Pedal-Einsätze erarbeiten

M

Manu77

Guest
Hallo :)
Wenn in einem Stück keine Pedal-Vorgabe gemacht ist, wie erarbeite ich mir das dann am besten richtig? Ich übe gerade den Oktober aus den Jahreszeiten von Tchaikovsky und da gibt es zumindest in meiner Ausgabe keine Pedal-Vorgaben. Ich schaffe es nie so ganz, die Pedal-Soße zu vermeiden, dann höre ich Pletnev und denke: Ja, so kann man das machen :) Natürlich ist er mir nicht nur beim Pedal voraus, aber das liegt mir gerade am Herzen.
Wie gehe ich da vor, wenn ich ein neues Stück anfange und das Pedal gleich richtig einüben will? Wenn ich es erst einmal falsch automatisiert habe, wird es noch komplizierter ...
Falls es dafür einen besseren Thread gibt, dann verweist mich einfach. Danke :)
 
Also bei Stücken ohne Pedal-Vorgabe legst du dann nicht zu Beginn des Einübens schon das Pedal fest und schreibst es vielleicht sogar in den Notentext? Du reagierst also immer/meist über das Gehör? Ist das beim Vortrag von schwierigen Stücken nicht ein zusätzlicher Stressfaktor, wenn du dir da noch nichts festgelegt hast?
 
Du reagierst also immer/meist über das Gehör?
Immer. Ich habe auch noch nie wirklich auf Pedalanweisungen geachtet geschweige denn mir selber welche notiert.
Davon abgesehen, dass ich fast nie was vortrage (da habe ich ganz anderen Stress), ist das völlig stressfrei und automatisiert. So ein wenig wie beim Autofahren, wo man im Bruchteil einer Sekunde auf alles reagiert (auf das Auto, die Strecke, Geräusche, Umgebung...), ohne darüber nachzudenken.
 
Du reagierst also immer/meist über das Gehör?

Anders geht es gar nicht. Auf einem Konzertflügel kann (und muss) man ganz anders pedalisieren als auf einem kleinen Zimmerflügel. Bei den meisten Stellen gelingt das pedalisieren über das Ohr ja auch auf Anhieb (vorausgesetzt, man hat eine absolut klare Klangvorstellung und weiß, was man mit dem Pedal erreichen will). Ab und zu gibt es leider auch recht komplexe Pedalprobleme, bei denen man lange überlegen muss, wie man den gewünschten Klang hinkriegt. Sowas zum Beispiel:

gretchen.png

Sieht einfach aus, ist aber höchst kompliziert, wenn man das ohne Löcher in Melodie und Bass spielen will und ohne dass die Harmonien ineinander verschwimmen. Die eingetragenen Pedalangaben nützen dabei übrigens gar nichts. ;-)
 
Sowas zum Beispiel:

Den Anhang 15574 betrachten

Sieht einfach aus, ist aber höchst kompliziert, wenn man das ohne Löcher in Melodie und Bass spielen will und ohne dass die Harmonien ineinander verschwimmen. Die eingetragenen Pedalangaben nützen dabei übrigens gar nichts. ;-)

Ich halte das nur mit einem Haltepedal möglich. Du arpeggierst mit der LH, und nach beiden Tönen wird das mittlere Pedal getreten. So erklingt E und B (? sehe die Noten jetzt nicht) den ganzen Takt, und die Mittelstimme(n) erklingen ohne Pedal.
 
Sowas zum Beispiel:

Den Anhang 15574 betrachten

Sieht einfach aus, ist aber höchst kompliziert, wenn man das ohne Löcher in Melodie und Bass spielen will und ohne dass die Harmonien ineinander verschwimmen. Die eingetragenen Pedalangaben nützen dabei übrigens gar nichts. ;-)

Ich halte das nur mit einem Haltepedal möglich. Du arpeggierst mit der LH, und nach beiden Tönen wird das mittlere Pedal getreten. So erklingt E und B (? sehe die Noten jetzt nicht) den ganzen Takt, und die Mittelstimme(n) erklingen ohne Pedal.

Korrektur: du trittst das Pedal nach dem E, das C soll nicht gehalten werden. Am Taktende löst du das Pedal. Im nächsten Takt das Gleiche.
 
Ich halte das nur mit einem Haltepedal möglich. Du arpeggierst mit der LH, und nach beiden Tönen wird das mittlere Pedal getreten. So erklingt E und B (? sehe die Noten jetzt nicht) den ganzen Takt, und die Mittelstimme(n) erklingen ohne Pedal.

