Das führte allerdings zu einer Schniefnase, denn ich kann dieses überirdisch schöne Adagio nicht hören, ohne vor lauter Ergriffenheit feuchte Augen zu bekommen.
:-)
 
Gefällt mir außerordentlich gut!
 
Vielen Dank, dass Du uns diese Aufnahme hier zeigst. Seitdem ich dieses Konzert vor ganz vielen Jahren zum ersten Mal gehört habe, die berühmte Aufnahme mit ABM und Etore Gracis, ist es eines meiner Lieblingskonzerte. Einfach toll, wie Du es interpretierst:super:.

Ich wünsche Dir, dass Du es auch einmal in Zukunft mit einem guten Orchester vor großem Publikum aufführen kannst. Bin wirklich tief beeindruckt, daher ein Strauß virtueller:blume::blume::blume: für "unsere" Stilblüte.

Viele Grüße
Christian
 

Zurück
Top Bottom