Klassik in der Oberschicht

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13. Mai 2010
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Klassikhörer sind zwar auch ein Alters- aber vor allem auch ein Schichtenphänomen.

Zwar hören das Klassikfans oft nicht gerne, aber der Klassikbetrieb ist dominiert und betrieben von der Oberschicht.

So wie Ghettokinder in Berlin natürlich Rap hören, weil das "dazugehört", so wird Klassik von Reichen gehört, weil das am besten zu edlen, teuren Einrichtungen und Galaklamotten paßt.

Diese Reichen halten den Klassikbetrieb auch am Laufen. Nur wegen ihnen gibt es nach wie vor so viele tolle Veranstaltungsorte, Festivals und Ensembles im Klassikbereich.

Jazz z.B. hat fast keine Reichen als Unterstützer, deswegen findet Jazz in schrappigen Kneipen statt, es kommen kaum Zuhörer, die Musiker kriegen kaum Geld etc.

Klassik wird von sehr vielen Leuten abgelehnt oder zumindest etwas argwöhnisch beäugt, weil sie für sie diesen "Etepetete"-Touch hat und somit nicht zur "Liga" der meisten Menschen paßt.

Ist natürlich eigentlich Quatsch, weil man ja einfach die Musik genießen könnte, ob arm oder ob reich, und dies heutzutage dank Digitalmedien jedem möglich ist - aber dies ist nun mal ein Hauptfaktor.

Man findet immer das gut, was "zu einem paßt".

LG,
Hasenbein
 
Hasenbein, das gefällt mir. Graderaus und treffend!
 
Meinetwegen darf der gemeine oberschichtige Klassikhörer vulgo das etepetete-Klassikpublikum gerne aussterben -- nachdem ich meine Schäfchen ins trockene gebracht habe :D Also ein paar Jahre lang sollten die Mumien noch nicht völlig dement sein, sondern satt blechen ---- danach? von mir aus die Sintflut :D:D:D

@Stilblüte
angesichts des drohenden Aussterbens: warum schicken die Leute, die diese demografische Entwicklung doch kennen könnten, ihre Bälger in Musikschulen??? Das ist doch investitionspolitisch total falsch, den eigenen noch unmündigen Nachwuchs auf ein untergehendes Schiff zu schicken (da könnte man die Erstklässler ja auch mit Sütterlinschrift plagen) - - und die Leute, die 6-10jährige Kinder haben, sind doch noch keine vergreisten 90 Jahre alt? ...äußerst verwirrend, das alles...
 
@ Hasenbein:
Ja, auch das war ein Aspekt im Seminar, den ich jetzt erstmal nicht angesprochen habe - hab mir eh gedacht, dass das aber sofort jemand als Grund nennen könnte...

Man schaue mal in die Länder, bei denen die Klassik nicht "primär entstanden ist" - Asien oder Südamerika. Da haben die Leute genau NULL Problem mit Konnotation, Schicht, Vorurteilen und Beigeschmäckern. Die Musik gefällt oder eben nicht, und da sie dort so großen Anklang (! :D) findet, kann sie nicht so schlecht sein, wie sie hier behandelt wird.
Es stimmt schon, die Klassik ist eine Musik der Streber, der Biederen, Konservativen, der Eingebildeten und Reichen, die ein Statussymbol brauchen.
- Also von Leuten, zu denen am besten keiner gehören möchte.
Wie schade, wie ist das nur passiert?? :(:(
Ich fürchte, solch starke Langzeit-Assoziationen sind kaum zu beseitigen. Man kann sich z.B. mal fragen, warum es in Deutschland kaum noch Pfadfinder gibt, in anderen Ländern, z.B. Frankreich, aber schon - derartige Jugendgruppen sind in Deutschland einfach noch mit einem bitteren Beigeschmack behaftet, der wohl noch eine ganze Zeit lang bleiben wird, obwohl heute gegen solche Gruppen nichts mehr spricht, ganz im Gegenteil.
Das ist zwar krasser, aber warum sollte die Klassik einfach so ihr Image verlieren, wenn es weiterhin uncool bleibn wird, mit Fahrradhelm zu fahren oder für die Schule zu lernen, und wenn man als Jugendlicher nicht druhmerum kommt, diesen und jenen Schwachsinn mitzumachen, den mancher vielleicht gar nicht machen will...

Jaja ich male schon wieder kohlrabenschwarz, aber ich finds einfach ziemlich traurig und aussichtslos...
 
...wenn es weiterhin uncool bleibn wird, mit Fahrradhelm zu fahren...

Mit Fahrradhelm fahren IST uncool. Und zu Recht.
Man schaue sich nur an, WAS FÜR Leute typischerweise mit Fahrradhelm fahren - nämlich diese spießigen, ängstlichen Sicherheitsfanatiker -, dann weiß man Bescheid! Das sind diese Leute, die auf dem Spielplatz ihrer Kinder mit Sorgenfalten auf der Stirn danebenstehen und ständig rufen: "Leander-Tristan, geh' da nicht rauf! Du tust Dir weh!"

