Musikalische Gestaltung als Mittel zur Bewältigung manueller Schwierigkeiten

Ah- das ist interessant- vllt müssen wir aber erstmal definieren, was gute Technik ist- das Wort ist ja für viele hier ein Reizwort.

Für mich ist gute Technik
-das Handwerkszeug, das zur Umsetzung musikalischer Ideen dient.
gute Technik schont den Körper und erreicht mit kleinstmöglichem Aufwand den gewünschten Erfolg.
-gute Technik ist flexibel und keinesfalls statisch. Sie folgt den Anforderungen der Musik, ohne stumpf Muster umzusetzen und zu übertragen.
-gute Technik ermöglicht es, sich ganz auf das Musizieren zu konzentrieren, also, wie soll ich sagen, "losgelöst" zu spielen, ohne sich mit den Problemen der manuellen Ausführung vorderründig befassen zu müssen. Also, die Konzentration geht bei einwandfreier technischer Beherrschung weg vom technischen Aspekt ganz hin zur Interpretation.

Natürlich steht vor der Anwendung der Technik die Vorstellung vom Stück und dessen Ausführung, daraus ergibt sich ja, was nötig ist.
 

;)

vllt müssen wir aber erstmal definieren, was gute Technik ist- das Wort ist ja für viele hier ein Reizwort.

Haben wir es noch nicht oft genug definiert?

Interessanter fände ich es, konkrete "technische" Übungen und Übweisen vorzustellen und über deren Sinn und Zweck zu diskutieren.


Für mich ist gute Technik
-das Handwerkszeug, das zur Umsetzung musikalischer Ideen dient.

Das ist eine sehr allgemeine Aussage. Konkret kann ich mir da garnichts drunter vorstellen.

Handwerkszeug: Mit dem Hammer schlägt man Nägel rein. Mit dem Schraubenzieher schraubt man Schrauben rein und raus. Mit der Axt fällt man Bäume.


gute Technik schont den Körper und erreicht mit kleinstmöglichem Aufwand den gewünschten Erfolg.

-gute Technik ist flexibel und keinesfalls statisch. Sie folgt den Anforderungen der Musik, ohne stumpf Muster umzusetzen und zu übertragen.
-gute Technik ermöglicht es, sich ganz auf das Musizieren zu konzentrieren, also, wie soll ich sagen, "losgelöst" zu spielen, ohne sich mit den Problemen der manuellen Ausführung vorderründig befassen zu müssen. Also, die Konzentration geht bei einwandfreier technischer Beherrschung weg vom technischen Aspekt ganz hin zur Interpretation.


Das ist eine gute Beschreibung dessen, was jemand hat, wenn man sagt, "er hat eine gute Technik".

Aber wie erwirbt man sie?
 
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untätig auf dem Sofa sitzen

dieser Vergleich von Sesam hat mir sehr gefallen.

In der Tat heisst : "Klangvorstellung entwickeln" keinesfalls passives grübeln über Musik sondern im Gegenteil sehr konzentrierte und aktive Tätigkeit, indem man eine Passage, Tonleitern oder Akkordfolgen- was es auch sei - immer so zu spielen versucht, dass sie dem momentanen Vorstellungsvermögen möglichst nahe kommen. Es wird also dauernd gespielt aber eben unter der Kontrolle,, wie gut es jeweils war und ob es sich gebessert hat, also der Klangvorstellung näher kommt. Während dieses Übens kann sich auch die Vorstellung selbst verändern, denn was wir am Klavier produzieren beeinflusst wiederum auch unsere Idee des Klanges.

Nehmen wir als Beispiel "Mondscheinsonate 3. Satz" und da gleich das erste aufwärts führende Arpeggio in cis.moll.

die Möglichkeiten dieses Arpeggio zu realisieren sind zahlreich. Es fangt an im piano aber "agitato" und endet mit den sF akkorden. Die Versuchung, da ein crescendo anzubringen sind gross und sind auch immer zu hören. Ebenfalls können auch diese ersten sforzato Akkorde übertrieben laut geraten. Dieses Spiel geht nun so weiter bis zum 8, Takt. Dass auf diesem Weg eine Steigerung des Ausdrucks passiert, ja passieren muss wird einem klar. Wem ist übrigens schon mal aufgefallen, dass der 8. Talt eigentlich ein enharmonisches A-dur darstellt? welches sich sogleich dann im 9. Takt in Gis-dur auflöst.

