Intellekt versus Gefühl?

ziemlich sicher kann man winters durchaus mehrere verschiedene Wahrnehmungen simultan machen, z.B. dass es elend kalt an den Füßen ist, aber der Glühwein oder der Erbseneintopf gerade prima wärmt ;) und das zusammen kann man währenddessen auch begreifen, ohne vor Anstrengung einen roten Kopf zu kriegen, ja man kann sich dabei sogar mit anderen Besuchern des Weihnachtsmarktes unterhalten ;)

Nee, kann man eben nicht. Dabei wechselt die Aufmerksamkeit hin und her. Wahrnehmungen, die nicht im aktuellen Fokus der Aufmerksamkeit stehen, werden nur bewusst, wenn sie außergewöhnlich sind (z.B. Bewegungen in der visuellen Peripherie oder unerwartete Berührungen). Hast Du Dich schon mal gefragt, wieso Du Deine Umgebung konstant siehst, obwohl wir mehrere Augenbewegungen pro Sekunde machen und während dieser Augenbewegungen nichts wahrnehmen können? Das Gehirn ist sehr gut darin, Wahrnehmungskonstanz zu suggerieren, die nicht da ist.

am Klimperkasten wird derjenige, der nur die eine Hand schön spielt und die andere durchpampt, keinen erfreulichen Eindruck erwecken

Als Anfängerin kann ich das zwar nicht, aber auch das erfolgt zwangsläufig als schnelles Abwechseln des Fokus.

Rolf, wenn man diese Fragen durch Introspektion lösen könnte, könnten wir Naturwissenschaftler uns unsere Versuche sparen ;)

Ich finde aber, dass uns das vom eigentlichen Thema schon wieder wegführt, weil wir uns hier in Details verlieren...
 
Es gibt auch Millionen berühmter Persönlichkeiten, die einem Aberglaubenskult namens "Christentum" (oder Judentum, Islam...) anhingen, in dem genauso quatschiges Zeug behauptet wird wie in Steiners Elaboraten.

Das zeigt alles nur, daß der Mensch, auch wenn er in einer Hinsicht Hervorragendes, ja legendär Bedeutendes leistet, in anderer Hinsicht mit den irrwitzigsten "Hirnwürmern" infiziert sein kann. Mehr nicht.

LG,
Hasenbein
 
das ist eine sehr vage Vermutung, zudem welchen Grund sollte es geben, dass Reflexion hinterher Gefühlsinhalte verwischt?

............denn im Gegenteil kann Reflexion Gefühle vertiefen!

Beim Hören von beispielsweise Intervallen kann man versuchen, diese möglichst intensiv zu erfassen. Das reicht aber oft gerade für Klavierspieler nicht aus, da auf dem Klavier mühelos eine Sexte gespielt werden kann. Versucht man hingegen, diese Sexte zu singen oder z.B. auf einem großen Xylophon zu spielen, wird einem der große Raum und die Spannung zwischen den beiden Tönen bewusst. Hat man nun einmal solch ein Aha-Erlebnis gehabt, wird man sich beim Hören anderer Stücke und ihrer Intervalle daran erinnern. Auf die Wahrnehmung folgt also die blitzartige Verknüpfung mit gemachten Erfahrungen und die verstärkt wiederum die Intensität der Wahrnehmung bzw. der Gefühle. Auf keinen Fall kann es m.E. sein, dass man lange wartet mit dem "Datensammeln" bzw. erst tagelang nur hört ohne Reflexion oder irgendeine kognitive Beteiligung. Wahrnehmung und Erkenntnis, Gefühl und Reflexion befruchten sich gegenseitig und führen so zu einem immer tieferen Eindringen in die musikalische Substanz und das Verständnis des Stücks.

Genauso funktioniert auch das Lehren.

Liebe Grüße

chiarina
 
Es gibt auch Millionen berühmter Persönlichkeiten, die einem Aberglaubenskult namens "Christentum" (oder Judentum, Islam...) anhingen, in dem genauso quatschiges Zeug behauptet wird wie in Steiners Elaboraten.

Das zeigt alles nur, daß der Mensch, auch wenn er in einer Hinsicht Hervorragendes, ja legendär Bedeutendes leistet, in anderer Hinsicht mit den irrwitzigsten "Hirnwürmern" infiziert sein kann. Mehr nicht.

