Loslassen - ein Geheimnis der Virtuosität?

ja, Du hast mir das ausfühlich erklärt und bei Gelegenheit, werde ich es anwenden (in Pausen oder im Zug tippen - da muss es halt ohne pc-tipp-technische Spitzfindigkeiten schnell gehen)

So weit ich mich erinnere, sind wir damals bei der Erklärung allerdings auf halbem Weg stehengeblieben... :eek: Naja, wenn du irgendwann weitermachen willst, können wir das dann nochmal angehen. ;)

Grüße von
Fips
 
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Der Sänger im Pianisten

Das sind aber recht wenige Kommentare zu deinem ausführlichen Bericht.
Ich denke das A und O ist die geistige Entspanntheit. Das ist jetzt auf einer Ebene die vielleicht etwas schwierig zu erklären ist und vielleicht sehr un konkret scheint, aber doch im Grunde alles ausmacht. Das das gute Klavierspiel auf solche wesentliche Dinge zurückgreift, ist gerade das Schwierige Im Grunde gilt das für jeglichen Musiker.

Ich behaupte, das auch manch toller Pianist nicht weiß, wie man richtig loszulassen hat. Manche können auf diese geistige Gelassenheit viel besser Zugriff nehmen als andere. Was nicht heißt, das man dies nicht erlernen kann. Doch ich denke der ein oder andere wird auch trotz toller Technik immer die ein oder andere Verspannung haben...wo auch immer.
Technik ist also nicht nur eine Frage der Fingerfertigkeit, Präzision oder Fähigkeit so wenig wie möglich Tun zu können (sparsame Bewegungen), sondern auch eine geistige Haltung, die erforderlich ist.
Anspannung äußert sich auch in Nervosität! Lampenfieber zB. vor einem Konzert oder auch ein wenig aufregung während eines Konzertes sind als völlig normal zu betrachten und meine Ansicht nach auch förderlich, weil sie die Leistungen selbst noch um einiges verbessern. Alles was darüber hinaus geht ist dem Klavierspiel. bzw musizieren hinderlich.

Aus eigener Erfahrung aber sage ich, das man diese Nervosität auch schon während des Übens im "stillen Kämmerlein" merkt. Wie Stilblüte uns ausführlich berichtet hat, darf man nicht zu viel auf einmal wollen. Also das Tempo forcieren zB.. Es ist also wichtig sich erstens nicht für einen schlechten Klavierspieler zu halten, zweitens daran zu glauben Fortschritte zu machen und drittens aufzuhören, wenn die Konzentration nachlässt.

Wir Pianisten können unglaublich viel von den Sängern lernen. Andras Schiff sagt dies auch! Wir müssen unser Instrument als unser eigenes betrachten. der Sänger ist sein eigenes Instrument und tut gut daran es zu schonen. Auch ist die Stimmung des Sängers unglaublich wichtig bei der Klanggestaltung. Singt man eine Übung als Übung...so klingt sie wie eine Übung...matter langweilig...unschön. Stellt man sich einen Ton nicht richtig vor, so klingt er nicht gut ist vom Kehlkopf falsch eingestellt und verursacht mitunter Stimmschäden. Denkt der Sänger nicht in Frasen, so hört man keine. Hat der Sänger angst vor einer Koloratur, einem hohen Ton, so verspannt er innerlich und die Stimme bricht, weil die kraft für das eigentliche fehlt.

Fast alles (eigentlich wirklich alles) steuert der Sänger über Vorstellung. Wir Pianisten müssen begreifen, dass wir nur so, durch die Vorstellung, wirklich eins mit dem Instrument werden können.
Das ist leider sehr schwer zu vermitteln, doch es geht. Aber wie alles muss man auch das üben. Die Vorstellung. Der Sänger macht nichts anderes!


Viele Grüße

Clara
 
Wir Pianisten können unglaublich viel von den Sängern lernen.

hallo Clara,

das unterschreibe ich sofort!!! ja ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: nicht nur von den Sängern (Interpreten) lernen, sondern von den Melodikern (u.a. Verdi, Puccini, Wagner, Weber, Chopin - da gibt es einige).

