Intellekt versus Gefühl?

Und er hat sich in seinen besseren Arbeiten, den frühen Liedern,
den Opern ("Der arme Heinrich", "Die Rose vom Liebesgarten", "Palestrina")
und vorallem in dem cis-Moll-Streichquartett (bzw. der cis-Moll-Symphonie)
seines Verstandes bedient.

Das wird wohl auch niemand ernsthaft in Zweifel ziehen.

Ich wage sogar die mutige These, dass es selbst im Kreise der Komptineure nicht gänzlich ohnen selbigen vonstatten geht....:D
 
Debbie hat ihn ja schon auseinandergenommen, und ob das "revisionssicher" (Gubu) ist,
ist mir wurscht; der Text ist einfach ein verlogener Schmarrn:

Zitat von Heinrich Jakoby:
Die Gewöhnung, durch gelassenes Verhalten für das bewußte Erleben
des innerlich sich Gestaltenden bereit zu werden, ermöglichst es,
die wichtigste Voraussetzung aller schöpferischen Leistung zurückzugewinnen:
Die Fähigkeit, intellektuelle Reflexionen so lange zurückzuhalten,
bis Empfundenes klare Gestalt gewonnen hat.

Was meint er mit "gelassenem Verhalten"? Vielleicht "Gelassenheit"?

Also: die Gewöhnung, durch Gelassenheit für das bewußte Erleben bereit zu werden,
nämlich für das, was sich innerlich gestaltet: Da passiert also etwas ohne Zutun des Verfassers,
von ihm völlig abgeschnitten; aber er kann dieses von ihm Abgetrennte erleben,
wenn er sich angewöhnt, durch Gelassenheit dafür bereit zu werden -

- und das wird, wenn ich's richtig verstehe, gleichgesetzt mit der Fähigkeit,
intellektuelle Reflexion so lange zurüchzuhalten (haltets mi zruck!), bis das Empfundene
klare Gestalt gewonnen hat -

- und das alles als Voraussetzung dafür, schöpferische Leistung zurückzugewinnen.

Ich wüßte gerne, wodurch die Voraussetzung zu aller schöpferischen Leistung
abhandengekommen ist - durch die Reflexion, die es so lange niederzuhalten gilt,
bis das, was sich innerlich von selbst gestaltet, erlebbar wird?


P.S.: Um solches Innerlichkeits-Geschwurbel von sich zu geben, dazu hätte Jacoby
nicht in die Schweiz emigrieren müssen. Weiß jemand näheres zu seiner Biographie?

.
 
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Hallo Gomez,

danke für deinen herrlichen und äußerst amüsanten Beitrag!

Was meint er mit "gelassenem Verhalten"? Vielleicht "Gelassenheit"?
Also: die Gewöhnung, durch Gelassenheit für das bewußte Erleben bereit zu werden,
nämlich für das, was sich innerlich gestaltet: Da passiert also etwas ohne Zutun des Verfassers,
von ihm völlig abgeschnitten; aber er kann dieses von ihm Abgetrennte erleben,
wenn er sich angewöhnt, durch Gelassenheit dafür bereit zu werden -

Der arme Verfasser!
kann ich da nur sagen! Es passiert etwas in seinem Hirn, das er nicht steuern kann, das er aber bewusst erleben kann (oder muss???)! Er schaut praktisch von außen zu, wie das Hirn (oder die Emotionen, oder eben beide in einhelliger Verschwörung) sich verselbständigen und eigene Wege gehen!!!???Ist dieses wahrhaft der Nährboden für schöpferisches Gestalten???)


und das wird, wenn ich's richtig verstehe, gleichgesetzt mit der Fähigkeit,
intellektuelle Reflexion so lange zurüchzuhalten (haltets mi zruck!), bis das Empfundene
klare Gestalt gewonnen hat -
Das Empfundene soll klare Gestalt gewinnen: allerdings ist der Verfasser - wie bereits ermittelt - völlig unbeteiligt und muss sich leider zwangsweise (wobei er sich dem Vermehmen nach den Zwang offenbar selbst auferlegt haben soll) zurückhalten! Handelt es sich möglicherweise um einen Masochisten???

