Nikolai Kapustin

  • Ersteller des Themas Romantiker
  • Erstellungsdatum

R

Romantiker

Dabei seit
30. Mai 2009
Beiträge
179
Reaktionen
0
Hi,

ich habe letztens ein paar stücke von kapustin gehört und weil ich sowieso gerne mal was in die moderne richtung (aber iwie schon noch klassisch modern) spielen würde, wollte ich mal wissen ob sich hier einer mit der musik kapustins auskennt und weiß, was es da so an "spielbaren" stücken gibt.
 
Gratulation zur Entdeckung dieses genialen Komponisten.

Hast du dir mal seine 24 Preludes in Jazz Style Op. 53 angeschaut? Ich lerne zur Zeit die Nummer 12: http://www.youtube.com/watch?v=p5dDHT3G-uM

Es ist ein wahnsinnig süchtig machendes Stück. Ich spiele im Moment fast nichts anderes mehr. Vom Schwierigkeitsgrad her ist es vielleicht nicht gerade einfach, aber durchaus spielbar (sind auch viele Wiederholungen drin).

Ein wahrscheinlich einfacherer, aber dafür ruhigeres Stück ist die Nummer 7: http://www.youtube.com/watch?v=diFJNN8wwuI

Ich kenne auch noch nicht alles von ihm. Gespielt hab ich auch erst jenes Prélude. Am besten gefallen mir ja seine Konzertetüden, aber die liegen bei mir noch im Bereich des Unmöglichen.
 
Jo, Kapustin ist schon geil!! (meiner Meinung nach einer der besten heute noch lebenden "klassischen" Komponisten)

Hat schon jemand Op. 53 No.7 gespielt? Wie ist das so vom Schwierigkeitsgrad?

Gibts noch mehr so smoothe/ruhigere Stücke von Kapustin die empfehlenwert sind??
 
Oh, ich hätte nicht damit gerechnet, dass Kapustin hier nochmal auftaucht ;)
So wie ich es gelesen habe, sagt er selbst selbst seine Herangehensweise habe wenig mit Grundprinzipien des Jazz wie Improvisieren zu tun. Ich denke das hört man auch - nicht, dass seine Stücke keine Dynamik hätten, aber man merkt, dass sowas kaum einfach herzuimprovisieren ist.

Mir persönlich wars dann letzten Endes zu schwer (vor allem in der Geschwindigkeit), aber das ist mein absolutes Lieblingsstück von ihm:
http://www.youtube.com/watch?v=sN0xQL4JhEY
 
Kapustin hatte schon ein paar witzige Ideen.

Und als Etüden zum Klavierlernen sind viele seiner Stücke sehr brauchbar. (Ich selbst bin weit davon entfernt, viele seiner Stücke hinkriegen zu können...)

Drei Dinge fallen mir aber auf:

1) Sein Stil ist äußerst geschwätzig. Es ist immer alles mit 10000 Noten vollgepackt, man kommt nirgends zum Durchatmen! Und wenn mal ausnahmsweise was Ruhigeres dazwischen ist (so wie das Prelude Nr. 7), dann ist es nur kurz. Vermutlich, damit danach endlich wieder losgerast werden kann. Es hat definitiv so was typisch Russisch-Posermäßiges.

2) Klassiker, die sonst mit Jazz nichts am Hut haben, spielen sehr wohl auch mal Kapustin. (Gibt's ja so einige Beispiele auf Youtube.) Vermutlich weil es hinreichend schwierig ist. Die Klassiker finden ja auch grundsätzlich nur hochvirtuose Jazzpianisten gut (Peterson, Solal, Jarrett, Tatum...). Das ist so ein Tick vieler Klassiker: Es muß immer und überall gezeigt werden, daß man auch wirklich sehr gut Klavier spielen kann...

3) Fast keiner spielt die Stücke so, wie sie gespielt werden sollen. Sie sollen nämlich ganz strikt "in time", in groovigem Jazz-Rhythmus und mit grooviger Jazz-Phrasierung gespielt werden. Das zeigen auch Kapustins eigene Einspielungen. Die meisten Klassiker bringen dauernd Rubatos und zu viel Pedal rein (so daß das Ganze mehr nach Rachmaninow klingt) und können nicht swingen oder grooven. Und die meisten Jazzpianisten können die Sachen nicht spielen (oder haben andere Dinge zu tun, als Wochen und Monate diese Stücke zu üben).

Insgesamt also eine ziemlich zwiespältige Sache.

