Langsam erstirbt das Interesse, "klassische" Instrumente zu erlernen

  • Ersteller Ersteller ml-koeln
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  • #41
Natürlich nicht, wo kämen wir da hin? Aber als Klavierlehrer sollte man ja nicht unbedingt nur das unterrichten was man will, sondern auch auf die Wünsche der Schüler eingehen?

Ansonsten fand ich das Zitat halt komisch ob Videospielmusik "unterrichtet" wird. Das sind halt ganz normale Stücke, wie alle anderen auch und nichts besonderes.
 

  • #42
Aber als Klavierlehrer sollte man ja nicht unbedingt nur das unterrichten was man will, sondern auch auf die Wünsche der Schüler eingehen?
Ein Kardiologe behandelt keine Hämorrhoiden und ein Anwalt für Erbrecht macht keine Mietstreitigkeiten. Warum sollte ausgerechnet ein Klavierlehrer alles unterrichten - also auch Sachen, die ihn überhaupt nicht interessieren?
 
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  • #43
Warum sollte ausgerechnet ein Klavierlehrer alles unterrichten - also auch Sachen, die ihn überhaupt nicht interessieren?

Naja, die Frage ist eher, ob es nicht weniger Desinteresse als Ignoranz ist. Ein guter Klavierlehrer hat für Schüler, die in diese Richtung gerne mehr spielen würden, ein nach Schwierigkeiten gestaffeltes Portfolio, das den Schüler weiterbringt, in technischer und musikalischer Hinsicht.
 
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  • #44
Das hinkt. Allgemeinmediziner passt besser.
Das Instrument ist schon Spezialisierung genug. Als KL kann man sich natürlich auf bestimmte Literatur spezialisieren, muss man aber nicht. Für mich ist das auch eher eine Einschränkung als eine Spezialisierung.
 
  • #45
Das Instrument ist schon Spezialisierung genug.
Zeig mir den Boogie-Pianisten, der musikalische Fingersätze für eine Mozart-Sonate entwickeln kann. Den klassischen Konzertpianisten, der Jazz-Voicings stilsicher parat hat. Den Rock-Pianisten, der italienische von französischen Verzierungen im Barock unterscheiden kann.

Wer braucht schon einen Lehrer, der alles kann, aber nichts richtig?
 
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  • #46
Ein guter Klavierlehrer hat für Schüler, die in diese Richtung gerne mehr spielen würden, ein nach Schwierigkeiten gestaffeltes Portfolio, das den Schüler weiterbringt, in technischer und musikalischer Hinsicht.
Entschieden - Nein. Das sehen auch Fachkollegen so (darüber wurde bei einem jüngsten Kongress diskutiert). Ein guter Klavierlehrer würde in diesem Fall bzw. diesem Spezialinteresse empfehlen, sich an einen anderen Klavierlehrer zu wenden, der so etwas unterrichten kann und möchte. Wenn jemand bei mir anfragt, der das Gesamtwerk von William Byrd spielen möchte, würde ich auch freundlich empfehlen, zunächst mal woanders anzuklopfen, denn darüber kann ich (außer grundsätzlichem musikalischem und technischen Wissen) nichts vermitteln.

Wenn die Schülerzahlen und Nachfrage stimmt, spricht überhaupt nichts gegen eine "Spezialisierung" (bewusst in Anführungsstrichen). Die ist nicht auf Repertoire beschränkt - es gibt auch Kollegen, die v.a. Anfänger unterrichten, oder v.a. Fortgeschrittene, oder v.a. Erwachsene etc. pp, es gibt welche, die Online-Unterricht oder Online-Kurse geben, welche, die Improvisation unterrichten, welche, die Musiktheorie unterrichten, welche, die 22,5-Minuten-Stunden oder Gruppenunterricht anbieten - und andere nicht. Und es gibt Schuhläden, wo ich Springerstiefel oder Brautschuhe oder Kinder-Gummistiefel in 12 Farben kaufen kann, und in anderen nicht. So ist das.
 
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  • #47
Wer braucht schon einen Lehrer, der alles kann, aber nichts richtig?
Anfänger (und ich hätte gedacht, dass davon die Rede ist), die selbst noch nicht genau wissen, wohin die Reise geht. Da halte ich Unterricht, der musikalisch für alles offen und breit aufgestellt ist*, für besser, als "nur" in der Klassik herumzudümpeln.
Logisch: Ab einem gewissen Niveau braucht es passende Lehrer, um weiterzukommen. Aber das war ja wohl schon immer so.

