Loslassen - ein Geheimnis der Virtuosität?

Hi Haydnspaß,
Wenn die behaupten, daß solche alltäglichen Sachen nicht gehen, dann bring ich diesen Büchern doch eine gewisse Skepsis entgegen... :rolleyes:

nee, nee, das behaupten die auch nicht. Ausserdem glaub ich dir, dass du das spielen kannst. Das Problem ist jetzt nur, das mit dem Bewegungsprogramm Modell zu vereinbaren/erklären. ;-)

Eine Tatsache ist jedenfalls, dass man bei hoher Geschwindigkeit die einzelnen Bewegungen nicht mehr bewusst kontrollieren kann. Bewegungen kann man nur auf einem sehr langsamen Zeitmassstab (Sekundenbereich) bewusst kontrollieren. Daraus und aus anderen Beobachtungen wurde ja das Bewegungsprogramm Modell mit seinen Eigenschaften entwickelt.

Gruß
 
Bewegungen kann man nur auf einem sehr langsamen Zeitmassstab (Sekundenbereich) bewusst kontrollieren. Daraus und aus anderen Beobachtungen wurde ja das Bewegungsprogramm Modell mit seinen Eigenschaften entwickelt.

Und wie erklären sich die Autoren dann, daß es garnicht so wenige Leute gibt, die (ihnen unbekannte) Stücke einfach so nach Noten abspielen können, mit deutlich mehr als einem Anschlag pro Sekunde, eher so in Richtung 10-20 Anschläge pro Sekunde?
 
Hi Haydnspaß,
Und wie erklären sich die Autoren dann, daß es garnicht so wenige Leute gibt, die (ihnen unbekannte) Stücke einfach so nach Noten abspielen können, mit deutlich mehr als einem Anschlag pro Sekunde, eher so in Richtung 10-20 Anschläge pro Sekunde?

musst dir das vielleicht schon mal selber anschauen (s. Bücher oben). Ich kann ja nicht das ganze Modell erklären. Aber es ist denke ich schon sehr anerkannt, auch im Sport, bzw. überall wo es um Bewegungen geht.

Wenn du im Klavierspielen sehr gut bist, dann hast du eine hohe Anzahl an automatischen Bewegungsprogrammen (BP) und diese BPs haben auch eine hohe Qualität (Eigenschaften wie Präzision, Schnelligkeit, Abrufbarkeit, etc.).

Bei deinem Beispiel passiert in verkürzter Form im Idealfall folgendes:
Das Bewusstsein erkennt die zu spielenden Noten bzw. den zu erreichenden Klang. Ein anderer unbewusster mentaler Vorgang (Musikalität, Erfahrungsschatz) wählt aus den vorhandenen BPs die richtigen aus, setzt sie in eine Reihenfolge (allg. strukturiert sie), und startet sie mit zusätzlichen Kontrollparametern. Beim Ablauf der BPs kontrolliert das Bewusstsein ständig das erreichte mit dem gewollten (BP Control Flow) und es werden die aktuellen und nächsten BP Programmketten/Strukturen entsprechend angepasst.

Das das so ist, kannst du schon dadurch feststellen, dass du ja gar nicht bewusst weisst, welchen Muskel du für eine bestimmte Bewegung in einer bestimmten Stärke kontrahieren musst. Alle schnelleren Bewegungen passieren durch unbewusste Prozesse.

Z. B. wenn du schnell läufst oder einen Gegenstand fängst/ergreifst.

Gruß
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Alle schnelleren Bewegungen passieren durch unbewusste Prozesse.

Z. B. wenn du schnell läufst oder einen Gegenstand fängst/ergreifst.

Okay, das leuchtet mir bis zu einem gewissen Grad ein. Unbewußt würde ich das aber nicht nennen. Es passiert ja schon ganz nach meinem Willen, also ich will die und die und die Noten in einem bestimmten Rhyrhmus einer bestimmten Dynamik, Artikulation etc. spielen und tu das dann auch. Aber ich kontrolliere dabei natürlich nicht jede Bewegung und jeden Muskeln einzeln. Und es geht sehr, sehr schnell - selbst bei einer Schnecke wie mir.Also von wegen 1 Ton pro Sekunde... ;)
 
Alle Bewegungen geschehen beim Klavierspiel unbewusst. Jedenfalls sollten sie das beim Konzert. Ist dies nicht der Fall so kann man wirklich nicht von Entspanntheit sprechen. Ich sage ja, das Klavierspiel sollte sein wie beim Singen...unbewusst.

lieben Grüße

clara
 
Fängt man an darüber nachzudenken, was man gerade tut, an welcher Stelle des Stückes man gerade ist usw. dann verspielt man sich oder ist gerade nahe daran ...

Mir sagte mein Klavierlehrer, man solle voraushören, nicht zu viel aber gerade so, dass man den Ton kurz vor dem spielen hört. Eine solche Klangvorstellung sorgt auch für einen besseren Klang. Den oft, wenn man zB eine Melodie zum singen bringen lassen will oder einfach nur hervorheben möchte so reicht manchmal auch nur die Vorstellung von dem gewollten...versucht man dies manchmal bewusst zu tun, also durch mehr Arm-Gewicht zB. so übertreibt man und haut die Stimme richtig raus.