aber dabei - nach der Kenntnis der Melodiker - eben doch wieder von den "Sängern" lernen (was übrigens schon Horowitz wärmstens empfohlen hatte!): wie gestaltet Alicia de la Rocha eine Verdi-Melodie, wie gestaltet Birgit Nilson die Wagnersche Isolde, wie Gwynneth Jones Wagners Brünnhilde, wie Wolfgang Windgassen den Tristan, wie Maria Chiara die Aida und Luciano Pacarotti den Verdischen Radames - - - ich versteige mich sogar zu der Behauptung, dass alle Klaviermusik melodisch zu empfinden, zu fühlen und zu denken ist (letzteres im Sinne des mit-Fühlens/Denkens/Singens)

führt diese Überlegung weg von der Frage nach dem Loslassen? NEIN - das tut sie nicht: alles geübte loszulassen KANN bedeuten, sich nach den manuellen Hausaufgaben (Liszt nennt das die schmutzige Wäsche) ganz auf den melodischen und klanglichen Gehalt zu konzentrieren, und MELODIE (sempre cantabile) ist das, was wir subjektiv & emotional mitdenken, mitempfinden und gestalten können.

in diesem Sinne würde loslassen bedeuten, nicht mehr primär das manuelle Geschehen zu beobachten und zu überwachen, sondern stattdessen ganz im melodisch/klanglichen Verlauf zu sein und diesen "heraus zu singen" - - ich weiss, dass das sonderbar wirken kann... vielleicht hilft da die sachlichere Begriffswahl des "melodischen Denkens". --- wie gesagt, nur vielleicht - ich kann das (leider) nicht vollumfänglich als "Regelwerk" beschreiben. ich kann nur mitteilen, dass selbst die perkussivsten "Virtuosenstücke" (suggestion diabolique, danse russe, allegro barbaro) melodisch aufgefasst und gespielt werden sollten.

ob das aus diesem Thema-Faden hier hinausführt? für mich nicht - aber das will ich nicht generalisieren.

ich wenigstens freue mich über Deine Bemerkung zum Singen!

liebe Grüße, Rolf
 
Ich war eine Woche nicht da und habe deshalb nicht geantwortet.
Es haben sich doch spannende Diskussionen ergeben, auch wenn die teilweise überhaupt nichts mehr mit dem zu tun hatten, was ich meinte... :floet:
Diese ganzen THeorien mit dem Fallenlassen, Loslassen, dem Lockerbleiben, legen alle die volle Konzentration auf die eine Hälfte des Spielvorgangs - während gleichzeitig die andere Hälfte verleugnet wird.

Und wenn es dann trotz Loslassens nicht funktioniert, dann ist man eben noch nicht locker/gelöst genug. Und so kann man Jahre und Jahrzehnte verbringen.
Ich glaube, du meinst da immernoch ein anderes Lockersein als "mein" Loslassen. Wenn es trotz Loslassens nicht funktioniert, dann hat man schlicht und ergreifend zu wenig geübt. Loslassen hat nichts mit Übeaufwand/-Strategie zu tun, viel mehr mit der Art und Weise, wie man grundsätzlich spielt. Vielleicht könnte man auch sagen, "gelöst" Klavierspielen, souverän, man steht nicht in den Dingen, sondern über dem Dingen, vielleicht wie eine Art Allmacht? :D
Dann widerspricht es auch nicht, angespannt zu sein, während man loslässt.
Das Gefühl stellt sich (tendentiell) automatisch ein, wenn man ein Stück gut kann und oft vorgespielt hat. Aber man kann es wohl auch bewusst herbeiführen (!).
--- Das ist übrigens genau das, was du weiter hinten als Virtuosität beschreibst: Virtuos ist, wenn ich nicht höre, dass es schwer fällt (was etwas anderes ist, als dass ich höre, dass es schwer ist). Ich höre / sehe das nicht, wenn es tatsächlich so ist, wenn also alles mit Leichtigkeit passiert - man über den Dingen steht.

@Viola: Was du in deinem "Instanzenmodell" ((8) es erinnert doch daran)) beschreibst bzw. was passiert, wenn man die bessere Seite in den Vordergrund stellt, erinnert mich an die Beschreibung eines Flow. Im Prinzip ist es doch das - alle Ängste, Zweifel und Hemmungen loslassen und in der Musik aufgehen. Ich finde, man kann dabei alles Esoterische weglassen.