LG,
Hasenbein

da gebe ich dir völlig recht, aber an irgend etwas muss man sich doch hängen und sei es an der Weinflasche! Wer weiss vielleicht währe die Welt ohne Glauben noch brutaler !

Cordialement
Destenay
 
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Das Gehirn ist sehr gut darin, Wahrnehmungskonstanz zu suggerieren, die nicht da ist.
Rolf, wenn man diese Fragen durch Introspektion lösen könnte, könnten wir Naturwissenschaftler uns unsere Versuche sparen ;)
...wenn es sich um cerebral suggerierte Simultaneität handelt, wir diese aber nicht als Nacheinander sondern als Gleichzeitigkeit wahrnehmen, dann ist es für uns Gleichzeitigkeit - und dann müssen wir gar nicht währenddessen wissen, dass da Zellen funken, dass da im Bereich von Nanosekunden (? oder so) allerlei nacheinander abläuft usw --- das ist für die medizinisch-neurologische Untersuchungsweise interessant.
(das impliziert sogar sehr interessante Kant´sche Fragen, wenn man´s weiterdenkt)

und nein-nein, bitte nicht aufhören mit experimentieren!! :):):)
 
...dann ist es für uns Gleichzeitigkeit - und dann müssen wir gar nicht währenddessen wissen, dass da Zellen funken

Ja, zum Glück erledigt das Hirn seinen Dienst, auch wenn wir's nicht merken ;) Aber es ist trotzdem relevant, weil die Frage, wie das funktioniert und wie stark die Leistung durch 'task-switching' beeinträchtigt wird, eben Hinweise darauf geben kann, wie man's seinem Hirn leichter machen kann :)
 
Ach, Ihr immer mit Euren Gefühlen!

Jetzt check ich erst Euer zentrales Riesen-Mißverständnis!

Jacoby meint nicht "Gefühle"!

Jacoby meint mit dem "Empfundenen" einfach nur das sensorisch Wahrgenommene!

Ihr hingegen habt gedacht, das Wort "Empfundenes" stehe für die Gefühle, die der Musiker beim Spielen hat. Das ist völlig verkehrt!

Da seht Ihr mal, wie Sprache verwirren kann!

Hier der Kontext des Zitats, um das es in diesem Thread geht:

Heinrich Jacoby

Wichtig ist dort folgender Absatz:

Den Ablauf in sich erleben, ausgelöste Funktionen zu empfinden, sich über die betreffende Empfindung Rechenschaft zu geben, sie von anderen Arten der Empfindung zu unterscheiden, bedeutet wohlgemerkt nicht, daß damit nach subjektiven Meinungen, nach „Gefühlen“, nach Urteilen über schön und häßlich, angenehm und unangenehm, Wert und Unwert der konstatierten Empfindung gefragt wird.Ganz im Gegenteil! Es kommt allein darauf an (und das ist in der Praxis viel leichter zu erreichen, als man glaubt), sich zunächst nur- wie ein registrierender Apparat- Zustände und Zustandsänderungen bewußt werden zu lassen, ohne danach zu fragen, welche subjektiven Wirkungen man dabei empfindet und welche Meinungen man darüber hat.So lernen wir dieses empfangsbereite Verhalten deutlich zu empfinden und vom einsetzen eigener Aktivität deutlich zu unterscheiden.

LG,
Hasenbein
 
hier gehts um das sogenannte "Empfangsverhalten" unvoreingenommenes Aufnehmen.
Ich möchte aber wetten, das der Text noch weitergeht?

Wir gingen ja von diesem Textabschnitt aus:

"Die Gewöhnung, durch gelassenes Verhalten für das bewußte Erleben des innerlich sich Gestaltenden bereit zu werden, ermöglichst es, die wichtigste Voraussetzung aller schöpferischen Leistung zurückzugewinnen: Die Fähigkeit, intellektuelle Reflexionen so lange zurückzuhalten, bis Empfundenes klare Gestalt gewonnen hat."

Dann hieße Empfundenes das Gleiche wie Wahrgenommenes?
Oder ist hier die Vorstufe des WAhnehmens (siehe link) gemeint?
http://de.wikipedia.org/wiki/Empfindung
 
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Was mich angeht, meinte ich in meinem Beispiel mit den Intervallen genau das! Allerdings gilt das Gesagte auch für Emotionen. Je mehr ich wahrnehme, desto intensiver und vielschichtiger wird auch die Gefühlspalette.

