Klavierstimmen lernen

  • Ersteller des Themas Krischu
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Als Beispiel führt er an:
mutige Selberstimmerin (Klavier- und Geigenlehrerin)
Eine Geige stimmt man selbst, d.h. diese "mutige Selberstimmerin" brachte wesentliche Grunderfahrung für das Stimmen bereits auf professionellem Niveau mit: sie konnte mit Sicherheit einen ihr zugeworfenen Ton aufnehmen (egal ob Stimmgabel, am Klavier angeschlagen, Oboe, ...) und ihre Geige danach stimmen. Außerdem hat sie ein feines Gefühl für Intervalle (könnte allerdings auch schlecht für das Klavier sein, da man dort ja keine Naturtonreihe stimmt).
Das ist vermutlich ein wesentlicher Batzen von dem, was @Henry mit "Übung" meint.
(Ich gestehe: ich stimme meine Gitarre und mein Cello regelmäßig mit dem Stimmgerät.)
 
Hallo,
ich komme nochmals auf den eigentlichen Ursprung dieses Fadens zurück, Stimmen, Schwebungen, etc., wie es alles sehr trefflich beschrieben wurde.
Ich habe eine Übersicht der Schwebungen für mich zusammengefasst, die ich hier gerne teile: es lassen sich zu jedem Tonpaar im o.g. Temperaturbereich (also f-a1, geht aber noch bis c1) sowohl die -theoretischen- Schwingungszahlen der Obertonreihe (bis O8), dann aber auch Schwebungszahl, sowie den schwebenden Ton ablesen. Das Ganze existiert zudem als "interaktives" Numbers-Tabellenblatt, scheinbar geht diese Datei aber nicht hochzuladen; wer sie anschauen mag, sende eine PN.
VG
 

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Hallo zusammen,
ich bin auf das Forum gestoßen, weil ich unser Klavier stimmen will. Meine Voraussetzung: Ich bin Akkordeonbaumeister und stimme seit 33 Jahren diese Heimwehkompressoren. Ich bin damit jeden Tag ca. 4-5 Stunden beschäftigt und es macht von Jahr zu Jahr mehr Freude. Erst mal vielen Dank an Martin, der sich viel Mühe gemacht hat, dieses Thema zu bearbeiten. Generell sind im Forum viele gute Dinge geschrieben worden. Aus meiner Erfahrung kann ich aber behaupten, dass es die Praxis ist, die zum Erfolg führt. Ich kann die technische Herangehensweise von Christoph gut nachvollziehen, muss aber sagen, dass das eine technische Stimmung bringt. Da kann ich auch gleich ein Keyboard kaufen, das klingt eben wie es klingt. Aber da fängt es meiner Meinung nach aber erst an. Wenn ein Kunde in meine Werkstatt kommt, versuche ich erst ein mal heraus zu kriegen, was sein Klangideal ist. Will heißen, ich lasse ihn spielen. Dann erfahre ich, welche Art von Musik er spielt und wo er hin will.
Ich hatte z.B mal einen jungen Mann, der in einer irischen Band Akkordeon spielt. Als ich ihn nach den gängigen Tonarten fragte, stellte sich heraus, dass das überwiegend Kreuztonarten waren. (bedingt durch die Geige in der Band). Darauf hin habe ich die Ouinten in D,A,E rein gestimmt und die B Tonarten hinten runter fallen lassen. Eine Woche später rief mich der Band Leader an und fragte, was ich da gestimmt habe. Als ich sagte, ich könne das Instrument auch gerne wieder temperiert stimmen lehnte er das vehement ab und meinte:" That's the first german Accordion, that sounds irish.
Das kommt beim Klavier natürlich nicht vor , ebenso wenig wie das beim Akkordeon typische Tremolo.
Da geht es bei den Musette Fans von heftiger Schwebung bis hin zum Schatten bei den Klassikern und Jazzern. (Musette bestehend aus drei Tönen: Grundton a' 440 Hz, Oberschwebung 444 Hz, Unterschwebung 437 Hz. Schatten bestehen aus zwei gleichen Tönen, die aber nur um ca. 2 Cent differieren.) Das erlaubt ein Bending, ähnlich der Blues Harp.
Was ich grundsätzlich mit diesem Artikel sagen will: Ein guter Stimmer muss sich immer mit dem Klangideal des Kunden und den technischen Voraussetzungen des Instrumentes auseinander setzen. Ich habe oft Akkordeons, die kommen mir beim stimmen sehr entgegen, so als wollten sie unbedingt gestimmt werden. Auf der andern Seite haben ich sehr sensible High End Instrumente, die sich zieren und nicht immer da stehen bleiben, wo ich sie gerne hätte. Und das ist m.M sehr wichtig, dies dem Kunden klar zu machen. Ich muss aber auch sagen, dass viele Spieler erst durch ihren Dirigenten darauf aufmerksam gemacht werden, dass ihr Akkordeon mal gestimmt werden muss.
Ich will nicht überheblich klingen, aber ein Großteil meiner Kundschaft hört die Verstimmung nicht. Diese Kunden sind oft verunsichert, wenn sie nach Jahren der Verstimmung dann ein gut gestimmtes Instrument spielen.
Ich habe auch ein Stimmgerät. Das ist nützlich, wenn nach 4 Stunden die Konzentration nachlässt. Das Gerät zeigt mir die Richtung, die letzte Beurteilung macht aber immer mein Ohr. Und das ist immer schneller, als das beste Stimmgerät. Nach dem ich Temperatur in Quinten (kleiner als rein) und Quarten( größer als rein ausgehend a' ) gestimmt habe und dann über Intervalle, deren Schwebungen gut hörbar sind überprüft habe, spiele ich die Akkorde in Dur und Moll an und höre hin. Das hat mit Frequenztabellen nichts zu tun. Das ist die Erfahrung und das Bauchgefühl. Hilfreich ist es, viel gute Musik auf gut gestimmten Instrumenten zu hören.
Noch eine kleine Anekdote. Ich hatte ein großes Akkordeon ( 41 Tasten, 4 chor im Diskant = 164 mal 2 = 328 Zungen wg Zug und Druckstimme und 48 Stimmplatten im Bass = 96 Stimmzungen) für einen Kunden gestimmt. Nach einer Woche kam er und meinte, er habe sich eine Software (zum Hersteller gibt es auch in diesem Thread einen Link) zum Akkordeon stimmen gekauft und alles nach gemessen. Da wäre ihm aufgefallen, das 3 bis 4 Töne nicht zu 100 % mit der Software überein stimmen. Da habe ich ihn gefragt, was er denn mit nimmt, wenn er in ein Konzert geht. Die Software oder seine Ohren?
Abschließend kann ich nur jeden ermutigen, der sich ans stimmen traut. Es ist ein riesiges Feld und mit der Zeit und der damit verbunden Erfahrung hat man immer mehr Spaß als Frust.
Gruß Michael
PS.: wer mal in Köln ist und Lust hat sich die Kölner Akkordeon Werkstatt anzuschauen, ist herzlich eingeladen.
 
