Noten in professionellen Konzerten

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23. Okt. 2019
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Ich habe letztens zwei Konzerte erlebt, in denen die Pianisten klassische Literatur nach Noten gespielt haben.

Eine Bekannte von mir, die ebenfalls ausgebildete Konzertpianistin ist (aber nicht konzertiert), sagte mir, dass der Trend auch bei Pianisten immer mehr dahin geht, in Konzerten die Noten vor sich stehen zu haben, was ja bei anderen Instrumenten schon lange geläufig ist.

Wie sehen das die Konzertpianisten und Konzertpianistinnen hier im Forum?
 
Vermutlich werden die Angst vor Verspielern und der Perfektionsdruck immer größer, daher wollen immer mehr die Noten als "Netz und doppelten Boden" stehen haben.
 
@Demian, ja, das stimmt. Durch digitale Notenlesemöglichkeiten mit Hilfsprogrammen zum Blättern ist das Auswendigspielen nicht mehr so zwingend.
 
Ich habe letztens zwei Konzerte erlebt, in denen die Pianisten klassische Literatur nach Noten gespielt haben.
Das habe ich bei Yuja Wang auch schon gesehen.
Aber nicht nur bei Pianisten. Auch bei Streichern im Trio habe ich am Notenständer schon das Tablet mit Fußschalter beobachtet. Warum auch nicht? Die haben ja nicht einmal Pedale bei ihren Instrumenten und die Füße komplett frei.

Ob jemand besser mit Noten (und entsprechend benötigter Kapazität für das Lesen der Noten) oder auswendig spielt, muss jeder für sich selbst wissen.
 
Ich kann hier nur von mir berichten: bis 2019 habe ich über 40 Jahre - außer Kammermusik und einigen sehr modernen (Uraufführungen!) Sachen - alles auswendig gelernt und in aller Regel auch ohne größere Verlust in Konzerten gespielt. Seit Corona (vielleicht spielt auch zunehmendes Alter und sich abzeichnende Demenz eine Rolle) fehlt der Killerinstinkt, das Selbstvertrauen und der Wille (ich nöchte noch recht viel lernen und spielen) weiterhin alles auswendig aufzuführen.
 
Und bei Kammermusik!
Auch nicht voll dabei?
Oder der Geiger, der sein Sibelius Konzert mit Noten spielt?
Mir ist es schlicht egal
 
Solistisch spiele ich grundsätzlich auswendig, Duo-Abende mit meiner Frau ebenfalls. Kammermusik mit anderen Partnern eher nicht. Da fehlt - ob berechtigt oder nicht - das Urvertrauen in deren Zuverlässigkeit. Da ich menschliche Notenwender allerdings als einen Eingriff in meine Privatsphäre empfinde, blättere ich selbst; wenn man ein paar Takte auswendig lernt, geht das eigentlich immer. Aus dem Tablet zu spielen, finde ich blöd. Und es macht auf der Bühne ein hässliches Licht, das stört mich auch als Zuhörer.
 
Zuletzt bearbeitet:
@mick, menschliche Notenwender sind in der Tat sehr oft eine Katastrophe, die jede Menge Unwetterpotential in sich tragen...
Seitdem ich mich darauf eingestellt habe, mit Tablet zu spielen, ist das Leben im Kammermusikbereich wunderbar! Man muss das Pedal zum Notenwenden etwas einüben, aber das geht ruckzuck. Ich habe immer genug Licht zum Spielen - es kommt gelegentlich vor, vor allem in Kirchen, dass die Notenbeleuchtung schütter ist-, das Publikum wird optisch deutlich weniger gestört, als wenn man nach jedem Stück das Buch wechselt und eine Unmenge von Noten auf dem Notenständer hat. Das Tablet ist optisch zurückhaltend und vielleicht ist es eine Gewöhnungssache auch für die Zuhörer.
Ich finde es eine absolute Bereicherung.
Außerdem entfällt der Wust an Fotokopien, die vor Allem bei Auftritten mit Sängern gelegentlich notwendig sind. Ich hasse Fotokopien...:028:
 
Ich habe einen ausgesprochen zuverlässigen menschlichen Assistenten und bin darüber auch sehr froh. Mit welchem Fuß ich an der Orgel einen Umblätterschalter betätigen sollte, wüsste ich nämlich nicht. :-D
Ich spiele allerdings auch regelmäßig alleine und blättere dann halt Papier um. Auswendig an der Orgel eher selten, das gebe ich zu, weil ich faul bin und weil es angenehm ist, Registeränderungen einfach in die Noten zu schreiben und mir das nicht für jede andere Orgel neu merken zu müssen.
Wenn ich Chöre oder Solisten am Klavier oder an der Orgel begleite, eigentlich auch immer mit Noten.

Solo-Klavier-Auftritte habe ich selten. Früher hab ich manches auswendig gespielt, anderes mit Noten.

Ich kenne einige Geschichten von Kolleginnen und Kollegen, die nicht mehr alles auswendig spielen und auch bei Soloauftritten Noten auf dem Pult stehen haben.
 
