"Leitfaden" zur Orchestration?

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pjheinrich

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Hallo liebe Musikkollegen,

vor einiger Zeit habe ich beschlossen, bzgl. der Komposition "neue" Wege zu beschreiten um mich mit größeren Besetzungen auseinanderzusetzen. Nun ist mir ein (zwar ziemlich an die frühe Romantik bzw. späte Klassik angelehnt) Konzertrondo für Klavier & Orchester in den Sinn gekommen, welches ich bereits aufgeschrieben habe. D.h., der Solopart ist so gut wie fertig, bzw. das Particell - als 2tes Klavier - weitgehend.

Nun habe ich gestern begonnen, an der Partitur zu arbeiten. Ich orientiere mich hierbei an der Besetzung von Beethovens Violinkonzert op. 61 bzw. seinen Klavierkonzerten, insbesondere am Es-Dur-Konzert. Da ich diese Werke sehr im Detail kenne und auch deren Klang beim Partiturstudium im Ohr/Kopf habe, dienen die Partituren mir gleichzeitig auch als eine Art "Leitfaden", wenn es um die Verteilung der Stimmen auf die Orchesterinstrumente geht.
Nebenbei arbeite ich auch noch mit von Ertrugrul Sevsays "Handbuch der Instrumentationspraxis", wobei dieses sehr Umfangreich ist und man leicht den Überblick darin verliert.

- Beispielsweise bzgl. der Verteilung eines Akkordes auf die Holzbläser. Angenommen, ich hätte im Particell einen F-Dur-Akkord: [f" a" c"' f"'] ... - wie verteilt man denn diesen sinnvoll auf Fl. 1+2, Ob. 1+2 und Clar. 1+2? - Ich habe hier bisher verschiedene Möglichkeiten gesehen, z.B.

Fl. 1: f"', Fl. 2: c"'; Ob. 1: a", Ob. 2: f"; Clar. 1: c"' Clar. 2: f" Oder
Fl. 1: f"', Fl. 2: c"'; Ob. 1: c"', Ob. 2: a"; Clar. 1: a", Clar. 2: f" Oder
Fl. 1: f"', Fl. 2: a"; Ob. 1: c"', Ob. 2: f"; Clar. 1: c"', Clar. 2: f" ... etc.

Natürlich hat das alles klangliche Gründe bzw. bestimmt die Verteilung der Stimmen auch die Ausgewogenheit des Gesamtklanges des daraus resultierenden Akkordes ...
- Aber gibt es hierzu bestimmte "Regeln", d.h. wie das nun besonders "gut" klingt, oder wie man das "typischerweise" macht?

- Wenn ich mich nicht irre ist, das das Problem, das auch Ravel (? oder war's Rimski-Korsakow?) in seiner Orchestrationsschule anspricht und er die Verteilung der Stimmen eines Akkordes als "nicht lehrbar" hält ...

... Joah. Vielleicht hat hier jemand ein paar Tips für mich übrig, wie ich mich hier weiterbilden kann. - Das wäre toll; dann kann ich auch irgendwann das Konzertrondo hochladen ... vielleicht hat ja jemand Lust es zu spielen :D

mlg,
pjheinrich
 
Nun habe ich gestern begonnen, an der Partitur zu arbeiten. Ich orientiere mich hierbei an der Besetzung von Beethovens Violinkonzert op. 61 bzw. seinen Klavierkonzerten, insbesondere am Es-Dur-Konzert. Da ich diese Werke sehr im Detail kenne und auch deren Klang beim Partiturstudium im Ohr/Kopf habe, dienen die Partituren mir gleichzeitig auch als eine Art "Leitfaden", wenn es um die Verteilung der Stimmen auf die Orchesterinstrumente geht.
Ein musikhistorischer Aspekt ist bei den klassischen Orchesterpartituren zu beachten: Während die Streichinstrumente relativ frühzeitig ihre heutige Form und Spielweise erhalten haben, hat sich vorrangig im 19. und frühen 20. Jahrhundert bei den Blasinstrumenten noch eine Menge getan, was natürlich Auswirkungen auf den Orchesterklang hat. Vor diesem Hintergrund kann ich empfehlen, auch mal in "neoklassische" Partituren des 20. Jahrhunderts zu schauen, die diese Besonderheiten bereits berücksichtigen: Strawinsky, Hindemith, Poulenc und andere haben für Klavier und Orchester geschrieben und die klanglichen Eigenheiten moderner Holzblasinstrumente beachtet.

Aber gibt es hierzu bestimmte "Regeln", d.h. wie das nun besonders "gut" klingt, oder wie man das "typischerweise" macht?
Im Prinzip nicht, da gerade die Holzblasinstrumente in unterschiedlichen Registern sehr unterschiedliche Klangcharakteristika aufweisen. Der von Dir erwähnte F-Dur-Akkord spricht aufgrund seiner hohen Lage bei Flöten, Oboen und Klarinetten jene Register an, die auf allen drei Instrumenten sehr präsent klingen - alle die von Dir vorgeschlagenen Varianten kämen in einer Tutti-Passage in Frage. Gebräuchlicher ist es aber, alle Holzbläser solistisch oder à 2 agieren zu lassen und Oktavversetzungen in Betracht zu ziehen - letzteres vor allem beim Doppeln der Streicher. Zunehmende solistische oder zumindest stärkere Präsenz der Holz- und Blechbläser charakterisiert eher den romantischen Orchesterapparat.

Wenn ich mich nicht irre ist, das das Problem, das auch Ravel (? oder war's Rimski-Korsakow?) in seiner Orchestrationsschule anspricht und er die Verteilung der Stimmen eines Akkordes als "nicht lehrbar" hält ...
So ist es - unabhängig von der Quellenlage. Es hängt vom jeweiligen Kontext ab, ob der Akkord in Tutti- oder Soloabschnitten auftaucht, ob die Streicherstimmen gedoppelt werden oder nicht... - dazu kommt, dass Strauss, Berlioz, Rimsky-Korsakow vom Kenntnisstand über den spätromantischen Orchesterapparat aus sprechen.

LG von Rheinkultur
 
Es gibt ein fantastisches Lehrwerk, das meines Wissens leider vergriffen ist. Kann sein, dass es inzwischen online als Public Domain Download erhältlich ist, habs nicht gegoogelt (da ichs als Buch habe).
Ansonsten findet mans vielleicht antiquarisch.

Hector Berlioz: Instrumentationslehre (2 Bände)
Ergänzt und revidiert von Richard Strauss
 
Berlioz/Strauss ist unverzichtbar. Rimskys Instrumentationslehre gibt es auf Englisch. Als Ergänzung Hans Gál: "Anleitung zum Partiturlesen". Was Dir immer hilft, ist das eigene Partiturstudium. Hör Dich einfach durch Berge an Musik hindurch, mit der Partitur auf dem Schoß, in diesem Fall unter dem Aspekt: Wie hat der Komponist das klanglich realisiert? Es ist ein gute Übung, gewisse Stellen nach Gehör (oder mit dem Klavierauszug als Vorlage) selber zu instrumentieren und die eigene Lösung dann mit dem Original zu vergleichen.

Viel Freude dabei wünscht
Gomez
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe ein Exemplar von Berlioz in der ergänzten Fassung von Edition Peters von Strauss ergattern können. War gar nicht einfach, das zu kriegen (und nicht billig).

Vielleicht guckste mal im Internet und hast Glück :super:

Die zahlreichen Partiturbeispiele darin sind, so weit ich es beurteilen kann, hervorragend ausgewählt.
 

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