*) Ich hatte in meinem kurzen Jahr Unterricht das Glück, einen solchen Lehrer zu haben. Der war sogar sehr sehr sehr spezialisiert: Auf Piazzolla. Damit hat er sein Geld verdient und tut es noch. Unterrichtet hat er aber alles. Klassik, Jazz, Filmmusik, Pop/Rock, TEY... und ein entsprechend riesiges Angebot an Literatur gehabt.
Gleichzeitig habe ich eine ganz hervorragende Pianistin erlebt, die sehr gut Klassik unterrichtet, aber nicht in der Lage war, ein Anfängerstückchen wie "Strömungen" zu spielen. Jetzt rate mal, was mich mehr beeindruckt und beeinflusst hat.
außer grundsätzlichem musikalischem und technischen Wissen
Du schreibst das, als wäre das wenig wert. Aber geht es im "normalen" Unterricht nicht genau darum?
 
Zuletzt bearbeitet:
  • #48
Entschieden - Nein. Das sehen auch Fachkollegen so (darüber wurde bei einem jüngsten Kongress diskutiert). Ein guter Klavierlehrer würde in diesem Fall bzw. diesem Spezialinteresse empfehlen, sich an einen anderen Klavierlehrer zu wenden, der so etwas unterrichten kann

Das muss ein komischer Kongress gewesen sein. Ich bin ja auch Fachkollege, aber vor allem habe ich geschrieben: "Schüler, die in diese Richtung gerne mehr spielen würden". Dein Beispiel mit dem Gesamtwerk von William Byrd ist daher deplatziert. Es geht darum, dass man Musikstücke, die ein Schüler spielen will, nicht von vornherein ablehnt, sondern sie mitnimmt. Denn eines ist klar: Einfach mal auf Link zu tausenden von Klaviertranskiptionen von Musik aus Videospielen gehen und ganz willkürlich ein paar dieser Stücke herunterladen.

Beim Durchschauen wird man ganz schnell merken: Ohne klassische Ausbildung geht da gar nix. Man muss, je nach Schwierigkeitsgrad schon ziemlich gut Klavierspielen können - und das lernt man bei einem Klavierlehrer.

Wenn ein Schüler zu Dir kommt und sagt, dass er auf einer Schulveranstaltung Stück X spielen soll, dann darf man vom Lehrer erwarten, dass er das unterstützt. Und dabei ist es völlig Wumpe, ob Stück X ein Song aus Mario Kart ist oder eine Scriabin Mazurka, die Du zuvor in Deinem Leben noch nie studiert hast. Schickst Du den dann auch zu einem Scriabinisten?

Natürlich hätte ich keine Lust darauf, Schüler zu unterrichten, die nichts anderes mehr wollen, als alles von der verlinkte Site rauf und runter spielen wollen und sich einer Haydn Sonate verweigern. Davon war nicht die Rede, sondern von ab und zu mal solche Stücke nach Wahl.

Das darf man von einem Klavierlehrer erwarten.


Basta. Hugh, ich habe gesprochen!
 
  • #49
Du schreibst das, als wäre das wenig wert. Aber geht es im "normalen" Unterricht nicht genau darum?
Selbstverständlich. Das mit Byrd wäre jetzt ein Spezialfall. Wenn jemand das Gesamtwerk Byrd (oder sonst eines für das Klavier eher weniger populären Komponisten) spielen möchte, vermute ich dahinter eine besondere Motivation und ein Interesse, das über das "Standardlernen" hinausgeht. Wenn ich keine Ahnung von Bach hätte und jemand das gesamte Wohltemperierte Klavier (oder auch alle Inventionen) spielen wollte, würde ich die Person auch weiterschicken. Fachwissen ist schon hilfreich, für stilistische Ausführung, Entstehung, Hintergrund etc. - aber natürlich kann man als professioneller Lehrer auch völlig unbekannte Werke oder Komponisten unterrichten, wenn der Erfahrungsvorsprung stimmt.
 