LG,
Hasenbein
 
Kapustin hatte schon ein paar witzige Ideen.
(...)
Es hat definitiv so was typisch Russisch-Posermäßiges.
(...)
Das ist so ein Tick vieler Klassiker: Es muß immer und überall gezeigt werden, daß man auch wirklich sehr gut Klavier spielen kann...
(...)
3) Fast keiner spielt die Stücke so, wie sie gespielt werden sollen.
(...)
Insgesamt also eine ziemlich zwiespältige Sache.

Hallo Hasenbein,

ich gebe offen zu, dass mich die Kompositionen von Kapustin nicht so beeindrucken, dass ich sie selber spielen will - - aber das Thema hier ist für mich speziell nach Deinen Anmerkungen interesant:
würdest Du das auch so ähnlich bei Gershwins Rhapsody in blue und Concerto in F sehen?

Gruß, Rolf
 
Mit diesen Gershwin-Orchesterwerken konnte ich noch nie so viel anfangen. Haben irgendwie auch was Aufgeblasen-Posermäßiges. Weder berührt mich diese Musik so wie "richtige" Klassik, noch hat sie deren kompositorische Qualität, noch hat sie Swing oder Groove wie Jazz.

War ja damals Musik für die in der Regel rassistischen amerikanischen Weißen, denen damit nahegebracht werden sollte, daß man - entsprechend aufgepimpt - auch Negermusik durchaus hören kann und darf.

LG,
Hasenbein
 
Mit diesen Gershwin-Orchesterwerken konnte ich noch nie so viel anfangen.

um der Gerechtigkeit Willen sei erwähnt, dass die Rhapsody in blue in einer vom Komponisten stammenden Solofassung vorliegt, und Klavierkonzerte wie das in F haben nun mal immer die Beteiligung eines Orchesters (es sei denn, man nennt eines "Concert sans Orchestre") - was daran aufgepimpt und posermäßig ist, verstehe ich nicht, auch halte ich Gershwin für keinen schlechten Komponisten.

mich erstaunt, dass Dir sowohl bei den Kapustinsachen, als auch bei Gershwin die durchus virtuose und effektvolle Klavierbehandlung als negativ (aufgeblasen, posermäßig usw.) erscheint - es sind doch eben keine Improvisationen, sondern festgelegte Kompositionen, die halt mancherlei Anleihen beim Jazz machen; was daran so greulich ist, verstehe ich nicht. Etüden können nun mal schwierig werden, dafür sind sie da :)
 
Etüden können nun mal schwierig werden, dafür sind sie da :)

Ja, das stimmt - aber dann soll Kapustin bitte alle seine Kompositionen als "Etüden" betiteln.

Daß Etüden in der Regel aus 10000 Noten bestehen, ist klar; aber bei Kapustin ist dieses Geschwätzige und extrem Vollgepackte ohne Ruhepunkte ja in fast allen Stücken!

Es ist doch nicht wegzuleugnen, daß es was typisch Russisches ist, daß Pianisten und Pianokomponisten stets "viel, schnell und komplex" bevorzugen und das Einfache, Langsame sie wenig interessiert. (Deswegen gibt es übrigens auch so wenige überzeugende russische Jazzpianisten, weil gut ausgebildete russische Klavierspieler immer alle Noten reinpacken müssen, die irgendwie reinzuquetschen sind, und mit "laidback"-Timing und -pacing nichts anfangen können.)

LG,
Hasenbein
 
Ja, das stimmt - aber dann soll Kapustin bitte alle seine Kompositionen als "Etüden" betiteln.

Daß Etüden in der Regel aus 10000 Noten bestehen, ist klar; aber bei Kapustin ist dieses Geschwätzige und extrem Vollgepackte ohne Ruhepunkte ja in fast allen Stücken!

ich halte es für legitim, wenn Komponisten die Möglichkeiten des Instruments ausschöpfen - - wenn freilich nur drittrangige Musik dabei herauskommt, dann ist das unerfreulich, wenn erstrangige dabei herauskommt, ist das erfreulich. Also den Grad der Schwierigkeit für den/die Ausführende/n würde ich nicht als negatives Kriterium einsetzen. Ob Kapustins Etüden erstrangige Musik sind, kann ich nicht beurteilen, ich kenne zu wenig davon.

Gershwins Klaviersachen kenne ich und halte sie für sehr schön, wobei mir das Konzert am meisten gefällt.

Nebenbei verwendeten in den "roaring twenties" und dem nachfolgenden Jahrzehnt etliche Komponisten Elemente aus dem damaligen Jazz.
 