Ein Hart verminderter Akkord gleich zu Anfang signalisiert immer ein dramatisches Geschehen.
Im Arpeggio, welches ja auftaktig angelegt ist scheinen jeweils die oberen Zieltöne einen Akzent zu verlangen und der Übergang von einer Umkehrung zur Anderen muss äusserst geschmeidig erfolgen.
Hier ist also bereits eine Menge zu üben und sicher wird das Arpeggio sehr oft gespielt werden- aber eben immer mit dem Zielt es genau an diese Stelle anzupassen. Ich trainiere also hier ein "Mondscheinarpeggio". Und in anderen Stücken muss ich ein "Waldsteinarpeggio" Arpeggio (vor allem im 3. satz) trainieren und dann wieder ein appasionato Arpeggio und in Chopin muss ich jede Menge verscheiden Arpeggien trainieren.
Das Arpeggio aus der Mondscheinsonate kann ich nicht einfach in das aus einem Chopin Konzert übertragen. Da sind die verhältnisse wieder anders, je nachdem , an welcher Stelle es auftritt.

Und wie es mit diesen Arpeggien ist, so verhält es sich auch mit allen anderen Figuren. Ich muss immer genau hinhören, was im stück für ein Klang realisiert werden soll und dessen Vorstellung muss ich mir erarbeiten. Und natürlich gehört da jede Menge Training dazu. Mancher wird so ein Arpeggio hunderte Male spielen, bis er gefunden hat, was er vorgeahnt hat. Und während diesem Üben tun wir ja was, der "Spielapparat" wird trainiert der Nebeneffekt ist immer, dass auch die Maschine(Rolfs Maschinenwartung) geölt wird.

Mich interessiert auch brennend die Frage von Haydnspaß:

Was lernt man. wenn man losgelöst von einer musikalischen Idee oder einer inneren Vorstellung von einem Stück Arpeggien trainiert?

Da hätte ich doch nur eine der unendlich vielen Möglichkeiten erfasst, die ich dann aber in Stücken brauchen.
 
Man kann gute Technik nicht oft genug definieren: Ich stimme Violapiano zu, muss allerdings noch etwas hinzufügen.
Zu einer guten Technik gehört nämlich auch- und das ist im Grunde der wichtigste Punkt, denn ohne ihn sind die anderen Punkte in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt-, dass man wie ich schon oft genug auch hier im Forum betont habe, spielt wie ein Sänger singt, voraushört (Klangvorstellung) UND eine richtige Atmung hat.
OHNE diese richtige Atmung ist man verkrampft. Diese Verkrampfung, wie gering sie auch seien mag, äußert sich in dem Spiel!
-Arme, Beine ... angespannt

@ Haydenspaß
Es sind auch schon einige Technische Übungen vorgestellt worden. Ich persönlich ziehe wie schon einmal gesagt bzw. geschrieben, die Hirzel- Langenhan Übungen vor...und bin wirklich sehr begeistert von jenen.

Doch alle noch so tollen Übungen bringen nichts, wirklich gar nichts, wenn man letzten Endes doch nicht richtig Atmet.

Ich meine hier von Rolf gelesen zu haben, dass man die Technik und die musikalische Interpretation nicht trennen kann. Das ist absolut richtig!
Siehe Atmung und und und
Man kann nicht musikalisch spielen, wenn es an Technik fehlt. Dann steht man nicht über dem Stück ist angespannt und richtet seine Konzentration nicht auch jeden einzelnen Ton und seinen Klang sondern auf die technischen Mängel...
Das ist kein musikalische Freude sondern ein musikalischer Kampf!

liebe Grüße

Clara
 
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Zitat von Haydnspaß:
gute Technik schont den Körper und erreicht mit kleinstmöglichem Aufwand den gewünschten Erfolg.

-gute Technik ist flexibel und keinesfalls statisch. Sie folgt den Anforderungen der Musik, ohne stumpf Muster umzusetzen und zu übertragen.
-gute Technik ermöglicht es, sich ganz auf das Musizieren zu konzentrieren, also, wie soll ich sagen, "losgelöst" zu spielen, ohne sich mit den Problemen der manuellen Ausführung vorderründig befassen zu müssen. Also, die Konzentration geht bei einwandfreier technischer Beherrschung weg vom technischen Aspekt ganz hin zur Interpretation.

Das ist eine gute Beschreibung dessen, was jemand hat, wenn man sagt, "er hat eine gute Technik".

Aber wie erwirbt man sie?


Zitat von Klavigen:
Mich interessiert auch brennend die Frage von Haydnspaß:

Was lernt man. wenn man losgelöst von einer musikalischen Idee oder einer inneren Vorstellung von einem Stück Arpeggien trainiert?
Da hätte ich doch nur eine der unendlich vielen Möglichkeiten erfasst, die ich dann aber in Stücken brauchen [Hervorhebung Sesam].