...warum setzt die Lotterie jede Wochen zig Millionen um???

Man möchte viel Kohle haben, aber nicht zu diesen affigen Oberschicht-Leuten gehören.

LG,
Hasenbein
 
Rolf, Lotto-Lothar hatte 1994 auch jede Menge Kohle durch den Lottogewinn, aber er blieb genau der Asi, der er vorher war, und gehörte mitnichten plötzlich zur Oberschicht.

Wenn man im Lotto gewinnt, fängt man ja nicht plötzlich an, sich teure Originalgemälde ins Haus zu hängen oder Klavier-Matineen zu besuchen oder in den Lions-Club einzutreten. Sondern man bleibt der bisherigen Schicht zugehörig, kann sich bloß auf einmal 'ne Menge leisten (oder fehlinvestiert das Geld und lebt nach 4 Jahren wieder von Hartz IV).

LG,
Hasenbein
 
Rolf, Lotto-Lothar hatte 1994 auch jede Menge Kohle durch den Lottogewinn, aber er blieb genau der Asi, der er vorher war, und gehörte mitnichten plötzlich zur Oberschicht.

...ich frage mich gerade, ob die gesamte finazielle Oberschicht so unsäglich statussymbolgeil ausgerechnet auf Klassik steht, oder ob da nicht ebenso wie anderswo nur so 5-15 % das Zeugs mögen... ich kenne ein paar sehr betuchte Oberschichtzeitgenossen, feinst gekleidet, verwöhnt usw. usw., aber Oper oder Sinfonie geht denen sonstwo vorbei...

...die andere Frage, die mir durch den Kopf geht: ab wann zählt man zu besagter Oberschicht? Wo ist die Grenze? Wie ist die Oberschicht statistisch demografisch vertreten? (angenommen, zur Oberschicht zählen nur 10000 Leute hierzulande, dann wäre sie so marginal, dass sich nichts und niemand um sie kümmern würde - und viel an Oper Konzert etc. könnten die allein ooch nich finanzieren)
 
Ich denke auch, dass es immer weniger Menschen gibt, die sich mit Klassik beschäftigen. Komplett aussterben werden sie aber mit Sicherheit nicht - da mache ich mir gar keine Sorgen. Eher wird der angenehme Effekt eintreten, dass Menschen, die sich mit Klassik beschäftigen, es nicht aus snobistischen Gründen tun und man von ihnen auch was lernen kann.
Aussterben könnten aber von mir aus die ewig Hustenden bei den Konzerten. :rolleyes:
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
...ich frage mich gerade, ob die gesamte finazielle Oberschicht so unsäglich statussymbolgeil ausgerechnet auf Klassik steht, oder ob da nicht ebenso wie anderswo nur so 5-15 % das Zeugs mögen... ich kenne ein paar sehr betuchte Oberschichtzeitgenossen, feinst gekleidet, verwöhnt usw. usw., aber Oper oder Sinfonie geht denen sonstwo vorbei...

...die andere Frage, die mir durch den Kopf geht: ab wann zählt man zu besagter Oberschicht? Wo ist die Grenze? Wie ist die Oberschicht statistisch demografisch vertreten? (angenommen, zur Oberschicht zählen nur 10000 Leute hierzulande, dann wäre sie so marginal, dass sich nichts und niemand um sie kümmern würde - und viel an Oper Konzert etc. könnten die allein ooch nich finanzieren)

Hallo rolf,
der Begriff "Oberschicht" wird immer falsch benutzt. Es hat sich irgendwie so etabliert und man versteht auch, was gemeint ist aber du hast Recht - es sind marginal wenig Menschen, die zur nach Definition tatsächlichen Oberschicht zählen.

Gruß
 

Hallo rolf,
der Begriff "Oberschicht" wird immer falsch benutzt. Es hat sich irgendwie so etabliert und man versteht auch, was gemeint ist

also ich verstehe nicht, was da gemeint ist - - aber ich stolpere staunend über pauschale Vorurteile...

z.B.:
ein Hin- und Rückflug New York - Frankfurt
Hin- und Rückfahrt Frankfurt - Bayreuth mit der maroden DB
Hotelaufenthalt 7 Tage Bayreuth
4 Karten Ring des Nibelungen
fein gekleidet, etwas Schmuck, eine ältere Dame
--- da kann man natürlich sagen: sehet, da ist sie, die snobistische Klassiktante, viel Kohle verbratend - als ob die sich den Bourgeoisie-Opernkram nicht daheim auf CD anhören könnte, aber nein, man hat´s ja und man will´s zeigen und Status isses auch, also mal so locker 4000.- Euro aufn Kopp gehaun
... ... der böse Rolf, ebenfalls zu den Besuchern der Bayreuther Oper zählend, hat diese kultivierte ältere Frau - so um die 60, übrigens eine Farbige - kennen gelernt, weil sie neben ihm saß und man da ins Gespräch kommt, bevor das Licht ausgeht und sich der Vorhang hebt: von wegen Snob und unreflektiertem Oberschichtblabla: die Frau ist Gesangsprofessorin in NY, hat Jahre auf Karten gewartet, und ist wegen der Musik und dem Klang dahin gefahren! Wenn das "Oberschicht-Getue" ist, dann ist mir aus musikalischen Gründen dieses Getue lieber als der komplette Rest an sonstiger Beschallung!
 