Mit diesen Gershwin-Orchesterwerken konnte ich noch nie so viel anfangen. Haben irgendwie auch was Aufgeblasen-Posermäßiges. Weder berührt mich diese Musik so wie "richtige" Klassik, noch hat sie deren kompositorische Qualität, noch hat sie Swing oder Groove wie Jazz.

War ja damals Musik für die in der Regel rassistischen amerikanischen Weißen, denen damit nahegebracht werden sollte, daß man - entsprechend aufgepimpt - auch Negermusik durchaus hören kann und darf.

LG,
Hasenbein

...irgendwie ist mir unwohl, wenn damit Komponisten wie Gershwin oder Copeland gemeint sein sollten... sehr unwohl sogar, denn ich halte musikalische Genies wie Gershwin oder Copeland überspitzt gesagt nicht für die Speichellecker des CuCluxClans...
 
...irgendwie ist mir unwohl, wenn damit Komponisten wie Gershwin oder Copland gemeint sein sollten...
sehr unwohl sogar, denn ich halte musikalische Genies wie Gershwin oder Copland
überspitzt gesagt nicht für die Speichellecker des CuCluxClans...

ganz und gar richtig - und wer sie mit Rassismus in Zusammenhang bringen möchte,
dem hilft vielleicht der diskrete Hinweis, daß sie Juden gewesen sind...
 
Mit diesen Gershwin-Orchesterwerken konnte ich noch nie so viel anfangen. Haben irgendwie auch was Aufgeblasen-Posermäßiges. Weder berührt mich diese Musik so wie "richtige" Klassik, noch hat sie deren kompositorische Qualität, noch hat sie Swing oder Groove wie Jazz.

War ja damals Musik für die in der Regel rassistischen amerikanischen Weißen, denen damit nahegebracht werden sollte, daß man - entsprechend aufgepimpt - auch Negermusik durchaus hören kann und darf.

...macht da nicht ein berüchtigtes Messgerät heftig Radau?... :D :D :D
 
...und wer sie mit Rassismus in Zusammenhang bringen möchte,
dem hilft vielleicht der diskrete Hinweis, daß sie Juden gewesen sind...

...deren Eltern bzw. Großeltern aus Rußland angesichts der beständigen Diskriminierung
durch die zaristische Bürokratie und aus Furcht vor neuen Pogromen in die USA geflohen sind.

Und man sollte nicht vergessen, daß es Gershwin durch "Porgy and Bess"
Jahrzehnte vor dem Ende der US-amerikanischen Apartheit gelungen ist,
die Opernhäuser für "schwarze" Gesangsinterpreten zu öffnen
- zuvor war das ein Unding -, und daß Copland während des "New Deal" in zahlreichen,
der amerikanischen Kommunistischen Partei nahestehenden Organisationen tätig war
und in der berüchtigten McCarthy-Ära deswegen größte Schwierigkeiten hatte -
u.a. auf der schwarzen Liste mit Namen derer stand, die als Filmmusik-Komponisten
in Hollywood keine Arbeit mehr fanden.

Nun könnte jemand gehässigerweise sagen: na schön, politisch-korrekte Biographie -
aber die Musik ist trotzdem 'n Schmarren.

Mich stört an der "Rhapsody in blue" bestenfalls, daß sie zu lang ist und sich in ihr
zuviel wörtlich wiederholt - aber die aufdringlich-lärmende Instrumentierung
stammt nicht von Gershwin, sondern von Whitemans Chefarrangeur Ferde Grofé.
Ansonsten ist sie ein originelles Musikstück. Und wen "Summertime" nicht anrührt,
dem ist auf dieser Welt wohl nicht mehr zu helfen.

Und Liebhaber extravaganter Klaviermusik sollten sich einmal Coplands "Piano Variations"
anhören, am besten spielen - das ist hierzulande noch weitgehend unbekannte Musik:

http://www.google.de/url?q=http://w...uAIwAA&usg=AFQjCNEHJQDKZ0swcC813gH97s_paCHHng

http://www.google.de/url?q=http://w...uAIwAQ&usg=AFQjCNHWqn08SAUFHY6TjJZXLZ2nxOHq1g

...macht da nicht ein berüchtigtes Messgerät heftig Radau?...

Wir wollen es hoffen.