Wie gewinnt das Empfundene also klare Gestalt???
Möglicherweise durch übersinnliche Kräfte, unbekannte und unerforschte, eventuell transzendentale Eingebungen??? Irgendeine Kraft, ein Wesen, ein Magnetfeld... oder was auch immer muss/mag/könnte ja der Urheber sein!!!??



und das alles als Voraussetzung dafür, schöpferische Leistung ]zurückzugewinnen.
Ich wüßte gerne, wodurch die Voraussetzung zu aller schöpferischen Leistung
abhandengekommen ist - durch die Reflexion, die es so lange niederzuhalten gilt,
bis das, was sich innerlich von selbst gestaltet, erlebbar wird?

Tja Gomez, das verlorene Paradies!
Ganz, ganz früher hätten wir ja alle mal Absoluthörer werden können!!!
Aber diese schnöde und triviale Alltagswelt hat uns ja offenbar den Weg zum hyper-kreativen, künstlerischen Gestalten gründlich vermasselt!!!;)

Wer weiss, was aus uns Einzelnen geworden wäre, wenn im Einzelnen nicht... oder doch.l..:D

Freie Fahrt für das unendlich weite Feld der Spekulation!!!


[P.S.: Um solches Innerlichkeits-Geschwurbel von sich zu geben, dazu hätte Jacoby
nicht in die Schweiz emigrieren müssen. Weiß jemand näheres zu seiner Biographie?

Geschwurbel ist ein herrliches Wort! Ich kenne es noch gar nicht1 Woher kommt es? Eher aus dem süd- oder norddeutschen Sprachrraum???

Ich werde es demnächst auch anwenden! Bedeutet es so ungefähr "Gefasel"???

Nochmals augenzwinkernd

Debbie digitalis
 
Das Empfundene soll klare Gestalt gewinnen: allerdings ist der Verfasser - wie bereits ermittelt - völlig unbeteiligt und muss sich leider zwangsweise (wobei er sich dem Vermehmen nach den Zwang offenbar selbst auferlegt haben soll) zurückhalten! Handelt es sich möglicherweise um einen Masochisten???
das ist doch schön, wenn man speziell intellektuell völlig unbeteiligt mitkriegt, wie da etwas empfundenes Gestalt annimmt - und wenn es dann in voller Pracht draußen ist, dann springt der Intellekt an und die Hand greift zum Abreißpapier... :D:D

nein, ich glaube nicht, dass da ein Masochist aus dem Schatzkästlein seiner Erfahrungen berichtet - eher könnte der Verfasser aus den verschollenen Werken des "großen Eselinski" abgeguttenbergt haben :D:D wie dem auch sei: das ist so ein Nachhall von missverstandenem Geniekult, manchmal ganz witzig (etwa wenn Berlioz augenzwinkernd vom Entstehen seiner fantastischen Sinfonie berichtet), aber am Gewande pseudophilosophischer Schwurbelei doch eher zum gähnen anregend.
 
nein, ich glaube nicht, dass da ein Masochist aus dem Schatzkästlein seiner Erfahrungen berichtet - eher könnte der Verfasser aus den verschollenen Werken des "großen Eselinski" abgeguttenbergt haben :D:D wie dem auch sei: das ist so ein Nachhall von missverstandenem Geniekult, manchmal ganz witzig (etwa wenn Berlioz augenzwinkernd vom Entstehen seiner fantastischen Sinfonie berichtet), aber am Gewande pseudophilosophischer Schwurbelei doch eher zum gähnen anregend.

Hallo rolf,

großartig geantwortet!!!

Bin gerade am Kochen und antworte hier später!

LG

Debbie digitalis
 
Rein emotional oder ganz normal mit Verstand am Herd?

Hallo HoeHue,

Am Herd sowieso, mit Verstand auch (klare Sache!) und emotional in gewisser Weise auch (Geschmackssinn)!

Hat heute allen geschmeckt, was ich da gekocht habe!
Inwieweit sich Intellekt und Geschmackssinn bei der Zubereitung zusammengetan haben, kann ich eigentlich nicht erläutern!
Hoehue, trotz deiner großartigen Replik lass ich mich zunächst in dieser Diskussion nicht aufs Glatteis führen!!!

