'Nebenbeschäftigung' beim Üben

@rolf musst Du so große Muschelnudeln kochen, da kannste durchaus mal 15 Min:-)
 
Also beim Üben mit Ablenkung geht es doch nicht um Spaß am Klavierspiel, sondern um maximalen Übefortschritt in begrenzter Zeit für die,
die gerne so viel Zeit am Klavier [...] verbringen müssen.
:denken:
Für mich funktioniert das nicht aber es gibt ja auch verschiedene Lerntypen - manche lernen besser bei Stille, andere mit Musikuntermalung.
 
Stimmt, zehn Stunden habe ich noch nie an einem Tag geübt, aber an die drei Stunden sind es schon oft. Die "Spaßfraktion" klingt so, als ob ich es nicht ernst nehmen würde und keine harten Übungen, die mich an meine Grenzen bringen, kennen würde. Dem ist nicht ganz so. Aber genau dann muss ich mich eigentlich sehr konzentrieren und könnte nebenher nicht fernsehen.
 
dass die hier anwesende "Spaßfraktion" beneidenswerterweise noch nie in der Verlegenheit war, acht oder zehn Stunden (sic) eines Tages mit klavierüben zu verbringen
Nein. Der Tag hat nur vierundzwanzig Stunden und ist auch oft so vollgestopft mit anderem "Spaß" (wie z.B. Arbeit, Haushalt, Familienorganisation, sonstigen Verpflichtungen,...), dass ich mir oft nur mit Mühe die ein bis (idealerweise) zwei Stunden täglich am Klavier freischaufeln kann - und das oft noch mit zahlreichen Unterbrechungen. Die von @Felix Hack praktizierte Vorgehensweise praktiziere ich daher wenn möglich auch - durchaus nicht ohne Erfolge.
 
zehn Stunden habe ich noch nie an einem Tag geübt
@Notenblatt ich kann dir versichern, dass bei einem ganzen Tag lang üben (müssen) - also rund 10h - gut 70% dieser Zeit keine sonderliche Konzentration benötigen (sondern ziemlich in Richtung Stumpfsinn gehen) und dass niemand in der Lage ist, so lange maximale Konzentration beim klavierüben durchzuhalten; aber das internalisieren von etlichen Bewegungsfolgen benötigt viel Zeit.

Ein anderer Zeitaspekt hierzu: eine 2-3min Etüde 10mal durchgespielt verbraucht maximal 30min, also nur eine halbe Stunde - eine 30min-Sonate 10mal durchgespielt verbraucht krasse fünf Stunden... (natürlich ist es unsinnig, z.B. Brahms 3.Sonate komplett zehnmal hintereinander durchzuspielen) aber dieser Vergleich zeigt überdeutlich, wie krass der Zeitverbrauch sein kann: und da ist es natürlich nötig, die vorhandene Zeit (auch so "viel" wie ein ganzer Arbeitstag hergibt) sinnvoll zu nutzen, also viele verschiedene Abschnitte (zumeist Problemstellen) auf viele Weisen (also auch unengagiert "stumpfsinnig" automatisch ohne besondere Konzentration) üben/proben/variieren etc
 
aber das internalisieren von etlichen Bewegungsfolgen benötigt viel Zeit.
Mich würde ja total interessieren, wie und was ein Berufsmusiker so übt! Magst du uns mal Beispiele für solche zu internalisierenden Bewegungsfolgen nennen, für die du nicht 100 % Konzentration brauchst?

Und zum Fadenthema: bei mir gibts am Klavier absolut nix für das ich nicht 100 % Konzentration brauche. Ergo bleibt mir Null Zeit für Nebenbeschäftigungen. Aber ich glaub ja eh, dass dieser Faden ein Scherz ist... ;-)
 
Magst du uns mal Beispiele für solche zu internalisierenden Bewegungsfolgen nennen, für die du nicht 100 % Konzentration brauchst?
die Antwort wird dich überraschen: restlos alle! Und dasselbe gilt für das aufrechthalten wie trainieren der Ausdauer (anspruchsvolle Sachen sind auch körperlich anstrengend)

