Rachmaninov Prélude op. 23 Nr. 6

Stilblüte

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Hier kommt das Prélude op. 23 Nr. in Es-Dur:


View: https://youtu.be/CcF0r7uel3A


Zu diesem Prélude habe ich ein lustiges Verhältnis - ich kann mich nämlich nicht entscheiden, ob ich es leicht oder schwer finde :004: Klingt komisch, ist aber so.

Ich habe es in relativ kurzer Zeit geübt, es ist einigermaßen gut zu überblicken, verhältnismäßig eingängig, kurz und harmonisch verständlich. Seit meine Professorin mir erzählt hat, wie schwer sie dieses Prélude findet, finde ich es auch schwerer... Was zunächst damit zusammenhing, dass wir eine sehr verschiedene Tempovorstellung hatten. Das merkt man meinem Spiel auch noch an - es hat ziemlich große Temposchwankungen.
Ich glaube, dass gerade dieses Stück das verträgt und sogar braucht, aber nach wie vor bin ich noch nicht ganz sicher, wie schnell ich es eigentlich spielen möchte. Die Melodiebewegung der rechten Hand entspricht dem vorgeschriebenen "Andante" durchaus, die linke Hand ist je nach Tempo aber doch verhältnismäßig schnell. Wie präsent und formend soll die linke Hand sein?...

Dieses Prélude hat in der ersten Hälfte zwei "Ebenen" (rechte und linke Hand), wobei in beiden latente Anflüge von Mehrstimmigkeit enthalten sind. Nach der Hälfte des Stückes (dazu gleich noch ein "fun-fact") wird es polyphoner: Durchgehend drei- bis vierstimmig.

Der Fun-Fact: Ich empfinde es so, dass das Stück schon nach der Hälfte der Zeit formal (ca. 1:23) zu Ende ist. Nur Rachmaninov kann es schaffen, dass ein Stück zur Hälfte aus Coda besteht :004: Aber tatsächlich bewegt sich dieser Teil durchweg und zielstrebig auf den Schluss zu. Dort gibt es natürlich nochmal eine ordentliche Kadenz, der eine kurze "Coda in der Coda" folgt :011:
Sicher gibt es auch andere Möglichkeiten, diese Form zu analysieren. Diese mag ich im Moment am liebsten.

Das Stück ist also noch ein bisschen in der "Findungsphase". Ich mag es, wie auch die anderen Préludes, sehr gerne. Es ist so lieblich und sanft.
 
Liebe Stilblüte,

ich habe bereits schon deine anderen Einspielungen der Preludes mit sehr viel Interesse gehört und finde es fantastisch, dass Du hier Deine Versionen vorstellst. Das ist eine beachtliche Leistung, Hut ab!:027:

Bitte erlaube mir dennoch an dieser Stelle einen kleinen konstruktiven Hinweis zum 6. Prelude:
(Vorneweg gesagt, es klingt wirklich großartig, obwohl Du selbst behauptest, dass Du noch in der "Findungsphase" bist! Es macht wirklich große Freude, Dir dabei zuzuhören. Die meisten wären sicherlich froh darüber, nur annähernd eine solche "Findungsphase" präsentieren zu können :-) . )

Meiner Meinung ist hier die Tempo-Frage noch nicht abschließend geklärt (wie Du bereits erwähnst).
Mich würde tatsächlich interessieren, welches Tempo Deiner Professorin vorschwebt.
Meiner Meinung nach sollte das Grundtempo (zum Beispiel am Anfang in den 16tel) langsamer gestaltet werden (Andante). Und dennoch dürfte es an der einen oder anderen Stelle doch noch etwas freier in der Agogik, auch mit entsprechender Unterstützung in der Dynamik (wobei ich durchaus weiß, dass die Dynamik bei Aufnahmen nie wirklich gut herüberkommt ;-) ). Genieße an der ein oder anderen Stelle noch mehr das musikalische Moment. Dann wird es noch "perfekter".

Gestaltungstechnisch und musikalisch finde ich dieses Prelude alles andere als leicht. Aber lass Dich dahingehend nicht von anderen Menschen beeinflussen. Jeder hat seine Präferenzen ;-) .
 
Liebe/r Presto,

Du hast absolut recht, genau das ist der Fall: Die Tempo-Frage ist nicht abschließend geklärt. Tatsächlich hatte ich ganz am Anfang ein langsameres Tempo, meine Professorin hat ein schnelleres vorgeschlagen. Der rechten Hand tut das auch eigentlich ganz gut. Aber irgendwie habe ich es mir noch nicht ganz zu eigen gemacht...
Die Dynamik könnte möglicherweise durch die Aufnahme etwas verlorengegangen sein. Aber damit ist man wohl auch nie fertig...

Dass das Prélude "leicht" ist, denke ich nicht. Aber vielleicht eines der weniger schweren?
 
Liebe/r Presto,

Tatsächlich hatte ich ganz am Anfang ein langsameres Tempo, meine Professorin hat ein schnelleres vorgeschlagen.