LG

Debbie digitalis
 
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Mir fiel der Satz hier ein in Bezug auf "Harmonielehre wissen" und "Harmonien verstehen" als clipnotic beschrieb, wie er Akkordfolgen zusammensucht: dass er so lange Akkorde sucht, bis sie das wiedergeben, was er vorher innerlich hörte.

Ist so nicht Musik entstanden? Dass irgendjemand Töne gemacht hat, die sich für ihn gut anhörten, jemand anders hat sich das abgehört, weiterentwickelt usw. und erst danach hat sich mal jemand daran gemacht, das Bestehende intellektuell nachzuvollziehen und daraus die Harmonielehre abgeleitet.
Wie kann man dann meinen, jemand müsse Harmonielehre wissen, um Musiker zu sein? Gab's nicht zunächst die Musiker und erst dann die Harmonielehre - und ohne Musiker gäb's immer noch keine?

.

Leider ist das wohl untergegangen. Wer kann uns Unwissende aufklären?? :)
 
Jetzt noch mal ernsthaft: Eine solche Diskussion gab es bereits in dem von Klavigen ()
ins Leben gerufenen Thread "Kann sich gute Musik in feiner Sprache widerspiegeln".

Damals überwog die Polemik. Aus Gründen der Pietät wurde die Auseinandersetzung
nicht weiterverfolgt.

Ich halte es aber - wie Rebecca - auch für keine gute Idee, beim Musizieren das Gehirn
auszuschalten. Mein Kronzeuge: Adorno, kompositorisch aus der Schule Alban Bergs, pianistisch
aus der Schule Eduard Steuermanns hervorgegangen, der über seinen Lehrer schreibt:



Eduard Steuermann war Busoni-Schüler, und Busoni kommt aus der Liszt-Tradition:
soviel zur Vereinbarkeit von Intellekt und Gefühl.

Ich würde allerdings kein Dogma daraus machen. Es gibt Künstler, die Musik intuitiv
richtig erfassen und wiedergeben; aber es gibt eben auch Künstler, für die der analytische
Bezug zum Werk kein Hindernis, sondern Voraussetzung ist, um richtig zu spielen.

.

" Ich würde allerdings kein Dogma daraus machen. Es gibt Künstler, die Musik intuitiv
richtig erfassen und wiedergeben; "

das sind eben die grossen Talente !!!!!

Cordialement
Destenay
 
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Jacoby

Ich muß gestehen, daß ich diese Diskussion mit einigem Bachgrimmen gelesen habe. Wiewohl ich der letzte bin, der sich zugusten der Pädagogen und ihrer arkanen Sprache ereifern mag, möchte ich doch nüchtern feststellen:

1. Der Mensch war nicht irgendwer, sodaß ich zunächst zu seinen Gunsten vermuten würde, daß er nicht einfach Blech redet, und daß ich den Hochmut, der sich hier breit macht, für voreilig halte. Ein Blick in den Index der letzen Ausgabe des Handwörterbuchs der Psychologie zeigt, daß er sehr wohl noch heute zitiert wird.

2. Er ist ein Autor der 1. Hälfte des 20. Jh. und wie viele seiner Zeitgenossen noch geprägt von der Wissenschaftssprache des 19. Jh., die nicht technokratisch war, sondern sich bewußt in eine künstlerische bzw. philosophische Tradition stellte. Für die akademische Welt, in der er sich bewegte, war er sicher verständlich. Hinter "Gewöhnung" etwa lugt ganz klar der aristotelische Begriff ethos hervor, hinter gelassenem Verhalten hexis etc. Daß ihm seine Zeit- und Milieugebundenheit hier zum Vorwurf gemacht wird, finde ich erstaunlich; denn daß er nicht für die intellektuellen Ansprüche von Lesern eines Klavierforums geschrieben hat, wird man ihm fairerweise nicht ankreiden können. Vor allem dann nicht, wenn man gleichzeitig den aufgeblähten Sermon der Bankleute und das anglomanische Restdeutsch der Techniker, wo nicht schwer beeindruckt, so doch in aller Seelenruhe hinnimmt.