Voraushören ist alles!

nur eine kleine Ergänzung zu dem was ich vorher geschrieben habe
 
- man kann und muß sich auch in höherem Tempo um jeden Ton kümmern.

...

Man kann das auch ganz praktisch testen: einfach mal spontan in einem schnellen Lauf vorher bestimmte zufällige Töne (die nicht auf die normalen Betonungen fallen) herausknallen - ohne daß man das vorher übt.

Wozu? Wenn ich ein Stück übe, dann lerne ich es so wie ich es für richtig halte. Warum sollte ich dann einzelne Töne plötzlich anders gestalten? Oder besonders darauf achten, dass ich das in jedem Tempo kann? Ist das so nicht ein eher verkrampftes Spielen, wenn man diesen Kontrollanspruch hat?

Natürlich kann man auch in fortgeschrittenerem Übestadium noch Dinge verändern und spontan eine Tonfolge leiser oder lauter spielen, also die musikalischen Phrasen aus dem Moment heraus gestalten. Aber das bezieht sich in schnellem Tempo wohl kaum auf jede einzelne Note, sondern eben auf die aus mehreren Noten bestehende Bewegungseinheit. Man kontrolliert also nicht mehr jeden Ton, sondern gestaltet die Tonfolge. Aber wenn man die technische Seite eines Stücks loslässt (bzw. sie einen loslässt), um sich ganz dem Ausdruck im Moment des Spielens zu widmen, dann hört man eh auf, in einzelnen Tönen oder Tonfolgen zu denken. Die Aufmerksamkeit liegt dann ganz bei der eigentlichen musikalischen Aussage.

Im Grunde ist das wie mit der Sprache. Bei der (verbalen) Sprache denkt man auch nur noch an das, was man mit ihrer Hilfe eigentlich ausdrücken will, also an den Inhalt. Aber man kontrolliert nicht mehr jeden Satz oder kümmert sich bewusst um jedes einzelne Wort, geschweige denn jeden einzelne Buchstaben. Es wäre niemals möglich, eine kraftvolle und bedeutende Aussage zu machen, wenn man sich der Sprache nicht einfach bedienen und sich auf sie stützen würde, nachdem man sie einmal gelernt und verinnerlicht hat. Genauso ist es auch mit der musikalischen Sprache. Man lernt die Töne, Tonfolgen, Phrasen und Strukturen eines Stücks. Und erst dann kommt die eigentliche Aussage, die Musik.

- die Gestaltung kommt nicht automatisch, man muß ihr die entsprechende Aufmerksamkeit zuwenden - und zwar ganz von Anfang an, wenn man ein neues Stück beginnt, und bis zur letzten Minute vor dem Vorspiel. Daß man im Lauf der Zeit weiß, wie man was spielen will, ist eine Erleichterung und es läuft dann nicht mehr alles über das Bewußtsein, aber im Prinzip muß die Möglichkeit, jeden beliebigen einzelnen Ton spontan ganz anders zu spielen, immer da sein.

Ich habe das Gefühl, dass man es sich so unnötig schwer macht bzw. zu sehr an der Kontrolle hängt, um wirklich ganz zur Musik zu kommen. Aber vielleicht habe ich dich missverstanden.

Grüße von
Fips
 
Hi,
Okay, das leuchtet mir bis zu einem gewissen Grad ein. Unbewußt würde ich das aber nicht nennen. Es passiert ja schon ganz nach meinem Willen, also ich will die und die und die Noten in einem bestimmten Rhyrhmus einer bestimmten Dynamik, Artikulation etc. spielen und tu das dann auch. Aber ich kontrolliere dabei natürlich nicht jede Bewegung und jeden Muskeln einzeln. Und es geht sehr, sehr schnell - selbst bei einer Schnecke wie mir.Also von wegen 1 Ton pro Sekunde... ;)

genau, der Wille ist der Dirigent, aber die Motorik führt die konkreten Bewegungen (Muskelkontraktionen) unbewusst aus.
Ich bin übrigens auch eine Schnecke (beim Klavierspielen und beim Fussballspielen). ;-)


Alle Bewegungen geschehen beim Klavierspiel unbewusst. Jedenfalls sollten sie das beim Konzert. Ist dies nicht der Fall so kann man wirklich nicht von Entspanntheit sprechen. Ich sage ja, das Klavierspiel sollte sein wie beim Singen...unbewusst.
...
Fängt man an darüber nachzudenken, was man gerade tut, an welcher Stelle des Stückes man gerade ist usw. dann verspielt man sich oder ist gerade nahe daran ...

Ja und jetzt geht es auch wieder in Richtung des Thread Themas : Loslassen ...

Das Loslassen bedeutet, dass das Bewusstsein oder der Wille nicht konkret in die Motorik/Bewegungssteuerung eingreifen darf. Sonst kommt es nämlich zu Konflikten mit diesen unbewussten Prozessen und man stolpert.
(Das ist jetzt halt meine nüchterne "wissenschaftliche" Erklärung ;-) Ist übrigens genau so, auch vom Sport bekannt )

Gruß
 
nicht weit weg

na, lieber Rolf,

du glaubst doch nicht, dass ich in den Ferien anders übe als sonst ?