Ich denke, Loslassen bedeutet, daß man darauf verzichtet, beim Spielen seine Gedanken und Pläne der Interpretation einzubringen, sondern sich stattdessen von der Musik leiten zu lassen...
Auf diesen Beitrag Bezug nehmend: - Was du beschreibst, ist etwas anderes, als ich meine. Jedenfalls kommst du von einer anderen Richtung, wenn doch mölicherweise das Ziel auch dasselbe ist. Allerdings ist dein Beitrag noch idealistischer und theoretischer. Sich vond er Musik leiten lassen - was heißt das schon? Das Gefühl habe ich, wenn ich bereits das geschafft habe, was ich durch meinen Blog zu erklären versuche. Ich versuche zu beschreiben, wie sich das manuell anfühlt, auch wenn natürlich die Gedankliche Ebene dafür eine sehr maßgebliche Rolle spielt. Trotzdem Zielt mein Blog nicht ganz so stark auf die Einstellung zur Musik als solche ab, sonern eher auf die Einstellung beim Spielen und wie sich das anfühlt.
Ich gebe zu, irgendwie ist das dasselbe und ein extrem schmaler Grat - ich kann das jetzt auch nicht weiter definieren, sorry.

@ Fips: Deinen Beitrag fand ich gut und kann das nachvollziehen. Ich stimme übrigens total damit überein, dass es nicht richtig ist, sich selbst beim Interpretieren außen vor zu lassen. Allerdings ist dann die Frage, was Interpretieren überhaupt heißt - Ravel sagte sinngemäß, man solle seine Musik nicht Interpretieren, nur spielen. Vielleicht meinte er aber damit eben, dass ma nicht versuchen soll, irgendwelche Versteckten Absichten seinerseits "zwischen den Zeilen" zu suchen, sondern die Musik so offenbar zu nehmen und spielen, wie sie ist. Dass man Phrasen spielt, Vorhalte betont und die musikalische Struktur und Atmosphäte herausbringt, ist ja eigentlich logisch.

Wenn man das im Kopf hat - bzw. daran denkt, ist das schon kein laufen lassen mehr. ...
Ähnliches gilt für das Loslassen. Man nimmt es sich vor und tut es dann. Solange man denkt "ich lasse los", hat man garantiert noch nicht losgelassen. Aber das Loslassen ist etwas schwerer als einen Lauf zu spielen.
Das sehe ich nicht so. Ich bin der Meinung, dass man schon bewusst loslassen kann, denn man kann sich ja auch bewusst entspannen. Und "loslassen" bedeutet eigentlich nichts anderes, als kontrollierte geistige und mentale Entspannung der Einstellung und sonstigem, dem automatisch und bewusst die Entspannung der (nicht benötigten) Muskeln folgt.
Feuchtwanger schrieb, man solle herumstehen und Klavierspielen wie ein Affe, mit hängenden Armen und schlacksig - das triffts ziemlich gut.
Wenn ich nie absichtlich loslassen könnte - wie soll ich es dann lernen?



- Problemstellung...
- Recherche
- Hypothesenbildung
- Überprüfung - neue Hypothesenbildung (zB neuer Fingersatz)...
es klappt immer noch nicht, das Problem wurde nicht behoben
- Depression...
- Aufgabe (Loslassen)...
- Illumination (Erleuchtung)
Ich glaube, ein erfahrener Klavierspieler (oder Sportler, Autor, Erfinder, Architekt, sonstwas) wird sich dieser Reihenfolge früher oder später unbewusst oder bewusst bewusst (:D) und schaltet die Punkte "Depression" und "Aufgabe" irgendwann aus. Oder zumindest schaltet er sie erst dann an, wenn ihm klar wird, dass die Erleuchtung noch nicht im kurz/mittelfristigen Bereich seines Könnens liegt.

Das "erarbeiten" klingt nach Anstrengung und Mühsal,... braucht es einfach seine Zeit. Das nötige Wissen und die Erfahrung erlangt man oft garnicht durch das aktuell zu lernende Stück, sondern hat es bereits vorher durch das Spielen anderer Stücke erworben.
...
Ich rede hier nicht der Verkrampfung das Wort! Die angesprochene Schludrigkeit ist nicht das Ergebnis von zu wenig Verkrampfung, sondern von zu unkonzentriertem Spiel.
Ich wollte wirklich nie behaupten, dass man durch irgendein Loslassen nötige Übezeit einsparen kann - nur unnötige. Wenn ich mit Holzschuhen Joggen gehe, komme ich auch irgendwann an und muss den Weg zurücklegen, aber vielleicht bin ich ohne schneller, obwohl ich die gleiche Wegstrecke gehen musste.
Was die Schludrigkeit angeht, stimme ich dir zu. Mein Blog bezieht sich auf die Situation, dass man grundsätzlich weiß, wie man effektiv und nachhaltig übt und nicht auf hyperaktive, unmotivierte Klavierschüler.

