Ist Klavier mehr als "nur" Noten nachzuspielen?

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Klavierchen

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14. Juni 2017
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Hallo liebe Forumsmitglieder,

ich bin neu hier und habe eine Frage. Ganz kurz für alle, die meine Vorstellung nicht gelesen haben: Ich habe vor ca. 6 oder 7 Jahren als Erwachsene angefangen Klavier zu lernen. Ich habe seitdem auch durchweg Unterricht. Vom Niveau her bin ich vielleicht eine etwas fortgeschrittene Anfängerin. Ich spiele die üblichen Verdächtigten (Mondscheinsonate 1. Satz, Elise alle drei Sätze, wenn auch langsam, kleinere Stücke von Mozart, alles Originale).

Es macht mir sehr viel Spaß. Und trotzdem stellt sich mir nach nun fast 7 Jahren Unterricht, die Frage, wie es eigentlich weiter gehen soll. Es ist ja immer so, dass halt Stück für Stück durchgenommen wird. Die Stücke steigern sich natürlich mit der Schwierigkeit, klar. Aber es ist trotzdem vom Ablauf her immer das Gleiche. Es kommt ein neues Stück, der Lehrer zeigt Fingersätze und wie schwierige Stellen zu spielen sind. Ich übe es, der Lehrer korrigiert es. Ich übe weiter, Takt für Takt. Dann kann ich es mehr oder weniger gut spielen. Dann kommt das nächste Stück.

Ich liebe diese Musikstücke, freu mich auch immer, wenn ein Neues dran kommt und trotzdem frustriert mich der Gedanke, dass das nun einfach immer in dem Schema weiter geht: nächstes Stück, nächstes Stück, nächstes Stück....

Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich einen Vergleich zur Gitarre herstelle (ich spiele Gitarre schon länger als Klavier) da kann ich vielleicht besser erklären, was ich meine.

Bei der Gitarre kann ich z. B. Techniken lernen, die es mir erlauben, ein Stück interessanter zu spielen. Irgendwelche Verzierungen zwischen den Akkordübergängen oder Hammer-ONs oder ein Solo dazu oder so etwas. Ich habe da also immer die Möglichkeit, ein Stück entweder in leichter Variante zu spielen (einfach Akkorde hintereinander) oder "fortgeschritten" mit Verzierungen, Basslinien usw. Wofür ich mir die Techniken anlernen muss.

Beim Klavier hab ich sowas aber nicht (oder ich bin dahin noch nicht durchgedrungen). In der Klassik geht das natürlich nicht, logisch, da spiele ich natürlich die Stücke so, wie sie notiert wurden. Dadurch habe ich aber immer das Gefühl, das Instrument Klavier nicht wirklich zu kennen bzw. damit "spielen" zu können. Hm, ist das irgendwie verständlich, wie ich das meine? Ich spiele einfach immer nur Noten nach. Jahr für Jahr für Jahr. Frustriert Euch das auch manchmal so?

Ich habe natürlich schon viel nachgeforscht und evtl wäre es - also als Ergänzung - mal interessant im Bereich Jazz etwas zu machen oder Blues oder so. Aber ist es dann da so, dass man das Instrument richtig kennen lernt, also beherrschen lernt oder ist es da auch so, dass man einfach nur Song für Song für Song einübt?

Ich bin etwas gefrustet, wie man merkt. Nicht, weil mir Klavier keinen Spaß mehr macht oder ich Klassik nicht mehr spielen möchte (im Gegenteil), sondern mehr, weil ich das Gefühl habe, trotzdem das Instrument nicht richtig zu beherrschen, sondern nur zu benutzen. Ich will einfach viel mehr mit dem Instrument machen, weiß aber nicht, wie und was. An der Gitarre kann ich mich ran setzen und Dinge ausprobieren, mich immer auf ein neues Level bringen, technisch. Beim Klavier hab ich den Eindruck, dass alles was sich steigern kann, das Niveau der Stücke ist, die ich aber eben trotzdem immer nur nachspiele.

Kennt Ihr solche Gedanken? Habt Ihr vielleicht eine Idee, was ich versuchen könnte, um noch mehr aus dem Instrument "heraus zu holen" (wenn ich es mal so unromantisch ausdrücken darf), jenseits vom Nachspielen von Noten. Oder besteht Klavierunterricht einfach hauptsächlich aus dem Einüben von immer schwereren Stücken? Was gibt es darüber hinaus am Klavier noch zu erforschen und zu entdecken?
Oder kommt das noch und ich bin vielleicht gerade nur auf einem Lernplateau oder so was?

