Hardy Rittner hoert und kommentiert CDs

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STELLUNGSNAHME von HARDY RITTNER 28.09.2011

Es ist doch klar, dass Berg insgesamt sehr skrupulös gearbeitet hat, das zeigt u. a. schon die Sonate op. 1, die ursprünglich als mehrsätziges Werk gedacht war...
Und dennoch hat die Verwendung der 12-Ton-Technik das kompositorische Leben Bergs (besonders anfänglich) nicht gerade einfacher gemacht, wie er selbst in einem Brief vom 13.07.1926 an Schönberg berichtet: "Von den Schwierigkeiten, die es mir aber bereitete, von diesen 4 Formen (...) die möglichen 4stimmigen Canons (es sind 17) zu finden, kann sich niemand auf der Welt, pardon, kannst nur Du Dir, liebster Freund, einen Begriff machen. Daher auch das langsame Vorwärtskommen. Daher auch, um nicht zu verzagen, zwischendurch Rückfälle in meine altgewohnte freie Schreibweise." Dieses Bekenntnis ist zwar nur ein werkspezifisches frühes Beispiel, wenn der geschätzte Kollege aber mal selbst Stilkopien in dodekaphoner Schreibweise anfertigt, wird er sich sowohl von den Schwierigkeiten als auch Zwängen dieser Technik ein Bild machen können. Dies gelingt übrigens auch dann, wenn die eigenen kompositorischen Fähigkeiten nicht ganz auf dem Level eines Alban Berg rangieren, obgleich solche Befürchtungen bei der Kompetenz des Kollegen natürlich gänzlich grundlos sein werden.
Hinsichtlich der Findung eines zur Darstellung der Klangcharaktere des Op. 1 ideal geeigneten Instrumentes bedarf es intensiver Nachforschungen. Gleichzeitig kann eine solche Wahl keinesfalls ausschließlich in der Bibliothek oder am Schreibtisch getroffen werden. Mit - beispielsweise - einem Steinway um 1900 wird man aber nichts falsch machen.
Da die Auseinandersetzung mit dem geschätzten Kollegen nach wie vor viel eher ein Streit um Worte denn um echte inhaltlich Differenzen ist, möchte ich mich von diesem nun mit dem Rat Siddharthas an Govinda aus Hermann Hesses berühmter indischer Dichtung "Siddhartha" verabschieden:
"Das sind Dinge, und Dinge kann man lieben. Worte aber kann ich nicht lieben. (...) Vielleicht ist es dies, was dich hindert, den Frieden zu finden, vielleicht sind es die vielen Worte."

Mit herzlichen Gruss an alle Forumsteilnehmer

Hardy Rittner
 
[...] leider ist es ausgerechnet der halbgebildete Klugscheißer Hasenbein,
der inmitten Deiner Ausführungen diesen - wie ich meine - Bullshit entdeckt hat.

Sag mal, Hasenbein,

kann es sein, daß Dein Bullshit-Detektor ausschlägt, sobald Du in seine Nähe kommst?
Zur Thematik hast Du doch gar keinen Bezug. Warum äußerst Du Dich überhaupt?

Der Sachverhalt ist doch nicht übermäßig schwer zu begreifen.
Berg war besessen von der Idee des musikalischen Zusammenhangs.
Die Kunst, motivische oder thematische Gestalten auseinander abzuleiten,
gehört zum Rüstzeug fast jedes Komponisten, und Berg wurde sie
durch Schönberg vermittelt, vorzugsweise durch dessen Brahms-Analysen.
Für die Vorgeschichte der Reihentechnik ist dieser Aspekt sehr wichtig.
Die Komponisten der Wiener Schule haben reihentechnisch gearbeitet,
ehe die Regeln dafür benannt worden sind (Arbeit mit Zwölftonfeldern
oder bestimmten "sets", horizontal und vertikal). Deswegen haben
diese Regeln Berg wie auch Webern intuitiv eingeleuchtet.