Die Sprache ist schon ein Problem. Zu erklären, was man wirklich meint, kommt sehr zäh an. Deshalb noch eine kleine Ergänzung:

Ich bin sehr dafür, die Klaviermaschine ständig zu ölen und zu trainieren. Aber wenn meine Konzentration nicht mehr ausreicht, mich auf die Musik einzulassen, dann mache ich Pausen und übe nicht quasi mit verminderter geistiger Kontrolle weiter, weil das dann bequemer wäre.

Wir alle wissen, dass viel Klavierschüler nur aus einem Grund so häufig rein mechanistisches Training betreiben und das ist ihre Denkfaulheit. Bei einer sache ständig mit wacher Konzentration dran zu bleiben, ist nun mal sehr anstrengend.

Als die Menschen im 19 jahrhundert und auch früher noch mehr Zeit hatten bzw, weniger abgelenkt waren, bekamen sie schon mal die Empfehlung, diese oder jene Arpeggien und Leitern zu üben und dabei ein Buch zu lesen, einen Effekt hat auch das, denn die Finger werden bewegt aber das will doch keiner heute mehr.

Natürlich muss die Technik (Horovitz) ständig verbessert werden. Aber wenn man das diskutiert muss man auch mal wissen, was Klaviertechnik meint.
Das ist doch das Werkzeug, welches uns in die Lage versetzt, die Musik, die wir zum klingen bringen wollen tatsächlich ins Klavier zu übertragen.
Bei einem Hammer als Werkzeug haben wir es vergleichsweise einfach. wir stellen uns vor oder messen aus, wo der Nagel oder ähnliches hineingeschlagen werden soll. das Klavierwerkzeug ist aber nahezu unendlich in seiner vielfalt. Immer liegt dem Gebrauch eines Werkzeuges ein Plan zu Grunde, eine Vorstellung, was ich mit diesem Werkzeug anstellen will.
Ohne diese Vortellung treffe ich noch nicht mal die richtige Stelle mit dem Hammer.
Ich denke wir müssen viel intensiver darüber nachdenken, was wir eigentlich produzieren wollen. Unser ziel ist doch nicht, eine bestimmte Tonleiter schnell spielen zu wollen, sondern wir finden im Stück diese Tonleiter und die ist da aus einem bestimmten Grund, den der Komponist kannte. Sie passt meist? oder eher fast immer haargenau in den musikalischen Ablauf. Es ist also ein Unterschied zwischen einer beliebigen Tonleiter, die ich losgelöst von einem Stück spiele oder der Tonleiter in einem Kalvierkonzert. Dort passt sie nämlich genau in den Kontext und wenn ich das Nachfühlen kann dann habe ich einen Plan, wie sie klingen soll. Jetzt wird das Werkzeug der Stelle angepasst. Ich gehe davon aus, dass Leute, die Konzerte spielen, früher auch Tonleiter gespielt haben. Also ist prinzipiell der Rohling dieser Spezialwerkzeuge bereits vorhanden. Ich spiele die Stelle und höre mir an, ob sie meinen absichten, meiner Vorstellung entspricht. Ist das nicht der Fall, muss ich den fehler einkreisen. Spiele ich falsche akzente, ist der fingersatz zu optimieren, oder sind gar Bewegungsläufe behindert? Irgendwo ist der Fehler und mit dem richtigen Plan werde ich ihn finden und auch beseitigen.

Nun gibt es tatsächlich Läufe (z.b. die anlaufenden verminderten Arpeggien im Scherzo der f-moll Sonate von Brahms) wo ca. 16 Töne pro Sekunde gespielt werden müssen. Und nun erhebt sich die Frage: Muss ich da wirklich jeden einzelnen ton kontrollieren? Zunächst üben wir auch diese Arpeggien ja mal langsam, damit wir genau wissen, welche Töne dazu gehören uind da können wir noch die einzeltöne kontrollieren. Im richtigen Tempo kontrollieren wir nur nach das vorgestellte Klangbild, allerdings sind wir durchaus in der LAge, auch bei diesem Tempo jede Unregelmässigkeit zu registrieren und das so lange zu verbessern, bis wir zufriedenn sind.

Auch hier verkürzt sich die Prozedur des Übens erheblich, wenn ich immer voller Konzentration beim Plan bin, den ich von dieser Stelle habe.
Wenn ich einsehe, warum ein musikalisches Element gerade da kommt, dann will ich es ja so und habe keinen Gegensatz zwischen Denken und Ausführen.

Wenn ich nur daran danke, Arpeggien schnell zu spielen, dann ärgere ich mich vielleicht, weil diese verdammten Dinger nicht so laufen, wie ich will.

Die Vorstellung vom perfekten Klang dieser Stelle aber verleiht mir die Flügel, die meine Klaviertechnik unbedingt braucht.

für mich gibt es eine wichtige Rangfolge:

Der Geist schafft sich die Technik

und nicht

die Technik erschafft den Geist.