Bin dankbar für Tipps, Anregungen oder auch einfach nur Eure Erfahrungen.

Danke fürs lange Lesen.

Viele Grüße und einen schönen Abend, Klavierchen
 
Wie wär's mit Improvisation?
Das mache ich ab und zu ganz gerne, ganz ohne Vorlage.
Ich habe aber auch ein paar Stücke im Repertoire, die sich für eine eher freie Behandlung recht gut eignen.
Aus der Mitte des 19. Jahrhundert ist das zum Beispiel "Suis Moi" von Louis Moreau Gottschalk.
Von der vorigen Jahrhundertwende eignet sich in diesem Sinne die Humoreske Nr. 3 von Antonin Dvorak.
Dann spiele ich auch ein paar leichtere Stücke von Chick Corea.

Grüße
Manfred
 
Ein interessanter Sidestep wäre, mit anderen Musikern zusammen zu spielen. Tanzkapelle, Jazzcombo, Rockband, Latintruppe, Chorbegleitung, Kammermusik, da gibt es viele Möglichkeiten.

Üblicherweise denken Frauen immer, sie könnten das nicht. Und solange, wie sie das denken, werden sie das wohl nicht ausprobieren.

Also nie.

CW
 
Vermutlich hat sie alle drei Seiten gemeint, denn in Henle Edition ist die Elise auf drei Seiten verteilt.
 
Oh mir schwarnt böses,

Also jedenfalls wenn du an Blues und Funk genauso ran gehst wie an Klassik.
Weil, auch das kann in stupides nachspiel von Noten enden.

Deshalb frag ich jetzt mal :
Hast du ahnung von Musik Theorie?
Wenn ja, so sicher das du sie praktisch einsetzen kannst?
Wenn nein, sprich mal mit deinem Lehrer drüber.
Weil, wenn du den Aufbau von Tonleitern verstehst, den Aufbau sowie die Funktionen von Akkorde, und einen harmonischen Zusammenhang von Stücken verstehst.
Begreifst du das Spielen auch anders.

Als nächstes würde ich auch mein Gehör Schulen, damit ich Intervalle/Töne erkenne, sowie den Rhythmus raus hören kann.

Mit beiden zusammen, wärst du in der Lage, Stücke (egal aus welchen Bereich) neu zu arrangieren oder du könntest dich selbst im Komponieren versuchen.

Dazu noch das empfohlenen Improvisieren und du hast wieder für ein paar Jahre sehr viel zu tun :super:
 
Es ist ja immer so, dass halt Stück für Stück durchgenommen wird. Die Stücke steigern sich natürlich mit der Schwierigkeit, klar. Aber es ist trotzdem vom Ablauf her immer das Gleiche. Es kommt ein neues Stück, der Lehrer zeigt Fingersätze und wie schwierige Stellen zu spielen sind. Ich übe es, der Lehrer korrigiert es. Ich übe weiter, Takt für Takt. Dann kann ich es mehr oder weniger gut spielen. Dann kommt das nächste Stück.
Tja.

Du musst der Tatsache ins Auge sehen, dass Du also 7 Jahre Scheiß-Unterricht hattest.

Guter Unterricht läuft stil-unabhängig NICHT so ab. Sondern man beschäftigt sich auch mit Theorie und Stückanalyse, (Technik-)Übungen, Gehör, Akkordsymbolen/Improvisation etc., sprich, man betreibt eine umfassende musikalische Bildung.

Lehrer wechseln.

LG,
Hasenbein
 
Ui, das ging ja schnell. Vielen Dank für Eure Antworten.

Ja, Improvisation versuche ich auch manchmal, komme aber nicht darüber hinaus einfach verschiedene Töne zu spielen und zu gucken, ob sie zusammen passen. Begleitmuster "klau" ich mir dann einfach aus so einfachen Pop-Songs. Ich bin sehr dankbar für die empfohlenen Stücke von Manfred und die Hefte von Mier. Die kannte ich gar nicht. Beides werde ich auf jeden Fall versuchen. Mier hab ich mir gleich mal bestellt. Vielen Dank dafür. :super:

Ja, mit anderen Musik zusammen machen, das würde mir sehr gefallen. Und stimmt, spontan kam der Gedanke, dass ich das aber nicht kann, weil ich kann nur Elise nach Noten spielen :heilig:

Meine Kentnnisse in der Musiktheorie sind eher rudimentär. Nur, was ich mir für die Gitarre selbst angelesen habe. Aber Du hast Recht, backstein, ich kann das gar nicht aufs Klavier übertragen. Wenn ich z. B. so schnelle Läufe in einem Stück habe, erkenne ich nicht, dass das ein Teil der cis-moll-Tonleiter ist oder so. Ich lerne es tatsächlich einfach Note für Note.