Svjatoslav Richter hatte bei einem Auftritt einen Blackout - und spielte fortan nur mit Noten auf dem Pult. Rudolf Serkin mochte sich im Alter ebenfalls dem Streß des Auswendigspielens nicht mehr aussetzen. Ich gehe mal davon aus, daß die Noten als „Sicherheitsreserve“ dienten. Hamelin spielt auch häufig mit Noten. Man muß die Raritäten der Klavierliteratur nicht auf Teufel komm raus auswendig lernen, dafür ist die Lebenszeit zu schade. Im Bereich der Historischen Aufführungspraxis (ich weiß, daß es mittlerweile komplizierter heißt) ist es schon seit langem üblich, mit Noten zu spielen. Ein Argument: man kann spontaner agieren. Daß jemand wie Andreas Staier seinen Notentext nicht in- und auswendig kennt, halte ich für unwahrscheinlich.

Das Auswendigspielen fremder Werke kam im Laufe des 19. Jahrhunderts auf. Der jungen Clara Wieck wurde in Wien der Vorwurf gemacht, daß sie es sich anmaße, die Sonaten des verehrten Herrn Beethoven ohne Noten vorzutragen. So ändern sich die Zeiten! Später war es dann Usus, seinen verklärten Blick in die obere linke (wahlweise rechte) Zimmerecke zu wenden, weil von dort die Inspiration der großen Meister kam. Show!
 

Aus dem Tablet zu spielen, finde ich blöd. Und es macht auf der Bühne ein hässliches Licht, das stört mich auch als Zuhörer.
Es gibt Tablets mit e-ink. Das sind Bildschirme, die ohne Beleuchtung auskommen. Ich glaube, das erste derartige Gerät war ein Kindle.
Ich weiß aber nicht, ob es das komplette Set-Up: e-ink Tablet, Notenprogramm, Fußschalter in Kombination fix-fertig gibt.
 
Ich habe einen ausgesprochen zuverlässigen menschlichen Assistenten und bin darüber auch sehr froh. Mit welchem Fuß ich an der Orgel einen Umblätterschalter betätigen sollte, wüsste ich nämlich nicht. :-D
Ich spiele allerdings auch regelmäßig alleine und blättere dann halt Papier um. Auswendig an der Orgel eher selten, das gebe ich zu, weil ich faul bin und weil es angenehm ist, Registeränderungen einfach in die Noten zu schreiben und mir das nicht für jede andere Orgel neu merken zu müssen.
Wenn ich Chöre oder Solisten am Klavier oder an der Orgel begleite, eigentlich auch immer mit Noten.

Solo-Klavier-Auftritte habe ich selten. Früher hab ich manches auswendig gespielt, anderes mit Noten.

Ich kenne einige Geschichten von Kolleginnen und Kollegen, die nicht mehr alles auswendig spielen und auch bei Soloauftritten Noten auf dem Pult stehen haben.

An der Orgel ist es nicht unbedingt üblich, dass man auswendig spielt. Ein Grund sind natürlich mögliche Anweisungen für Registranten, die in den Noten stehen. Auch sonst finde ich tatsächlich Orgel mit 3 Notensystemen recht aufwändig zu auswendig lernen. Die Praxis in der Kirchenmusik sieht ohnehin ja so aus, dass man schnell für den liturgischen Gebrauch Sachen spielen können muss, die eben nicht immer auswendig gelernt werden. können. Wer da mit 3 oder 4 auswendig gelernten Programmen aus "großen" Konzertstücken auftaucht, wird nicht weit kommen.
Das IPAd Problem lässt sich ganz gut lösen, wenn man die Blätterfunktion an eine bestimme Grimasse koppelt.
 
Es gibt Tablets mit e-ink. Das sind Bildschirme, die ohne Beleuchtung auskommen.
Brauche ich nicht. Wenn man ein paar Takte auswendig lernt und im allergrößten Notfall mal eine Ausklappseite einklebt, kann man problemlos die Noten selber blättern. Gedruckte Noten haben außerdem den Vorteil, dass man immer zwei Seiten gleichzeitig sieht; bei guten Ausgaben sind die Wendestellen zudem geschickt eingerichtet.
 
Glaube ich dir gern, es hat ja bisher so funktioniert.
Das heißt aber nicht, dass es nicht Verbesserungen geben kann.

ZB könnte man mit einem größeren Tablet ebenfalls 2 Seiten anzeigen. Und beim Blättern die rechte Seite auf die linke Seite verschieben, so dass man jederzeit die gespielte Stelle und ein paar Takte voraus sieht.

Niemand muss, jeder darf.
 
Ich sag nur "Wer für ein Stück die Noten braucht, kann es eben noch nicht."

Es ist wie mit den Fernsehschauspielern, gerade in sogenannten Soaps, die haben ihren Text einfach mal da zu stehen und lesen ihn nur ab.

Hab ich hingegen die Musik oder auch den Text im Kopf, gibt es mir mehr Möglichkeiten dieses auch zu interpretieren.

Es ist allerdings nicht immer wichtig - bei der Tageschau langen mir die Informationen, der Sängerin langt bei der Korrepetitation die Melodie.

Auch in der Kammermusik, wo das Klavier nur als Begleitteppich fungiert, brauchts keine Interpretation, da langt auch die Melodie.

Wenn ein Konzertpianist allerdings Noten braucht, frag ich mich schon, warum er das Stück noch nicht kann?
 
...als infolge einer Indiskretion klein Fritzchen darüber informiert war, dass bei der Aufnahme seiner Lieblings-CD Noten mitbeteiligt waren, da weinte er bittere Tränen und warf sie in den Hausmüll...
 

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