Korrektur: du trittst das Pedal nach dem E, das C soll nicht gehalten werden. Am Taktende löst du das Pedal. Im nächsten Takt das Gleiche.

Nein, so das funktioniert nicht. Für das Haltepedal ist zum einen die Zeit zu kurz, in der man die Taste E heruntergedrückt hält und zum anderen will man ja kein klangliches Loch in den Ober- und Mittelstimmen haben. Das Haltepedal nützt hier deshalb nichts. Die Technik, die man hier benötigt, ist eine Kombination aus genauem Timing des Arpeggios, Ausnutzen von Resonanzen, geschickter dynamischer Gestaltung und Halb- bzw. Flatterpedal. Allein mit Worten ist das schwierig zu beschreiben, man müsste es am Instrument zeigen. Jedenfalls kann man tagelang an dieser Stelle herumprobieren, bis die zufriedenstellend klingt.
 
Danke, Ellizza, das ist eine gute Einführung! Damit schaue ich mir dann mal den Oktober an. Z.B. bei den Takten 9-12 finde ich es schwierig, das Pedal richtig einzusetzen. Und es bei meiner Lieblings-Aufnahme rauszuhören finde ich fast unmöglich, aber Pedal-Nutzung bei Aufnahmen "rauszuhören", geht auch kaum, oder? LG
 
Und es bei meiner Lieblings-Aufnahme rauszuhören finde ich fast unmöglich, aber Pedal-Nutzung bei Aufnahmen "rauszuhören", geht auch kaum, oder? LG

Kommt auf die Aufnahme an. Generell gilt: Erstklassiger Pedaleinsatz ist ziemlich schwierig explizit herauszuhören. Dagegen ist der Pedaleinsatz in Form von Pedalsoße á la Anfänger oder Bleifuß stets sehr gut zu hören... ;-)
 

Die eingetragenen Pedalangaben nützen dabei übrigens gar nichts. ;-)
Sie verführen sogar zur falschen Annahme, man halte das Pedal einfach bis zum Aufhebungszeichen stramm niedergedrückt. Vielmehr geht es neben dem sorgfältigen Nuancieren mit der Hilfe des Gehörs darum, mit dem Fuß den Anteil des Mitschwingens von Saiten bereits gespielter Töne beständig neu zu dosieren. Es gibt nicht nur die Alternativen Off und On - also Voll-Pedalisieren oder Garnicht-Pedalisieren, da die Dämpfer langsam auf die Saiten aufgesetzt und ebenso behutsam von diesen wieder abgehoben werden können. Es entscheiden also wenige Millimeter darüber, welche Schwingungsbestandteile verschwinden und welche hörbar bleiben. Fingerspitzengefühl kann man so gesehen auch in den Füßen haben: Innerhalb einer gewissen Druckzone (Druckpunkt ist im Grunde das falsche Wort) klingt immer nur ein gewisser Prozentsatz des zuvor Gespielten tatsächlich weiter. Wie ein Toningenieur den Hall und künstlichen Raumklang dem trockenen Studioklang zufügt und zwischen tatsächlichem und virtuellem Raumklang unterschiedlichste Relationen herzustellen vermag, pedalisiert auch der Pianist entsprechend sorgfältig das auf der Tastatur Gespielte.

Ich halte das nur mit einem Haltepedal möglich. Du arpeggierst mit der LH, und nach beiden Tönen wird das mittlere Pedal getreten. So erklingt E und B (? sehe die Noten jetzt nicht) den ganzen Takt, und die Mittelstimme(n) erklingen ohne Pedal.

Korrektur: du trittst das Pedal nach dem E, das C soll nicht gehalten werden. Am Taktende löst du das Pedal. Im nächsten Takt das Gleiche.
Davon rate ich an dieser Stelle ab. Unabhängig davon mal ein paar Ausführungen zum Gebrauch des sogenannten dritten Pedals:
http://karlbetz.de/kapitel10.pdf

