Individuelle Unterschiede im Gehör

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Hallo liebe Clavios,

eine Frage, die sich mir derzeit stellt:
Gibt es so etwas wie individuelle Unterschiede oder eher Defizite im Gehör, die nicht auf mangelnde Übung zurückzuführen sind? Also etwas, was man sich auch nicht wirklich antrainieren kann, was andere aber sehr wohl können.

Was führt mich zu dieser Frage:
Bei den c-Moll Variationen von Beethoven, aber auch schon bei früheren Stücken, habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich vom Gehör her im hohen Tempo rhythmisch nicht mehr sicher differenzieren kann, d.h. ich spiele etwas, und höre mir selbst zu und finde es sehr schwer zu sagen, ob ich eigentlich korrekt spiele oder nicht. Das kann zum Beispiel bei sehr schnellen gleichmäßigen Notenwerten die Frage betreffen, ob ich nun gleichmäßig spiele oder ob es "Hübbel" gibt (z.B. Var. 10 & 11). Anderer Fall sind polyrhythmische Schwierigkeiten: Auch da fällt es mir schwer zu hören, ob ich richtig spiele (z.B. Var. 9 & 16).

Vielleicht ist es auch nicht nur eine Frage des Hörens, denn bei Aufnahmen von mir oder anderen, kann ich diese Fragen besser beurteilen. Also es geht hier um das sich Zuhören beim Spielen.

Kennen das andere auch? Ist das übbar oder ein prinzipieller Hördefekt bei mir? :)

lg marcus
 
"Sich zuhören" ist etwas ganz anderes als anderen zuhören oder eine Aufnahme des eigenen Spieles anhören.

In dem Moment, zu dem das Hirn motorische Steurungsbefehle an die Muskeln hinaus sendet, wird von diesen Befehlen auch eine Kopie gezogen ("Efferenzkopie") und an Bereiche weitergeleitet, die sich mit Sinneseindrücken beschäftigen. Dort wird berechnet, wie sich die Bewegungen anfühlen werden, welches Bild sich ergibt, was zu hören sein wird etc. Wenn dann die Daten von den Sinnen eintreffen, wird ein Vergleich angestellt und ggf. korrigiert (insbesondere propriorezeptive Sinne, d.h. ob sich die Lage des Körpers so anfühlt wie erwartet). Damit interferiert immer die eigene Erwartung mit den Eindrücken: wenn du den Rhythmus falsch gespielt hast, paßt aber der Sinneseindruck zur automatisch (und unbewußt) erzeugten Erwartung.

Um das zu überwinden, muß man eine bewußte feste Erwartung erschaffen, und dann die Sinneseindrücke auf dieser bewußten Ebene vergleichen. Das ist durchaus möglich, ist aber natürlich dann viel leichter, wenn man nur zuhört statt aktiv ist und damit von all dem, was mit der Efferenzkopie einhergeht, nicht gestört wird.
 
Danke für diesen Hinweis. Ich kenne mich mit den neurophysiologischen Grundlagen des Klavierspiels nicht besonders aus. Das klingt aber einleuchtend und ich werde bei Gelegenheit weiter dazu lesen.

Damit interferiert immer die eigene Erwartung mit den Eindrücken: wenn du den Rhythmus falsch gespielt hast, paßt aber der Sinneseindruck zur automatisch (und unbewußt) erzeugten Erwartung.
Müsste es hier nicht heißen: "wenn du den Rhythmus richtig gespielt hast"? Ansonsten verstehe ich deine Ausführungen doch nicht.

Mich interessiert aber auch, ob andere Clavioten ähnliche Schwierigkeiten kennen und wie sie damit umgehen!

lg marcus
 
Hallo Marcus,

das, was Du beschreibst, ist ganz klar einfach darauf zurückzuführen, dass Du noch nicht weit genug bist und daher ein bestimmtes Hörtempo und eine bestimmte Hör-Differenzierungsfähigkeit noch nicht drauf hast.

Außerdem kann es einfach auch damit zu tun haben, dass Dir das Stück noch nicht vertraut genug ist oder Du eine ungünstige Wahrnehmungs- und Denkweise bezüglich des Stücks hast.

Kannst Du also nicht bequem auf die "Gene" oder so schieben. :-D

Individuelle Hör-Unterschiede gibt es aber sehr wohl.

Zum Beispiel gibt es Leute, die tiefe Frequenzen einfach weniger gut wahrnehmen und denen z.B. der Bass in einem Musikstück daher "am A.... vorbeigeht".

Anderes Beispiel sind Leute, die Obertöne sehr stark wahrnehmen und für die daher Klänge reichhaltiger erscheinen, aber potentiell natürlich auch verwirrender. Solche Leute mögen daher Musik mit komplexen Harmonien oft nicht gerne, weil es für sie sehr durcheinander klingt.

