Große Bachwerke

Mal ehrlich. Ist 180€ für eine Gesamteinspielung von Bachs Orgelwerken nicht etwas viel? Ich glaube zwar, dass man das nehmen muss, doch wer soll das kaufen?

Vermutlich muss man das. Nun gibt es viele ältere Gesamtaufnahmen inzwischen so unglaublich billig (von Walcha bis Alain), dass man ahnt, warum das leider ein brotloses Geschäft ist.
 
Da finde ich auch, wenn vorhanden, eine weiche Zunge, die sich in thüringisch-barocker Manier hervorragend mit anderen Registern mischen lässt, nicht verkehrt, auf jefen Fall kein Mixturpleno.

Bei 537 sehr ich schon auch die gegenteilige Möglichkeit. Die Fantasie beginnt mit einer Exclamatio, man könnte daraus auch ein "italienisches" Klagen mit viel lamento und mamma mia und einem Meer von Tränen machen und im Pleno spielen. Dann würde ich die Fuge schlanker halten. Ich mache es immer umgekehrt.
 
Finde den Preis absolut ok, selbst ein Zehntel davon wäre keine Lösung, weil der wirklich interessierte Kreis der Freaks eben so oder so klein ist und bleibt. Die sehen aber sicher den Mehrwert auch nach x Gesamteinspielungen (Interpreten, Orgellandschaft, Technik). Ich meine auch gelesen zu haben, dass gerade diese Produktion überhaupt erst möglich wurde durch ein großes Sponsoring eines Orgelfans. Der Kosten- und Zeitaufwand ist einfach immens...

Aber mit (Orgel-)Bach geht es tatsächlich immer noch weiter: https://www.bach333.com/de/#why
 
Hast Du dazu eine Taktzahl? Beim ersten Durchhören finde ich Ton eigentlich sehr gut. Wie immer mit einem guten Espresso vorher, aber so ist er halt. Vielleicht ist mit etwas entgangen.
Wenn man Mattheson zu e-moll als Tonart anführt ("kan wol schwerlich was lustiges beygeleget werden/ man mache es auch wie man wolle / weiler sehr pensif, tieff denckend / betruebt und traurig zu machen pfleget / doch so/ daß man sich noch dabey zu troesten hoffet. Etwas hurtiges mag wol daraus gesetzet werden / aber das ist darum nicht gleich lustig."), trifft er das "Hurtige", aber nicht "Lustige" gar nicht schlecht.
Hurtig ist definitv sein Metier und der Espresso ist meist mindestens doppelt.
Christoph Schoener sagte mal dazu: (https://www.concerti.de/interviews/...n-ist-schon-ein-ziel-aber-sie-ist-nicht-alles)

"Das ist Ton Koopman mit Buxtehude. Ich höre das ausgesprochen gern. Aber ich finde, man spürt, dass er von der Musik getrieben ist, manchmal auf Kosten der Balancen. Es ist stilistisch perfekt, aber wie alles bei Koopman etwas zu schnell. Ich habe immer das Gefühl, danach brauche ich erst einmal Ruhe. Das elfte Gebot: Du sollst nicht langweilen, erfüllt Koopman immer, sein Spiel ist immer anregend…"
 
Ah, der Christoph Schoener ist verdammt gut mit dem Raten von Aufnahmen. Respekt. Und ja, er hat Recht, Ton gehen manchmal die Pferde durch. Bei Buxtehude finde ich es zum Teil schlimmer. Das gefällt mir auf der Orgel gar nicht so gut. In Sachen Bach gibt es großartige Sachen von ihm, wie die Triosonaten. Die höre ich immer wieder gerne.
 
Nicht immer spielt Koopmann schnell:

View: https://youtu.be/VXNlXGCuDXc


Auch wenn mir einiges von ihm z.B. BWV 552 aus ich glaube Ottobeuren sehr gut gefällt, mag ich diese Aufnahme nicht sonderlich.
Ich werde vielleicht jetzt dafür gesteinigt, vielleicht liegt es nur an den Aufnahmen, die ich von diesem Instrument kenne, mag das aber nicht so wirklich.
Da gibt es in Hamburg, Freiberg oder Waltershausen historische Instrumente, denen ich mehr abgewinnen kann.
 
…wow, ist das wirklich Koopman? So kennt man ihn ja gar nicht - oder kaum ;-)

Ich tu mir mit ihm als Organisten auch schwer… mir sind die Tempi oft zu schnell… seine Artikulation „zu spitz“…

Er ist ein toller Musiker, begeistert und leidenschaftlich dabei, so erleb ich ihn zumindest, aber ich tu mir mit seiner musikalischen Ausführung an der Orgel und am Cembalo schwer. Hab mir einige Aufnahmen von ihm angehört, um mich besser mit seiner Welt vertraut zu machen... aber es ist leider nicht meins.