Anders als seine beiden Mitstreiter hat Berg der Tonalität die Treue gewahrt.
Auf die in jedem seiner Werke anzutreffenden tonalen Relikte wurde er
von seinem Schüler Adorno angesprochen und gab darauf die etwas patzige Antwort,
das sei nun mal eine Wesenseigentümlichkeit seiner Musik. Und ich kann es Dir,
Hasenbein, nicht ersparen: An der Reihentechnik haben Berg die "tonalen Möglichkeiten"
fasziniert, und er hat sie weidlich genutzt, horizontal und vertikal,
wobei die Kunst darin besteht, mit solchen Allusionen an die Tonalität in einem
ansonsten atonikalen Umfeld keine falsche Hörerwartung aufkommen zu lassen.

Mit der Feststellung, Berg hätte sich das ohne Reihentechnik leichter machen können,
übersiehst Du zweierlei: Die Leichtigkeit hat Berg verschmäht. Er brauchte ganz offensichtlich
das Widerstrebende, um (sich daran ab-)arbeiten zu können. Und - wie oben bereits gesagt -
von der Idee, alles aus einem zu formen, war Berg viel zu besessen, als daß er
auf dieses zusätzliche Mittel, musikalischen Zusammenhang zu stiften, hätte verzichten können.

Gruß, Gomez
 
Es ist doch klar, dass Berg insgesamt sehr skrupulös gearbeitet hat [...]

Wenn das klar ist, wird dadurch auch verständlich, warum Berg
es sich mit der Adaption der Reihentechnik so schwergemacht hat.


Sie schätzen mich nicht, und ich bin nicht Ihr Kollege, und das ist gut so.
Ich bin es noch viel weniger, wenn die Kollegialität darin bestehen sollte, daß man

[...] mal selbst Stilkopien in dodekaphoner Schreibweise anfertigt [...]

.
 
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STELLUNGSNAHME von HARDY RITTNER 28.09.2011

Mit - beispielsweise - einem Steinway um 1900 wird man aber nichts falsch machen.
ja, das hab ich mir auch schon gedacht ;)

um 1908 entstandene Klavierwerke - ob Berg, Skrjabin, Ravel, Debussy, Rachmaninov - lassen sich prima auf 100- bis 120jährigen Steinways spielen -- nur: wozu da intensiv nachforschen? Diese Instrumente entsprechen in der Spielart den heutigen, die klanglichen Unterschiede sind marginal.
 
kann es sein, daß Dein Bullshit-Detektor ausschlägt, sobald Du in seine Nähe kommst?
Zur Thematik hast Du doch gar keinen Bezug. Warum äußerst Du Dich überhaupt?

Was soll das?

Woher willst Du denn wissen, ob ich zu der Thematik "einen Bezug habe" oder nicht?

Immerhin habe ich schon vor langem musikwissenschaftliche Literatur zur 2. Wiener Schule geradezu verschlungen, weil mich damals diese Komponisten sehr faszinierten. Und im Studium habe ich meinen Musikwissenschafts-Abschluß u.a. über Schönberg gemacht.

Ich rede hier also mitnichten als Fachfremder.

LG,
Hasenbein
 

Naja, wenn ich mich Gomez zufolge in der illustren Gesellschaft von Brendel und Rittner befinde, die ja angeblich auch keine Ahnung haben, dann isses o.k. für mich; irgendwie sind mir die beiden und das, was sie so von sich geben, sympathischer als gewisse recht praxisferne Schlaumeier :D

LG,
Hasenbein
 
In einem anderen Zusammenhang habe ich den Verdacht schon mal geäußert -
kann es sein, daß Ihr (Hasenbein, Destenay & Co.) den Sinn dieses Forums mißversteht?
Wenn Ihr ein Online-Rollenspiel sucht, loggt Euch bei "World of Warcraft" ein.

Wenn Ihr Streit sucht und die Chance wittert, Euch als Poseure in Szene zu setzen,
dann müßt Ihr das wohl tun - obwohl es der Idee dieses Forums zuwiderläuft
und von einer fähigen Moderation nicht geduldet werden dürfte.
Mein Bedürfnis, mich mit Schweizer Pferdezüchtern, deutschen Jazz-Pianisten
oder irgendwelchen CD-Kommentatoren anzulegen, ist vergleichsweise gering.

Mir ging es um die Korrektur der unsinnigen Behauptung, daß Berg vor der Reihentechnik geflohen sei,
sowie der sachgerechten Darstellung von Bergs diffizilem Verhältnis zur Tonalität.
 