Das finde ich interessant. Nun gut, in diesem Punkt würde ich dann tatsächlich das machen, was Deine Mentorin vorschlägt, da sie schließlich Dein Live-Spiel beurteilt. Vielleicht passt zu Dir und Deinem Spiel ein schnelleres Tempo. Möglicherweise ist es im Moment einfach dieser innerliche Zwiespalt in Dir, was man dann doch als Zuhörer (indirekt) erkennen kann. Aber das wird sich legen.

Liebe/r Presto,

Dass das Prélude "leicht" ist, denke ich nicht. Aber vielleicht eines der weniger schweren?

Damit wäre ich einverstanden.


Weiterhin viel Erfolg mit Deinen weiteren Einspielungen.
 
Es sind nun leider nur noch Préludes übrig, mit denen ich nicht ganz so zufrieden bin :lol: Vielleicht nehme ich sie irgendwann nochmal alle auf und lösche dann die alten Videos.
 
"Spiele ein Stück erst im Konzert, wenn es dir leicht erscheint". (Horowitz)

Ich finde, Du spielst das Stück überzeugt und überzeugend und man merkt schon, dass es Dir gefällt.
Natürlich machst Du und Deine Interpretation Entwicklungen durch, wenn Du es länger pflegst.

Auf Deinem Niveau sind meines Erachtens die Kategorien "richtig" oder "falsch" nicht mehr zutreffend, ich halte es für wichtiger, dass Du es Deiner (künstlerischen) Entwicklungsstufe gemäß überzeugt und damit überzeugend vorträgst.

Walter

P.s.: hat dieses Prelude Anklänge an das 2. Klavierkonzert (oder umgekehrt)?
Dann könnte von dort das passende Tempo abgeguckt werden.
 
Ich empfinde das auch so! Da ich das zweite Konzert aber nicht besonders genau kenne, könnte ich nicht sagen, welche Stellen sich ähneln. Ist nur ein Gefühl, wie bei dir wohl auch...
Die Satzweise des zweiten Themas im Eingangssatz (der ja kein richtiger Kopfsatz ist) könnte tatsächlich als Vorbild dienen. Vor diesem Hintergrund würdest Du mit der aktuellen schnelleren Tempowahl richtig liegen - es empfiehlt sich, das Grundtempo auf jeden Fall nicht langsamer zu nehmen. Charakter eher "Andante mosso" als einfach nur "Andante". Mit dieser Einschätzung wird Deine Lehrerin vermutlich recht behalten.

Generell gefällt mir der Grundansatz aller Préludes aus op. 23 ausgesprochen gut, die Du bislang eingestellt hast: Es tut dieser Musik wohl, wenn sie transparent und niemals überfrachtet und massiv daherkommt, indem etwa mit Oktavketten keine raumgreifenden Notenmassen herumgeschoben werden und ein Vorbild eher in der Gestalt eines dazu gezogenen 16'- oder 4'-Orgelregisters oder einer oktavierenden Arrangierweise eines Orchestersatzes zu sehen ist. Wenn man so will: mehr Poulenc als Tschaikowsky...!

LG von Rheinkultur
 
Hm. Ich finde, es tut keiner Musik gut, wenn sie zu überfachtet und dröhnend ist. Einen dröhnenden Klang kann man hin und wieder einmal verwenden, um besondere Effekte zu erzielen - selten - aber nicht ständig, vor allem nicht als "Grundzustand".
Aus u.a. diesem Grund mag ich auch kein Liszt, bzw. die überwiegenden Interpretationen desselben, die einem heutzutage begegnen: Der Schalldruck ist mir zu groß und die Durchsichtigkeit zu klein. Wenn ich Lärm haben will, kann ich mir eine der zahlreichen hiesigen Baustellen aussuchen.

Das heißt mitnichten, dass ich leise spiele, wenn da Fortissimo steht! Aber man kann auch im allergrößten Fortissimo noch eine saubere vertikale Klangdifferenzierung hinkriegen. Demnächst spiele ich mal ein Stück, in dem genau dies nicht gewollt ist (das sind ganz kurze Momente im 1. Satz von "Gargoyles" von Lowell Liebermann). Das ist mir in meinen 25 Jahren Klavierspielen vorher allerdings glaube ich nie begegnet, oder so selten, dass ich mich nicht mehr dran erinnern kann.
 
Ist es die Stelle in

View: https://www.youtube.com/watch?v=pBx-tr1FDvY&t=558s

ab etwa 2:08? - Oder täusche ich mich da?
Im Konzert rechte Hand Viertel, linke Hand Achtel, also links doppelt so viele Töne wie rechts, ganz wie im Prelude.
Der Meister selbst am Klavier zeigt ausgeprägte Rubati, das macht Mut, (bei Rachmaninow) in dieser Richtung freier zu werden.
Noch viel Erfolg!
Walter
 


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