@ Clara:
Ich finde das Singen nach wie vor und unbedingt essentiell für das Musizieren, wie ich ja auch schon oft geschrieben habe. Ich frage mich, warum nicht bei jedem Musikstudium Gesang im Nebenfach Pflicht ist.

So, das war viel Text, entschuldigung, aber ich musste ja die letzte Woche abarbeiten *g*
 
Sich vond er Musik leiten lassen - was heißt das schon?

Höre ich da Zweifel an der Wichtigkeit, sich von der Musik leiten zu lassen?

Es heißt, daß man sich davon leiten läßt, welche Richtung die Musik vorgibt, z.B. durch einen Leitton, Dissonanzen, Vorhalte, Entfernung von der Tonika, allgemeine Richtungstendenz einer Melodie, etc. etc. Und zwar spontan, so, wie man es gerade beim Spielen empfindet. Das ist ganz anders als wenn man sich vorher sagt "hier wird eine Dissonanz aufgelöst, das spiele ich dann so...", denn so spürt man die Intensität von Dissonanz und Auflösung und kann dementsprechend mehr oder weniger intensiv darauf reagieren, was man sich in erster Linie auch erlauben muß. Das ist so ähnlich, wie Tanzen nach einer bekannte Musik, wo man einerseits mit der Musik mitgeht, andererseits aber auch schon in Erwartung bestimmter Momente im voraus reagiert, nur daß man beim Tanzen häufig eher die Selbstdarstellung im Vordergrund steht, als daß man der Musik gerecht werden wollte.
 
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Ach so meinst du das.
Nun, das hat wirklich gar nichts mit dem zu tun, was ich in meinem Blog beschreibe.
Trotzdem finde ich den Ansatz gut - ich analysiere selten bewusst meine Stücke, ich spiele meistens, wie du es beschreibst, nach "Gefühl".
Anders hieße es, man konstruierte sich Gefühle zu dem, was man analysiert hat, das sollte nicht sein. Die Analyse kann allenfals zum besseren Verstehen des Stückes und damit natürlich auch einer Bestätigung der gefühlten Atmosphäre usw. beitragen.
 
Hi Stilblüte,

Du hast vollkommen recht damit, dass man die ganze Terminologie in der Schnittstelle zur Esoterik skeptisch betrachten kann. Nur ist schon alleine der Begriff "Loslassen" sowas von esoteriknah, dass dieser Bereich zwangsläufig aufkommen muss. Wenn ich mich an die Lehren aus meiner Kampfsportzeit erinnere - damals hatte ich überhaupt keinen Plan von Zen und Tao - dann können wirklich viele Leute über sich hinaus wachsen, wenn sie vor allem das Ego (Verstand) abschalten (= loslassen). Das ist mehr als nur mentale Kontrolle.
Nun ja, aber Du scheinst solche Gedankengänge ja nicht besonders zu favoritisieren. Das macht nichts, denn die Dinge sind, wie sie sind. Man kann sie abstreiten oder annehmen oder auf allen anderen Wegen ans ziel kommen.
Deine Signatur verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht (Welt/Traum) - ein alter buddhistischer Spruch von vor fast 5000 Jahren. Das ist Eso pur ;) auch der Spruch, dass Klavierspielen die Kunst des Loslassens ist ;)
Was du in deinem "Instanzenmodell" ((
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es erinnert doch daran)) beschreibst bzw. was passiert, wenn man die bessere Seite in den Vordergrund stellt, erinnert mich an die Beschreibung eines Flow. Im Prinzip ist es doch das - alle Ängste, Zweifel und Hemmungen loslassen und in der Musik aufgehen. Ich finde, man kann dabei alles Esoterische weglassen.

Erkläre mir doch bitte, WAS man dann an diesem Esotherikkram weglassen kann? Flow ist für mich Esoterik...

Das Instanzenmodell ist eine wissenschaftliche Untersuchung nach Siegfried Preisner aus dem Jahre 1968 und beschreibt einfach nur die Phasen des kreativen Prozesses, da ist nix mit Esoterik.


zu Deiner letzten Ausführung:
Ich für meine Person nähere mich den Kompositionen immer analytisch an. Jeder Ton hat eine Aufgabe, eine Bedeutung - da lasse ich mich eben "von der Musik leiten" - aber das ist völlig falsch ausgedrückt, denn ich habe nur das Gefühl, mich von der Musik leiten zu lassen. In Wahrheit ist die Musik nur der Anlass mich "einer" Leitung durch meine Seele (besserer Ausdruck fällt mir nicht ein) zu übergeben. Diesem Gefühl folge ich und das ist niemals konstruiert. Dieses Gefühl IST einfach. Tja, und dann ist vor allem wichtig für mich, was "zwischen" den Tönen passiert. Das Wesentliche in der Musik ist immer noch die Stille hinter den Tönen, das, was in den Pausen passiert. Viele Komponisten haben sich hierzu immerwieder geäußert, Stockhausen, Satie, JS Bach sogar. Ohje, noch mehr Esoteriker...