Ich habe nochmal diese beiden Fragen aufgegriffen, weil ich es schade fände, wenn sie jetzt in einer inventurartigen Bestandsbeschreibung guter Technik untergingen.

Sehr treffend auch dieser Hinweis:

Zitat von Klavigen:
aber eben immer mit dem Zielt es genau an diese Stelle anzupassen. Ich trainiere also hier ein "Mondscheinarpeggio". Und in anderen Stücken muss ich ein "Waldsteinarpeggio" Arpeggio (vor allem im 3. satz) trainieren und dann wieder ein appasionato Arpeggio und in Chopin muss ich jede Menge verscheiden Arpeggien trainieren.
Das Arpeggio aus der Mondscheinsonate kann ich nicht einfach in das aus einem Chopin Konzert übertragen. Da sind die verhältnisse wieder anders, je nachdem , an welcher Stelle es auftritt.
[Hervorhebung Sesam]

Und wie es mit diesen Arpeggien ist, so verhält es sich auch mit allen anderen Figuren. Ich muss immer genau hinhören, was im stück für ein Klang realisiert werden soll und dessen Vorstellung muss ich mir erarbeiten. Und natürlich gehört da jede Menge Training dazu[Hervorhebung Sesam]. Mancher wird so ein Arpeggio hunderte Male spielen, bis er gefunden hat, was er vorgeahnt hat. Und während diesem Üben tun wir ja was, der "Spielapparat" wird trainiert der Nebeneffekt ist immer, dass auch die Maschine(Rolfs Maschinenwartung) geölt wird.
 
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Was lernt man, wenn man losgelöst von einer musikalischen Idee oder einer inneren Vorstellung von einem Stück Arpeggien trainiert?

Das "losgelöste" mechanische Bewegen der Finger, welche in Form eines "Arpeggio" mechanisch die Tasten drücken. ;)

Also eigentlich gar nichts, meiner Meinung nach.

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Ich halte es auch für wichtig nochmal die Definition von Technik anzuschauen. Mir gefällt für unseren Zweck am besten die aus dem Wahrig:

Kunst, mit den zweckmäßigsten u. sparsamsten Mitteln ein bestimmtes Ziel od. die beste Leistung zu erreichen; ... (Gerhard Wahrig "Deutsches Wörterbuch)

Meine persönliche Definition von Technik hier nochmal:
Gewußt wie, umgesetzt in die musikalische Praxis.

"Technik" bezieht sich für mich immer auf eine Vorgehensweise.
Völlig egal, welches Stück oder welche "Übung" ich bearbeite, ich muss wissen, wie ich vorgehe um ein bestimmtes Ziel oder eine Klangvorstellung usw. zu erreichen.

Dazu muss natürlich zuerst ein Ziel, eine Idee, eine klare Vorstellung (Aussage des Stückes, Klang, Bewegung, usw.) vorhanden sein. Alles weitere folgt.

"Technische" Übungen, die einfach mechanisch abgespult werden, bringen keinen wesentlichen Fortschritt, können sogar kontraproduktiv sein. Das haben wir schon rauf und runter diskutiert.

"Technik" ist mMn nicht etwas, was man "hat", sondern in erster Linie ein Wissen, wie man vorgehen muss, selbstverständlich muss dieses Wissen, immer wieder durch Übung in die Praxis umgesetzt werden, sonst bleibt es Theorie.

Natürlich lasse ich den Schüler bestimmte Daumenuntersatzübungen machen, wenn er z.B. die Tonleitern der Facile Sonate nicht seiner Vorstellung gemäß spielen kann. Aber zuerst muss eine Vorstellung da sein, sonst kann er jahrelang Tonleitern "üben" und wird die Sonate doch nie schön spielen können. Als Lehrer bin ich also zunächst gefordert, eine musikaliche Vorstellung zu vermitteln und beim Schüler zu entwickeln. Das ist ein langfristiger Prozess und dieser ist immer der sogenannten "Technik" übergeordnet.

Oft, wenn hier im Forum um Rat gebeten wird, werden "technische" Anweisungen gegeben, auch wenn sie sich auf die Musik beziehen.

Hier ein schönes Beispiel: https://www.clavio.de/forum/klavier...arpeggio-macht-probleme-hilfe.html#post110605
Sesam, was machen Deine Arpeggios?
 
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klavigen schrieb:

"In der Tat heisst : "Klangvorstellung entwickeln" keinesfalls passives grübeln über Musik sondern im Gegenteil sehr konzentrierte und aktive Tätigkeit, indem man eine Passage, Tonleitern oder Akkordfolgen- was es auch sei - immer so zu spielen versucht, dass sie dem momentanen Vorstellungsvermögen möglichst nahe kommen. Es wird also dauernd gespielt aber eben unter der Kontrolle,, wie gut es jeweils war und ob es sich gebessert hat, also der Klangvorstellung näher kommt. Während dieses Übens kann sich auch die Vorstellung selbst verändern, denn was wir am Klavier produzieren beeinflusst wiederum auch unsere Idee des Klanges."