So ganz trennen kann man das nie, denn ich sagte schon, dass dies ein Prozess des ständigen sich Hochschaukelns ist, so dass die verbesserte Klaviertechnik eben auch neue vorstellungswelten erschliesst.

Das ist wirklich schwer, in worte zu fassen.

Insofern denke ich, dass das feilen an der Klaviertechnik unbedingt dazu gehört. Und wenn Horovitz diese 3 Komponenten nannte, so meinte er sicher, dass die immer zusammen gehören.

Eine Bemerkung noch die das Klavierüben betrifft:

Ich hatte bereits als Kind und dann während des Studiums Gelegenheit, wirklich bekannten Konzertpianisten, Sängern ud Anderen beim Üben zuzuhören.

Das waren bereits schon wunderbare Erlebnisse. Natürlich wurden da viele Stelle oft abgebrochen oder teilweise oft wiederholt aber ! immer klang es toll und musikalisch.
 
Wozu? Wenn ich ein Stück übe, dann lerne ich es so wie ich es für richtig halte. Warum sollte ich dann einzelne Töne plötzlich anders gestalten?

Na, weil es doch langweilig ist, ein Stück zweimal genau gleich zu spielen. Okay, sowas darf man im Zeitalter der CD nicht mehr laut sagen, vielleicht nichtmal mehr denken...

Oder besonders darauf achten, dass ich das in jedem Tempo kann? Ist das so nicht ein eher verkrampftes Spielen, wenn man diesen Kontrollanspruch hat?

Du hast recht, Kontrolle klingt sehr nach zwanghaftigkeit und Einschränkung. Ich meine eigentlich Kontrolle im Sinne gestalterischer Freiheit. Sich die Freiheit nehmen, es anders zu machen. Jedesmal anders. Oder sich wenigstens die Option dafür offenzuhalten.

Aber wenn man die technische Seite eines Stücks loslässt (bzw. sie einen loslässt), um sich ganz dem Ausdruck im Moment des Spielens zu widmen, dann hört man eh auf, in einzelnen Tönen oder Tonfolgen zu denken. Die Aufmerksamkeit liegt dann ganz bei der eigentlichen musikalischen Aussage.

Hmm...? :rolleyes:

Was ist die eigentliche musikalische Aussage? Ich glaube, da haben wir sehr verschiedene Ansichten.

Im Grunde ist das wie mit der Sprache. Bei der (verbalen) Sprache denkt man auch nur noch an das, was man mit ihrer Hilfe eigentlich ausdrücken will, also an den Inhalt.

Ob man das so vergleichen kann?
Sprache hat Wörter und sie hat einen Inhalt.
In der Musik sind die Töne selbst der Inhalt. Musik bildet nichts ab was außerhalb ihr liegt. Jedenfalls solange es sich um "absolute Musik" handelt, zum Beispiel eine Sonate oder ein Thema mit Variationen ^_^

Ich habe das Gefühl, dass man es sich so unnötig schwer macht bzw. zu sehr an der Kontrolle hängt, um wirklich ganz zur Musik zu kommen. Aber vielleicht habe ich dich missverstanden.

Nein, ich glaube nicht, daß du mich mißverstanden hast. Du scheinst die Musik nur aus einem ganz anderen Blickwinkel zu sehen als ich.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Das Loslassen bedeutet, dass das Bewusstsein oder der Wille nicht konkret in die Motorik/Bewegungssteuerung eingreifen darf. Sonst kommt es nämlich zu Konflikten mit diesen unbewussten Prozessen und man stolpert.
HA, ist das nicht der Knackpunkt? Das ist es doch gerade, was man zu verhindern versucht, dass man, wenn einem die (eher unkontrollierbaren...) Gedanken dazwischenfunken, das Stück so genau kennt, dass man auch dann noch weiterspielen kann, wenn das motorische Greifgedächtnis nicht mehr greift.
Der Bewegungsablauf selbst im Detail ist natürlich im Endtempo nur noch bedingt steuerbar, aber es geht ja auch nicht mehr ums "Buchstabieren", sondern darum, dass man zu jedem Zeitpunkt weiß, wie es weitergeht. Und damit den Fortgang des Stückes auch dann noch gewährleisten kann, wenn der passive Spielfluss (nicht negativ gemeint - eher im Sinne des Flows) unterbrochen ist.

Das ist übrigens etwas, was mir erst so langsam klar wird, obwohl es so einfach klingt: Ich vermute, wenn eine Stelle im Stück nicht klappt, wiederholen viele den Takt einfach nochmal oder fangen bestenfalls sogar von vorne an.
Wenn ein Fehler allerdings gehäuft auftritt, bringt das überhaupt nichts. Durch wiederholtes Drüberspielen übt man höchstens, möglichst schnell durch eine Nebelschwade zu rennen, um bei Klavigens Beispiel zu bleiben. Was auch 10 Mal gutgehen kann.
Das "Loch der Unwissenheit" (denn da liegt oft der Fehler - mangelnde Kenntnis der betreffenden Stelle) bleibt aber weiterhin, und beim 11. Mal, nämlich dem Vorspiel, klappt es nicht mehr...
Meistens kann man aber den Fehler aus den umliegenden Tönen "herausschälen". Wenn er nicht daher rührt, dass man das Stück im allgemeinen zu selten geübt hat, gibt es ja oft einen einzigen Ton, der das Problem auslöst. Wenn man den ausmacht und herausfindet, warum er Schwierigkeiten bringt (schlechter Fingersatz, Handbewegung, vorgestellte Zieltaste ist nicht der Zielton usw.) hat man die Noten meistens so sehr reduziert, dass der Fehler selbst sofort berichtigt werden kann.
Um die Berichtigung herum kann man dann das Motiv wieder aufbauen.
 