Hm, das ist wirklich interessant, weil dann natürlich auch erklärbar ist, wieso ich immer das Gefühl hab, nur Noten nachzuspielen. Ich weiß eigentlich so im Großen und Ganzen gar nicht genau, was ich da mache oder wie das zusammen hängt.
Das ist mir noch gar nicht so bewußt gewesen, weil wir das im Unterricht einfach von Anfang an immer so gemacht haben. Ein Stück, Fingersätze zeigen und dann Takt für Takt lernen.

Das hilft mir echt weiter. Ich bin ohnehin an Musiktheorie interessiert. Ich möchte verstehen, was da passiert. Ich habe heute morgen schon geschaut. Es gibt auch explizit so Kurse für Musiktheorie (Harmonielehre und Gehörbildung usw). Ich werde mir das mal anschauen. Das hätte den Vorteil, dass ich auch gleich noch mit den anderen interessierten Leuten zusammen bin.;-)

Und ich werde mit dem Klavierlehrer sprechen, dass ich gern auch die theoretischen Sachen an einem Stück besprechen möchte. Er denkt vielleicht, dass es mir reicht, einfach nur Stücke zu spielen.

Vielen lieben Dank für Eure Hinweise. Das hat mir gleich geholfen. Manchmal ist man da so im Fahrwasser drin, da fällt einem gar nichts anderes mehr ein.

Vielen Dank für Eure Hilfe und einen schönen Tag
Klavierchen
 
Das, was du über die Gitarre geschrieben hast, funktioniert auch am Klavier! Das Klavier ist in der Hinsicht also nicht limitiert, nur du oder der Lehrer halten dich davon ab, freier mit Material und Stücken umzugehen.
 
Hallo Hasenbein, hallo Bassplayer,

die Beiträge haben sich überschnitten.

Da muste ich jetzt gleich grinsen, Hasenbein, weil ich mir das auch gerade gedacht habe, dass der Lehrer mir das doch auch mal von sich aus hätte zeigen können. Aber vielleicht hat er auch gedacht, dass so erwachsene Anfänger einfach nur spielen wollen.

Ich werde ihm sagen, dass ich an umfassender musikalischer Ausbildung interessiert bin und die Stücke auch besprechen will. Dann sehe ich ja, ob er es im Unterricht verpackt bekommt oder nicht. Wenn nicht, werde ich mich umschauen.

Das sind wichtige Hinweise für mich, dass es jetzt nicht speziell an der Klassik liegt (denn das möchte ich auf jeden Fall weiter machen) und auch nicht am Instrument. Ich muss da nur vertiefter einsteigen und mit der Musiktheorie ist vielleicht schon der nächste wichtige Schritt getan.

Vielen vielen Dank. Ein Glück kann man hier Erfahrene um Rat fragen.:super:
 

Nix da "mit dem Lehrer sprechen".

Der soll nicht irgendwas "denken", sondern vernünftigen Unterricht machen.

Wer geschlagene 7 Jahre (!!!) solchen verschnarchten, unengagierten Null-Unterricht macht (der ist nämlich für den Lehrer superbequem - seine einzige Vorbereitungsleistung besteht darin, alle paar Wochen ein neues Stück auszusuchen, mit Klavierschule sogar nicht mal das), hat eine 2. Chance verwirkt. Ganz im Ernst.

Der will nur mit möglichst wenig Arbeit sein Geld verdienen. Leider ein durchaus verbreiteter KL-Typus.

Ich wette, dass er Dir auch noch technische Dinge falsch beigebracht hat und dass Du in Rhythmusdingen nicht fit bist, sondern Rhythmen mehr "nach Gefühl", ungenau und nach dem Motto "passt schon irgendwie" spielst.

LG,
Hasenbein
 
Da muste ich jetzt gleich grinsen, Hasenbein, weil ich mir das auch gerade gedacht habe, dass der Lehrer mir das doch auch mal von sich aus hätte zeigen können. Aber vielleicht hat er auch gedacht, dass so erwachsene Anfänger einfach nur spielen wollen.
Zusätzlich zu den Gedanken der Mitschreibenden drängt sich mir eine mehrteilige Frage auf: Hat der Klavierlehrer noch weitere Schüler und fertigt er sie alle so nach Schema F ab? Womöglich noch mit identischem Repertoire und ohne für jeden ein individuelles Unterrichtskonzept umzusetzen?