Wenn ich J. recht verstehe, plädiert er einfach dafür, erst das Erleben sich entfalten zu lassen, ohne das durch vorschnelle Theoriebildung zu stören. Ich habe dazu nichts zu sagen, weil in meiner (Fach-)welt ohne kognitive Fundierung nichts läuft. Aber die Empfehlung, erst einmal zu beobachten (oder zu "erleben"), und erst dann zu vergleichen und zu urteilen, scheint mir nichts weiter als die elementare menschliche Tätigkeit der Komparation zu beschreiben, die wohl nicht ea ipsa verwerflich ist.

Einen Anlaß den Verfasser zu bedauern, sehe ich nicht. Im Gegensatz zu manchen triumphalistischen Tönen hier.

Friedrich
 
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Ach, Ihr seid ja alle sooo schlau :D

So, da ich mich mit Jacoby auskenne (hier aber anscheinend sonst keiner mal sich wirklich informiert hat, worum es in der Arbeit Jacobys und Gindlers geht), erklär ich Euch mal, was gemeint ist.

Wie man leicht empirisch nachprüfen kann, ist "Wahrnehmen" (also hören, sehen, fühlen...) nur dann in vollem Umfang möglich, wenn nicht gleichzeitig "Denken" stattfindet.
Dies ist nur nacheinander bzw. alternierend möglich; ich kann meine Aufmerksamkeit nur entweder auf konkrete sinnliche Sensationen richten oder auf mein Denken.
Da besteht keine Multitaskingfähigkeit; allenfalls die, schnell hin- und herzuschalten.

Was Jacoby meint, ist ganz einfach: Zuerst soll man wirklich in der Wahrnehmung sein und diese nicht schon durch "Im-Denken-Sein" verunklaren.
Man könnte es auch vergleichen mit einem Gespräch: Bevor man antwortet (= den Denk-Kommentar abgibt), soll man erstmal wirklich zuhören (= beim Musikmachen: die Schallwelle wirklich wahrnehmen).

Komisch, daß hier vorwiegend über Jacoby gespottet wird, wo man sich doch eigentlich ansonsten stets einig ist, daß das Musizieren aus dem Hören heraus erfolgen soll und daß viele Spieler sich durch "Zerdenken" oder zu kognitive Herangehensweise im Wege stehen! Wirklich sehr merkwürdig!

Weiter meint Jacoby mit dem Zitat, daß, hat man erstmal wirklich wahrgenommen statt nur halb (weil man eigentlich mehr im Denken war, als man beabsichtigte, zu hören), das Denken nun viel besseres und genaueres "Info-Material", über das analytisch nachgedacht werden kann, zur Verfügung hat, und somit das Denken (das er keinesfalls in irgendeiner Weise ablehnt, wie manche hier rätselhafterweise rauslesen...) zweckmäßiger vonstatten gehen kann.

Wirkliche Wahrnehmung und zweckmäßiges Denken tragen somit beide zu sinnvollem Lernen und schlüssigem Musizieren bei; Ersteres ist aber Voraussetzung für das zweite.

LG,
Hasenbein
 
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"Was Jacoby meint, ist ganz einfach: Zuerst soll man wirklich in der Wahrnehmung sein und diese nicht schon durch "Im-Denken-Sein" verunklaren."

Yes.
 
Ach, Ihr seid ja alle sooo schlau :D

So, da ich mich mit Jacoby auskenne (hier aber anscheinend sonst keiner mal sich wirklich informiert hat, worum es in der Arbeit Jacobys und Gindlers geht), erklär ich Euch mal, was gemeint ist.

Wie man leicht empirisch nachprüfen kann, ist "Wahrnehmen" (also hören, sehen, fühlen...) nur dann in vollem Umfang möglich, wenn nicht gleichzeitig "Denken" stattfindet.
Dies ist nur nacheinander bzw. alternierend möglich; ich kann meine Aufmerksamkeit nur entweder auf konkrete sinnliche Sensationen richten oder auf mein Denken.
Da besteht keine Multitaskingfähigkeit; allenfalls die, schnell hin- und herzuschalten.