Mir ging es um die Korrektur der unsinnigen Behauptung, daß Berg vor der Reihentechnik geflohen sei

Schnuckiputz, das hat hier auch niemand behauptet! Wie wär's, statt reflexartig den "Ihr einschl. Hardy Rittner habt sowieso alle keine Ahnung, in diesen Dingen bin ich Euch sowieso haushoch überlegen" - Hammer rauszuholen, einfach mal genau zu lesen, was andere schreiben?

Niemand hat hier die zweifellos unsinnige Behauptung aufgestellt, daß Berg vor der Reihentechnik "geflohen" sei - denn er hat sie ja konsequent genutzt. Rittner schrieb lediglich - in vielleicht noch verbesserungswürdiger Formulierungsweise - daß Berg die Reihentechnik zwar nutzte, jedoch ein Impuls in ihm vorhanden war, den letzten Implikationen, wie sie z.B. Webern konsequent umsetzte, doch aus dem Weg zu gehen (dafür benutzte Rittner halt den Ausdruck "entfloh", da kann man sich meinetwegen wortklauberisch drüber streiten). Es wird ihm ähnlich gegangen sein wie Schönberg, der (wie Du sicherlich, nachts um 3 aus dem Schlaf aufgeweckt, sofort aufsagen könntest) einmal meinte:

Es war mir nicht gegeben, in der Art der Verklärten Nacht oder der Gurrelieder oder selbst von Pelleas und Melisande weiter zuschreiben. Das Schicksal hat mich auf eine härtere Straße gewiesen. Aber immer war in mir der Wunsch lebendig, zu dem früheren Stil Zurückzukehren, und von Zeit zu Zeit gebe ich diesem Verlangen nach.

Schönberg komponierte z.B. die 2. Kammersinfonie fertig, das war seine Art, mit diesem Verlangen umzugehen; und Berg komponierte halt mit tonalen Implikationen.

LG,
Hasenbein
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Übrigens: Daß wir evtl. die Chance vergeigt haben, daß sich zukünftig vielleicht ab und zu mal ein interessanter Künstler wie Hardy Rittner hier zu Wort meldet, das habt Ihr, Gomez und pppetc, zu verantworten. Der denkt doch bloß: Was ist denn das für ein Haufen? und wird hier nimmer hinsurfen...

LG,
Hasenbein
 
Schönberg komponierte z.B. die 2. Kammersinfonie fertig,
das war seine Art, mit diesem Verlangen umzugehen [...]

Schönberg hat sich in späteren zwölftönigen Arbeiten ebenfalls wieder der Tonalität angenähert,
zum Beispiel in der "Ode an Napoleon Bonaparte", im Klavierkonzert oder der Violin-Phantasie -
so wie er umgekehrt in neotonale Stücke (Orgelvariationen, Streichersuite) Erfahrungen
aus dem Umgang mit der Reihentechnik hat einfließen lassen.

Die Äußerung

Alban Berg komponierte mit Zwölf-Ton-Reihen und entfloh ihnen zugleich.

ist mehr als "verbesserungswürdig" - das ist ein Euphemismus.

Nicht verbesserungswürdig, weil nicht verbesserbar, sondern als undurchdacht zu bezeichnen
war Deine in polemischer Absicht gestellte Frage, wie und warum Berg Dodekaphonie
und erweiterte Tonalität unter einen Hut zu bekommen versucht hat.

Dein laienhaftes Verständnis von der Materie, das darin zum Ausdruck kommt,
suchst Du jetzt durch markige Sprüche zu überdecken. Das sei Dir gegönnt.

Der denkt doch bloß: Was ist denn das für ein Haufen? und wird hier nimmer hinsurfen...

Nimm ihn Dir als Vorbild.
 
Dein laienhaftes Verständnis von der Materie, das darin zum Ausdruck kommt,
suchst Du jetzt durch markige Sprüche zu überdecken. Das sei Dir gegönnt.

Dieser Satz bedeutet so viel wie: "Oh Mist, Hasenbein bringt das Schönberg-Zitat! Irgendwie ist doch ein bißchen was dran an dem, was er sagt... Ich muß jetzt irgendwas Cooles dazu sagen, damit die Mitleser auf keinen Fall ein '1:2 für Hasenbein'-Gefühl bekommen..."