Das sollte man als "Normalhörer" immer im Hinterkopf behalten, bevor man über irgendwelche Menschen höhnt, die nur sehr konsonante, einfache Musik hören mögen. Manchmal hat das nicht mit der musikalischen Sozialisation zu tun, sondern tatsächlich mit körperlichen Aspekten.

LG,
Hasenbein
 
Willkommen im Club. Da geht es mir genauso.
Vorallem Triolen auf 16tel und Co. Ich brauch da immer wieder die Kontrolle meines KLs und jede Menge Geduld und gute Nerven. :-P
Das ist immer die größte Schwierigkeit eines Stückes für mich.
Mein alter KL hat mal gesagt, wenn ichs einmal verstanden hab und 3 auf 4 spielen kann, dann könnte ich es in Zukunft bei jedem anderen Stück auch. Da hatte er leider nicht recht. Es ist jedesmal wieder ein neuer Kampf, ein rießen Berg den ich mühsam hochklettern muss bis der Zeitpunkt kommt, wos dann von alleine geht und alles ganz easy ist. :-P
Aber das größte Problem daran ist eben, dass ich es selber nur minimal korrigieren kann, weil ich es erstmal nicht höre bzw. mir nicht sicher bin, ob das was ich da höre nun richtig oder falsch ist. Aufnehmen hilft bei mir nur bedingt.
Ich hab auch schon alle Möglichkeiten an Übungen zu den einzelnen Stellen ausprobiert und muss die halt jedes Mal von vorne durcharbeiten.

Abgesehen davon besitz ich kein "inneres Metronom", welches mein alter KL mir immer antrainieren wollte (hab ich auch ehrlich versucht, hat aber nie funktioniert).
Das macht vieles schwieriger und ich muss halt etwas komplizierter ein "Gefühl" für das richtige Tempo, den richtigen Rhythmus und Co finden.
Ärgerlich, aber nun ja...
 
Nun ja, dann finde ich eben keinen Zugang dazu...
:blöd:
 
Abgesehen davon besitz ich kein "inneres Metronom", welches mein alter KL mir immer antrainieren wollte (hab ich auch ehrlich versucht, hat aber nie funktioniert).
Das macht vieles schwieriger und ich muss halt etwas komplizierter ein "Gefühl" für das richtige Tempo, den richtigen Rhythmus und Co finden.
Ärgerlich, aber nun ja...
Hallo ich glaube es ist ein guter Weg zu versuchen, das innere Metronom zu finden. Bei mir funktionierte das so, dass ich irgendwann anfing, alle Taktschläge doppelt zu hören (rein innerlich). Also einen Viertelschlag als zwei Achtel hören, oder eine Achtel als zwei Sechzehntel. Wenn das besser funktioniert, kann man sich darauf konzentrieren, zwei echte Sechzehntel auf eine interne Achtel zu spielen - die man ja vorher schon gehört hatte.. Ist vielleicht etwas abstrakt, aber es funktioniert tatsächlich. Also versuchen, die Taktschläge zu verinnerlichen, und zwar zu Beginn erst einmal doppelt hören. Später kannst Du dann auch drei (Triolen) gg Deine inneren zwei (Achtel) spielen
 
Nur, das genau das bei mir halt nicht funktioniert, da ich keine Taktschläge "höre" oder "fühle".
Ich kann lediglich laut zählen, mit dem Fuß stampfen oder das Metronom zur Hilfe nehmen. Alles andere (innerliche und leise) funktioniert bei mir nicht.
 
Bei mir ist es tatsächlich das "gehen"; also ich gehe im Kopf einfach einen Weg entlang und jeder Schritt sind meine Viertel.
All zu oft noch stolpere ich oder bleibe einfach stehen. :-D
 
In der Musikkinesiologie gibt es auch eine Übung: Ein Stück "ergehen". Was aber beim Klavier etwas dumm ist, da man ja nicht beim gehen spielen kann und dementsprechend singen muss... aber wehe es sind dann Polyrhythmen :angst:
 

Bestimmte Sachen müssen halt intensiv über längere Zeit geübt werden, peng, aus.

Und Ihr, die Ihr hier buhuhut, was Ihr noch nicht könnt oder meint, niemals können zu werden, habt diese Dinge schlicht und einfach noch nicht ausreichend (bzw. evtl. auch auf falsche Weise) geübt.

Mehr muss man da nun echt nicht reingeheimnissen.
 