Was Jacoby meint, ist ganz einfach: Zuerst soll man wirklich in der Wahrnehmung sein und diese nicht schon durch "Im-Denken-Sein" verunklaren.
Man könnte es auch vergleichen mit einem Gespräch: Bevor man antwortet (= den Denk-Kommentar abgibt), soll man erstmal wirklich zuhören (= beim Musikmachen: die Schallwelle wirklich wahrnehmen).

Komisch, daß hier vorwiegend über Jacoby gespottet wird, wo man sich doch eigentlich ansonsten stets einig ist, daß das Musizieren aus dem Hören heraus erfolgen soll und daß viele Spieler sich durch "Zerdenken" oder zu kognitive Herangehensweise im Wege stehen! Wirklich sehr merkwürdig!

Weiter meint Jacoby mit dem Zitat, daß, hat man erstmal wirklich wahrgenommen statt nur halb (weil man eigentlich mehr im Denken war, als man beabsichtigte, zu hören), das Denken nun viel besseres und genaueres "Info-Material", über das analytisch nachgedacht werden kann, zur Verfügung hat, und somit das Denken (das er keinesfalls in irgendeiner Weise ablehnt, wie manche hier rätselhafterweise rauslesen...) zweckmäßiger vonstatten gehen kan
Wirkliche Wahrnehmung und zweckmäßiges Denken tragen somit beide zu sinnvollem Lernen und schlüssigem Musizieren bei; Ersteres ist aber Voraussetzung für das zweite.

LG,
Hasenbein

Sehr schön formuliert !

Cordialement
Destenay
 
Gab's nicht zunächst die Musiker und erst dann die Harmonielehre -
und ohne Musiker gäb's immer noch keine?

Naja, Musiktheorie pflegt der Musik in gebührendem Abstand hinterherzuhinken.

Von Musikwissenschaftlern abgesehen, steht sie vermutlich bei niemandem hoch in Kurs.
Angesichts des allgemein beliebten Theorie-Bashings lockt es mich, etwas zu ihrer
Ehrenrettung zu sagen: Musiktheorie kodifiziert Regeln, die sich aus der Werkanalyse
ergeben (Satztechnik, Harmonik, Form, Instrumentation), und die Beschäftigung
damit verspricht durchaus einen Erkenntnisgewinn.

Problematisch ist es, wenn irgendwelchen Regeln überzeitliche Gültigkeit zugesprochen wird
(à la "Tonalität ist ein Naturgesetz" oder "Konsonanz ist pfui"). Aber daran sind Komponisten
eher gewachsen als zerbrochen: Für junge Künstler in ihrer ikonoklastischen Lebensphase
ist ein starres Regelwerk eine viel bessere Ausgangsbasis - besser als die Beliebigkeit.

Es fällt auf, daß die wichtigsten Musiktheoretiker eher unbedeutende Komponisten gewesen sind
(Ausnahme: Rameau), und die als Lehrer bedeutendsten Komponisten des 20.Jahrhunderts,
Schönberg und Messiaen, nie ihre eigene Schreibweise als verbindlichen Stil
zu vermitteln versucht haben.

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Die Gegensätze sind hier Fühlen/Wahrnehmen versus Analysieren.

Wobei das Eine das Andere nicht ausschließt, sondern das Fühlen/Wahrnehmen mit den Sinnen vor der Analyse stattfinden soll.
So habe ich es verstanden.

Ich finde das, was Jacoby geschrieben hat, gar nicht merkwürdig oder gar lächerlich, sondern sehr treffend, feinsinnig und differenziert ausgedrückt.

EDIT:
Mich hat es gefreut, Jacoby zu lesen, denn genau so gehe ich das Erarbeiten eines neuen Stückes an. Ich lasse es stets zunächst auf mich wirken und versuche, die Atmosphäre und die Stimmung zu erfühlen.
 
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Meine Frage nach dem biographischen Hintergrund zu Jacoby war nicht rhetorisch,
sondern ernstgemeint. Wenn er Euch beiden, Friedrich und Hasenbein, vertraut ist,
wäre es schön, wenn Ihr mehr zu der Tradition sagen könntet, in der er steht.

Eure Übersetzungsversuche in Ehren -

Wenn ich J. recht verstehe, plädiert er einfach dafür, erst das Erleben sich entfalten zu lassen,
ohne das durch vorschnelle Theoriebildung zu stören.