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
...Mich stört an der "Rhapsody in blue" bestenfalls, daß sie zu lang ist und sich in ihr
zuviel wörtlich wiederholt

Hallo Gomez,

das stört mich in der Solofassung überhaupt nicht, denn die Einfälle und Speilfiguren sind allesamt doch frisch und schön genug - - das ist eine Rhapsodie, die ebenso "blue" ist, wie die Lisztschen "ungarisch". Ein keckes, spaßiges und virtous-kobolziges Konzertstück - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wie gefällt Dir sein Klavierkonzert? Das finde ich geradezu hinreissend schön!

ja, die Variationen für Klavier (und nicht nur die!) von Copland sind spielenswert!!

herzliche Grüße, Rolf


@Hasenbein
...oh oh... Porgy and Bess... :D :D ... na sowas, Neger auf der Opernbühne, und das nicht als Randfigurmohren, sondern als Hauptfiguren... boah, Hasenbein, und das vom Negermusik aufpimpenden weißen rassistischen Poser Gershwin... ??? :rolleyes: :D
 
off-topic - scherzando


...ich frage lieber nicht, welche Klavierkonzerte viel zu lang auf Dich wirken :)

herzliche Grüße, Rolf

retour zu Kapustin:
ich wiederhole noch mal, dass ich es für legitim halte, wenn Komponisten stilistische Anleihen machen und verarbeiten; selbst wenn sie (böse-böse) das beim (ach so heiligen groovenden) Jazz tun, dann sind sie deswegen noch lange keine "Poser" oder ähnliches.

kommt dabei gute Musik heraus, ist das erfreulich, wenn nicht, so muss man´s ja nicht anhören.
 
Ich wollte Gershwin nicht Rassismus unterstellen, das wäre in der Tat Bullshit, da habt Ihr vollkommen Recht.

Gershwin war ja aufrichtig an der Kultur der Afroamerikaner interessiert und wollte sie fördern und verbreiten.

Weil es aber bei einem sehr großen Teil der weißen Amerikaner rassistische Ressentiments gab, lag der Gedanke nahe, diesen Menschen die "Negermusik" durch die Hintertür nahezubringen - indem man sie in Formen verpackte, die "weißer" und gewohnter waren, zum Beispiel eben pompöse Orchestermusik in der Aeolian Hall. Denn die "wirklichen" Jazz-Ensembles hätten nicht in derartigen schönen Hallen spielen dürfen!

Ich wollte mit meinen unbeholfenen Worten nur daran erinnern, daß das Werk halt auch diesen "Beigeschmack" hat und nicht nur einfach ein nettes Werk ist.

Gershwin hätte ja auch dafür sorgen können, daß (schwarze) Jazzmusiker in der Aeolian Hall auftreten und so noch viel direkter was zu ihrer Unterstützung tun können! Hat er nicht getan - und zwar deswegen, weil Amerika damals dermaßen rassistisch war, daß es einfach undenkbar war! (Quasi eine "Entweihung der heiligen Hallen".)

Wir müssen bedenken, daß es ein gewagter Schritt von Benny Goodman war, als er 1938 sein Carnegie Hall Concert mit einem aus weißen und schwarzen Musikern gemischten Ensemble darbot!

--------------------------------------

Bei meiner Kritik an Kapustin, lieber Rolf, ging es mir nicht darum, seine Jazz-Anleihen abzulehnen. Das ist in der Tat völlig o.k., er tut das häufig sogar sehr kundig und charmant.

Ich meine lediglich, daß zu viele seiner Stücke, auch die, die nicht "Etüde" heißen, zu überladen sind und aus ihnen häufig zu sehr der Gestus spricht: "Heyyy, seht her, ich bin ein tierischer Pianolöwe und Komponist!"

Und daß eben der Jazzanteil, der bei den Stücken ja dominiert, von den meisten Interpreten mißverstanden bzw. nicht gesehen wird, weswegen die Interpretationen meist zu "klassisch" bzw. spätromantisch angehaucht klingen.

LG,
Hasenbein
 
Ich meine lediglich, daß zu viele seiner Stücke, auch die, die nicht "Etüde" heißen, zu überladen sind und aus ihnen häufig zu sehr der Gestus spricht: "Heyyy, seht her, ich bin ein tierischer Pianolöwe und Komponist!"

siehst Du, ich habe diesen Eindruck des quasi "Angeberischen" bei aufwändigem Klaviersatz nicht - in Gottes Namen, da müsste ich ja einen Großteil der Klavierliteratur von Bach bis Ligeti für Protzerei halten...

Du schließt angesichts der Musik auf den komponierenden und/oder interpretierenden Menschen, und mir leuchtet hierbei nicht ein, woher Du Dir so sicher bist (denn Du wiederholst das ja), dass dieser Schluß tatsächlich angemessen ist -- kann es vielleicht eher sein, dass Du eine Art Aversion gegen manuell sehr anspruchsvolle Klaviermusik hast?
 

Zurück
Top Bottom