Ich bin sehr dafür, die Klaviermaschine ständig zu ölen und zu trainieren. Aber wenn meine Konzentration nicht mehr ausreicht, mich auf die Musik einzulassen, dann mache ich Pausen und übe nicht quasi mit verminderter geistiger Kontrolle weiter, weil das dann bequemer wäre.
[...]
Wir alle wissen, dass viel Klavierschüler nur aus einem Grund so häufig rein mechanistisches Training betreiben und das ist ihre Denkfaulheit. Bei einer sache ständig mit wacher Konzentration dran zu bleiben, ist nun mal sehr anstrengend.
[...]
Nun gibt es tatsächlich Läufe (z.b. die anlaufenden verminderten Arpeggien im Scherzo der f-moll Sonate von Brahms) wo ca. 16 Töne pro Sekunde gespielt werden müssen. Und nun erhebt sich die Frage: Muss ich da wirklich jeden einzelnen ton kontrollieren? Zunächst üben wir auch diese Arpeggien ja mal langsam, damit wir genau wissen, welche Töne dazu gehören uind da können wir noch die einzeltöne kontrollieren. Im richtigen Tempo kontrollieren wir nur nach das vorgestellte Klangbild, allerdings sind wir durchaus in der LAge, auch bei diesem Tempo jede Unregelmässigkeit zu registrieren und das so lange zu verbessern, bis wir zufriedenn sind.

Auch hier verkürzt sich die Prozedur des Übens erheblich, wenn ich immer voller Konzentration beim Plan bin, den ich von dieser Stelle habe.
Wenn ich einsehe, warum ein musikalisches Element gerade da kommt, dann will ich es ja so und habe keinen Gegensatz zwischen Denken und Ausführen.

Wenn ich nur daran danke, Arpeggien schnell zu spielen, dann ärgere ich mich vielleicht, weil diese verdammten Dinger nicht so laufen, wie ich will.

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Ich hatte bereits als Kind und dann während des Studiums Gelegenheit, wirklich bekannten Konzertpianisten, Sängern ud Anderen beim Üben zuzuhören.

Das waren bereits schon wunderbare Erlebnisse. Natürlich wurden da viele Stelle oft abgebrochen oder teilweise oft wiederholt aber ! immer klang es toll und musikalisch.

hallo Klavigen,
Deine Überschrift drückt es deutlich aus: wir betrachten manches sehr ähnlich. Verzeih, wenn ich Deinen Beitrag "verhackstückt" habe:

bzgl. des "ölens" sehe ich es ebenso - allerdings sollte man sich nicht permanent mit vollem emotionalem Engagement verausgaben. und mehrmals habe ich dazu erklärt, dass ich bei "unengagiertem, motorische Fähigkeiten zur Ausdauer trainierendem üben/proben" sämtliche Feinheiten (Agogik, Dynamik, "Sinn" etc) voraussetze: diese muss man nicht permanent voll ausspielen, wenn (!) man sie im Kopf hat - im Sport ist auch nicht jedes Training ein Rekordversuch

...die Klavierschüler? "rein mechanistisches Üben" wird immer falsch sein, was auch immer das sein mag (alles forte hacken?) - aber denen kann ja sinnvolles Üben erklärt werden (ob sie´s dann tun, steht in den Sternen)

nebenbei: unengagiert üben ist kein verkrampftes "mechanistisches" Gezappel und auch kein stumpfsinniges Metronomhöherstellen und hecheln :D

bzgl. der Brahmsarpeggien: sehe ich genauso. Klangvorstellungsvermögen wird das auch gerne genannt - und hat man dieses, kann man entspannter (weil sinnvoller) den motorischen Ablauf verbessern: wenn man weiss und fühlt, was die Arpeggien besagen, dann übt eben nicht "nur schnelle Arpeggien", sondern im erwähnten Beispiel eben Brahms´ Arpeggien und keine anderen (auch hier dieselben Bedingungen wie oben bei "unengagiert") - - und die volle (immer!!!) Konzentration kann man problemlos unterschiedlich gewichtet einsetzen: um die nötige Ausdauer zu sichern, oder um die motorischen Abläufe immer wieder völlig selbstverständlich zu machen, oder um alles engagiert "mit Ausdruck" zu bringen - - - am Ende dieser Prozesse, egal ob man was einstudiert, was auffrischt oder ein Repertoirestück pflegt, am Ende hat mans eine Weile auf dem eigenen Niveau konzertreif.