Wenn man z.B. schon längst sehr schnelle Sexten oder Oktaven kann, dann bedeutet das nicht, dass man sofort schwupps jede Sexten- oder Oktavenstelle prima hinlegen kann. Man hat lediglich den Vorteil, dass man sich keine falschen Bewegungsmuster einbläut. Konzentration wird vorher benötigt: beim internalisieren & begreifen des Notentextes - also beim herstellen der Situation, dass man restlos alles auswendig hat und überall einsteigen kann, keinen Griff, keine Taste suchen muss, über keine Fingerfolge nachdenken muss*). Das kann mal mehr, mal weniger Zeit verbrauchen. Kurz gesagt: die Vorarbeit, lange bevor irgendeine Stelle in die Nähe des Tempos gebracht wird, verbraucht die meiste Konzentration. Danach kommt sozusagen der "sportliche" Aspekt, und der ist "stumpfsinnig", benötigt keine sonderliche Konzentration, sondern gewöhnt den ohnehin trainierten Bewegungsapparat an die speziell hier geforderte Abfolge - und diese Gewöhnung verbraucht zwar ggf viel Zeit, strengt aber im Oberstübchen überhaupt nicht an: dabei kann man weghören, wegdenken.

Unglücklicherweise gibt es obendrein auch widerborstige Stellen, die man nur mit speziellen Übungen wirklich sicher und "automatisiert" hinkriegt, sofern man sie nicht von allein kann und erst gar nicht üben muss (ich habe noch nie Trillerstellen oder Tremoli geübt) da ist sicher jeder Jeck anders - - diese Übungen sind zugleich hochkonzentriert und stumpfsinnig (ein scheinbares Paradoxon) z.B. die Stationenübung ist so eine (sie trainiert automatische Sicherheit und zugleich trickst sie das hinderlich-langsame kontrollierende Denken aus, also führt in nützliche Automatisierung komplexer widerborstiger Bewegungsabläufe)

Friedrich Gulda hat das mal schön pointiert ausgedrückt:
Jeden Ton, als ginge es um Leben oder Tod - das ist die konzentrierte Vorarbeit
Einfach laufen lassen - das ist das motorische internalisieren und dann aufführen
____
*) und natürlich setzt das voraus, dass Grundlagen (Klangbalance, cantabile etc) nicht eigens dabei eingeübt werden müssen!
 
Das kann nach 2 Stunden intensiven Übens durchaus entspannend sein. Stück ruhig spielen, kleinere Fehler korrigieren und Deutschlandfunk hören!
Zur Entspannung spiele ich zum Schluss Repertoirstücke, da freue ich mich was anderes zu spielen und zu hören. Ich brauche da absolut nichts, was nebenbei dudelt oder jemanden, der mich vollquatscht. Und nach dem Üben genieße ich die sich anschließende Ruhe. ;-)

Es mag ja Menschen geben, die eine (ständige) Geräuschkulisse (z.B. Radiogedudel) um sich herum toll finden, ich gehöre definitiv nicht dazu. Weshalb ich Radio auch ausschließlich im Auto höre und da auch nur selten. ;-)

Seit meiner Depression vor fast 8 Jahren habe ich Multitasking (fast) komplett aus meinem Leben gestrichen und ich finde es extremst befreiend mich gabz und gar auf eine Sache zu konzentrieren. Seitdem bin ich auch wieder deutlich entspannter, wesentlich konzentrierter und letztendlich auch schneller.
 
Heißt das, deine Interpretation der Stelle / des Stücks ist dann in diesem Stadium auch schon fertig und du kannst weghören? Und wird dann nur noch "automatisiert"? :denken:
"dieses Stadium" dient einzig dem prinzipiell lästig-öden Beseitigen von manuellen Hindernissen und das möglichst zuverlässig, was mal länger mal weniger lange dauern kann (leider gibt es Klaviermusik, die mit Hindernissen gespickt ist, z.B. Liszts 6. Rhapsodie)

