Klassische Musik und Jazz auf Vinyl

Das zeigt nur, wie leicht man die Fanboys für dumm verkaufen kann. Der Vinyl-Retro-Hype ging ja von Technofreaks udgl. musikfernen Gestalten aus. Die haben von ihrem Dauergewummer ja sowas von Gehirnerschütterung... Deren Musik ist nicht nur digital aufgenommen und produziert, sondern auch die Ausgangsklänge stammen überwiegend aus der Retorte. Wenn ausgerechnet dieses schwerhörige Volk behauptet, Vinyl klänge besser, weiß man, wo der Hammer hängt...

Das Ganze ist ein fettes Geschäft geworden. Ich habe selbst kürzlich meinen alten Lenco L75 mit Brandflecken und fehlenden Teilen für den Spottpreis von 50,- € verscherbelt. Eigentlich sollte er in den Müll -- hatte jahrelang im Keller geschimmelt. Zufällig habe ich entdeckt, daß das heute ein Kultplattenspieler ist, der in gutem Zustand 400,- € bringt. Ich selbst habe ihn damals geschenkt bekommen, weil er eigentlich auf den Sperrmüll sollte. War mein erster Plattenspieler und völlig unmodern.

Was bin ich froh, daß es Musik digital und knisterfrei gibt...

Natürlich ist die Vinyl-Renaissance bei Licht betrachtet nicht viel mehr als Brauchtumpflege, aber als solche sehr schön, wenn mans mag. Ob jetzt die Klangqualität besser oder nur anders ist und ob digitale Nachpressungen im Vergleich zu Originalen nur Müll sind ist dabei irgendwie auch ein bisschen nebensächlich. Ich mag daran, dass das Gesamterlebnis sowohl haptisch, optisch als auch akustisch ein wesentlich intensiveres ist, als wenn ich eine CD reinschiebe oder auf Handy oder Rechner was zusammen klicke.

schöner Artikel zum Thema:
www.allaboutjazz.com/an-ode-to-vinyl-by-geoff-anderson.php?pg=2&width=415
 
Stimme @Tastenjunkie voll zu.

Es geht ja mindestens auch um das Ritual: (Röhre aufheizen,) Platte raussuchen, auflegen, abwischen, Arm auflegen, hinsetzen, hören. Im Unterschied zu: IPhone ins Dock und schon plärrt ein unendlicher Strom von dynamisch plattgedrückten spotify-Remakes aus dem Brüllwürfel. Es ist in etwa der gleiche Unterschied wie zwischen einem Kaffee-Vollautomat mit Kapseln und einer Siebträger-Espressomaschine oder einer Uhrzeit-App aufm Handy und einer Armbanduhr mit Handaufzug oder einem Pelikan und einem Wegwerf Kuli. Nichts was man braucht, aber es entschleunigt und bereitet Freude.

Außerdem kann man auf Plattencovern auch mit fast 50 Lenzen noch die Songtexte lesen.

Was den Klang angeht: Ich glaube nicht so sehr an prinzipbedingte Vorteile der LP. Ich glaube aber an die überwiegend katastrophale Qualität von CD-Ausgaben von ehemals für LP produzierten Aufnahmen:
  • Meine ältesten CDs klingen so, als sei überhaupt nicht remastert worden, was falsch ist, denn für den Schnitt einer LP wird ja das Klangspektrum an die Eigenheiten des Mediums angepasst (drum braucht man ja auch einen Phonoverstärker, der das wieder geradebiegt). Wenn man das 1:1 digitalisiert, ist es unhörbar.
  • Neuere CDs mit dem Label "digitally remastered" sind oftmals durch den Kompressor gejagt, alle Dynamik geht verloren.
  • Manche CDs scheinen mir durch ein Sound-Processing aufgepeppt, das ich übrigens auch meinem Pioneer-Autoradio unterstelle: Die Attacks kommen extrem scharf und knackig. Klingt im ersten Moment absolut brillant, nervt aber nach 5 Minuten ungemein. Vor allem, wenn eben auch ruhige Stellen plötzlich in aggressiv-knackigem Sound daher kommen. Ich habe relativ hochwertige Gentle-Giant-CDs, die gehen mir tierisch auf'n Zeiger, ich kann sie echt nicht hören. Andere wiederum klingen wie durch ein Kissen.
Alles Dinge, die man auch anders machen könnte, aber der Spotify-Zeitgeschmack will das heute anscheinend so (oder die Musikproduzenten glauben, das der Markt es so will). Eine LP klingt also nicht unbedingt besser, weil das Medium mehr kann, sondern weil sie oftmals der einzige Weg ist, an eine unverbastelte Aufnahme zu kommen.

