Ich lebe noch! :D
Also, ich wollte mal kurz erzählen, wie es war (wir haben auch gefilmt und Tonaufnahmen gemacht, die ich bald mal poste - ich kombiniere ja immer Ton von der Kamera mit Bild vom Rekorder, das dauert etwas):
Mein Lehrer hat mir vor dem Konzert eingeschärft, wenn mir Leute danach gratulieren und sagen wie toll es war, soll ich auf keinen Fall anfangen, ihnen alles aufzuzählen, was schiefging, sondern einfach lächeln und danke sagen. Aber hier "unter uns" erlaube ich mir mal, ganz ehrlich zu sein ;)
Es waren viel mehr Leute da, als ich erwartet hatte, fast 100! (da es mein erstes längeres Konzert war, habe ich bewusst keine Werbung ausser im Freundes-/Kollegenkreis gemacht, in der Hoffnung, dass die Atmosphäre etwas "familär" ist...es kamen also fast nur Leute von der Schule, in der ich gespielt habe und Leute, die ich kannte)
Ich hatte vorher ja 5 Testkonzerte gemacht, die letzten zwei sogar direkt im Saal. Das letzte davon lief einfach fantastisch - das ist mir noch nie passiert, dass ich während des Spielens gedacht habe, oh mann heute läuft einfach alles. Das war ohne Übertreibung die glücklichste Stunde am Klavier, die ich in meinem Leben bisher hatte. Mein Lehrer war auch hellauf begeistert, aber hatte mich gleich gewarnt, jetzt nicht mit der unbedingten Erwartung, diese Leistung zu wiederholen, ins eigentliche Konzert zu gehen.
Leider war meine psychische Verfassung beim Konzert längst nicht so glücklich entspannt wie bei der letzten Probe - ich war wirklich höllisch aufgeregt. Die Finger waren nicht so sehr das Problem, aber ich hatte fast in jedem Stück eine Gedächtnislücke (teils sogar an Stellen, die ich extra nochmal intensiv geübt hatte!) -- alle ausser einer konnte ich so überspielen, dass es anscheinend nur mein Lehrer gemerkt hat, aber innerlich hat das verhindert, dass ich mich richtig konzentrieren konnte (meine Gedanken sind oft zum Publikum abgeschweift und das hat mich auch sehr geärgert, aber ich konnte es nicht abschalten) und ausserdem konnte ich das Konzert dadurch selbst gar nicht richtig geniessen.
Im Rahmen dieser Umstände und was ich erwarten durfte, liefen äusserlich alle Stücke einigermassen gut (aber wie gesagt, meine innere Verfassung war dabei gar nicht gut). Ich glaube, die Chopin-Variationen haben mit am besten geklappt und ich hatte das Gefühl, dass das für das Publikum ein bisschen der "magische" Moment des Konzerts war, und vielleicht noch beim Ständchen. Es war dort auch über längere Zeiten vollkommen still, kein Rascheln oder ähnliche Nebengeräusche, das war echt schön. Der absolute Ausreisser: Das vorletzte Stück, die Busoni Carmen-Fantasie. Der erste Teil, ok, lief noch gut. Aber dann der langsame Teil und mein Gedächtnis setzt wieder mal aus, aber diesmal hat es mich mehr rausgerissen als davor, und danach kommen mehrere Stellen, die für mich ziemlich heikel sind, die habe ich durch die Bank vergeigt, furchtbar! Das einzige "Glück" ist, dass dort auch ein paar schräge Harmonien drin sind und so haben es anscheinend wieder die meisten gar nicht gemerkt, wie sehr ich dort gelitten habe - mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken runter beim Gedanken an diese Minute... Und noch während des Stücks, als das schlecht lief, kamen düstere Ahnungen vor den 15 kommenden Tannhäuser-Minuten auf mich zu - wie würde das erst laufen? Ironischerweise lief der dann aber viel besser als der Busoni. Ich habe ein ganz klares Muster festgestellt: die technisch schweren Passagen liefen oft besser als "leichtere" Stellen und ich bin sicher, das hat mit meiner Konzentration zu tun - bei den schwereren Stellen bin ich immer voll bei der Sache gewesen, während bei den leichteren Sachen oft die Gedanken abgeschweift sind. Nach dem Tannhäuser war der Applaus riesig, was mich sehr gefreut hat; ich habe mich dann kurz bedankt und als kleine Zugabe den Kupelwieser-Walzer von Schubert/Richard Strauss gespielt. Danach haben wir ausgiebigst gefeiert, weshalb ich auch jetzt erst schreibe.... :)
Fazit: Mit der "Aussenwirkung" (also, dem was anscheinend bei den Leuten angekommen ist) darf ich wohl im Rahmen meiner Möglichkeiten insgesamt einigermassen zufrieden sein (auch wenn es VIEL schlechter war als bei der letzten Probe), mit meinem inneren Zustand dafür aber umso weniger. Es war insgesamt eine intensive, wichtige und IM NACHHINEIN auch schöne Erfahrung für mich. Ganz klar fehlt mir aber die Auftrittspraxis und ich muss nach Möglichkeiten suchen, das öfter machen zu können, um mich besser daran zu gewöhnen und dann hoffentlich irgendwann mal "cooler" (weniger nervös, konzentrierter) an das ganze herangehen zu können (und vielleicht auch während des Spiels mich schon mal zurücklehnen und den Klang geniessen zu können...). Ich fand es wirklich unglaublich, wie wenig von diesem inneren Chaos anscheinend nach aussen sichtbar war - mehrere Leute haben sogar betont, wie ruhig ich gewirkt habe!!
Ok, aber bei aller nötigen Selbstkritik sage ich mir auch: das war das erste Mal und dafür bin ich insgesamt sehr glücklich, dass ich mich überhaupt auf das Abenteuer eingelassen habe und ich bin auch ein bisschen stolz, was ich in den letzten zwei Jahren alles gelernt habe - das hätte ich mir am Anfang nicht so geträumt.
So, und jetzt wird nach vorne geblickt (oder wie Walter so schön sagt "Nach dem Konzert ist vor dem Konzert"...): Heute fange ich mit der Haydn h-Moll-Sonate und Scriabins 4. Sonate an und freue mich unglaublich auf die neuen Stücke! Juhu!! Ausserdem habe ich mich für kommenden April für den Amateur(anti-)wettbewerb in Paris angemeldet, worauf ich mich sehr freue. Vielleicht hat der eine oder andere von Euch auch Lust dorthin zu gehen?! Das wäre echt super!
Pardon für den langen Beitrag, vielleicht wäre das teils eher ein Fall für "Liebes Tagebuch..." gewesen :)
P.S. Wenn irgendjemand von Euch Tipps zu meinen Konzentrationsproblemen hat oder mal ähnliche Erfahrungen gemacht hat, würde mich das natürlich brennend interessieren!
Noch ein P.S.: Mehrere Leute haben lobend das "schöne Programmheft" erwähnt. Nochmal vielen Dank allen von Euch, die zur Verbesserung beigetragen haben!