Ikonen-Schändung? Das "Pathétique-Adagio"

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Liebe Clavio-Gemeinde,

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich im zarten Alter von fast 50 das Adagio cantabile aus Beethovens "Pathetique" vor einigen Monaten zum ersten mal bewusst gehört habe. Nicht überraschend hat es mich sehr angesprochen und berührt und es entstand der Wunsch, es selbst zu spielen.

Da ich vor mehr als zehn Jahren zuletzt "ausnotierte Klassik" gespielt und mir vor ca. 30 Jahren zuletzt ausnotierte Klassik neu erarbeitet habe, war der Respekt vor dem Stück und seinen bekannten Tücken groß. Ich habe versucht, alles anzuwenden, was ich aus den prägenden Jahren mit regelmäßigem Unterricht (1984 bis 1995) verinnerlicht habe und heute an Reife und Erfahrung zu haben glaube. Damals habe ich kaum Beethoven gespielt, nur die Elise und mal halbherzig den 1. Satz einer Sonate, an deren Bezeichnung ich mich nicht erinnere.

Dann habe ich noch recherchiert, was hier im Forum so zum Pathetique-Adagio geschrieben wurde, und erst im Verlauf wurde mir klar, welch ehernes Heiligtum ich mir da vorgenommen habe.

In den relevanten Einspielungen (habe mich an Brendel und Yundi orientiert) ist das Einstiegs-Tempo noch langsamer (vor allem bei Brendel) und im C-Teil ziehen beide deutlich an (auch vor allem Brendel), deswegen mache ich Letzteres auch.

Einstieg in und Ausstieg aus dem C-Teil sind mir leider zu unruhig geraten, das stört den Flow ein bisschen. Bei 4:02 verspiele ich mich, halte aber den Puls, das dürfte nur bemerken, wer das Stück gut kennt. Ansonsten ein paar kleinere Verspieler/Abweichungen oder Faux-Pas in Dynamik/Phrasierung... Mit der Transparenz der Randstimmen bin ich ganz zufrieden, die Begleitfiguren in der Mittellage sind überwiegend gelungen, vereinzelt aber zu laut und/oder ungleichmäßig... Hier und da etwas zu viel Pedal...

Irgendwann kommt ja immer der Punkt, an dem man weiß, dass es nur mit sehr großem und langwierigem Aufwand noch besser würde, und mit diesem Niveau habe ich mich zufrieden gegeben.

Den Sound (Tascam-Recorder über dem geöffneten Deckel) habe ich hemmungslos mit Room/Reverb und Equalizer bearbeitet (inklusive Automatisierung).

Nicht erklären kann ich mir, wo die überflüssige Bass-Oktave auf der 2 im 1. Takt der Modulation nach E-Dur herkommt (2:50). Ich kann es nicht gewesen sein, die Linke ist weit weg von den Tasten, wahrscheinlich ein pedalbedingtes Resonanz-Artefakt (auf dem Kamera-Audio ist es so nicht zu hören).

Das ist mein diesjähriger Beitrag zur Weihnachtlichen Besinnlichkeit:

Ludwig van Beethoven: Klaviersonate Nr. 8 c-Moll Op. 13 - "Pathetique" - 2. Satz: Adagio cantabile.

 
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Ich habs auf Geheiß meines Lehrers letzte Woche angefangen und bin noch völlig „lost“😩
So schön werde ich es vermutlich nicht hinbekommen…
 
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Dieser Satz gehört zur großen Gruppe der Werke für 3 Hände (Bass, Mittelstimmen-Harmonie, Melodie) und kann daher nur zu zweit gespielt werden!
 
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Bravo! Gefällt mir sehr gut!
Ich habs auf Geheiß meines Lehrers letzte Woche angefangen und bin noch völlig „lost“😩
So schön werde ich es vermutlich nicht hinbekommen…
..."lost" war ich da auch in der Anfangsphase. Allein in den ersten paar Takten die Begleitung in der Mitte sinnvoll auf die Hände zu verteilen hat mich fast in den Wahnsinn getrieben. Aber halt durch, der Nebel wird sich lichten...
 