;)

Alles Liebe

Viola
 
Hi Viola,

Kurz zu meiner Signatur:

1. l'art-pour-l'art ist ein wichtiger Leitspruch des Symbolismus, eine wie ich finde interessante Epoche, und außerdem finde ich den Spruch selbst einfach genial und äußerst wichtig: Die Kunst für die Kunst, also die Kunst allein um der Kunst willen. Kunst (Musik) braucht keine Rechtfertigung à la "fördert die Konzentration, hält das Gehirn auf Trab undsoweiter", sondern sie darf da sein, weil sie so schön ist, das reicht schon.

2. Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt: mag sein, dass solche Gedanken auch buddhistischen Ursprungs sind (?); dieses Zitat stammt aber von Novalis, ebenfalls Romantiker. Ich finde dieses Zitat zum einen spannend (man kann sehr viel darüber nachdenken und es steckt viel dahinter...! Man lese nur mal "Sofies Welt"). Außerdem passt der Spruch gut in meine Lebenssituation.

3. Klavierspielen ist die Kunst des loslassens - wo der Spruch herkommt, weiß ich nicht, ein Claviomitglied hatte ihn mal als Signatur. Vielleicht hat er/sie ihn sogar erfunden (Rosenspieß vielleicht? Ich weiß es leider nicht mehr...). Was genau hier mit "loslassen" bezeichnet wird, ist nicht klar; aber jegliche Form davon ist für das Klavierspielen gut und wichtig.

Gut dann weiterhin - ich glaube, wir müssten mal klären, was genau unter Esoterik zu verstehen ist oder was du/ich meinen. Für mich ist das ein negativ behafteter Begriff. Es ist für mich vergleichbar mit Aberglauben oder leichten Formen des Okkultismus, Horoskopen, Sternbildern - Dinge, mit denen ich wirklich nichts anfangen kann und will.
Vielleicht definierst du Esoterik eher durch alles, was sich in der geistigen Ebene abspielt, also Gedanken, Gefühle, Gemüt, Atmosphäre, Eindrücke, Einstellung usw.; dagegen habe ich nichts ((:D)), ich mag halt das Wort Esoterik nicht.
Was das Reden über Geist, Seele, Gemüt, Entspannung angeht, so ist der Grat zwischen echt erlebtem und Hokus-Pokus wohl manchmal schmal.
Wenn das Klavierspielen wie das Singen und überhaupt das Musizieren zwar auch äußerst viel mit Einstellung, Geisteshaltung, Gefühlen und Gedanken zu tun hat, so ist es für mich doch irgendwie ein Handwerk.
 
Liebe Stilblüte,

jetzt verstehe ich was Du meinst. Danke für Deine schöne Antwort! Ich mag das Wort Esoterik im Prinzip auch nicht, früher lehnte ich es völlig ab. Und doch gibt es Dinge im Leben, die sich einer reinen nüchternen bzw handwerklichen Betrachtung zu entziehen scheinen. Ich hatte gute Lehrer, die versucht haben, mir auch diesen Bereich des Irrationalen in der Musik (und das ist der eigentliche Grund des Musizierens) auf eine handwerkliche Basis herunter zu brechen: wie kommt die Magie in die Musik! Da begibt man sich leicht auf eine Ebene des Unaussprechlichen, obwohl Phänomene darstellbar und nachvollziehbar sind. Kampfsport blickt da auf jahrtausende alte Traditionen zurück, Klavierspiel erst auf maximal 300 Jahre. Doch das mentale Handwerkszeug ist im Prinzip ähnlich.

Für mich ist Klavierspiel niemals irgendwie "Handwerk". Mit dem ersten Ton den man anschlägt begibt man sich sofort auf die Ebene der Kommunikation, der Mitteilung, der Verbundenheit mit sich und anderen. Auch beim Üben. Rein handwerkliches Üben fürt meines Erachtens in die falsche Richtung. Daher schwingen bei mir sofort andere Überlegungen mit, wenn Du das Thema "Loslasen" so rein auf die Muskelebene begrenzt.