- Karsten
 
Das manche alten CDs merkwürdig klingen kann auch an dem Deemphasis Bit liegen. Etliche moderne CD-Player (viele die auf einem Laufwerk aus der PC-Sparte aufbauen) unterstützen das Bit gar nicht mehr, denn meines Wissens nach werden solche CDs schon lange nicht mehr verkauft. Dann klingt die CD extrem hell und dünn. Da hilft nur die CD mit einer Software die das zurück rechnen kann zu rippen und dann neu brennen. Dann klingt die CD so wie sie sein soll.

Remastered CD sind nur dann gut, wenn sie von einem Fachmann gemastered wurden. Ich schätze 90% der "digitally remastered" CDs dienen nur der Geldbörse der Labels.

Ich bin glücklicher Besitzer der Erstauflage von Brothers in Arms von Dire Straits auf CD. Jede nachfolgende Auflage ist klanglich erheblich schlechter, außer vielleicht die SHM SACD aus Japan.
Ich kann die Labels nicht verstehen, die bei einer Neuauflage einer CD den Klang dermaßen verhunzen.
 
Das manche alten CDs merkwürdig klingen kann auch an dem Deemphasis Bit liegen. Etliche moderne CD-Player (viele die auf einem Laufwerk aus der PC-Sparte aufbauen) unterstützen das Bit gar nicht mehr, denn meines Wissens nach werden solche CDs schon lange nicht mehr verkauft. Dann klingt die CD extrem hell und dünn. Da hilft nur die CD mit einer Software die das zurück rechnen kann zu rippen und dann neu brennen. Dann klingt die CD so wie sie sein soll.

Remastered CD sind nur dann gut, wenn sie von einem Fachmann gemastered wurden. Ich schätze 90% der "digitally remastered" CDs dienen nur der Geldbörse der Labels.

Ich bin glücklicher Besitzer der Erstauflage von Brothers in Arms von Dire Straits auf CD. Jede nachfolgende Auflage ist klanglich erheblich schlechter, außer vielleicht die SHM SACD aus Japan.
Ich kann die Labels nicht verstehen, die bei einer Neuauflage einer CD den Klang dermaßen verhunzen.
anscheinend bist Du einer der ganz wenigen in diesem Faden, die tatsächlich etwas von der Materie verstehen. Wenn ich mir z.B. die polemischen Kommentare von einem "Daumen hoch" Schreiber durchlese, dann kann ich nur noch milde lächeln.
Ich habe für mich selbst bereits vor Jahren entschieden und bin sehr glücklich mit dem Ergebnis. Da ich Röhrenfan bin und kein Freund von Stadion-Beschallung mittels tausenden von Watt steht ein entsprechendes Equipment in meinem Zimmer. Leider komme ich nur selten dazu, einen Hörabend einzulegen, aber wenn ich dann Zeit habe, ist es immer ein Hochgenuss.
Die Erstauflage (Vertigo 1st Release) der Dire Straits "Brothers In Arms" besitze ich übrigens auch, höre sie aber kaum mehr.

Deine Empfehlungen für die TE kann ich voll und ganz unterstützen. :super:
 
@thinman Danke für das Feedback. :-)
 
Vielleicht noch eine Zusatzinfo:
CDs mit pre-emphasis sind viele Klassik-CDs aus den 80er und 90er Jahren. Beim Denon-Label z.B. ist die Quote von solchen CDs sehr hoch. Auch das Genesis-Genesis Album der ersten Auflage hat dieses Bit, wie viele andere Pop/Rock CDs aus dieser Zeit auch.

Schimpft man nun auf die Klangqualität beim Hören dieser CDs, kann es sein, das diese Art von kodierten CDs der CD-Player nicht erkennt.

Ich schreibe jetzt keine ausführliche Anleitung wie man das geradebiegt, jedoch ein paar nützliche Tipps was man dazu benötigt:

1.) eine Software die einem anzeigt, ob die CD so kodiert ist. Das Bit kann im TOC (Table of Content) stehen oder in den Subchannels eines Tracks. So eine Software ist z.B: EAC (Exact Audio Copy), allerdings nur in der alten Version 0.95 (Download über die EAC Homepage, Freeware). Bei der aktuellen Version ist das ausgebaut worden.

2.) die Tracks, die einem so kodiert angezeigt werden, werden nach dem Rippen mit der Software SOX (Freeware) mittels IIR Filter umkodiert. Der Schalter bei SOX ist "-deemph".

3.)Die so neu erzeugten und umkodierten Tracks können dann wieder gebrannt werden, und der eigene CD-Player spielt sie ganz normal und wohlklingend ab.
 
Moderne CD-Player gibts doch auch schon fast keine mehr. Es gibt Allesplayer zweifelhafter Qualität um die 100 Euro, und dann geht's bei ca. 5000 Euro aufwärts weiter mit "richtigen" CD-Playern. Dazwischen habe ich überhaupt nichts mehr gefunden, was man in eine Stereo-Anlage integrieren könnte.
 