Was mich überascht, ist Folgendes:
Ich dachte, klavigen geht ganz anders an die Sache ran als ich. Aber so mache ich es auch....:confused::)

Vllt liegt das Problem auch im Verbalisieren des Vorgehens.

Die Atmung finde ich auch sehr, sehr wichtig. Clara, das habe ich auch schon oft gespürt, wenn die Atmung nicht fließt, fließt auch kein Gefühl- hm, komisch aiusgedrückt, aber so ist es.

Letztens hatte ich bei Erarbeiten des Cis-moll Walzers im Mittelteil ab Takt 33 ein Problem, die, wie soll man es ausdrücken, taktweisen Decrescendi umzusetzen, ich wollte, dass es klingt wie "eine Zentrifuge" die immer neu Schwung aufnimmt am Taktanfang. (Vllt auch schräg ausgedrückt, aber ich assoziiere es damit.)
Stets hatte ich einen Akzent auf der ersten Note, ohne es zu wollen.:twisted: Der Tipp meiner KL, die Bewegung wie ein "plattes Ei" auszuführen, brachte schließlich die Lösung des Problems, der Klang kam automatisch mit der Ausführung mittels dieses Bewegungsmusters. Hier war die Lösung anders herum: die Klangvorstellung da, jedoch nicht die richtige Idee für die technische Umsetzung.

Hinzufügen möchte ich noch eines:
ich finde, man sollte auch das Üben von Tonleitern nicht verteufeln. Warum auch? Stets habe ich Tonleitern geübt, nun brauch ich im neuen Stück die Es-Dur, g-moll, Es-moll, .... weil sie einfach drin vorkommen. Und die Töne und Fingersätze entwickeln sich von alleine, weil die Hände sie kennen. Natürlich müssen sie angepasst werden an den Kontext des Stückes, ist klar. Es geht nicht an allen Stellen auf. Ich sehe die Tonarten und die Hand hat schon eine Idee für die Bewegungsabläufe, und muss nicht Ton für Ton lernen.
 
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Oft, wenn hier im Forum um Rat gebeten wird, werden "technische" Anweisungen gegeben, auch wenn sie sich auf die Musik beziehen.

Hier ein schönes Beispiel: https://www.clavio.de/forum/klavier...arpeggio-macht-probleme-hilfe.html#post110605
Sesam, was machen Deine Arpeggios?

Ja ich meditiere halt drüber :D Vielleicht sollt ich aber doch mal mehr üben.... :

http://www.clavio.org/music/track/e...d=3865170:Playlist:519&uploadBatch=1251235659

P.S. Player Funktion geht bei mir leider nicht.
 
Ja ich meditiere halt drüber :D Vielleicht sollt ich aber doch mal mehr üben.... :

http://www.clavio.org/music/track/e...d=3865170:Playlist:519&uploadBatch=1251235659

P.S. Player Funktion geht bei mir leider nicht.

Der Link hat wohl nicht funktioniert, deshalb ein 2. und letzter Versuch:


[MP3="http://api.ning.com/files/3z5SbgoY0t*Wm1wbAGN3FyKaprUByhZYdUSNebepaz3fYd8QaB4ozPk3v6kDJp7q/MoszkowskiArpeggio.mp3"]blabla[/MP3]
 
Das ist es

Ganz einfach, indem man die Klavierliteratur studiert.
Man fängt an mit dem Notenbüchlein ...
Irgendwann spielt man alle Haydn Sonaten... ;)

Einen anderen Weg weiß ich nicht. Ein guter Lehrer hilft vielleicht.

Nach all den schönen Beiträgen finde ich dieses Fazit sozusagen als den "Nugget" des Fadens.

Und dieses Studieren enthält ja wirklich alles, was eben ein Studium erfordert. Genaues hinschauen, hineinhören, ja auch analysieren. Und bei einem Pianisten hat Analyse nicht nur die Bedeutung, Strukturen zu verstehen, sondern dies hat unmittelbare Auwirkungen auf die klangliche Gestaltung.

Als Beispiel nehme ich noch mal den 8, Takt des 3. Satzes der Mondscheinsonate, denn möglicherweis ist das etwas untergegangen.