Alles Liebe

Viola
 

Anfassen und Loslassen

Es ist also wichtig sich erstens nicht für einen schlechten Klavierspieler zu halten, zweitens daran zu glauben Fortschritte zu machen und drittens aufzuhören, wenn die Konzentration nachlässt.

Fast alles (eigentlich wirklich alles) steuert der Sänger über Vorstellung. Wir Pianisten müssen begreifen, dass wir nur so, durch die Vorstellung, wirklich eins mit dem Instrument werden können.

Aber wie alles muss man auch das üben. Die Vorstellung.
Hallo Clara,

Was Du hier schreibst ist wunderbar!

Das allerwichtigste ist, sich nicht für einen schlechten Klavierspieler zu halten. Das ist die erste Hürde, die man nehmen muss, bevor man überhaupt damit anfängt zu musizieren. Man eintscheidet, dass man gut darin ist. Punkt. Keine Zweifel! Dann entscheidet man, dass man mit Übung mehr erreichen kann und beharrt darauf. Zwischendurch rastet man - ok!

Was vielleicht noch wichtig ist, für jene die es nicht glauben wollen ist die Liebe zur Musik, die Liebe zum Instrument, die Liebe zu sich selbst und die Liebe zum Publikum. Merkt man selbst, dass eines dieser 4 Dinge unterentwickelt ist, so arbeitet man daran verstärkt um es zu bessern - ein kleine Verbesserung daran alleine schafft schon Fortschritt beim Klavierspielen, ohne eine Taste zu berühren. ;)

...und dass die Musik und alles drum herum zuerst mal in der Vorstellung begründet und lebendig werden muss, ist die Voraussetzung für jeglichen Erfolg. Also arbeitet man an der Vorstellung aller vorher erwähnten Punkte bevor man aktiv daran geht es zu tun.

Für mich ist das die Voraussetzung zum los lassen. Man kann erst "loslassen" wenn man sich mit "anfassen":D beschäftigt hat - das sind die elementarsten Dinge - und sie gehören zusammen!


LG
Michael
 
Hi Michael,

ist das nun Esoterik, was Du da beschreibst oder nicht?

Ich stimme Dir jedenfalls in allen Punkten zu!!

Alles Liebe

Viola
 
Ich finde, das ist keine Esoterik :cool:
Esoterik wäre, wenn ein Bekannter sagt, er setzt sich ins Publikum während ich spiele und sendet mir während des Konzertes unablässig positive Energie, damit ich nicht rausfliege...

Viola, mit Handwerk meine ich, dass das Klavierspielen doch auch eine manuelle Kunst ist, anders als z.B. Schauspielerei, Bücher schreiben oder auch Malerei. Letzteres noch am ehesten - und musizieren ganz besonders: Es ist eine Verbindung von vielen Fähigkeiten aus verschiedenen "Lebensbereichen", und (auch) das macht es gerade so reizvoll.
Man benötigt Geschick, Koordination, Körperbeherrschung und genaue Kenntnis des Körpers bzw. der Bewegung, motorische Fähigkeiten, Beherrschung kleinster, feinster Bewegungen und auch solchen in größeren Zusammenhängen, Ausdauer, und so weiter. Das ist der eine Teil.
Der zweite spielt sich auf der geistigen Ebene ab, das sind also Musikalität, Feinfühligkeit und alles, was sonst noch dazugehört, dass Musik "schön" wird.
Drittens ist Ehrgeiz, Zielstrebigkeit, Motivation, ein immer wieder aufstehen und Durchhaltevermögen, sowohl langfristig als auch beim Üben wichtig; außerdem auch ein Stück weit Selbstaufgabe.
Viertens braucht es für einen (Berufs-)Musiker noch die Fähigkeit, mit Publikum und Konzerten umzugehen, also Mut, Selbstbewusstsein, Kritikfähigkeit, ein kleines bisschen Selbstverliebtheit, die Fähigkeit, alles andere auszublenden, sich nicht niedermachen zu lassen.

Ein Autor muss hauptsächlich kreativ sein, ein gespür für Wort, Text, Inhalt haben, natürlich auch durchhalten bis zum Ende...
Und selbstverständlich kommt auch er mit dem "Publikum" und der Presse in Kontakt, wenn Lesungen oder sonstiges stattfinden, aber das ist doch noch was anderes.
Du verstehst schon, was ich meine.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Für mich hat "Loslassen" und "Flow" (beides sehe ich auch im Zusammenhang - volle Übereinstimmung hierzu mit dem, was Viola geschrieben hat), nichts mit Esoterik zu tun.

