Martin Stadtfeld

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6. März 2006
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Zur Zeit geistert ja der junge Pianist Martin Stadtfeld durch die Gazetten. Ich habe von ihm die Bach´schen Goldberg-Variationen gehört und fand die ziemlich gut. Was meint Ihr. Kann aus dem was werden. Ist Martin Stadtfeld mit internationalen Jung-Pianisten wie Lang Lang oder Yundi Li zu vergleichen?
 
Schwer zu sagen, sowas hängt immer auch von der Marketing-Strategie der Plattenfirma ab. Zudem hatte z.B. Lang Lang gar keine andere Möglichkeit, als den Schritt in die Internationalität, da er in China keine ausreichende Ausbildung bekommen hätte. Martin Stadtfeld hingegen studiert fröhlich in Frankfurt vor sich hin und nimmt ab und zu eine CD auf. Doch auch er ist bestimmt nicht zu unterschätzen. Er hat die besten Lehrer und wenn man ihn über Musik reden hört, macht er einen sehr reifen Eindruck, ähnlich wie Lang Lang. Was letztlich daraus resultiert, kann man nur erahnen. Wenn das Attribut des "Jahrhunderttalents" erstmal nicht mehr greift - das gilt für Stadtfeld und Lang Lang - dann geht es nur noch um das pianistische Können. Wie sich diese beiden Ausnahmepianisten diesbezüglich weiterentwickeln werden, wird die Zukunft zeigen.
 
Ich denke, dass Martin Stadtfeld eigentlich ein guter Pianist ist.
Ich war erst im Januar auf einem Konzert von ihm. Allerdings muss ich sagen, dass er leider ( genau wie Lang Lang und viele andere ) einfach nur auf technische Reinheit und Geschwindigkeit achtet. Wenn man sich alte Aufnahmen von Horowitz anhört und sie mit Stadtfelds Mozart vergleicht, hört man deutlich den Unterschied!
Leider ist der Trend in den letzten Jahren einfach in diese Richtung gegangen und besonders bei den Asiaten zu beobachten. Sobald man anfängt wie ein Computer zu spielen, hat die ganze Sache nicht mehr viel mit Musik zu tun!
 
@ Johannes

Lang lang als einen Pianisten zu bezeichnen, der maschinell perfekt spielt aber keine Musik und Affekte Emotionen in den Werken einbringt ist
sehr gewagt. Inwiefern meinst du Unterscheidet er sich von "Emotionalen" Interpreten? Seine Interpretationen sind in allen Gemütszulagen überzeugend. Viele halten ihn für arrogant, da er sehr leidenschaftlich und emotional spielt. Hast du ihn in der Carnegie hall spielen sehen? Wie in sich gekehrt und fast schon in schamesröter Lang lang Liszt Liebestraum gespielt hat ? Er ist ein Pianist der sogar das, was er empfindet nach außen projeziert, verglichen mit anderen Pianisten, die Kühl auftreten, obwohl die Musik emotional ist
 
Computerspiele % Musik

Hahaha, das ist wirklich gut, Lang Lang als einen Nichtemotionalen Klavierspieler zu bezeichnen!
In diesem Konzert überzeugt mich insbesondere die Träumerei!

Aber ein wenig kann ich mir dennoch vorstellen, was Johannes meint, wenn er von Horowitz (oder ähnlichen) spricht. Natürlich ist Klavier spielen eine äußerst emotionale darstellende Kunst, in der der Artist immer sehr viel von seinem Inneren preisgeben muss, um überzeugend zu sein. Wenn das gelingt, dann liegen Künstler und Zuhörer irgendwie auf der gleichen Wellenlänge und es baut sich eine hohe Spannung auf.

Von welchen Künstlern ist man wirklich emotional berührt? Obwohl ich Horowitz nie live gehört habe, berührt er mich mehr als Lang Lang, ohne dass ich erklären könnte warum genau das so ist. Auf jeden Fall halte ich Spieler wie Horowitz für extrem ehrlich (und damit im Kern tatsächlich für sehr emotional und verletzlich).
 