Geist & Technik? Liszt formulierte es doch am allerschönsten: "die richtige Technik kommt aus der Musik"

...beim üben (eher trainieren/pflegen) zuhören, beim proben zuhören - das durfte ich bei einigen und kann Deinen Eindruck bestätigen: auch voller Fehler war es immer musikalisch und immer mit ausgewogenem Klang - - leider habe ich nie zuhören dürfen, wie eine Koryphäe etwas völlig neu einstudiert, das hätte mich noch viel mehr interessiert!!!

evtl. ist die Wortwahl verschieden, evtl. auch teilweise missverständlich, aber ich bin ziemlich sicher, dass wir vieles gar nicht so verschieden sehen.

liebe Grüße, Rolf
 
...
...
Eine Tatsache ist jedenfalls, dass man bei hoher Geschwindigkeit die einzelnen Bewegungen nicht mehr bewusst kontrollieren kann. Bewegungen kann man nur auf einem sehr langsamen Zeitmassstab (Sekundenbereich) bewusst kontrollieren. Daraus und aus anderen Beobachtungen wurde ja das Bewegungsprogramm Modell mit seinen Eigenschaften entwickelt.

Gruß

Natürlich kann man in jedem Tempo die einzelnen Bewegungen "bewusst" kontrollieren. Ich würde das nicht schreiben, wenn ich nicht genau wüsste, dass das geht.

Es ist ein vorübergehendes Stadium dass man schneller spielt, als man denken kann. Wurde hier schon oft erwähnt. Später sollte man lernen so schnell zu denken, wie man spielen kann.

Vitaly Margulis hat das sehr schön erklären können und aufzeigen können, wie man sich ein Denken erarbeiten kann, was genau so schnell ist wie die Finger sich bewegen. Da ist dann nix mehr mit mechanischem oder motorischem Gedächtnis... das wächst eben dann zusammen. Und das wiederum hat viel mit Kampfkunst, Kontrolle des Geistes usw zu tun. Aber lassen wir für heute mal die Esoterik beiseite. Ich für meine Person spiele niemals (mehr) schneller als ich wirklich denken kann.

zum Denken:
Ich habe mich mal mit einem Pianisten darüber unterhalten der behauptete, dass man 4 oder 5 stimmige Fugen zwar spielen aber nicht echt polyphon denken kann. Leider gibt es immer noch LehrerInnen, die solche Dinge glauben (weil sie es eben nicht gelernt haben und können) und für wahr halten und dadurch auch weiter geben. Auch das "Gegenargument", dass ein Komponist wie Bach sich bestimmt nicht seine Fugen nur per Rechenschieber ausgerechnet hat, sondern dass er sie mit SICHERHEIT denken (und fühlen) konnte, galt für diesen Pianisten nicht...
Klavierspielen ist zu großen Anteilen Denkarbeit. Sonst spielt man nicht Klavier sondern klimpert.


;)

Alles Liebe

Viola
 
Hallo klavigen,

ich bin dir von Herzen dankbar für dieses wunderbare "Nebel-Gleichnis"!

Du hast damit ganz genau beschrieben, was ich mit meinem "Virtuosität ist die falsche Herangehensweise" gemeint habe. Die Vorstellung, man könne schneller spielen als man denken kann. Die Hoffnung, man müsse irgendwann nicht mehr die einzelnen Noten gestalten, sondern die Finger würden es dann schon richten.(Etwas, das ich leider auch bei Viola im Untergrund heraushöre - sie vertraut eben auf irgend etwas unbewußtes)
...


Tzz, da haste mich aber völlig missverstanden oder ich habe nicht präziese ausdrücken können, was ich "wirklich" meinte.

Es nützt nichts, ausschließlich seine Muskeln zu trainieren, das habe ich immer wieder betont. Es ist eine gute Vorarbeit, ja, und ohne geht es nicht. Aber wirkliches Klavierspiel geht nur, wenn man eben die Musik aus dem Geist und der Seele heraus zaubert und nicht schaut, dass man unfallfrei hinten ankommt. Auf einer höheren Bewusstseinsebene (mir fällt kein anderer passender Begriff dazu ein) ist es durchaus möglich, so schnell zu denken wie die Finger spielen. "Denken" ist hier ein völlig anderes als im normalen Wachzustand. Es ist auch nichts Unbewusstes. Es ist letztendlich ein völliges Loslassen - oder wie hier schon einige Male beschrieben wurde: ein sich Hingeben (an den Augenblick, an die Musik, an das JETZT).

Nun ja. Viele Leute erschaffen viele Wahrheiten. Jeder hat eben so seinen eigenen Plan und seinen eigenen Weg.

;)
 
....
Ich wollte das ganze etwas weniger theoretisch haben und habe versucht, durch Gedankenmodelle, Gefühlsbeschreibungen (Gemütsbeschreibung sowie Beschreibung des Körpergefühls) usw. zu erklären, wie sich der Spielapparat anfühlt, wenn man es richtig macht. (In diesem Falle ist "richtig" eben das, was ich persönlich als solches definiere).
....

Ein wunderschönes Post!

