@Jette:
wenn dein Spiel mit beiden Händen auf Anhieb hervorragend klappt, würde ich mir evtl. das Üben mit Händen einzeln sparen; wofür auch?
Es gibt ein paar Indikatoren, wann es Sinn macht, einzeln zu üben:
1. Du brauchst lange um das Stück auf Geschwindigkeit zu bringen
2. Du kannst nicht auswändig spielen
3. Du hast Aussetzer beim Vorspielen
4. Du hast Probleme damit das Stück ausdrucksvoll klingen zu lassen
Mit den Punkten 1 und 3 hätte ich im übrigen die größten Probleme, weshalb ich persönlich um das einzeln Üben nicht herum komme. Ich beschleunige meine Lernrate damit enorm.
Wenn ich eine bestimmt Eigenschaft (zum Beispiel Geschwindigkeit) verbessern will, dann geht das immer am besten, wenn ich möglichst viele andere Schwierigkeiten eliminiere (zum Beispiel eben die Koordination der Hände). Deine ganze Aufmerksamkeit kannst du dann der maximalen Geschwindigkeit widmen. Das kannst du leicht an einem beliebigen Stück ausprobieren, indem du zwei in etwa gleich schwere Passagen einzeln oder zusammen auf eine bestimmte Geschwindigkeit bringst.
Wenn das stimmt, dann hast du automatisch mehr Zeit dafür dich der Verbesserung des Ausdrucks zu widmen, womit du Punkt 4 verbesserst.
Das auswändig Spielen und das Vorspielen lebt vor allem davon, dass du ganze Passagen aus dem "Handgedächtnis" abrufst. Das funktioniert in etwa so:
Beim neuen Lernen mußt du jede Note bewusst spielen, da dir das Stück ja noch unbekannt ist (zumindest vom Bewegungsablauf her). Beim ständigen Wiederholen kummuliert das Gehirn ganz automatisch bestimmte Notengruppen zu einer neuen Sinneinheit. Diese Sinneinheit wird durch Bildung neuer Synapsen im Gehirn fest verdrahtet. Das kennt jeder, weil das der Punkt ist an dem ich nicht mehr über jede einzelne Note nachdenken muss, sondern durch das Abfeuern eines einzelnen Impulses die ganze Passage abrufen kann. Das geht um so zuverlässiger je besser (qualitativ und quantitativ) die Passage geübt wurde. Und auch hier gilt: es funktioniert am besten, wenn alle anderen Schwierigkeiten eliminiert werden, da sich das Gehirn ganz diesem Vorgang widmen kann.
Damit bedienst du die Punkte 2 und 3, da auswändig Spielen nur funktioniert, wenn dein Gehirn genügend Noten kummuliert und Kummulationen zu höheren Einheiten wieder kummuliert hat usw. Niemand merkt sich die 18.000 Noten aus Rachmaninoffs 3. Konzert einzeln.
Aussetzer werden oft provoziert indem der bewusste Teil des Gehirns während des Vortrags überlastet ist (es kommt ja Nervosität etc. dazu), so dass du heil froh bist, wenn du möglichst viele fest verdrahtete Passagen in petto hast, bei denen die Finger von alleine spielen und dir über den gefährlichen Punkt drüber hinweg helfen.
Ich glaube, die meisten Leute kenne diese Probleme; meiner Einschätzung nach auch alle Profis, so dass ich keinen kenne, der sich nicht des einhändigen Übens bedienen würde.
Vielleicht tummeln sich hier ja doch mal ein paar Profis und belehren mich eines besseren :wink:
Der Hartmut