Liebe Grüße

chiarina

P.S.: Liebe Nica, dann ist es doch auch so, dass die viel gelobte Multi-Tasking-Fähigkeit (die ich keineswegs so lobenswert finde) ein sehr schnelles Hin- und Herswitchen bedeutet als ein tatsächliches "gleichzeitig verschiedene Dinge tun", oder?

P.S.S.: "Hirnwürmer"!!!!! Ein köstliches Wort, hasenbein!!!!!! :D:D:D (wenngleich ich dir in der Sache natürlich nicht uneingeschränkt zustimme, aber das lassen wir jetzt lieber mal.......:floet: )
 
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...in wieweit ist dann Jacoby relevant für den Titel des Fadens?:confused::p
 
Was immer man gegen Skrjabin und Stockhausen vorbringen mag -
mit Anthroposophie hatten beide nix am Hut.

Skrjabin war von Mme. Blavatksy schwer beeindruckt und wurde
Mitglied der Theosophischen Gesellschaft Adyar. Seine Größenphantasien,
die auch durch die späten Sonaten und Klavierstücke geistern (Abfallprodukte
seines "Mysteriums" bzw. des "Acte préalable"), hatten allerdings eher
mit schlecht verdauter Nietzsche-Lektüre zu tun.

Stockhausen war von Haus aus praktizierender Katholik. Vom konfessionellen
Christentum wandte er sich unter dem Einfluß Mary Bauermeisters ab.
Er beschäftigte sich mit Sri Aurobindo und geriet dann - wiederum durch
Mary Bauermeister vermittelt - unter den Einfluß des "Urantia"-Buchs,
dessen Vorstellungswelt die Konzeption des "Licht"-Opernzyklus geprägt hat.
Wie Skrjabin hat auch Stockhausen an veritablem Größenwahn gelitten,
was (anders als bei Skrjabin) nicht immer durch die Qualität der Musik
kompensiert wird.

.
 
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-> Intellekt versus Gefühl

Das erste - und wichtigste - Verstehen von Musik erfolgt über die Emotion, die diese auslöst. Man sollte (böse Phrase) die Welt der Musik sichten, und diejenige Musik finden, die einen als Mensch am stärksten zu berühren vermag.

Dann kann man beginnen, oder auch parallel dazu, den Aufbau von Musik, die Wirkung und das Zusammenwirken ihrer Grundelemente, rational zu erkennen. Kann man das rational durchschauen, steigert sich nochmals der Genuß - ein Konzert ist kein zufälliger Tonbrei mehr, sondern hat Strukturen, Entwicklungen, Echos, sich aufbauende Spannungen, Höhepunkte, Gegensätze, Landschaften...

Intuitiv kann man so etwas zwar ebenfalls begreifen. Aber wenn der Verstand erkennt, was ein Komponist hier und da tat, daß kein Zufall in der Struktur seines Werkes, sondern neben Herz und Gefühl auch geniale Absicht und Überlegung liegt, wenn man vielleicht sogar eine Vorstellung davon gewinnt, was er mit seinem Werk sagen wollte - dann kann ein noch viel intensiveres emotionelles Empfinden beim Hören des Werkes entstehen.

Will man ein Werk schaffen, das wirklich bewegen kann, dann braucht man die seltene und fragile Verbindung zu seinem Innersten - die sich nicht erzwingen läßt, sondern kommt, wenn sie da ist. Auf dieser reiten die innersten Emotionen und existentiellen Erfahrungen des Menschen nach außen - und kondensieren in Sprache oder Musik, oder sonstiger Kunst. In einer Form, die andere Menschen sofort zutiefst zu bewegen vermag - sofern das o.g. Kunstverständnis bei ihnen herangebildet wurde.
Unnötig anzumerken, daß man als Schaffender dazu die handwerkliche Seite seiner Kunstrichtung genügend, wenn nicht gar blind, beherrschen muß.

Das sind meine Erkenntnisse dazu

Schönen Gruß
Dreiklang
 
Ja, zum Glück erledigt das Hirn seinen Dienst, auch wenn wir's nicht merken ;)
jepp, wie der Blutkreislauf, das Augenblinkern, die Gedärmperistaltik: die Organe tun ihren Dienst, und wenn alles funzt, müssen wir kein großes Tamtam drum machen (abgesehen vom Mediziner, der muss das alles wissen, um gegebenenfalls zu reparieren, wenn wo was nicht funzt) -- und wenn wir das nicht merken müssen, dann muss es uns auch nicht präsent sein.