Sondern, es handelt sich beim "Loslassen" um eine ganz reale Tatsache, die man bei Virtuosen, welche man beim Spiel beobachtet oder auf Video anschaut, nicht nur hören, sondern auch sehen kann.

Will nur noch eine Kleinigkeit zufügen - ich glaube, dass man "Loslassen" nicht nur bzgl. virtuoser Spielweise braucht oder im engeren Sinn, bei schnellen Passagen, sondern auch z.B. beim Orgelspiel bei starker Polyphonie auf 3 Ebenen - rechte, linke Hand, Pedal. Zumindest ich komme bei gewissen (für mich) schwierigen Stellen, dich üben muß, bis ich sie praktisch im Schlaf kann, nur dann zurecht, wenn sich dieses Loslassen-Gefühl einstellt (also nicht nur bei sehr schnellen, sondern auch bei sehr komplexen Stellen).
Bzgl. Klavier fällt mir eine typische Stelle ein, der Dezimenlauf am Schluß der g-moll-Ballade von Chopin - ein beidhändiger Lauf, jede Hand hat unterschiedliche Fingersätze. Ohne Loslassen geht da nix.

Weiterhin empfinde ich es als äußerst nützlich, wenn sich dieses Gefühl des Loslassens beim Improvisieren einstellt.

Ich finde alles, was Stilblüte in ihrem Blog geschrieben hat, auch gerade den Schluß mit den Übemethoden, sehr interessant und werde versuchen, für mich selbst davon etwas abzuleiten beim eigenen Üben.

Der Vergleich mit den Affenarmen gefällt mir auch!
Mir fällt auf, wenn man Virtuosen interviewt, wie schlaksig sie sich oft bewegen. Oder wenn sie die Hand von der Klaviertastatur nach oben bewegen, wie die Hand vom Handgelenk einfach nach unten kippt. Das ist Entspannung pur, ganz was anderes als festes Handgelenk ständig im täglichen Leben oder beim Klavierspiel, wie man es meist antrifft (obwohl das was mit Entspannung zu tun hat, und noch nicht mit Loslassen - gebe Stilblüte Recht, das da ein feiner Unterschied ist).
 


Sorry, nicht wirklich... natürlich hast Du in sofern recht, dass Klavierspielen eine manuelle Kunst ist (Manus = Hand), aber an sonsten gelten meines Erachtens für alle Künste ähnliche Dinge wie zB Loslassen, sich mit der künstlerischen Aussage verbinden (Verbundenheit) und auch die anderen Dinge bzgl Deine vier Punkte Liste.

Die einzige Entscheidung, die ein Ausübender macht ist, ob er Kampfkunst, Pinselkunst oder sonst etwas tut. Arbeiten muss man bei allen Dingen gleichermaßen, durch halten aus usw...

Nun ja. Ich "glaube" zu verstehen, was Du "eigentlich" sagen willst und dann sind wir gar nicht so weit auseinander!

;)

Alles Liebe

Viola
 
Die einzige Entscheidung, die ein Ausübender macht ist, ob er Kampfkunst, Pinselkunst oder sonst etwas tut. Arbeiten muss man bei allen Dingen gleichermaßen
;)

(bitte nicht übel nehmen!!)
die Kampfkunst - wohl die fernöstliche (?) - blickt also auf eine ehrwürdige 3000jährige Tradition zurück (((das schnöde Klavierspiel nur auf runde 300 Jahre...))) - - - ja saperlot, das lesen und schreiben, speziell das aufschreiben von Verwaltungslisten (sumerische zum Beispiel) ist noch älter...

von wem sollen wir nun lernen? vom Samurai, der Tee trinkend in wallenden Gewändern mit Handkante und Samuraischwert seine Gegner niedermäht (dergleichen Verhaltensweisen waren zu allen Zeiten der pragmatische Zweck von "Kampfkünsten", sei es der fernöstliche Samurai, der Wurfäxte schleudernde Franke, der gotische Panzerreiter oder der awarische Reflexbogenvirtuose) ? vom sumerischen Verwaltungsbeamten ??

man lasse des Kung-Fu-Kämpen Handkante weg von den Tasten, und sumerische Verwaltungsakribie in Keilschrift muss man auch nicht aufs Klavier legen - es wird nicht helfen...