Piano-Drill-Instructor hasenbein :-D
 
Nur, das genau das bei mir halt nicht funktioniert, da ich keine Taktschläge "höre" oder "fühle".
Ich kann lediglich laut zählen, mit dem Fuß stampfen oder das Metronom zur Hilfe nehmen. Alles andere (innerliche und leise) funktioniert bei mir nicht.
Zählen finde ich persönlich nicht so sinnvoll, denn für mich unterdrückt es das innere Hören. Ein echtes Metronom finde ich sogar ganz schlecht und benutze es eigentlich gar nicht (nur um mich mal richtig zu pushen). Das heißt natürlich nicht, dass ich ein absolutes Rhythmusgefühl habe, aber das muss ja auch nicht sein (stellt sich dann wohl auch von alleine ein). Vielleicht versuchst Du innerlich nicht zu zählen, sondern zu summen, bzw zwingst Dich genau den Ton doppelt zu hören, den Du gerade gespielt hast. Kannst ja erst mal mit ganz langsamen Stücken anfangen, da drängt sich das Ton doppelt hören ja geradezu auf ;)
 
Ich glaube, Hasenbein möchte sagen, dass man nicht darauf warten soll, dass es sich von alleine anstellt, sondern es etwas forcieren muss. Das ist vermutlich richtig, verselbstständigt sich dann aber netterweise auch nach nicht so langer Zeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein, man muss gar nichts forcieren, und ich bin auch nicht für "Drill", sondern - bezeichnend, wie schwer verständlich solche simplen Dinge heutzutage geworden sind - für bestimmte Fähigkeiten bedarf es nun mal einer bestimmten Menge an sinnvoll eingesetzter Übungs- und Beschäftigungszeit.

Dies wird gerade von Amateuren häufig sehr unterschätzt.
 
Forcieren war jetzt so gemeint, sich darauf zu konzentrieren, innerliche Taktschläge, oder summen, oder Doppeltöne oder was auch immer zu hören oder zu erzeugen. Das ist doch der Unterschied zwischen üben, und abwarten .. eine andere Möglichikeit ist auch, einen Ton zwar auf der Taste zu halten, aber gefühlt noch mal anzuschlagen.
 
Bestimmte Sachen müssen halt intensiv über längere Zeit geübt werden, peng, aus.

Und Ihr, die Ihr hier buhuhut, was Ihr noch nicht könnt oder meint, niemals können zu werden, habt diese Dinge schlicht und einfach noch nicht ausreichend (bzw. evtl. auch auf falsche Weise) geübt.

Mehr muss man da nun echt nicht reingeheimnissen.

Ja, da geb ich dir recht und es ist gar nicht in meinem Sinne zu buhuhuhen ;-)
Aber ich glaube schon, dass es Menschen gibt, denen dies nach kurzer Übungszeit einfach fällt, und es gibt solche wie mich, denen es schwerer fällt und die nach Jahren mit sinnvollen Üben (und an Übungen hat es mir wahrlich nicht gemangelt, ebensowenig wie an Korrektur und Tipps von KL) halt immer noch diese Schwachstelle haben und wahrscheinlich immer damit zu tun haben werden. Das ist soweit ok, denn dafür fällt mir vielleicht etwas anderes leichter :-) Ich wollte hier lediglich marcus bestätigen, dass er nicht der einzige ist, der damit ein "Problem" hat.
Im übrigen, hab ich keine Probleme mehr, sondern nur noch Herausforderungen! *lach*
 
Zählen finde ich persönlich nicht so sinnvoll, denn für mich unterdrückt es das innere Hören. Ein echtes Metronom finde ich sogar ganz schlecht und benutze es eigentlich gar nicht (nur um mich mal richtig zu pushen). Das heißt natürlich nicht, dass ich ein absolutes Rhythmusgefühl habe, aber das muss ja auch nicht sein (stellt sich dann wohl auch von alleine ein). Vielleicht versuchst Du innerlich nicht zu zählen, sondern zu summen, bzw zwingst Dich genau den Ton doppelt zu hören, den Du gerade gespielt hast. Kannst ja erst mal mit ganz langsamen Stücken anfangen, da drängt sich das Ton doppelt hören ja geradezu auf ;)

Nur ganz kurz dazu: Mein alter KL hatte einen ähnlichen Ansatz, mein neuer KL allerdings hat eine andere Methode und die ist für mich persönlich die bessere und die beruht eben darauf bewusst und aktiv laut zu zählen, weil ich leise oder innerlich gezählt oder gehört oder gefühlt oder wie auch immer eben nicht "richtig" zähle, fühle, höre etc und mich damit ins völlige Chaos stürze. Lautes, aktives Zählen, gerne mit Metronom als Kontrolle, hilft mir tatsächlich am meisten. Irgendwann ist das dann so aktiv drin, dass ich die Stelle problemlos spielen kann. Und wie gesagt, das Endergebnis meiner geübten Stücke ist ja rhythmisch richtig und gut, aber der Weg dorthin ist für mich halt länger und aufwendiger, als bei anderen.
 
Müsste es hier nicht heißen: "wenn du den Rhythmus richtig gespielt hast"?
Eigentlich: "egal, ob ud den Rhythmus richtig oder falsch gespielt hast" - denn die automatische Erwartung, wie sich das anfühlen wird, paßt zu den Befehlen, die die Bewegungen steuern.
Du mußt also den Vergleich zwischen richtigem Rhythmus und dem, was du tatsächlich spieltest, auf einer bewußten Ebene vornehmen. Aber das Hirn ist automatisch mit dem unbewußten Vergleich beschäftigt...
 

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