Wie fühlt sich der Spielapperat an...

gute Frage. Mein Erleben: Es gibt "dann" keinen Spielapparat mehr, wenn alles gut zusammenkommt. Er ist überwunden. Kein Nebel mehr, nur noch Klarheit. Aber wie gesagt, da muss dann wirklich Vieles zusammen kommen!! Und die Zwischenzeiten von diesen Augenblicke der Überwindung sind die Vorbereitung auf diese Augenblicke.

;)

(Wenn das mal jemand verstanden hat...)

AL

V.
 
Hi Viola,
...
zum Denken:
Ich habe mich mal mit einem Pianisten darüber unterhalten der behauptete, dass man 4 oder 5 stimmige Fugen zwar spielen aber nicht echt polyphon denken kann. Leider gibt es immer noch LehrerInnen, die solche Dinge glauben (weil sie es eben nicht gelernt haben und können) und für wahr halten und dadurch auch weiter geben. Auch das "Gegenargument", dass ein Komponist wie Bach sich bestimmt nicht seine Fugen nur per Rechenschieber ausgerechnet hat, sondern dass er sie mit SICHERHEIT denken (und fühlen) konnte, galt für diesen Pianisten nicht...
Klavierspielen ist zu großen Anteilen Denkarbeit. Sonst spielt man nicht Klavier sondern klimpert.
...

du hast aber schon ganz schön harte Forderungen.

5 stimmige Fugen auch polyphon denken können, ich glaube das kannst du nur von einer gewissen Elite verlangen. Das kannst du von einem "normalen" Nicht-Profi Pianist nicht erwarten.

Aus eigener Praxis hab' ich schon Probleme bei 3 stimmigen Sätzen. Wohlgemerkt bei der mental unabhängigen Vorstellung von 3 Stimmen, nicht beim Spielen.

Ausserdem hatte ich irgendwo gelesen, dass diese mentale Eigenschaft nur bis zu einem gewissen Grad gebildet werden kann. 3 unabhängige Stimmen kann wohl jeder mit entsprechendem Training erreichen.

Gruß
 
Hi Viola,
Natürlich kann man in jedem Tempo die einzelnen Bewegungen "bewusst" kontrollieren. Ich würde das nicht schreiben, wenn ich nicht genau wüsste, dass das geht.

du bist aber schon sehr dogmatisch. Diese Aussage gilt sicherlich nicht in ihrer allgemeinen Aussage. Jedes Tempo von Bewegungen wirst du defintiv nicht bewusst kontrollieren können.

Ausserdem kann ich mir nicht vorstellen, dass du bei einer schnellen Bewegung bewusst die einzelnen Muskelkontraktionen die notwendig sind steuerst.

Die Agonist/Antagonist Muskelsteuerung, die immer notwendig ist um eine Bewegung kontrolliert ablaufen zu lassen, wirst du auch schwerlich bewusst kontrollieren können.

Gruß
 
Ich habe mich mal mit einem Pianisten darüber unterhalten der behauptete, dass man 4 oder 5 stimmige Fugen zwar spielen aber nicht echt polyphon denken kann.

Was da für ein Hokuspokus um die Fugen gemacht wird ;)

Es gibt nur zwei Bewegungsrichtungen für eine Melodie: sie kann hoch oder runtergehen (wenn sie nicht auf demselben Ton verharrt)

Also egal wieviele Stimmen die "polyphone Fuge" hat: die Stimmen gehen entweder parallel oder in Gegenbewegung :D

Kombinationen gibt es natürlich auch: zwei oder drei Stimmen gehen parallel, der Rest in Gegenbewegung dazu.

Es könnte höchstens schwierig werden, die Stimmen bei Stimmkreuzungen zuzuordnen, wenn alle Stimmen den gleichen Sound und die gleiche Lautstärke haben - also bei der Orgel.

Und was natürlich schwierig bis unmöglich zu hören ist sind Krebsumkehrungen, wenn das Thema keinen sehr charakterisitischen Rhythmus hat.

Auf jeden Fall sollte man bei komplizierten Fugen die Noten mitlesen, wenn man alles mitbekommen will.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Na, weil es doch langweilig ist, ein Stück zweimal genau gleich zu spielen. Okay, sowas darf man im Zeitalter der CD nicht mehr laut sagen, vielleicht nichtmal mehr denken...

...

Ich meine eigentlich Kontrolle im Sinne gestalterischer Freiheit. Sich die Freiheit nehmen, es anders zu machen. Jedesmal anders. Oder sich wenigstens die Option dafür offenzuhalten.

Nun gut. Ich würde es nicht ausschließen, dass man es kontrollieren kann. Dass man also auch in höherem Tempo einzelne Töne anders spielen kann, - wenn man will. Insbesondere, wenn man im Sinne von Viola so schnell denken kann wie man spielt und sein Spiel "bewusst durchdringt". Aber was ich meine, ist eigentlich: Warum sollte man sich darauf konzentrieren, jeden Ton kontrollieren zu können? Wenn ich ein Stück in fortgeschrittenerem Übestadium spiele, dann denke ich dabei nicht mehr an die Kontrolle der einzelnen Töne. Wenn ich spontan das Stück anders spiele, dann tue ich das nicht mit dem Gedanken "Ich spiele diesen und jenen Ton jetzt anders". Das passiert nicht mehr bewusst. Was bewusst passiert ist eher das, was Klavigen beschrieben hat:
Und nun erhebt sich die Frage: Muss ich da wirklich jeden einzelnen ton kontrollieren? Zunächst üben wir auch diese Arpeggien ja mal langsam, damit wir genau wissen, welche Töne dazu gehören uind da können wir noch die einzeltöne kontrollieren. Im richtigen Tempo kontrollieren wir nur nach das vorgestellte Klangbild, allerdings sind wir durchaus in der LAge, auch bei diesem Tempo jede Unregelmässigkeit zu registrieren und das so lange zu verbessern, bis wir zufriedenn sind.