Du weißt genau wie ich, daß ich nicht "markige Sprüche", sondern bedenkenswerte Argumente gebracht habe. Der einzige "Spruch" war "Schnuckiputz". Das wird mir, wie auch Du und pppetc es sich herausnehmen, ja wohl zwischendurch mal erlaubt sein.

LG,
Hasenbein
 
Ihr Lieben,

ich fände es am Schönsten, wenn die gesammelte Kompetenz hier zusammen- und nicht gegeneinander arbeiten würde. Das würde auch der Sache selbst, nämlich der Herangehensweise und den Kompositionen Berg's, dienen.

Mir hat das Interview von Rittner sehr gefallen und mir gefällt auch sein Brahms sehr.

Was jetzt Berg angeht, von dem ich viel zu wenig Ahnung habe, um hier mitreden zu können, hat Rittner selbst in seinem Interview gesagt:

"Mit Berg habe ich mich bislang eher wenig auseinandergesetzt, das habe ich noch vor."

Mich hat dieses "entfloh" zur Reihentechnik auch stutzig gemacht, deshalb habe ich mich gefreut, als pppetc und Gomez, die sich, wie ich weiß und was hier aus vielen Beiträgen im Forum hervorgeht, sehr, sehr intensiv mit Berg, Schönberg.... auseinandergesetzt und beschäftigt haben, den Hintergrund schlüssig erklärt haben.

Da könnte man doch toll zusammenarbeiten! Einerseits könnte man Rittner die Formulierung nachsehen, schon weil er im Vorfeld klar stellt, sich noch nicht viel mit Berg beschäftigt zu haben, andererseits könnte man froh sein, dass hier jemand so viel weiß, um die Lücken zu füllen.

Ich bin's jedenfalls! :p Ich finde es toll, dass ein Pianist wie Rittner sich hier blicken lässt und würde mich freuen, wenn das öfter geschieht. Die Dinge von seiner Warte aus zu lesen und zu hören, ist ja sehr interessant! Und ich finde toll, dass Gomez und pppetc sich schon so mit Berg auseinandergesetzt haben, dass sie mir Einsichten vermitteln können, zu denen ich erst mal eine Menge Zeit bräuchte.

Ich wünschte also, dass insgesamt bei aller inhaltlichen Differenz der Respekt nicht verloren geht, so dass man noch immer miteinander, nicht gegeneinander redet.

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich befürchte, der Nutzen dieses Gesprächs tendiert gegen Null.

Mit jedem Deiner Worte belegst Du, daß es Dir um Streit und - jetzt, nach der Blamage -,
um Gesichtswahrung, nicht aber um eine sachliche Auseinandersetzung geht.

Wenn Du streiten willst, solltest Du den Gesprächsverlauf richtig nachzvollziehen.
Das ist die Mindestanforderung. Meine Äußerung

Nicht verbesserungswürdig, weil nicht verbesserbar, sondern als undurchdacht zu bezeichnen
war Deine in polemischer Absicht gestellte Frage, wie und warum Berg Dodekaphonie
und erweiterte Tonalität unter einen Hut zu bekommen versucht hat.

bezog sich auf dieses Konglomerat an Gedankenlosigkeiten:

Wenn ich in der erweiterten Tonalität komponieren will, brauche ich, so viel ist klar, keine Reihen dazu.
Und schon gar nicht "konsequenten Gebrauch" dieser. Das kann ich auch einfach so. So wie es z.B. Schönberg
vor seiner "atonalen" Phase ja auch fröhlich getan hat.

Oder ist der Satz etwa so gemeint: Bergs Kumpels und Kollegen haben nun mal alle zwölftönig komponiert,
da konnte Berg nicht einfach ausscheren und nicht zwölftönig komponieren, denn das hätten seine Kumpels
gar nicht gefeiert? Also sah er sich, um nicht aus dem exklusiven Zirkel ausgeschlossen
zu werden und als rückwärtsgewandt zu gelten, gezwungen, die Tonalität durch die Hintertür einzuschmuggeln?
Oder was? Dann wäre ja Berg ein sehr unselbständiger Charakter gewesen, der nicht mal
seiner eigenen künstlerischen Vision zu folgen wagte... dies möchte ICH ihm nicht unterstellen.

Und das laienhafte Verständnis von der Materie, das hier zum Ausdruck kommt,
suchst Du jetzt durch markige Sprüche zu überdecken.
 
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