Allein in den ersten paar Takten die Begleitung in der Mitte sinnvoll auf die Hände zu verteilen hat mich fast in den Wahnsinn getrieben.
Was spricht denn aus deiner Sicht dagegen, das einfach so zu spielen, wie es notiert ist?
 
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Was spricht denn aus deiner Sicht dagegen, das einfach so zu spielen, wie es notiert ist?
Das Verkrampfungs-, Überspreizungs- und Sehnenscheidenentzündungsrisiko!

Ich hielt es für sinnvoll den Satz meiner Anatomie anzupassen.

Hast Du das gehört oder gesehen?
 
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Hast Du das gehört oder gesehen?
Nein. Ich sitze im Zug und möchte damit nicht meine Mitreisenden behelligen. Trotzdem verstehe ich das nicht ganz - es gibt doch gar keine Spreizungen in den ersten Takten - jedenfalls nichts, was über eine Oktave hinausgeht.

Ich kenne keinen Pianisten (auch keine kleinhändige Pianistin), der hier etwas mit links übernimmt. Das heißt nicht, dass man es nicht machen darf, aber ich halte es für eine unnötige Verkomplizierung. Spätestens ab Takt 9 muss man es eh in einer Hand spielen.
 
Vielleicht habe ich eine Schrottversion erwischt (aus der Stadtbibliothek), aber da ginge alles auf links bis Takt 8 nur mit Extrem-Pranken.

Screenshot_20251219-114435.png
 
Man soll das ja nicht mit links spielen. Viele moderne Ausgaben notieren das obere System im Bassschlüssel - und zwar Melodie nebst 16tel-Begleitung. Und so spielt man das üblicherweise - Unterstimme links, Mittel- und Oberstimme rechts. Das geht sehr bequem, selbst für kleine Hände. Erst, wenn man unnötigerweise versucht, die Melodie durchgehend mit den Fingern zu binden, wird es stellenweise unbequem. Den Fingersatz in deinem Notenbeispiel würde ich definitiv nicht nehmen. Entscheidend ist, dass man Melodie und Begleitung klanglich gut trennt. Das geht sehr viel besser, wenn man dazu direkt nebeneinander liegende Finger vermeidet. Im 3. Takt 2-3 auf der ersten Note ist deshalb ungünstig, umso mehr, als man hier auch noch eine Spannung hat. Mit 2-4 ist es aber ganz leicht; die restlichen Melodietöne alle mit 5.
 
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  • #10
Man soll das ja nicht mit links spielen. Die meisten modernen Ausgaben notieren das obere System im Bassschlüssel - und zwar Melodie nebst 16tel-Begleitung. Und so spielt man das üblicherweise - Unterstimme links, Mittel- und Oberstimme rechts. Das geht sehr bequem, selbst für kleine Hände. Erst, wenn man unnötigerweise versucht, die Melodie durchgehend mit den Fingern zu binden, wird es stellenweise unbequem. Den Fingersatz in deinem Notenbeispiel würde ich definitiv nicht nehmen.
Gut zu wissen. Danke Dir!

...ich habe das beste aus beiden Welten genommen :heilig: Ging dann irgendwann auch bequem...
 
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  • #11
Hübsch. So gut klingt das bei mir im Moment nicht (Ich übe aber auch gerade mehr an der Sonate, deren Bezeichnung dir entfallen ist).
Einstieg in und Ausstieg aus dem C-Teil sind mir leider zu unruhig geraten, das stört den Flow ein bisschen.
Am Beginn dieses Parts finde ich es OK, das "neue Tempo" anzuspringen.
Die Rückkehr ins Hauptthema würde ich allerdings durch ein wenig ritardando vorbereiten (ab T24 oder 26, spätestens aber ab T27).
Dass du an der Stelle etwas langsamer wirst, sollte dem Hörer nicht ao auffallen.
Vielleicht habe ich eine Schrottversion erwischt
Meine sieht an der Stelle genauso aus ... Fingersätze gibts allerdings bei mir keine.
Es sieht zwar aus, als müsse die linke Hand hier viel tun, tatsächlich ist sie aber an der Stelle unisono unterwegs und spielt nur den Basslauf.
Vielleicht kommt man ja auf die Idee, das mit der linken Hand spielen zu müssen, weil in Takt 9 und 10 ähnliches passiert, und die Rechte dort ja auch nicht helfen kann.
Erst, wenn man unnötigerweise versucht, die Melodie durchgehend mit den Fingern zu binden, wird es stellenweise unbequem.
Oh ja ... das stelle ich immer wieder fest, wenn ich mir in den Kopf setze, das mal ohne Pedal zu üben ... das geht mit Hilfe vom linkem Daumen dann wirklich entschieden einfacher.
 