Ich denke dann nicht mehr in Tönen und ihrer Kontrolle, sondern in dem Klangbild, das ich innerlich höre. Wenn das, was meine Finger produzieren, dem nicht entspricht, verändere ich die Fingertätigkeit, bis der Klang meiner Vorstellung entspricht. Natürlich ist das letztlich ein Kontrollieren jedes Tones. Aber eben "globaler", von der Vorstellung her.

Was ist die eigentliche musikalische Aussage? Ich glaube, da haben wir sehr verschiedene Ansichten.

...

Ob man das so vergleichen kann?
Sprache hat Wörter und sie hat einen Inhalt.
In der Musik sind die Töne selbst der Inhalt. Musik bildet nichts ab was außerhalb ihr liegt. Jedenfalls solange es sich um "absolute Musik" handelt, zum Beispiel eine Sonate oder ein Thema mit Variationen ^_^

Ich sehe Musik durchaus als eine Form der Sprache an. Auch die Musik hat einen Inhalt, nur halt keinen begrifflichen. Und wie die verbale Sprache hat auch die Musik ihre Ausdruckselemente. In der Sprache sind das die Buchstaben, Wörter und Sätze, in der Musik die Töne, Tonfolgen und Phrasen. Natürlich gibt es inhaltlich große Unterschiede zwischen Musik und Sprache. Die Sprache hat einen begrifflichen Inhalt, der genau deswegen so unmittelbar bildlich bewusst wird. Die Musik hat einen nichtbegrifflichen Inhalt, der nur gefühlt werden kann, nicht aber als Bild bewusst wird. Weil die bildliche Vorstellung, die wir von der Sprache her gewohnt sind, fehlt, meinen wir, die Musik stünde für sich selbst. Aber in Wahrheit steht die Musik direkt für Gefühle, sie ist die äußere Entsprechung innerer Befindlichkeit. Wir könnten niemals einen so starken Drang zur Musik haben, könnten uns durch Musikmachen und Musikhören niemals so befriedigt fühlen, wenn das nicht so wäre.

Wenn ich nun ein Stück in fortgeschrittenerem Übestadium spiele, dann konzentriere ich mich auf den Inhalt der Musik, also auf das, was das Stück direkt gefühlsmäßig aussagt. Ich mache dann quasi eine emotionale Aussage mit Hilfe des Stückes bzw. verhelfe dem Stück und indirekt dem Komponisten zu seinem Ausdruck. Aber um mich darauf einlassen zu können, kann ich mich nicht mehr mit Fragen der Kontrolle in bezug auf einzelne Töne aufhalten. Auch dieses So-schnell-denken-wie-man-spielt bezieht sich dann nicht mehr auf die Kontrolle der Töne, sondern auf die emotionale Aussage, die als "Klangbild" in mir entsteht und dann schließlich "physisch" zu Musik wird.

Ich muss hinzufügen, dass diese Beschreibung etwas idealtypisch ist. Es gelingt mir nicht immer, die technische Seite eines Stückes so loszulassen, dass ich mich wirklich ganz auf den emotionalen Ausdruck konzentrieren kann. Das richtige Loslassen gelingt mir sogar nur selten. :-|

Grüße von
Fips
 
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Natürlich kann man in jedem Tempo die einzelnen Bewegungen "bewusst" kontrollieren. Ich würde das nicht schreiben, wenn ich nicht genau wüsste, dass das geht.
Es ist ein vorübergehendes Stadium dass man schneller spielt, als man denken kann. Wurde hier schon oft erwähnt. Später sollte man lernen so schnell zu denken, wie man spielen kann.
Ich argumentiere jetzt mal vom neurologischen Standpunkt aus: Das Gehirn kann ca. 5-7 Informationen pro Sekunde "bewusst" umsetzen. Also, wenn man ein Stück mit mehr als 7 Tönen pro Sekunde spielt (davon gibt es ziemlich viele:D), braucht man als Pianist andere Strategien.
Eine Möglichkeit ist es, das Extrapyramidalsystem ("Loslassen" bei automatisierten Bewegungsabläufen), so zu nutzen, wie es Blüte beschrieben hat. :cool:
Vitaly Margulis hat das sehr schön erklären können und aufzeigen können, wie man sich ein Denken erarbeiten kann, was genau so schnell ist wie die Finger sich bewegen. Da ist dann nix mehr mit mechanischem oder motorischem Gedächtnis... das wächst eben dann zusammen.
Wie erklärt Margulis das? Würde mich sehr interessieren...:cool:
 
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