Gesangsprofessorin IST Oberschicht.

Peng, aus.

LG,
Hasenbein

Hasenbein, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, bezieht sich der Begriff "Oberschicht" lediglich auf das Einkommen. Es hat sich aber so etabliert, dass viele darunter den Bildungsgrad verstehen und häufig werden sie auch verstanden - das ist aber falsch. Wenn die Gesangsprofessorin Hartz IV beziehen würde, gehörte sie in dem Moment leider nur der Unterschicht.

Gruß
 
Guten Abend, Rubato!

Wenn man als Akademiker mit Eigenheim schon dazugehört, wie in einem Beitrag zu lesen war...

Falls Du mich als Stichwortlieferanten meinst - mir ging es nicht um die Oberschicht,
sondern um das Phänomen, daß Bildung und Status nicht aneinandergekoppelt sind.
In diesem Zusammenhang habe ich Akademiker mit Eigenheim erwähnt,
die mit bürgerlicher Hochkultur nix am Hut haben, anders, als das Vorurteil es gerne will.
Die sogenannte "bildungsferne Schicht" wohnt also nicht nur in sozialen Brennpunkten,
wie das so schön heißt, sondern auch in "gated communities".

Gruß, Gomez
 
Die Diskussion über "Oberschicht" etc. amüsiert mich. Hätte bei Clavio gar nicht so viele abstruse Vorurteile und Pauschalierungen erwartet. Wenn man als Akademiker mit Eigenheim schon dazugehört, wie in einem Beitrag zu lesen war, frage ich mich: sind denn fertig studierte Musiker nicht auch Akademiker ? Hoffentlich erben die dann nicht noch Omas Häus'chen, sonst wirds ja echt eng ...
...ja, da habe ich mich auch sehr gewundert... man gewinnt beinahe den Eindruck, dass man sich oberhalb der Grundversorgung schämen sollte...
...satanisch dürfte auch der Hinweis sein, dass es realiter Jazzmusiker gibt, die in selbstbezahlten Villen residieren...
 
Klassikhörer sind zwar auch ein Alters- aber vor allem auch ein Schichtenphänomen.

Zwar hören das Klassikfans oft nicht gerne, aber der Klassikbetrieb ist dominiert und betrieben von der Oberschicht.

Diese Reichen halten den Klassikbetrieb auch am Laufen. Nur wegen ihnen gibt es nach wie vor so viele tolle Veranstaltungsorte, Festivals und Ensembles im Klassikbereich.
Hallo hasenbein,
es ist sicher so, dass Klassik mehr in der Oberschicht gehört wird, aber das ist mir zu allgemein. Schließlich wird der Klassikbetrieb nicht nur von den Reichen finanziert, sondern auch von den Steuerzahlern, da hoch subventioniert.

Es gibt fast an jedem Ort Musikschulen. Hier kann man sich für sehr wenig Geld Klassik u.a. anhören.

Für mich hat das Interesse für Klassik, auch was mit Bildung zu tun. Einem gebildeten und/oder intelligenten Menschen erschließt dieses Fach eben eher.

Aber lassen wir den sog. Reichen den Klassikbetrieb unterstützen, ob diese etwas davon verstehen oder nicht, Hauptsache sie leisten finanzielle Unterstützung. Das kommt allen Interessierten zu gute.

Heute ist auch eine Klassikveranstaltung schon lange kein steifes Event mehr. Die Leute sind salopp gekleidet und benehmen sich - von Ausnahmen abgesehen - locker.
 
Wenn man im Lotto gewinnt, fängt man ja nicht plötzlich an, sich teure Originalgemälde ins Haus zu hängen oder Klavier-Matineen zu besuchen oder in den Lions-Club einzutreten. Sondern man bleibt der bisherigen Schicht zugehörig, kann sich bloß auf einmal 'ne Menge leisten (oder fehlinvestiert das Geld und lebt nach 4 Jahren wieder von Hartz IV).
LG, Hasenbein
@Hasenbein,
richtig. Der Kopf des Lottogewinners ändert sich ja nicht.
Es könnte allerdings schon sein, dass man danach die "Schicht" wechselt. Man landet dann ev. bei dieser Schickimicki-Schicht bzw. bei den Neureichen.

So wie Geld nicht den Charakter verdirbt, sondern ZEIGT ihn nur.
 
Dieser Faden ist eine Abspaltung von "Klassik in der Gesellschaft".
 

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