Abseits der Orgel find ich aber diese Ausführung von ihm nicht schlecht:


View: https://www.youtube.com/watch?v=KtcSS9plEg8
 
…wow, ist das wirklich Koopman? So kennt man ihn ja gar nicht - oder kaum ;-)

Ich tu mir mit ihm als Organisten auch schwer… mir sind die Tempi oft zu schnell… seine Artikulation „zu spitz“…
Irgendwie gibt es zwei Koopmän(n)er: Ich habe mal vor Jahren eine Box von "Brilliant Classics" besessen, wo angeblich Koopman Bach spielt. Alles war irgendwie breit gespielt und von dickem Klang. Ich frag mich bis heute, ob das nicht ein Fake war und eigentlich jemand anders an der Orgel saß ... Vergleichbar war das etwa mit den Naxos-Aufnahmen von Rübsam (wobei die noch besser sind).

Später habe ich mir dann die Bach-GA von Koopman gekauft (woraus auch die verlinkte Einspielung von BWV 548 stammt), und da habe ich mich noch nie eine Sekunde gelangweilt. Ich finde sein Spiel dort enorm inspirierend :027: (wenn auch für mich natürlich unerreichbar:015:).

Das Interview mit Ch. Schoener finde ich wahnsinnig spannend, und die anderen dort verlinkten genauso. Wenn ich da im Vergleich an so manches Pianisten-Interview in den "Piano News" denke ....
 
Ja, der "Old-School-Schoener":
https://www.concerti.de/interviews/christoph-schoener/
Und Ihre Lehrtätigkeit?

Schoener: Die ist vorbei. In Leipzig hatte ich vier Semester lang eine Lehrstuhlvertretung. Auch da habe ich schon gemerkt, dass die jüngeren Professoren eher Coaches oder Berater sind. Da bin ich mit meinen 66 Jahren schon old school, also eher der Typ Lehrer, der den Schülern sagt: „In der nächsten Woche möchte ich bitte das Bach-Präludium unfallfrei hören, falsche Töne spielen Sie in Ihrem Leben noch genug.“ Aber das Unterrichten war immer eine große Leidenschaft von mir. Ich habe mal gezählt und bin auf 44 Semester an Hochschulen per Lehrauftrag gekommen.
Stimmt es, dass sich die Lehrtätigkeit (im Einzelunterricht) verändert? Inwiefern? Z.B. beim Lernen von großen Bächen, damit mir keiner Off-Topic vorwirft.
Der Konkurrenzdruck gerade bei diesen Stücken ist schon gigantisch, wenn es mühelos in x Interpretationen und Instrumenten zugänglich ist. Da ist wirklich schon "alles mal gemacht worden". Und "Lehrer erfolgreich imitieren" reicht wahrscheinlich auch nicht mehr...
 

Da ist wirklich schon "alles mal gemacht worden". Und "Lehrer erfolgreich imitieren" reicht wahrscheinlich auch nicht mehr...
Das würde mich auch mal interessieren. Vor allem bei Stücken wie BWV 565 habe ich keine Ahnung, wie man das am besten interpretiert, da ich da auch wirklich vieles schon gehört habe. Da gibt es sehr viele Interpreten mit unterschiedlichen Ansichten. Je nach Betrachter ist auch der Lehrer mal mehr oder weniger geeignet. Daher reicht auch die Imitation von diesem nicht immer und ist vielleicht auch nicht immer so gut.
 
Zuletzt bearbeitet:
Oh, lass' Dich aber nicht entmutigen, passt ja auch nicht so recht in einen Faden, wo ein Schüler nach Machbarem fragt. Einfach viel vergleichen, aufnehmen, versuchen nachzuahmen, unbedingt "fürs Mikro" bzw. Zuhörer spielen (Akustik), und auf die Orgel hören, was sie vielleicht nicht mag, selbst wenn man könnte...dann wird das schon.
Ist mittlerweile wohl vorwiegend eher mein eigener Frust - und ich komme irgendwie mit den so vielen Variablen des Orgelspiels nicht gut klar. Man merkt es ja auch hier an den Kommentaren, wie zB eine Aufnahmeposition und -technik rückwirkt auf eine (vermutete) Interpretation und die auch schwer beeinträchtigen kann.
 
Ja, der "Old-School-Schoener":
https://www.concerti.de/interviews/christoph-schoener/

Stimmt es, dass sich die Lehrtätigkeit (im Einzelunterricht) verändert? Inwiefern? Z.B. beim Lernen von großen Bächen, damit mir keiner Off-Topic vorwirft.
Der Konkurrenzdruck gerade bei diesen Stücken ist schon gigantisch, wenn es mühelos in x Interpretationen und Instrumenten zugänglich ist. Da ist wirklich schon "alles mal gemacht worden". Und "Lehrer erfolgreich imitieren" reicht wahrscheinlich auch nicht mehr...