Und auch bei Fortgeschrittenen - da wird die Pedalsoße einfach durch ängstliches Loslassen bei jeder notierten Pause, Abschneiden von Bassnoten bei weiten Arpeggien und dauernde klangliche Brüche ersetzt. :lol:
Wobei die klanglichen Brüche nichts damit zu tun haben müssen, dass gelegentliche Kompromisse unumgänglich sind: In Deinem Beispiel aus Beitrag #5 sind mehrere klangliche Aspekte aufeinander abzustimmen, die teilweise miteinander kollidieren:
  • Die Sekundbewegung in Oktaven soll unter Beachtung der Pausen gebunden werden
  • Die Sechzehntelbewegung in den beiden Mittelstimmen soll organisch durchlaufen und nicht zu einer statisch-indifferenten Masse verschwimmen
  • Die Oktavennachschläge auf der 3., 4. und 6. Achtel sollen erkennbar bleiben inklusive Pausen
  • Die punktierten Halben als Orgelpunkt ebenfalls in der linken Hand sind über die gesamte Taktdauer zu halten, obwohl das grifftechnisch so nicht machbar ist
Alle diese Vorgaben absolut nach Notation zu 100% zu erfüllen ist praktisch unmöglich. Das klangliche Optimum zu ermitteln und auf den Punkt abrufen zu können - eine richtig heikle Aufgabe, da hat @mick natürlich recht. Man wird in diesem Fall so viel Wert auf Klarheit und Durchhörbarkeit legen, dass man lieber Abstriche bei den ganztaktigen Liegetönen hinzunehmen bereit wäre, behaupte ich mal. Die dazu erforderliche nuancierte Pedalbetätigung kann man praktisch nicht adäquat notieren.

LG von Rheinkultur
 
Jetzt sind wir im Profi-Forum gelandet :)
Ist aber auf jeden Fall interessant für mich, das zu lesen, auch wenn ich es (noch) nicht umsetzen kann.
 
Jetzt sind wir im Profi-Forum gelandet :)
Ist aber auf jeden Fall interessant für mich, das zu lesen, auch wenn ich es (noch) nicht umsetzen kann.
Kann passieren, wenn hier die Profis mitschreiben. Halb so wild: im Beitrag #9 war eine Quelle verlinkt, der man auch die ganz grundlegenden Sachen entnehmen kann. Manche Lehrkraft versucht einen unzweckmäßigen Pedalgebrauch seitens des Schülers zu unterbinden, indem zunächst grundsätzlich ganz ohne Pedal gespielt wird. Künstlerisch unbefriedigend und didaktisch unsinnig.

LG von Rheinkultur
 
Teresa Carreno hatte da auch einige Worte zum Pedal verfasst, es ist natürlich schon ein etwas älteres Buch, aber dafür gibt es es auch als pdf: Dieser Link zur Forschungsstelle der University of Rochester müsste funktionieren, das pdf ist 1.99 MB groß und hat 33 Seiten.
Wenn was nicht geht, bitte Rückmeldung. ;-)

http://hdl.handle.net/1802/28765
http://hdl.handle.net/1802/28765
LG, -Rev.-
 
@Rheinkultur zum mittleren Pedal sehr lesenswert - für diesen Faden hier und die gestellten Fragen sollte man die anderen Kapitel von Betz lesen!!!
Korrekt, aber ich habe Bezug genommen auf einen Beitrag von @areta87, in dem für die von @mick genannte problematische Passage unter Zuhilfenahme des mittleren Pedals ausgeführt werden sollte. Dieses Kapitel zeigt exemplarisch auf, was mit dem Pedal machbar ist - und weshalb es an dieser Stelle nicht so recht geeignet ist.

LG von Rheinkultur
 
Günter Philipp gibt aufgrund der teils erheblichen Diffizilitäten beim Pedalgebrauch bei Scriabinscher Musik in seinen Notenausausgaben oft verschiedene Möglichkeiten beim Arpeggieren von Akkorden an, insbesondere an Stellen, wo in einer Stimme zwangsläufig klangliche Lücken entstehen m ü s s e n, um nicht Klangbrei zu produzieren. Es kommt bei solchen Stellen darauf an, des Hörers Ohr auf eine Weise "reinzulegen", dass es ein solches Vorgehen toleriert.Die Entscheidung des Spielers muss dann sein: wo mache ich die Lücke(n), wo stört es am wenigsten. Die Notwendigkeit des richtigen Pedalisierens kann also auch die Ausführung des Notentextes erheblich beeinflussen.
In Philipps schwergewichtigem Buch Klavierspiel und Improvisation sind allein 115 großformatige Seiten dem Pedalgebrauch gewidmet. Darin ist alles gesagt.
 

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