  • #50
Das muss ein komischer Kongress gewesen sein.
Das war kein komischer Kongress, sondern der Fachkreis der Klavierdidaktiker des deutschsprachigen Raums. In diesem Fall bist du tatsächlich auch kein Fachkollege.
Es geht darum, dass man Musikstücke, die ein Schüler spielen will, nicht von vornherein ablehnt, sondern sie mitnimmt.
Nein, darum ging es nicht, sondern hierum:
Ein guter Klavierlehrer hat für Schüler, die in diese Richtung gerne mehr spielen würden, ein nach Schwierigkeiten gestaffeltes Portfolio, das den Schüler weiterbringt, in technischer und musikalischer Hinsicht.
Ein guter Klavierlehrer muss kein nach Schwierigkeiten gestaffeltes Portfolio "in dieser Richtung" bereithalten. Auch erhält man mit deinem Vorschlag

Einfach mal auf Link zu tausenden von Klaviertranskiptionen von Musik aus Videospielen gehen und ganz willkürlich ein paar dieser Stücke herunterladen.
kein nach Schwierigkeiten gestaffeltes Portfolio.

Ohne klassische Ausbildung geht da gar nix. Man muss, je nach Schwierigkeitsgrad schon ziemlich gut Klavierspielen können - und das lernt man bei einem Klavierlehrer.
Das ist absolut richtig.
Wenn ein Schüler zu Dir kommt und sagt, dass er auf einer Schulveranstaltung Stück X spielen soll, dann darf man vom Lehrer erwarten, dass er das unterstützt.
Und dies ebenfalls. Wie die Unterstützung aussieht, kann aber individuell verschieden sein, das hängt vom Lehrer und auch vom Schüler ab.
Natürlich hätte ich keine Lust darauf, Schüler zu unterrichten, die nichts anderes mehr wollen, als alles von der verlinkte Site rauf und runter spielen wollen und sich einer Haydn Sonate verweigern. Davon war nicht die Rede,
Siehe oben.
Das darf man von einem Klavierlehrer erwarten.
Man darf natürlich alles mögliche erwarten. Ob die Erwartungen erfüllt werden, wird sich zeigen - der Klavierlehrermarkt ist äußerst heterogen in jeglicher Hinsicht. Man kann nur jeden Schüler beglückwünschen, der eine Lehrperson gefunden hat, die fachlich, pädagogisch und menschlich kompetent ist, dazu noch motiviert, in räumlicher Nähe und für den eigenen Geldbeutel geeignet - und noch einen Platz frei hat.
 
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  • #51
Ich kann überhaupt nicht feststellen, dass das Interesse an klassischer Musik weniger wird. Riesig hoch war das noch nie. Die Wege zu Musik allerdings sind aufgrund des Internets und digitaler Medien/Apps deutlich vielfältiger geworden. Flowkey ist sehr erfolgreich, überall gibt es Tutorials, die auch genutzt werden u.v.a.

Leider oft zu Lasten der Qualität. Was man nicht hört, vermisst man vermutlich auch nicht. Es gibt aber doch Menschen, die von Flowkey zu Klavierunterricht in Präsenz wechseln, weil ihnen etwas fehlt. Die erstmal wegen mangelnder Notenkenntnisse sich online etwas erarbeiten, dann nicht mehr weiterkommen und einen Klavierlehrer suchen.

Gut ausgebildete Klavierlehrer können natürlich auch Stücke unterrichten, die sie gar nicht kennen. Auch wenn sie aus einem anderen Genre stammen. Gerade spielt ein Schüler von mir Despacito in der Bearbeitung von Peter Bence - hatte ich vorher noch nie gehört. Zum Lehren und Lernen ist Motivation auf beiden Seiten (Lehrer und Schüler) unabdingbar, ich kenne keinen Lehrer, der den Wunsch seiner Schüler nach bestimmten Stücken, sofern erreichbar, stets ablehnt.

Was mir Sorgen macht, ist die Qualität. Klangschönes Klavierspiel hört man in Deutschland leider nicht oft. Die Bedingungen dafür sind schlecht - wenig üben (Ganztagsschule, digitale Medien ...), wenig Unterricht (30.Min. oder kürzer). Da ist es doch kein Wunder, dass die Asiaten oftmals einfach besser sind. Wer schafft denn heute noch als Deutscher ohne asiatischen Hintergrund eine Aufnahmeprüfung im Künstlerischen Bereich?
Ein paar gibt es, ja.

Liebe Grüße

chiarina
 
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  • #52
besser, als "nur" in der Klassik herumzudümpeln
Wobei der klassische Dümpel-Tümpel ja riesig ist und sich eigentlich für fast jeden Geschmack etwas finden ließe. Und sei es im Uferbereich, wo die Unterscheidung in Klassik oder Nicht-Mehr-Klassik vielleicht nicht mehr ganz trennscharf ist.
 
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