Hallo @Heimwehkompressor und herzlich willkommen.
Klingt alles sehr interessant. Hast Du auch Erfahrung mit Hohner Organa und Organetta?
Grüße aus Kerpen von einem Berufsverwandten...:coolguy:
 
Servus Heimwerkkompressor,

Wie ich bereits einmal schrieb, ist das Klavierstimmen auch ne Erfahrungssache - aber da werd ich Dir ja als Akkordeonstimmer nix neues verzählen (wobei ich ned weiß wie man ein Akkordeon stimmt...mit nem Lötkolben? )

In einem stimme ich Dir zu - die meisten Menschen hören Verstimmungen nicht, bzw. gewöhnen sich daran.
Den Geschmack des Kunden zu treffen ist in der Regel Instrumentenabhängig. Einen Chinaböller kann ich stimmen wie ich will, der Klang wird nie wirklich zufriedenstellend sein. Und auch beim Geradsaiter bekommst den Klangcharakter nicht weg, welchen das Instrument inne hat.

Es macht immer Sinn die Stimmung maximal dem Instrument anzupassen - Kundenwunsch ist so eine Sache, wenn es machbar ist - selbstverständlich. Nur man bekommt auch mit der besten Stimmung bei einem 90cm Klavier keinen SteinwayB Klang hin.
 
(wobei ich ned weiß wie man ein Akkordeon stimmt...mit nem Lötkolben? )

Das Akkordeon ist ein Zungen-Instrument. So wie die Mundharmonika. Auch die Zungenpfeifen der Orgel, Lingualpfeifen, gehören zur Gruppe der Verwandtschaft.
Die Länge der Zunge, einstellbar durch eine Krücke, bestimmt die Tonhöhe. Der Aufwurf der Zunge beeinflusst die Ansprache. Es gibt da noch mehr dazu zu berichten. Soll aber erst mal reichen.

Gauf! :017:
 

@Henry , nee mit nem Lötkolben wird das nix. Und auch altermann liegt nicht richtig. Die Zungen werden gefeilt (hochstimmen) bzw. gekratzt (runterstimmen). Und um an die Stimmplatten zu kommen muss ich das Diskant bzw. Bassgehäuse vom Balg nehmen, um die Zungen zu bearbeiten. Und dann wieder zurück, um mit das Ergebniss anzuhören. Ne echte Wuchterei.
Hier ein Bild vom Stimmwerkzeug. Wenn Interesse besteht lade ich auch gerne einen Artikel über das Akkordeon stimmen, den ich in einer Fachzeitschrift veröffentlich habe hier ins Forum.
Grüße euer Michael
 

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Im übrigem habe ich natürlich auch Kundschaft, welche die vollständige Stimmung mit Stimmgerät (CT5) bevorzugen, Unterscheidet sich zwar nicht groß von der reinen Gehörstimmung, aber so manch einer traut der elektronischen Methode weit mehr zu. Natürlich ist das mit einem Stimmgerät mathematisch absolut korrekt und die Spreizungen mitunter nicht ganz so scharf wie nach dem Gehör - nur empfinde ich persönlich dann das Instrument als "totgestimmt".
Selber ein Klavier zu stimmen, heißt auch sich mit dem Instrument selbst auseinanderzusetzen - das geht schon bei der Tonhöhe los - einen alten Bechsteinflügel auf 440 Hz hochzujagen, grenzt schon an Barbarei. Ein S&S hingegen kann sich bei 440 Hz kaum richtig entfalten, der braucht scho seine 443Hz. Da sind Klaviere sehr individuell.
 