Naja, ich bestreite ja nicht, dass Lang Lang beim Spielen keine Emotionen hat, ich denke nur, dass er sie auf Grund seiner Geschwindigkeit, die wirklich oft einfach zu hoch ist, nicht über das Instrument ausdrücken kann. Wenn man Lang Lang spielen sieht, wirkt er wie eins mit dem Instrument, aber wenn man die Augen schließt und nur noch hören kann, klingt es für mich einfach zu sehr nach technischer Rafinesse(wozu meinetwegen auch Effekte zählen). Ich vermisse einfach die Klangfarben und kann Lang Lang deshalb unmöglich als unglaublich guten Pianisten bezeichnen!
 
In unserer Lokalzeitung ("Rhein-Zeitung") war am Wochenende ein schönes Interview mit Martin Stadtfeld; er kommt ja hier aus der Gegend.

Ich habe ein online-Abo der Zeitung und kann deshalb das Interview runterladen und hier einstellen, wenn

a) Interesse daran besteht und
b) rechtlich nichts dagegen spricht.

Gruß
Tosca
 
@Tosca

Natürlich wäre das Interview spannend für unsere Klaviergemeinde. Problematisch dabei ist, dass Du ein Dokument, dass die Rhein-Zeitung kostenpflichtig anbietet (Online-Abo), kostenfrei aller Welt zur Verfügung stellen würdest. Ich denke, das wäre zwar nicht so schlimm, doch sollte man bei der Rhein-Zeitung zumindest um Erlaubnis fragen. Vielleicht haben die ja nichts dagegen, denn nicht ist älter als die Zeitung von gestern ;) (und kostenlose Werbung ist das auch noch). Wenn Du Dir allerdings nicht die Mühe machen willst, mach ich das einfach. Sag´ Bescheid...


Gruß

Alexander Schmahl
 
So, hier nun das Interview mit Martin Stadtfeld aus der Rheinzeitung. Vielen Dank an Tosca :-D

Martin Stadtfelds Weg zum Erfolg

In kaum einer Zunft wird derart heftig um die Spitze gekämpft wie bei den Pianisten. Sehr gut Klavier spielen können viele - eine Karriere macht kaum einer. Martin Stadtfeld aus dem Westerwald ist es gelungen. Er berichtet aus den aufregenden Jahren des Aufstiegs.

Oben wird die Luft dünn: Das trifft auf jede Begabung zu, sei es in der Musik, in der Wissenschaft oder im Sport. Doch jede Sparte hat ihre eigenen Gesetze und ihr spezielles Platzangebot für Spitzenleistungen. In der Welt der Klaviervirtuosen ist dieser Platz begrenzt: Unter Tausenden hervorragend ausgebildeter Pianisten schaffen nur wenige den Sprung auf die Konzertbühne, einen Plattenvertrag nennen noch weniger ihr eigen. Der 26-jährige Martin Stadtfeld, geboren in Koblenz und aufgewachsen in Gackenbach im Westerwald, gehört zu dieser kleinen Gruppe. Mit einer Aufnahme von Johann Sebastian Bachs "Goldberg-Variationen" katapultierte er sich über Nacht in die Klassikcharts und auf die Programme wichtiger Festivals. Doch reibungslos wie im Märchen funktionierte auch sein Weg nicht: Im Gespräch erzählt der junge Virtuose vom Weg in die Terminbücher der Konzertveranstalter.

Herr Stadtfeld, von außen ist es wie im Märchen: Mit der ersten CD gleich in die Top Ten, Fernsehauftritte, Liebesbriefe auf der Homepage...

Ja, in den letzten drei Jahren ist unglaublich viel passiert. Dabei haben die Ereignisse für mich eine gewisse Kontinuität: Meilenstein war der Bach-Wettbewerb 2002 in Leipzig, da konnte ich in Fachkreisen auf mich aufmerksam machen.