Nach sieben langen Jahren halte ich es für sehr fraglich, dass der Lehrer ein so ungenügendes Unterrichtsangebot grundlegend zum Besseren umgestalten kann. Es gibt definitiv kompetentere und engagiertere Lehrkräfte am Markt - höchste Zeit für den Wechsel. Alles Gute!

LG von Rheinkultur
 
Ich bin ohnehin an Musiktheorie interessiert. Ich möchte verstehen, was da passiert. Ich habe heute morgen schon geschaut. Es gibt auch explizit so Kurse für Musiktheorie (Harmonielehre und Gehörbildung usw). Ich werde mir das mal anschauen. Das hätte den Vorteil, dass ich auch gleich noch mit den anderen interessierten Leuten zusammen bin.;-)
Es gibt auch geeignete Literatur zu den musiktheoretischen Fächern, mit denen man sich auch ohne Kurs und Lehrer beschäftigen kann. Allerdings ist es wirklich eine wichtige Aufgabe des Instrumentallehrers, entsprechende Inhalte am gespielten Werk zu vermitteln. Ohne strukturelle und formale Kenntnisse über das Stück bleibt es beim reinen Einpauken des Notentextes.

Zu musiktheoretischen Themen gibt es hier schon etliche Fäden wie:
https://www.clavio.de/threads/musiktheorie.17235/

LG von Rheinkultur
 
Oje, ich überlege gerade angestrengt, ob wir mal was zur Rhythmik oder Technik besprochen haben :denken: Nicht, dass ich wüßte. Stimmt schon, manchmal weiß ich nicht, wie eine Stelle klingen muss, vor allem, wenn es dann Achtel oder 16tel sind. Ich weiß zwar theoretisch, was es bedeutet, aber es sagt mir nicht, wie schnell ich die Stelle dann tatsächlich spielen soll. Also hör ich mir das Stück dann im Internet an oder der Lehrer spielt es vor und ich spiele es dann so nach.

Und äh ja, Rheinkultur, jetzt wo Du so fragst: Zumindest die Schülerin vor mir und nach mir spielen die gleichen Stücke wie ich.
Ich dachte, das ist halt so üblich. Hm, Mist. :-( Aber gut, zumindest hat es mir ja bis jetzt Spaß gemacht.
Aber jetzt will ich mehr. Hab schon mal im Netz geschaut nach anderen Lehrern und werde mal Probestunden machen. Ich habe auch einen Lehrer gefunden, der Jazz Piano unterrichtet und dabei besonders Wert auf Gehörbildung und Harmonielehre und so was legt. Hat er sogar extra auf seiner Seite so stehen. Da hätte ich dann Theorie direkt am Instrument und noch eine neue Stilrichtung. Ihn werde ich mal kontaktieren und nach einer Probestunde fragen.

Klassik will ich natürlich nicht aufgeben. Da schaue ich noch. Vielleicht kann ich dann im 14tägigen Wechsel was machen.

Ich werde jedenfalls in der Probestunde explizit nach Art und Inhalt des Unterrichts fragen und sagen, dass ich nicht "nur spielen", sondern auch verstehen will. Damit die Lehrer gleich wissen, was da auf sie zu kommt. ;-)Hoffentlich geben sie dann auch ehrlich zu, wenn sie nicht wirklich Lust auf so einen Unterricht haben.

Ihr habt mir echt viel weiter geholfen. Auf die Idee eines Lehrerwechsels wäre ich gar nicht gekommen.
Ich sehe auf einmal ganz neue Wege und Möglichkeiten.

Und danke auch für den Link, wo ich schon stöbern war.:super:
 
Das wäre natürlich super, wenn das alle Lehrer so sehen würden.
 
Stimmt schon, manchmal weiß ich nicht, wie eine Stelle klingen muss, vor allem, wenn es dann Achtel oder 16tel sind. Ich weiß zwar theoretisch, was es bedeutet, aber es sagt mir nicht, wie schnell ich die Stelle dann tatsächlich spielen soll. Also hör ich mir das Stück dann im Internet an oder der Lehrer spielt es vor und ich spiele es dann so nach.
Also ist die Lage exakt so verheerend wie ich es mir gedacht habe. Au Backe...
 

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