Wir befinden uns in diesem Takt in Dis-Dur, also der Dominante von Gis-Dur. Dies ist nicht nur funktiontechnisch von Bedeutung sondern sagt dem Pianisten auch, welche Spannungen sich durch die ständigen nach oben laufenden Arpeggien aufgebaut haben. Dies will ich als Spielern nun meinen Zuhörern vermitteln. Sie sollen eben nicht einen A-dur akkord sondern einen wesentlich spannungsreicheren hart verminderten Akkord hören.
Und indem ich es so oft übe, bis es zufriedenstellend klingt, habe ich viel zu tun und die Finger und alles andere sind nicht untätig sondern ständig am Arbeiten.

wie gesagt: für mich der Satz der Sätze in diesem Faden.
 

klavigen schrieb:

"In der Tat heisst : "Klangvorstellung entwickeln" keinesfalls passives grübeln über Musik sondern im Gegenteil sehr konzentrierte und aktive Tätigkeit, indem man eine Passage, Tonleitern oder Akkordfolgen- was es auch sei - immer so zu spielen versucht, dass sie dem momentanen Vorstellungsvermögen möglichst nahe kommen. Es wird also dauernd gespielt aber eben unter der Kontrolle,, wie gut es jeweils war und ob es sich gebessert hat, also der Klangvorstellung näher kommt. Während dieses Übens kann sich auch die Vorstellung selbst verändern, denn was wir am Klavier produzieren beeinflusst wiederum auch unsere Idee des Klanges."
.

anders sehe ich es auch nicht --- ABER: dieser Prozess kann relativ rasch ablaufen, er kann aber auch etliche Monate dauern - und dafür sind meist die "manuellen Hürden" verantwortlich (die "technischen Schwierigkeiten" pflegen sich dort, wo sie hoch sind, hartnäckig einer raschen "Bewältigung" zu verweigern).

erneut als BEISPIEL (ja, als extremes - aber ein extremes Beispiel verdeutlicht die Probleme besser, als ein harmloseres), und zwar erneut die prestissimo Oktaven der h-Moll Sonate:
- ja, man entwickelt recht bald von so einer Stelle eine Klangvorstellung
- nein, man wird ihr recht lange Zeit noch nicht gerecht werden (es sei denn, man hat schon Dutzende extremer Oktavenstellen im Tornister)
wenn man z.B. die Oktaven der g-Moll Ballade (r.H. Skalen aufwärts, l.h. ein paar schnelle Viertel in Oktaven) oder die schwierigeren Doppeloktaven des cis-Moll Scherzos kann, so kann man diese hier noch lange nicht.

so, wie sich allerlei Arpeggien musikalisch (Kontext etc) UND manuell unterscheiden (trotz großer Ähnlichkeit sind Schuberts Impromptu As-Dur und eine scheinbar identische Passage in Beethovens c-Moll Konzert doch sehr verschieden!), so tun dies auch diverse Oktavenstellen; teilweise auf der gerne etwas verächtlich betrachteten Ebene der puren "difficulte materielle": weil sie schlicht schwieriger sind.

bevor die Klangvorstellung realisiert werden kann, muss der motorische Ablauf sichergestellt sein - und da heisst es eben bei manuell sehr schwierigen Stellen sehr viel manuell üben. hierbei ist es müßig, sich über den Sinn manueller Schwierigkeiten Gedanken zu machen - über den Sinn einer extremen Stelle in einem guten Musikstück nachzudenken, DAS ist was anderes.

auch wenn hier gelegentlich abwertende Formulierungen a la bloße sportliche Disziplin Verwendung finden: die Ausdauer für eine Seite sehr schnelle Lisztoktaven ist zwar nur ein körperlicher Aspekt - aber wehe der Körper ist untrainiert:D ... --- ist doch beim joggen auch nicht anders: raisonniert man über Strecken, Atemtechnik, Schuhwerk etc und liest Dutzende von Fachbüchern, tauscht sich voller Interesse darüber aus, aber läuft nicht regelmäßig... na, da wird man schon nach 2km aus der Puste sein und Muskelkater haben!

Gruß, Rolf
 
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anders sehe ich es auch nicht --- ABER: dieser Prozess kann relativ rasch ablaufen, er kann aber auch etliche Monate dauern - und dafür sind meist die "manuellen Hürden" verantwortlich (die "technischen Schwierigkeiten" pflegen sich dort, wo sie hoch sind, hartnäckig einer raschen "Bewältigung" zu verweigern).

Also ich widerspreche hier nicht.

Es gibt diese schwierigen Stellen, und man kommt ihnen nicht anders bei, als daß man sie übt, übt, übt und nochmal übt.

Wo ist denn jetzt eigentlich der Unterschied zwischen dem "musikalischen" und dem "technischen" Üben?