Sie haben diesen wichtigen Wettbewerb als erster bundesdeutscher Pianist gewonnen. Wie wichtig ist eine solche Marke?

Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen - unsere Klassikszene ist eine sehr kleine Welt. Ich hatte so auf einmal den Status eines Geheimtipps - das ist eine unheimlich gute Eintrittskarte. Dann geht erst mal alles von selbst, man erhält Einladungen, dann kommen die ersten Kritiken, man steht in der FAZ...

Wie sind die Kritiker mit Ihnen am Anfang umgesprungen?

Durchweg sehr wohlwollend. Ich glaube, man hat erst mal eine Art Welpenschutz, und es macht auch den Kritikern Freude, zu beobachten, wenn jemand viel versprechend anfängt und den Durchbruch noch nicht geschafft hat.

Dann kam der nächste Schritt...

Ja, natürlich: Die CD. Ich hatte einen ganz losen Kontakt zum Label Sony. Das hörte sich nicht schlecht an, blieb aber ganz vage. Davon hatte ich irgendwann genug und dachte mir: Mache ich halt mal eine Platte. Der SWR hat mir die Möglichkeit gegeben, die "Goldberg-Variationen" im Studio aufzunehmen. Das lief ganz problemlos. Wesentlich schwieriger war für mich die Wahl des Klavieres: Ich war mir bewusst, dass bei dieser Platte alles stimmen muss, dass ich ein Instrument brauche, auf dem ich ganz uneingeschränkt meine Emotionen ausdrücken kann. Und ich habe es gefunden: Es gibt in Mailand einen "Edeltuner" für Steinway-Flügel, der mir drei Instrumente vorbereitet hat. In einen davon habe ich mich total verliebt - der würde 100 000 Euro kosten, aber er hatte auch wirklich alles, was ich wollte. Ich habe ihn mit Riesenaufwand nach Kaiserslautern ins Studio transportieren lassen. Und das habe ich selbst zahlen müssen.

Was ist das für ein Gefühl, mit solchem Aufwand zum ersten Mal ins Studio zu gehen?

Ich hatte mir viel vorgenommen - ich wollte eine Visitenkarte, von der ich sagen kann: "Hier, Leute, das ist meins!" Drei Tage im Studio, das war schon eine Kiste. Der erste Tag hat gar nicht gut geklappt, ab dem zweiten war ich ganz entspannt, wir haben wild drauflos aufgenommen und gar nichts mehr abgehört währenddessen. Und dann kam das Warten - ich habe die Bänder mit zitternden Fingern abgehört und war ganz froh mit dem Ergebnis. Dann ging das Ergebnis nach Berlin zu Sony - aber da war ich schon ganz gelöst. Ich war mit sicher, alles gegeben zu haben. Und dann kam auch der erlösende Anruf: "Das gefällt uns supergut, das machen wir!"

Dann ging der Rummel richtig los...

Ja, die Plattenfirma wurde richtig aktiv. Interviewtermine, PR-Auftritte, Fotoshooting. In dieser Zeit habe ich viel dazu gelernt - ich konnte mich aber immer ganz gut entspannen. Die meisten Klippen habe ich recht unbefangen umschifft, zum Beispiel den Auftritt in der "NDR-Talkshow". Eigentlich ist so etwas für mich wie vor einem wichtigen Konzert: ein angenehmer Kick.

Dann waren Sie im Handumdrehen überall präsent, vom Fachblatt bis zur Frauenzeitschrift, auf Ihrer Homepage schwärmten reihenweise weibliche Fans...

Es war schon komisch, über mich überall in den Zeitungen und sogar in den Internet-Chats zu lesen - ich konnte mich selbst sehen wie durch eine Glasscheibe. Anfangs war all das für mich und bedeutsam. Und ich war fürchterlich angreifbar. Wenn jemand etwas gegen mich schrieb, was auch ins Persönliche ging, konnte ich das zunächst gar nicht einordnen.