--- ich bin überzeugt, dass Viola diese Einwände mit Humor goutiert!! ---
____

auch von Symbolismus war zu lesen (und das als Epoche gar... die Epochen haben eine zunehmend geringere Halbwertszeit: dauerte die Antike noch immerhin ein paar Tausend Jahre, so sind dem Symbolismus kaum mehr als 20 Jährchen zu attestieren, und in denen war er nicht mal allein: da gabs die Konkurrenz durch den Naturalismus, den Impressionismus etc. ...) - sollte man für das Klavierspielen notwendig Bely´s Roman "Petersburg" lesen, Gemälde von Meyhofer und Munch kennen, Gedichte von Blok und Liliencron lesen, Skrjabins sonderbare Theoretisierereien bewundern??

für das praktische Klavierspielen: nein! allein durch das verständige lesen eines genialen (und hier ausdrücklich wärmstens empfohlenen!!) symbolistischen Romans wie "Petersburg" wird man keinen einzigen Oktavenlauf zu spielen lernen...

für das Verstehen von Musik in ihrem jeweiligen historischen Kontext freilich kann das nicht schaden - Skrjabin und Bely sind durchaus verwandt.
_________

wenn man weiss oder sich vorstellen kann, wie es klingen SOLL, dann bedeutet das leider noch nicht, dass man es allein damit schon KANN... das ist sehr sehr schade, aber kaum zu ändern!

ich plädiere mal für eine parallele Vorgehensweise:
einerseits sich kulturell informieren und natürlich bzgl. Klaviermusik sich eine Vorstellung vom gewünschten/erforderlichen Klang (Ausdruck, Aussage usw) machen
andererseits emotionslos und nüchtern das nötige Handwerk trainieren (die Ausdauer, stundenlang mit seinem Schwert fuchteln zu können, hatte der Samurai nicht durch Meditation und Philosophie erzielt, da beide weder einzeln noch zusammen die nötigen Muskeln aufbauen...)

liebe Grüße, Rolf
 
von wem sollen wir nun lernen? vom Samurai, der Tee trinkend in wallenden Gewändern mit Handkante und Samuraischwert seine Gegner niedermäht
Nur so: ein Samurai hat keine "Gegner", die er niedermäht. Wenn, dann ist der größte Gegner in jeder Disziplin man immer SELBST!

Rolf, wenn man die Entscheidung trifft, einen bestimmten Oktavlauf zu lernen und zu können, dann wird man alles dran setzen um das zu tun. Auch: üben! Wie kommst Du nur darauf, dass es jemanden geben könnte, der diesen Lauf lernen möchte und sich dabei ausschließlich anderer Mittel als dem eigentlichen Üben befleißigen würde? Was ich mit diesen Vergleichen meine ist, dass es sehr gute Übemethoden gibt, die etwas vermitteln, was über das reine Taining der Fingerbewegung (und Muskulatur) hinaus geht. Ist Dir das zu esoterisch? Du hast das mal mit "mentalem Training" beschrieben, was die Sache auch in etwa beschreibt. Nur dass die "alten" Künste der Kampfkunst oder der Kalligrafie beispieltweise auf eine längere Tradition des Trainings und der Erreichung eines Zieles zurück blicken können - was stört Dich daran?

Schon lustig, dieser Faden hier!

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Ales Liebe

Viola
 
Blütes Ideen zum "Loslassen" haben in meinen Augen nix mit Esoterik zu tun - es handelt sich um wissenschaftlich überprüfbare Erkenntnisse aus der Neurobiologie und -physiologie. :cool:
Das hatte ich ja ganz am Anfang des Threads bereits angedeutet - und kann das auch gern noch vertiefen, falls Interesse besteht. ;)
Auch Sportler und Trainer nutzen diese Erkenntnisse, wie von Klimperline bereits am Anfang des Threads beschrieben. :)
 
Blütes Ideen zum "Loslassen" haben in meinen Augen nix mit Esoterik zu tun - es handelt sich um wissenschaftlich überprüfbare Erkenntnisse aus der Neurobiologie und -physiologie. :cool:
Das hatte ich ja ganz am Anfang des Threads bereits angedeutet - und kann das auch gern noch vertiefen, falls Interesse besteht.

Ja, da besteht großes Interesse! Wobei es dann auch um die Frage gehen müßte, was genau unter "Loslassen" zu verstehen ist - wissenschaftlich gesehen.
 

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