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  • #12
...ich habe auch das Sakrileg begangen, in Takt 38 und 44 die Sekunden-Sechzehntel mit der Daumen-Breitseite zu nehmen... Pfui! :005:
 
  • #13
Du meinst sicher T46 ... in T44 sehe ich keine Sekunde ... nur eine übermäßige (c-dis) ... und die wird mit der Daumenbreitseite schwierig ... obwohl ... ich kenne ja deinen Daumen nicht ... meine sind damit beide überfordert.
 
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  • #14
Du meinst sicher T46 ... in T44 sehe ich keine Sekunde ... nur eine übermäßige (c-dis) ... und die wird mit der Daumenbreitseite schwierig ... obwohl ... ich kenne ja deinen Daumen nicht ... meine sind damit beide überfordert.
Hast Recht: 46!
 
  • #15
Ich finde das übrigens ziemlich nett, an dieser Stelle die Daumenbreitseite zu nehmen. Die r.H. ist dadurch deutlich entspannter, als wenn man Daumen und Zeigefinger dafür nutzt.
 
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  • #16
Noch ein kleiner Nachtrag: Carl Czerny schreibt im 4. Teil seiner Klavierschule im Kapitel Über den richtigen Vortrag der sämtlichen Beethoven’schen Klavierwerke, dass die Mittelstimme ausnahmslos von der rechten Hand zu spielen sei. Wer diesen Sonatensatz also historisch informiert spielen will, muss jede Hoffnung auf erleichterndes Aufteilen der Begleitfigur fahren lassen. :blöd:
 
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  • #17
Noch ein kleiner Nachtrag: Carl Czerny schreibt im 4. Teil seiner Klavierschule im Kapitel Über den richtigen Vortrag der sämtlichen Beethoven’schen Klavierwerke, dass die Mittelstimme ausnahmslos von der rechten Hand zu spielen sei. Wer diesen Sonatensatz also historisch informiert spielen will, muss jede Hoffnung auf erleichterndes Aufteilen der Begleitfigur fahren lassen. :blöd:
Bei mir zählt immer das, was hinten rauskommt, deshalb lasse ich die historische Aufführungspraxis gerne fahren :musik018:
 
  • #19
Bei mir zählt immer das, was hinten rauskommt, deshalb lasse ich die historische Aufführungspraxis gerne fahren :musik018:
Manchmal (hier zugegebenermaßen eher nicht) hat das Zweite allerdings großen Einfluss auf das Erste.

Wer Beethoven nie auf einem Hammerflügel gespielt hat (oder sich zumindest intensiv mit den Eigenarten dieser Instrumente beschäftigt hat), wird so manches in den späten Sonaten kaum adäquat interpretieren können.
 
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  • #20
Wer Beethoven nie auf einem Hammerflügel gespielt hat (oder sich zumindest intensiv mit den Eigenarten dieser Instrumente beschäftigt hat), wird so manches in den späten Sonaten kaum adäquat interpretieren können.
Mist! Das triggert mich jetzt.
Wo finde ich denn jetzt ein solches Instrument, an das man mich ranlassen würde?
Ich würde ja schon gerne mal wissen, wie sich so ein Flügel beim spielen anfühlt und was daran bei meiner aktuellen Technik anders klingen würde, als auf meinem Pianino.

Ich würde auch gerne meinen einen Mozart (KV397) mal auf was mit "Kniepedal" spielen .. aber sowas ist wohl noch seltener und dabei ginge es mir mehr darum, ob ich das überhaupt auf die Kette kriege.
ich stelle mir das ziemlich gewöhnungsbedürftig vor.
 
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