Bzw., jetzt mal ganz ernsthaft gefragt:

wie kann man eine Stelle üben, wenn man sie nicht musikalisch üben will?

Ich kann mir das garnicht vorstellen...
 
anders sehe ich es auch nicht --- ABER: dieser Prozess kann relativ rasch ablaufen, er kann aber auch etliche Monate dauern - und dafür sind meist die "manuellen Hürden" verantwortlich (die "technischen Schwierigkeiten" pflegen sich dort, wo sie hoch sind, hartnäckig einer raschen "Bewältigung" zu verweigern).

Das sehe ich genau so, das wird hier auch niemand ernsthaft abstreiten.

Wenn's nicht sofort geht, braucht man ein längerfristiges Trainingsprogramm, so ähnlich schrieb Neuhaus. Da ist schon was dran.

erneut als BEISPIEL (ja, als extremes - aber ein extremes Beispiel verdeutlicht die Probleme besser, als ein harmloseres), und zwar erneut die prestissimo Oktaven der h-Moll Sonate:
- ja, man entwickelt recht bald von so einer Stelle eine Klangvorstellung
- nein, man wird ihr recht lange Zeit noch nicht gerecht werden (es sei denn, man hat schon Dutzende extremer Oktavenstellen im Tornister)
wenn man z.B. die Oktaven der g-Moll Ballade (r.H. Skalen aufwärts, l.h. ein paar schnelle Viertel in Oktaven) oder die schwierigeren Doppeloktaven des cis-Moll Scherzos kann, so kann man diese hier noch lange nicht.

Durch hirnloses Pauken wird man die Oktaven wohl auch nicht lernen, im Gegenteil, wenn man nicht weiß was man tut und zu verkrampft oder mit zu viel Kraft arbeitet, kann man sich schnell ernsthafte Verletzungen holen.

Auch "technische" Übungen, wie die von Hirzel- Langenhan, werden die Aufgabe nicht lösen. Feuchtwangerübungen können vielleicht vorbereitend helfen, werden einem aber auch nicht das Üben der Oktaven ersparen.

Wenn man solche virtuose Höchstschwierigkeiten bewältigen will, geht das nur, wenn überhaupt, indem man technisch genau analysiert, genau weiß was man tut, wie man vorgeht und einen längerfristigen Trainingsplan ausarbeitet und einhält, das heißt manuell "trainiert". Die h-moll Sonate habe ich nie gespielt. Vallée d'Obermann habe ich vor vielen Jahren so "trainiert". Solche Stücke sind aber am Ende doch nur für wirkliche "Profis" spielbar.

Ich nehme an, wenn Du, lieber Rolf, die Oktaven oder die Sexten aus der Tannhäuser Overtüre übst, weißt Du ganz genau, was Du tust.

Leider ist die Meinung weit verbreitet, man könne das Klavierspielen einfach durch ein bischen mechanisches Training a la Hanon erlernen. Das ist ein Grund, warum ich gerne protestiere, wenn von "technischen" Üben die Rede ist.
 
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Wo ist denn jetzt eigentlich der Unterschied zwischen dem "musikalischen" und dem "technischen" Üben?

Bzw., jetzt mal ganz ernsthaft gefragt:

wie kann man eine Stelle üben, wenn man sie nicht musikalisch üben will?

Ich kann mir das garnicht vorstellen...

Man kann eine schwere Stelle, in Einzelteile zerlegen und schrittweise wieder zusammenbauen. Z.B bei Oktaven nur die Unterstimme, den Daumen spielen oder die Oberstimme usw. Oder bei einer Tonleiter den Daumenuntersatz gesondert üben, den Daumen geschmeidig machen. Oder wie hier beschrieben bzgl Terzen.

Allerdings sollte man mMn jede "Übung" die man aus einem Stück "erfindet" in jedem Fall musikalisch spielen, also mMn gibt es kein unmusikalisches "technisches" Üben.
 
Spannend, hier zu lesen.
Irgendwie schreiben ja doch alle das gleiche mit anderen Worten - der eine betont diesen Aspekt ein bisschen mehr, der andere einen anderen...
Würde mich ja auch wundern, wenn plötzlich jemand behauptet, Klavier würde mit den Zehen gespielt.

