Körperbewegungen beim Klavierspielen

Einkomponierte Effekte

Auf die Gefahr hin, bei unseren sachkundigen Wortstreitern Wasser in den Bach zu tragen nur diese kleine Illustration:

In der Norma-Fantasie, letztes Drittel, wird der Interpret durch die technischen Notwendigkeiten gezwungen, sich ins Show-Business zu begeben: die zunächst in weitem Abstand mit gekreuzten Armen nacheinander ingeworfenen Terzen (wie als Vorübung - "einspringen") und kurz darauf die in noch weiterem Abstand in gleicher Manier hingeworfenen Akkorde, die über die ganze Klaviatur durchlaufenden Tonleitern und/oder Arpeggien, die die Melodieakkorde durchqueren. Kurz vor Schluss die für den Betrachter eher unauffällige Verknüpfung zweier Melodien samt Begleitung - fast nur ein Ohrenschmaus usw.

Liszt konnte beides, die zu beobachtende Akrobatik einkomponieren - und die nur dem Hörer sich erschließende kontrapunktische Akrobatik einbeziehen.

Dieser Mann verstand was von Publikumswirksamkeit bei aller Intellektualität. Wir alle können aus diesen Werken nur lernen.

(Vgl. die Beobachtung bei Horowitz: "es war nichts besonderes, ich habe nur gesehen, wie er mit allen drei Händen wundervoll spielte!")

Viele Grüße (nur mit der notwendigen Bewegung spielend)

Walter
 
ja...klar doch:
die Norma hat der Franz als echtes Showstück geschrieben, die Rigoletto- & Trovatore- und Don-Juan-Bearbeitungen auch - - - "wollen Sie lieber die Sonate oder die Opernfantasie" (sinngemäß, wörtlich müsst ichs nachschauen und dann franzöisch schreiben) hat er ins Publikum fragen lassen, na und das Publikum wollte dann die Opernfantasie :)
...(nicht 100& ernst) aber sind ja musikalisch-kompositorisch bissle anrüchige und im Verdacht des Unseriösen angesiedelte Piecen, diese Operndinger...
ulkig ist doch: es gibt manuelle Zikusnummern mit Akrobatik-Show, es gibt ebenso akrobatische Stücke ohne explizite "seht mal Show", es gibt Stücke ohne Akrobatik aber doch mit Show (Gebet einer Jungfrau...), es gibt Stücke ohne Akrobatik und ohne Show (hoffentlich habe ich keins vergessen)
- - - - bei allen kann allerlei gemacht werden, mit mehr oder weniger "Körpereinsatz" (ist im Mannschaftssport da nicht die Grenze zum Foul relativ fließend?) - - und jetzt ganz ehrlich: den letzten größeren thematischen Abschnitt in der Rigoletto-Paraphrase (rechts Oktaven, später rechts Oktavrepetitionen) spiele ich TATSÄCHLICH "SCHUNKELND".... .... wow, der böse Rolf...öffentlich Wasser predigend, heimlich Wein schüttend...

:) :)

aber da muss ich so lachen, weil diese Musik und ihre Gestik voller Witz, Humor, Ironie und Schalkhaftigkeit ist (um den Preis einer sehr lockeren virtuosen Präzision: leicht das nicht!!!): das herrliche hier ist innermusikalisch eine quasi rhetorische Figer: die Verletzung des inneren Aptums (d.h. die Angemessenheit der Mittel wird verkehrt) - spieltechnische Akrobatik für ironische Witzelei (übrigens "verletzt" er da auch augenzwinkernd Verdis Harmonik). das "schunkeln" ist übrigens NICHT an dieser Stelle zweckdienlich für das spielen, aber es macht mir einfach Spaß - - - ob das freilich so rüberkommt nach außen, oder ob man da denkt, das muss so sein: keine Ahnung...

Ausnahmen bestätigen die Regel - meine Körperschunkelei also ist meine belustigte Reaktion auf die lustige Musik; nicht nachahmenswert und auch nicht "musikalisch-interpretatorisch" empfehlenswert.

also: der Onkel Doktor sagt zwar immer putzt euch die Zähne, lasst die Finger weg vom Zucker - aber son Gummibärchen schmeckt ja dennoch, und wir stopfen die ja nicht täglich kiloweise in uns hinein: aber ab und zu

"und wenn ein Irrlicht euch den Weg will weisen, dann dürft ihr´s so genau nicht nehmen" (Faust I, Walpurgisnacht) - auf Latein gibts, von Ovid, die Sentenz: "nichts menschliches ist mir fremd" (das Original verkneif ich mir) :)

damit können wir alle leben (neben Sachlichkeit musses auch Spaß oder wenigstens Späßle geben)

liebe Grüße vom (aber nur ab und zu) körperbewegten Rolf
 
lieber kölnklavier,

so ganz ohne Widerspruch wäre ich nicht ich selbst (und so ein bißchen schalkhaftes "ich bin der Geist, der stets verneint" steckt vielleicht in uns allen mehr oder weniger drin)

die Körperbewegungen, die ein bestimmter Spieler macht/braucht und seiner Emotionalität entstammen, mögen natürlich manches unterstützen, darstellen etc. - aber wie in Deiner Formulierung ja schon gesagt: es sind SEINE, sie helfen, nützen oder "showmachen" für und bei IHM. Daraus folgt, dass Spieler X sicher nicht die "Marotten"/"Körperbewegungen"/"unterstützenden Gesten" von Spieler Y imitieren oder kopieren sollte. ... :) ... stell dir vor, jeder würde plötzlich wie Gould brummen (und Du müsstest Dir das im Unterricht dauernd zumuten lassen)

die Macht des Visuellen: tja, die ist - fürchte ich - größer noch, als Du es beschreibst bzw. erwähnst; eine Analoge: noch der dümmste Quark kann optisch/technisch super aufgemacht im Kino Kasse machen - und die Opfer solcher Filmkunst diskutieren begeistert, "wie das gemacht ist" und verlieren kein Wort darüber, dass irgendein "Spiderman" verblüffend flach ist... ... "Style", "Design", "Show" hat auch so seine gefährlichen Seiten, und was die Rhetorik betrifft, so gab und gibt es massenpsychologisch und gestisch gut gemachte (und erfolgreiche) Reden, deren Inhalt man lieber nicht nennt... (ok, das wird gar zu ernst, also lass ichs) --- also sicher kann es nicht schaden, wenn man der (von manchen übertriebenen) außermusikalischen Show misstraut (und entre nous: ich hab doch ein paar nette Exempel beschrieben)

ok, das war jetzt der Rest der PN (aus Jux habe ich Deine Reihenfolge umgekehrt)

und liebe Grüße, Rolf
 

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