Ansonsten eine Gegenfrage: kann es am Klavier (ja überhaupt in der Musik) sinnvoll sein, sich irgendwas anzugewöhnen bzw anzutrainieren, ohne zu wissen, wie es klingen soll, was es ausdrückt? Nein, das kann nicht sinnvoll sein. Was du mit dem Begriff "Interpretation" meinst, findet vorher statt (und kostet einigen Hirnschmalz, auch Konzentration) und kann natürlich hinterher, wenn die Hindernisse weg sind, ausgefeilt und beim Proben (da kann man's dann schon) ggf modifiziert werden.
 

sich irgendwas anzugewöhnen bzw anzutrainieren, ohne zu wissen, wie es klingen soll, was es ausdrückt? Nein, das kann nicht sinnvoll sein.
Ja, klingt theoretisch logisch. Nehme ich mir jedes mal vor. Aber realistisch ist es bei Noops wie mir eher, dass ich erst ganz am Schluss weiß, wie es klingen soll. Jetzt nach Wochen, Monaten habe ich mir endlich (m)eine Idee vom Stück erarbeitet und doch stoßen wir das von Stunde zu Stunde wieder um und passen an. Wahrscheinlich dauert das Üben deshalb so viel länger, weil ich erstmal Wochen brauche, um zu wissen wie es klingen soll... :009:
 
Danke für den bunten Strauß an Antworten.

Natürlich spiele und übe ich meist mit höchster Konzentration und Freude. Aber ob nun draußen auf dem See ein Kayak vorbeizieht, die Spatzen vor dem Fenster den Futterteller plündern, Kleene mich etwas fragt oder mir ein paar Gedanken durch den Kopf gehen - Ablenkung ist immer da, und das Gehirn ist dafür auch gemacht. Hören und Sehen während des Spielens gehen ganz gut, das Sprechen kriege ich dagegen kaum hin; vielleicht drei Wörter, herausgepresst, in 10 Sekunden.

Das Fußballkucken am Klavier habe ich nicht angefangen, weil ich beim Üben unterfordert bin, sondern weil ich beim Schauen noch etwas Sinnvolles tun wollte...
Ich pendele dabei hin und her - mal liegt der Fokus auf dem Spiel und das Tablet ist Kulisse, mal drängt der Sport sich in den Vordergrund. Fällt ein Tor, stockt das Spiel.

Nach dem bisher Gesagten schadet die Ablenkung, bei sparsamem Einsatz und Beschränkung auf motorische Geläufigkeit, zumindest nicht.
 
Vielleicht habe ich den TE falsch verstanden, aber mal Klartext: Wer schaut während des Klavierübens Fernsehen, Netflix, Sky o.Ä. und hält das für sinnvoll - für Menschen die weniger als 8 Stunden täglich üben?
 
Das Fußballkucken am Klavier habe ich nicht angefangen, weil ich beim Üben unterfordert bin, sondern weil ich beim Schauen noch etwas Sinnvolles tun wollte...
Würdest du wenigstens zur Prosodie des Sportreporters improvisieren, zum Spannungsverlauf des Spiels, das ja im Prinzip durchaus etwas mit Musik zu tun hat, man denke an die mit der Tornähe des Balls einhergehende Spannung, dann fänd ich das ja geck. So aber könntest du mir auch erzählen, dass du dir unbekannte Brotaufstriche zunächst auf getragenen Socken probierst - mein Wundern wäre nicht größer.

Aber jedem Tierchen.
 
Keine Nebenbeschäftigung natürlich.
Wobei ich das Einüben von bestimmten motorischen Abläufen mit Nebenbeschäftigung als interessante Anregung für mich aufnehme.
 
Ich glaube zwar nicht, dass der Eingangspost ernst gemeint ist, aber meiner Erfahrung nach wird alles, was man beim Üben (z.B. wie oben genannt neue Bewegungsabläufe trainieren) "nebenbei" tut und denkt, mit in das Resultat eingepflegt. Mir würden also z.B. später immer beim Spielen dieser geübten Passage/ Technik zwangsweise Assoziationen mit den damit jetzt verknüpften Nebenbeschäftigungen hochkommen. Wär nicht so lustig.

Gould knackte auf diese Weise eine schwierige Passage, indem er einen Teil der Aufmerksamkeit ablenkte, das ist was vollkommen anderes.
 

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