Aber es ist trotzdem relevant, weil die Frage, wie das funktioniert und wie stark die Leistung durch 'task-switching' beeinträchtigt wird, eben Hinweise darauf geben kann, wie man's seinem Hirn leichter machen kann :)
na aber BUHUHU!!!! damit stellst du ja fest, dass es auf neurobiologisch-medizinischer Ebene kein "polyphones Denken und Wahrnehmen" gibt... ich darf also weder mehrere Stimmen simultan differenziert spielen noch wahrnehmen können, um der neurobiologischen Erkenntnis zu entsprechen... BUHUHU... das will ich nicht, und darum tu ich´s auch nicht ;):)
 
na aber BUHUHU!!!! damit stellst du ja fest, dass es auf neurobiologisch-medizinischer Ebene kein "polyphones Denken und Wahrnehmen" gibt... ich darf also weder mehrere Stimmen simultan differenziert spielen noch wahrnehmen können, um der neurobiologischen Erkenntnis zu entsprechen... BUHUHU... das will ich nicht, und darum tu ich´s auch nicht

dem schließe ich mich gerne an. rolf, ich hoffe doch, Du hast heute wieder fein säuberlich alle Töne in die rechte und linke Gehirnhälfte einsortiert, so wie es sich gehört :D:D:D:D

--- Das war natürlich ein Ulk. Es gibt Dinge, die kann unser Hirn einfach - und manche, die kann es nicht. Ein paar Sachen gleichzeitig, das ist kein größeres Problem. Solange es nicht zu viele werden.

Nur, das mit dem Fühlen ist schon so eine Sache: sich wirklich entspannen, das Denken vollkommen abschalten, und die Wirkung von Musik intensiv spüren - vielleicht ist das tatsächlich nicht so einfach für jeden.

Ich glaube, durch so etwas legt man den Grundstein für das was als "musikalisch sein", Musikalität, bezeichnet wird.

Schönen Gruß
Dreiklang
 
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*grrr* ... *grrr* ... *schnaub* ... *tiefdurchatme* Es gibt einen Grund, warum Klavierspielen enorme Konzentration erfordert... *jetzterstmalübengeh*

Den gibt es auf jeden Fall... Klavierspielen gehört zu denjenigen Tätigkeiten, die mit sehr viel Übung verbunden sind, und die man nur mühsam und stufenweise erlernen kann. Anders, als eine Milchtüte aufzuschneiden...

Man muß einen ganzen Haufen lernen, bevor schwierigeres einmal mit weniger Konzentration klappt.
 
Was immer man gegen Skrjabin und Stockhausen vorbringen mag -
mit Anthroposophie hatten beide nix am Hut.

Skrjabin war von Mme. Blavatksy schwer beeindruckt und wurde
Mitglied der Theosophischen Gesellschaft Adyar. Seine Größenphantasien,
die auch durch die späten Sonaten und Klavierstücke geistern (Abfallprodukte
seines "Mysteriums" bzw. des "Acte préalable"), hatten allerdings eher
mit schlecht verdauter Nietzsche-Lektüre zu tun.

Stockhausen war von Haus aus praktizierender Katholik. Vom konfessionellen
Christentum wandte er sich unter dem Einfluß Mary Bauermeisters ab.
Er beschäftigte sich mit Sri Aurobindo und geriet dann - wiederum durch
Mary Bauermeister vermittelt - unter den Einfluß des "Urantia"-Buchs,
dessen Vorstellungswelt die Konzeption des "Licht"-Opernzyklus geprägt hat.
Wie Skrjabin hat auch Stockhausen an veritablem Größenwahn gelitten,
was (anders als bei Skrjabin) nicht immer durch die Qualität der Musik
kompensiert wird.

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Warum Stockhausen im Zusammenhang mit der Anthroposophie bei den Anthroposophen erwähnt wird kann ich nicht genau sagen, nehme aber an, dass dies im Zusammenhang steht, mit der Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft 1913, welche aus der zur Adyar-TG gehörenden Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft hervor ging. Könnte mal per Gelegenheit in der Bibliothek im Tempel nachschauen :D wobei mir die grossartigen Konzertsälle wichtiger sind.
Wie Rolf zu Skrjabin kam, weiss ich nicht darüber habe ich nichts gefunden. Vielleicht wirds die Anthroposophen erfreuen.:D

Cordialement
Destenay
 
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