Och, es gibt schon noch gute CD-Player. Cambridge oder Marantz... viele andere auch. Darunter sind auch Alleskönner, jedoch sind das nicht alles zweifelhafte Geräte. Über 100 und unter 5000 Euro gibt es richtig gute Geräte.
Eine coole Kombination ist z.B. der externe DA Wandler von Cambridge DACmagic Plus und dazu ein CD-Player/Laufwerk von Destiny. Sieht edel aus und klanglich, mit dem Cambridge, allererste Sahne. Budget 1.500 Euro. Nicht billig, aber preiswert und deutlich unter 5.000€

Ich trauere immer noch meinem alten Sony Esprit 338 ESD CD-Player hinterher. Alleine die Haptik. Kupfer und Aluminium wie aus dem Vollen gefräst. Leider habe ich ihn zu früh verkauft.
 
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Jetzt kommen wir ins Schwärmen. Ich habe von ca. 13 Jahren eine Myryad-Kette gekauft, damals schon recht teuer. Jetzt war im CD-Player der Laser am Ende, nach langem Suchen habe ich jemanden gefunden, der das repariert hat (zum Preis eines neuen CD-Players), und nun ist das Dingens leider schon wieder kaputt (vermutlich ein Kondensator, jedenfalls knistert es in der Analogstufe - über externen D/A-Wandler X-DAC v2 ist alles schön). Ich muss das Ding noch mal einschicken, oder wegschmeißen. Es gibt ein Angebot für ein baugleiches, überarbeitetes Gerät. Kostet wahrscheinlich so viel, wie die Reparatur (um die 200).

Nach Destiny kann ich ja mal kucken. Wie gesagt, lieber wäre mir, mein Myryad käme noch mal ans Laufen. Derzeit hab ich ersatzweise einen alten, aufgearbeiteten Marantz in Betrieb.
 
Ja die guten alten CD-Player. Sterben häufig durch den Laser. Ersatzteile sind rar und teuer oder überhaupt nicht auffindbar. Ein Kollege hat für seinen CD-player tatsächlich eine kompatible Laserdiode einzeln bekommen und hat die in Feinmechanikermanier eingebaut. 2,50€ und das Ding läuft wieder. Häufig geht das gar nicht, da man die Lasereinheit zerstören würde.
 

Einen Laser bekommt man vielleicht noch für den Marantz. Es ist ein CDM4/36. Kostet ca. 160€ ohne Einbau.
 
danke, ich weiß. Allerdings sehe ich momentan keinerlei Bedarf. Der "Panzerschrank" dient eher nostalgischen Gefühlen.
 
Ich mag daran, dass das Gesamterlebnis sowohl haptisch, optisch als auch akustisch ein wesentlich intensiveres ist, als wenn ich eine CD reinschiebe oder auf Handy oder Rechner was zusammen klicke.
Finde ich völlig nachvollziebar und wenn man das ehrlich sagt, gibt's auch keinen Anlaß zur Kritik. Was ich - zu Recht - angreife, ist dieses dumpfe pseudo-objektive Gesabber über angebliche Klangvorteile. Da scheinen Leute sich die Gefühle bezüglich Gesamtpaket, von denen Du hier sprichst, nicht einzugestehen. Sind ja auch fast ausschließlich junge Männer im Brunftalter, die so uninformiert über Vinyl daherschwätzen. Ob das Eindruck bei den Mädels macht?
 
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***MOD***
 
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Stimme @Tastenjunkie voll zu.

Es geht ja mindestens auch um das Ritual: (Röhre aufheizen,) Platte raussuchen, auflegen, abwischen, Arm auflegen, hinsetzen, hören. Im Unterschied zu: IPhone ins Dock und schon plärrt ein unendlicher Strom von dynamisch plattgedrückten spotify-Remakes aus dem Brüllwürfel. Es ist in etwa der gleiche Unterschied wie zwischen einem Kaffee-Vollautomat mit Kapseln und einer Siebträger-Espressomaschine oder einer Uhrzeit-App aufm Handy und einer Armbanduhr mit Handaufzug oder einem Pelikan und einem Wegwerf Kuli. Nichts was man braucht, aber es entschleunigt und bereitet Freude.

Außerdem kann man auf Plattencovern auch mit fast 50 Lenzen noch die Songtexte lesen.




- Karsten

Rituale sind doch was feines: wie Karsten schon beschrieben hat, Röhre aufheizen , Platte raussuchen, liebevoll über das Cover streichen, vorsichtig die Platte aus der Hülle herausholen und einmal vorsichtig drüberpusten, am Rand und in der Mitte festhalten und dann ganz vorsichtig auf den Plattenteller legen.
Auch "Entschleunigung " ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Element, das sehe ich auch wie Karsten !

Und da ist das Objekt der Freude:

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Vielen Dank nochmal für eure Hilfe !

Marion
 

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