@Henry , nee mit nem Lötkolben wird das nix. Und auch altermann liegt nicht richtig. Die Zungen werden gefeilt (hochstimmen) bzw. gekratzt (runterstimmen). Und um an die Stimmplatten zu kommen muss ich das Diskant bzw. Bassgehäuse vom Balg nehmen, um die Zungen zu bearbeiten. Und dann wieder zurück, um mit das Ergebniss anzuhören. Ne echte Wuchterei.
Hier ein Bild vom Stimmwerkzeug. Wenn Interesse besteht lade ich auch gerne einen Artikel über das Akkordeon stimmen, den ich in einer Fachzeitschrift veröffentlich habe hier ins Forum.
Grüße euer Michael

War mir schon klar, dass ich mit meinem Beitrag daneben liegen würde. Ich habe in großer Schwachheit versucht, das Prinzip der Stimmung und Intonation minimalistisch anhand einer Zungenpfeife der Orgel zu erklären. @Henry hat aber mit dem Lötkolben für dich eine gute Lösung gefunden. Wenn du die Zunge des Zerrwanstes zu kurz gefeilt hast und dein Gekratze nicht mehr ausreicht, kommt Henry mit dem Lötkolben. Er setzt an das Ende der Zunge mit dem Lötkolben einen Klecks Lötzinn. Du darfst dann den Überschuss glätten und hoffentlich nicht wieder zuviel abfeilen. Jetzt erst wird mir bewusst, warum ich keinerlei Zugang zum Zerrwanst habe und auch nie bekommen werde, oder so.
Krawehl.
Gauf! :017:
 
... Kinder tut's beten der Vater tut löten ..... Ihr seid aber richtige Spezialisten, ich hab mir in meim Leben noch keine Gedanken gemacht, wie es in so einer Quetschkommod innen aussieht :-)
 
... Kinder tut's beten der Vater tut löten ..... Ihr seid aber richtige Spezialisten, ich hab mir in meim Leben noch keine Gedanken gemacht, wie es in so einer Quetschkommod innen aussieht :-)

Beim nächsten Volksfest, wenn der Zerrwanstkünstler besoffen ist, gehst hin und schneidest ein Loch in "der Gerät". Gugst nei und schreist "eiei"

Gauf! :017:
 
... Kinder tut's beten der Vater tut löten ..... Ihr seid aber richtige Spezialisten, ich hab mir in meim Leben noch keine Gedanken gemacht, wie es in so einer Quetschkommod innen aussieht :-)

Es geht ja hier um das Klavierstimmen...aber gut, Themenverfehlungen sind ja hier ohnehin an der Tagesordnung.
Ich stimme seit 40Jahr Klaviere und Flügel und doch kommt es immer mal wieder zu Herausforderungen. Nicht allein das gute Gehör ist entscheident, nein - man muß sich auch irgendwie in das Instrument rein versetzen. Das sind Dinge, die kann man niemanden beibringen, das muß man selbst spüren.
 
Es geht ja hier um das Klavierstimmen...aber gut, Themenverfehlungen sind ja hier ohnehin an der Tagesordnung.
Ich stimme seit 40Jahr Klaviere und Flügel und doch kommt es immer mal wieder zu Herausforderungen. Nicht allein das gute Gehör ist entscheident, nein - man muß sich auch irgendwie in das Instrument rein versetzen. Das sind Dinge, die kann man niemanden beibringen, das muß man selbst spüren.

... und wenn man dann jahrelang geübt und sich reinversetzt hat in die Materie, hat man einen riesigen Haufen Schrott hinter sich gelassen.

Gauf und gsuffa :017:
 
... und wenn man dann jahrelang geübt und sich reinversetzt hat in die Materie, hat man einen riesigen Haufen Schrott hinter sich gelassen.

Mal ganz langsam, Du oiddes Friedhofsgemüse :-D
Etwa 2% meiner Kundschaft war wohl unzufrieden mit mir - die melden sich nimmer. Aber mei, die könn mir mal n Huat naufsteigen, Beschwerden wegem Alkoholkonsumes meinerseits, gab es in den 40 Jahren 3. Ich weiß daß ich ordentliche Arbeit verrichte, selbst wenn ich mal n Bier getrunken habe. Das hat mir sogar Micha Seelig zugute gehalten, der mal zu mir sagte" daß Du in dem Zustand noch stimmen kannst"
 

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