Zu ein paar Dingen möchte ich was schreiben:

Viele falsche Töne im Stück:
Es ist ja schön und gut, wenn immer wieder betont wird, dass doch die Interpretation, Gestaltung, Musikalität im Vordergrund steht, aber wenn die Hälfte der Töne nicht stimmt, nützt auch die beste Absicht nichts. Verspieler sind ok (ich entdecke regelmäßig auf CDs von hochkarätigen Pianisten welche!!), aber richtige Fehler sind mMn das Ergebnis von mangelnder Kenntnis / Fähigkeit im Stück oder beim Vorspielen, wenn sie gehäuft auftreten. Somit bedeuten falsche Töne ein nicht ausreichendes Üben, und das wiederum heißt, dass auch die Interpretation noch nicht ausgereift sein kann.
Ich rede niemandem seine Ausrutscher schlecht, ich mache ja selbst mehr als genug. :rolleyes:

Definitionen:
(Wer sich berufen fühlt, könnte einen Faden eröffnen, in dem jeder seine Technik-Motorik-Virtuosität-Defnitionen schreiben kann).
Man muss wohl unterscheiden zwischen dem Inhalt von jenem oder dem Ergebnis. "Musik wie gedacht umsetzen" ist das Ergebnis von guter Technik, Lockerheit, Kontrolle, Unabhängigkeit usw. usf. ist das Handwerkszeug.
Vielleicht kann man es wie folgt ausdrücken:
Eine gute Motorik ist wichtig, um eine funktionale Klavierspieltechnik entwickeln zu können, die widerum die Grundlage einer musikalischen Virtuosität bildet, welche der Interpretation dient.
(Klingt geschwollen, ich gebe es zu)

- Was "Grenzen" wie die H-Moll-Sonate angeht - letztendlich muss man nur im richtigen Moment die richtige Bewegung ausführen. Der Knackpunkt ist, dass alle Bewegungen verdammt schnell und präzise ausgeführt werden müssen.
Das heißt:
Man muss die Fertigkeit besitzen,
Bewegungen 1. auf den (zeitlichen + örtlichen) Punkt genau auszuführen, zu planen, zu kontrollieren, und zwar in mikroskopisch kleinen Einheiten und Feinheiten,
sowie 2. sich diese Bewegungen zu merken, sie sogar im Unterbewussten speichern und vor allem wieder ganz genau so abrufen zu können.
Ich vermute, das ist ein Aspekt von sehr begabten Musikern: Diese feine Kontrolle von Bewegungen. Vielleicht gibt es nur EINE Position, wie mein Finger einen Sprung ausführen bzw. auf dem nächsten Akkord landen kann, ohne eine andere Taste mit anklingen zu lassen - und DIESE Bewegung muss ich ganz genau und im entscheidenden Moment ausführen können.
Dienlich ist ein guter, ausgereifter, überlegter (überarbeiteter!) Fingersatz.
Mit meiner grundsätzliche Fingersatz-Entwicklung bin ich erst seit kurzem einigermaßen zufrieden, und es wird hoffentlich noch besser.
 
Zu Haydnspaß' Frage, was Technikübungen bringen könnten:

Ich bin der Meinung, dass es schon sinnvoll sein kann, bestimmte, immer wiederkehrende Motive separat zu üben.
Das gilt vor allem für grundsätzliche Tonleiterfingersätze, z.B. 12 Tonarten, Dur/Moll, Chormatik, vielleicht auch Arpeggien.
Nicht unbedingt, um sie dann 1 zu 1 im Stück zu wiederholen, sondern um nicht im Stück das Rad neu erfinden zu müssen - sondern wenn die Finger schonmal eine Chromatische Tonleiter gespielt haben, wissen sie, worum es überhaupt geht und finden sich leichter ein (wie auch Violapiano schon feststellte). Sowas vorher schon zu können kann nie schaden und nützt sicherlich, davon bin ich überzeugt.

Ebenfalls für sinnvoll erhalte ich Technikübungen, die aus einem Stück heraus entstehen. Das können Cortot-Übungen sein oder selbsterdachte, z.B. bei einhändig akkordbegleiteten Melodien nur die Melodie mit der Außenhand zu spielen und die Zusatztöne später zu ergänzen usw. usf.
Wie Rolf auch sagt (und das beruhigt mich doch etwas), ist es unter Pianisten wohl durchaus gängige Praxis, wirkliche Technik zu üben, einen Abschnitt 200 Mal zu spielen, bis er einigermaßen sitzt.
Das kann auch mal die Züge einer hängengebliebenen Schallplatte annehmen, was ist daran verwerflich? Ich lerne dadurch immer recht gut.
Selbstverständlich darf man die Musikalität nicht vergessen, aber sie bisweilen etwas "herunterzuschrauben", ist weniger anstrengend für den Geist.