Irgendwann ist auch bei den Kritikern der von Ihnen genannte "Welpenschutz" vorbei - wie verändert sich die Situation, wenn man nicht mehr Geheimtipp ist und die Fachpresse auch mit harten Bandagen loslegt?

Der erste Verriss - ja, er trifft einen schon. Ich hatte ihn einfach nicht für eine Sache erwartet, die ich liebe und mit Leidenschaft mache.

Kam das wirklich so unerwartet? Sie waren ja schließlich mit einem großen Werk an den Start gegangen, das zu Vergleichen mit wichtigen Kollegen provoziert - und Sie haben sich mit Ihrer unorthodoxen Interpretation doch ziemlich aus dem Fenster gelehnt...

Das war mir nicht bewusst, weil das einfach meine Art war, Bach zu spielen. Oktavieren, Hände kreuzen - das machte ich schon lange. Der riesige Erfolg hat auch mich überrascht.

Sie sind für die "Goldberg-Variationen" mit dem Echo-Preis als Nachwuchskünstler mit hervorragenden Verkaufszahlen ausgezeichnet worden - die zweite Platte kam gleich hinterher. Warum wieder Bach?

Alle haben mich gewarnt: "Nimm bloß nicht sofort wieder Bach auf, sonst landest Du in einer Schublade, aus der Du nicht mehr rauskommst!" Aber als Sony gleich wieder eine Platte herausbringen wollte, fand ich es ganz logisch: Ich habe soviel Bach gespielt, und ich hatte so ein ausgefallenes Recital-Programm rund um Bach, das es noch gar nicht so häufig auf Platte gibt. Und diese zweite CD lief tatsächlich ähnlich gut im Verkauf wie die erste.

Im vergangenen Jahr und 2006 ist Ihr Konzertkalender pickepacke vollgestopft - wie gehen Sie mit diesem großen Programm um?

Nach der CD kamen die Einladungen für die kommende Saison. Deswegen merke ich diesen großen Effekt erst seit ein paar Monaten. Es ist für mich überwältigend, dass ich mit reinen Klavierabend-Programmen ohne Orchester auch in große Säle eingeladen werde. Im Studium hatte ich immer wieder gehört: Man kann in die großen Säle nur noch die Superstars einladen, Maurizio Pollini, Alfred Brendel, Martha Argerich - auf einmal werde ich dort selbst eingeladen. Das ist ein riesiger Vertrauensvorschuss, den ich jetzt erfüllen muss. Das Schönste an den Konzerten: Es kommen viele junge Leute. Ich kann also glücklicherweise nicht einstimmen in das allgemeine Wehklagen über das überalterte Publikum. Dabei ist ja so ein Klavierabend mit seiner langen und totalen Konzentration auf nur eine einzige Sache heutzutage eigentlich völlig anachronistisch - aber vielleicht ist genau das das Geheimrezept.

Quelle: Rhein-Zeitung - Ausgabe Koblenz Stadt vom 22.04.2006, Seite 61. - Rhein-Zeitung
 
ich persönlich mag es schon mal nicht, wenn musiker vermarktet werden und ich habe leider auch dieses unangenehme vorurteil, dass heutige pianisten nicht unbedingt langweilig, aber bei weitem nicht so "ehrlich espressiv" spielen wie etwa ein backhaus etc. vlt. liegt das auch an den verschobenen verhältnissen - während früher eher der klang und die eigene identität beim klavierspielen dominierend waren, legt man doch heute großen wert auf perfektion. alle müssen am besten mit 10 jahren die chopin-konzerte schon spielen, dann sind sie immerhin wunderkinder. dann kommen noch die schweren virtuosen brocken hinzu und ein wunderkind ist es wert, vermarktet zu werden. wenn man dann noch so schön die stirn runzeln kann wie martin, oder noch besser, solche wundervollen gesichtsausdrücke wie lang (2x) besitzt, kommt man mit garantie bei sony, emi, wie sie alle heißen unter vertrag.
überzogen, ich weiß. aber ein fünkchen ist dran...
 

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