Was Jacoby meint, ist ganz einfach: Zuerst soll man wirklich in der Wahrnehmung sein
und diese nicht schon durch "Im-Denken-Sein" verunklaren. Man könnte es auch
vergleichen mit einem Gespräch: Bevor man antwortet (= den Denk-Kommentar abgibt),
soll man erstmal wirklich zuhören (= beim Musikmachen: die Schallwelle wirklich wahrnehmen).

- aber wenn Jacoby das meint, was Ihr aus ihm herauslest, warum sagt er es dann nicht?

Jacoby sagt etwas anderes. Er spricht von dem "innerlich sich Gestaltenden" -
wer oder was ist da der Acteur? -, das "bewußt erlebt" werden soll:
Seit wann ist Bewußtsein von der Reflexion abgekoppelt?

Er spricht von dem "Empfundenen", um dessen klarer Gestalt willen die intellektuelle Reflexion
zurückzuhalten ist - wie kann etwas begriffslos klare Gestalt gewinnen?

Ein Verweis ergeht dabei an Hasenbein: Dein Bullshit-Detektor müßte längst von der Wand gefallen sein,
so oft, wie Du hier die Blubbervokabel "wirklich" gebrauchst (wirklich wahrnehmen/wirklich zuhören etc.
Das ist Focus-Deutsch: "Deutschlands Teenies... was sie wirklich wollen"). Ich nehme wahr oder nicht -
da gibt's kein Zwischending und keine Steigerung.

Man müßte, um den Passus von der "Zurückgewinnung der schöpferischen Leistung" zu verstehen,
mehr kennen als den Klappentext. Auf jeden Fall ist die Beantwortung der Frage in Euren Übersetzungen
nicht aufgetaucht: Was hat den Verlust der schöpferischen Leistung verursacht?

HG, Gomez

.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ach, Ihr seid ja alle sooo schlau :D

So, da ich mich mit Jacoby auskenne (hier aber anscheinend sonst keiner mal sich wirklich informiert hat, worum es in der Arbeit Jacobys und Gindlers geht), erklär ich Euch mal, was gemeint ist.

Wie man leicht empirisch nachprüfen kann, ist "Wahrnehmen" (also hören, sehen, fühlen...) nur dann in vollem Umfang möglich, wenn nicht gleichzeitig "Denken" stattfindet.
Dies ist nur nacheinander bzw. alternierend möglich; ich kann meine Aufmerksamkeit nur entweder auf konkrete sinnliche Sensationen richten oder auf mein Denken.
Da besteht keine Multitaskingfähigkeit; allenfalls die, schnell hin- und herzuschalten.

Was Jacoby meint, ist ganz einfach: Zuerst soll man wirklich in der Wahrnehmung sein und diese nicht schon durch "Im-Denken-Sein" verunklaren.
Man könnte es auch vergleichen mit einem Gespräch: Bevor man antwortet (= den Denk-Kommentar abgibt), soll man erstmal wirklich zuhören (= beim Musikmachen: die Schallwelle wirklich wahrnehmen).

Komisch, daß hier vorwiegend über Jacoby gespottet wird, wo man sich doch eigentlich ansonsten stets einig ist, daß das Musizieren aus dem Hören heraus erfolgen soll und daß viele Spieler sich durch "Zerdenken" oder zu kognitive Herangehensweise im Wege stehen! Wirklich sehr merkwürdig!

Weiter meint Jacoby mit dem Zitat, daß, hat man erstmal wirklich wahrgenommen statt nur halb (weil man eigentlich mehr im Denken war, als man beabsichtigte, zu hören), das Denken nun viel besseres und genaueres "Info-Material", über das analytisch nachgedacht werden kann, zur Verfügung hat, und somit das Denken (das er keinesfalls in irgendeiner Weise ablehnt, wie manche hier rätselhafterweise rauslesen...) zweckmäßiger vonstatten gehen kann.

Wirkliche Wahrnehmung und zweckmäßiges Denken tragen somit beide zu sinnvollem Lernen und schlüssigem Musizieren bei; Ersteres ist aber Voraussetzung für das zweite.

LG,
Hasenbein
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:kuss:
 

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