Haydnspaß' Frage zum Technikerwerb:
Meiner Meinung nach ist das eine Mischung aus verschiedenen Möglichkeiten.
Die zwei wichtigsten: Zum einen ein guter Lehrer, der den Schüler und seine Gedanken und Bewegungen nachvollziehn kann und ihn bis zur Schwelle der nächsten Stufe heranführt, damit der Schüler sie nehmen kann. WIE der Lehrer das macht, ist sicher unterschiedlich!!
Und das andere ist die eigene Erkenntnis, Aha-Effekte, die man irgendwann durch Zufall oder nach längerem Üben, Überlegen, Ausprobieren hat.
Es kann einem niemand irgendwas ins Hirn pflanzen. Man muss selbst darauf kommen. Aber durch Lehrer (Bücherlesen, Musikhören, Pianisten beim Spielen zusehen (!), Austausch mit anderen,...) kann man schneller drauf kommen.
 
Durch hirnloses Pauken wird man die Oktaven wohl auch nicht lernen, im Gegenteil, wenn man nicht weiß was man tut und zu verkrampft oder mit zu viel Kraft arbeitet, kann man sich schnell ernsthafte Verletzungen holen.

:D tja... "hirnloses Pauken" setzt sicherlich bei vielen (evtl nicht bei allen) einen massiven operativen Eingriff voraus, und ich fürchte, dass der hippokratische Eid die Mediziner daran hindert, diesen ohne Not durchzuführen :D

um es etwas realistischer zu formulieren: gegen ein motorische Spezailitäten (z.B. schnelle Oktaven) aufbauendes (!!!sic!!!) Training ist nichts einzuwenden, und dieses findet nicht gedankenlos statt - - ABER man muss sich für das geschmeid und beweglich machen der Bewegungsabläufe NICHT permanent den höchstmöglichen expressiven Ausdruck vor Augen halten. gerade zum geschmeidig erhalten, aber auch zum allmählichen erwerben einer angemessenen "Spieltechnik" ist ein dem Sport vergleichbares Training ganz und gar nicht falsch. Dieses reduziert die Musik nicht auf eine sportliche Disziplin, sondern es dient der VORAUSSETZUNG, auf seinem Instrument - hier das Klavier - überhaupt Musik machen zu können.

den "materiellen", ganz trivial körperlichen Aspekt sollte man nicht kleinreden
- wer kennt die Erfahrung nicht, dass nach 14 Tagen klavierlosem Urlaub bei Sonne, Strand und sanft wiegenden Meereswogen die ersten paar Tage daheim eine partielle Orientierungslosigkeit in vielgeübten Etüden und eine vor dem Urlaub nicht gespürte Anstrengung zeitigen?
- wer kennt nicht die Erfahrung, dass meistens VOR dem schönen vorspielen die bösen "schwierigen Stellen" die meiste Arbeit machen?

Leistungssteigerungen bei Bewegungsabläufen erzielt niemand durch Analyse des musikalischen Gehaltes... dass der Geist zwar willig, das Fleisch aber schwach ist, ist doch eine allgemein bekannte Binsenweisheit, so trivial, dass man sie kaum noch erwähnt:D

Gruß, Rolf
 
nur so nebenbei, also off topic

Die h-moll Sonate habe ich nie gespielt. Vallée d'Obermann habe ich vor vielen Jahren so "trainiert". Solche Stücke sind aber am Ende doch nur für wirkliche "Profis" spielbar.

von 100 Klavierstudenten/innen trommeln vielleicht 10 nicht in h-Moll Sonaten, Liebestoden, Petruschkas, Ondinen, b-Moll-Konzerten und ähnlichen Grausamkeiten herum... ob das gut oder schlecht ist, will ich nicht entscheiden müssen. man wetzt das Messer halt am stärksten Stahl... (und nicht selten bricht die Klinge...)
 
:D tja... "hirnloses Pauken" setzt sicherlich bei vielen (evtl nicht bei allen) einen massiven operativen Eingriff voraus, und ich fürchte, dass der hippokratische Eid die Mediziner daran hindert, diesen ohne Not durchzuführen :D

Kennst Du die Geschichte von dem Preißen der gerne Bayer werden wollte? Man empfahl ihm, er solle sich Hirn einpflanzen lassen. Leider wurde aus Versehen das bischen vorhandene entfernt. Nach der "gelungenen" Operation meinte der Patient lapidar: "Is wuascht, hauptsach der Klammer g'winnt.

zum allmählichen erwerben einer angemessenen "Spieltechnik" ist ein dem Sport vergleichbares Training ganz und gar nicht falsch. Dieses reduziert die Musik nicht auf eine sportliche Disziplin, sondern es dient der VORAUSSETZUNG, auf seinem Instrument - hier das Klavier - überhaupt Musik machen zu können.

Ich bin überzeugt, Rolf. :)

Wie könnte nun so ein Trainingsprogramm konkret aussehen?
Wie machst Du das? Hast Du einen Trainingsplan?
 

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