Diese behaupten, dass Dinge, die von anderen als Zufall eingestuft würden, passieren, weil sie es in ihrer aktuellen Lebenssituation gerade brauchen, und zwar Dinge wie zufälliges Wiedertreffen alter Bekannter, Autounfälle, Erkrankungen,, unvermuteter Erhalt oder Verlust von Geld, etc.
Die Annahme, dass das Universum Dinge geschehen lasse, weil eine Person sie in der aktuellen Situation gerade "braucht", ist hochgradig problematisch. Erstens setzt sie eine aktiv handelnde(!) Intelligenz in der Schöpfung voraus, was dazu führen kann, dass man Eigenverantwortung verdrängt: "war halt Schicksal, was hätte ich tun können". Zweitens ist die Idee, dass sich letztlich die Welt allein um einen selbst drehe, ganz schön narzisstisch. Drittens, und den Teil finde ich besonders schlimm, neigt diese Haltung dazu, auch bei negativen Ereignissen die Ursache beim Opfer zu suchen: "Deine Familie ist gerade bei einem Autounfall gestorben? Das hast du dann wohl 'gebraucht'."
Letztlich ist das Grundproblem eines, das in der Religionswissenschaft auch als "Theodizee" bekannt ist. Wenn man einen gütigen, allmächtigen und aktiv handelnden Schöpfergott annimmt: wie kann dieser gleichzeitig gütig und allmächtig sein? Es gibt ja genug Leid auf der Welt, das sich
nicht auf menschliches Handeln zurückführen lässt, für das es also keinen "Täter" gibt; und dem Opfer über Karma oder Schicksal oder ähnliches quasi die Teilschuld zu geben, ist, um eine sehr vorsichtige Vokabel zu nutzen, kein sonderlich feiner Zug. Es ist ein wohlfeiles Verhalten der Allgemeinheit, das letztlich vor allem Arroganz ausdrückt: uns ist es nicht passiert, weil wir besser, aufrichtiger, gläubiger waren. Eine furchtbare Grundeinstellung.
Die einzige Alternative ist für den religiösen Menschen, den "aktiven" Part aus der Gleichung zu nehmen, also eben
nicht einen aktiv handelnden Gott anzunehmen. Damit wird Theodizee zwar nicht komplett aufgelöst, aber deutlich entschärft. Auf der anderen Seite muss man dann eben doch akzeptieren, dass Zufälle und Unglücke passieren, deren Sinn man allerhöchstens im "großen Ganzen" finden kann. Wie ich schon sagte: Menschen mögen Zufall nicht. Er ist unserem Wesen zuwider, welches darauf ausgelegt ist, überall Muster zu suchen. Zufall ohne Muster, ohne "Sinn" erscheint uns unangenehm. Daraus aber zu schließen, dass es keinen Zufall
gebe, ist nicht zulässig.
Insofern würde ich tatsächlich einen Naturwissenschaftler oder Arzt, der mir erzählt, das Universum lasse für ihn Dinge geschehen, nicht ernst nehmen können. Mir persönlich ist zumindest in meiner eigenen akademischen Zeit unter all den Physikern, Chemikern und Ingenieuren, die ich kennenlernen durfte, allerdings auch niemand derartiges begegnet. Bei Ärzten dagegen findet man genug Leute, die auch an magische Zuckerkugeln glauben; soviel zu "der Esoterik unverdächtig".