Nach meiner Wahrnehmung verändert sich das schon.

Ich habe im ersten Semester auch noch Unterricht gehabt, wo ich die Fingersätze des Lehrers abschreiben musste und den Kram bis zur nächsten Stunde so üben musste. Dann kam das nächste Stück...Von den Stücken, die ich damals geübt habe, habe ich nie wieder etwas gespielt. Da wurde ein Stück nach dem anderen gespielt, kurzer Kommentar, so macht man das und gut war's.

Zum einen hat die Aufführungspraxis einen hohen Stellenwert bekommen. Die HIP-Leute unterrichten halt ganz anders, quasi antiautoritär, ohne den Anspruch zu haben, alles zu wissen. Eine meiner ersten Cembalostunden in der Hochschule ist mir sehr in Erinnerung. Ich kam rein, hatte mich mit einer Frescobaldi-Toccata abgemüht und gleich einen Katalog von Fragen. "Wie macht man das? Oder das?" Antwort meines Lehrers: "Das weiß ich auch nicht, aber wir können ja mal zusammen suchen."

Die andere Sache ist sicher ein methodischer Fortschritt in der Instrumentalpädagogik. Statt zu sagen: "Das übst Du dann mal zuhause." kann ich natürlich auch den Übeprozess eines Schülers begleiten und mir eben mal nicht zu schade sein, mir ein unfertiges Stück anzuhören und da schon hilfreich sein. Hier kann man bei 5:38 schön sehen, dass Martin Schmeding eben mehr methodisches Repertoire hat, als zu sagen: "Nochmal, aber jetzt ohne Fehler." Er spielt selbst und lässt den Schüler dirigieren. Auch eine Möglichkeit, hier eine die musikalische Vorstellungkraft anzuregen. Letztlich muss eben nachher keine Kopie herauskommen, sondern ein Musiker mit eingener Interpretation:

View: https://www.youtube.com/watch?v=xAzkwKko2m4
 
Die andere Sache ist sicher ein methodischer Fortschritt in der Instrumentalpädagogik. Statt zu sagen: "Das übst Du dann mal zuhause." kann ich natürlich auch den Übeprozess eines Schülers begleiten und mir eben mal nicht zu schade sein, mir ein unfertiges Stück anzuhören und da schon hilfreich sein.
Das stimmt und ist eigentlich auch gut, da man als Kirchenmusiker/Organist später auch unterrichtet. Allerdings finde ich es als Schüler eher unangenehm, Stücke vor dem Lehrer zu erlernen. Da ist es wirklich wichtig, dass der Lehrer immer nett und freundlich bleibt, damit der Schüler nicht zu sehr unter Druck gesetzt wird.
 
Das stimmt und ist eigentlich auch gut, da man als Kirchenmusiker/Organist später auch unterrichtet. Allerdings finde ich es als Schüler eher unangenehm, Stücke vor dem Lehrer zu erlernen. Da ist es wirklich wichtig, dass der Lehrer immer nett und freundlich bleibt, damit der Schüler nicht zu sehr unter Druck gesetzt wird.

Ich fand das immer sehr hilfreich, wenn jemand schon früh einhakt und sagt: "Warte mal, da liegt es an einer überflüssigen Bewegung, lass die mal weg." Oder: "Hier musst du mal linke Hand und Pedal zusammen spielen, das ist nicht genau zusammen." Die Liste kann man endlos fortsetzen. Das tut der eigenen Übemethodik ganz gut.
 
Nochmal zur BWV 548-Fuge: gerade eine interessante Interpretation gehört (Aufnahmequalität mal außen vor), die die Achtel-Vorschläge auch wirklich als solche spielt. Habe ich bisher immer vermisst. Solche Feinheiten finde ich immer interessant...

View: https://www.youtube.com/watch?v=idhHq1mn1XA
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Die Frage ist, ob das so gemeint ist. Das ist eigentlich nicht die Zeit, wo man Vorschläge nach Notenwert differenziert. Carl Philipp schreibt, dass erst einmal alle Vorschläge kurz sind und nennt dann Ausnahmen. Müsste man schauen, ob das hier trifft. Ich hab das Stück nicht im Repertoire.
 
Würde erklären, warum es sonst niemand macht. Habe leider die entsprechenden Bücher nicht, da müsste das doch besprochen sein...
Weiß auch nicht, wie die Quellenlage aussah.
 
Ich finde auch, dass das Präludium Bwv 548 ein gewisses Tempo braucht. Karl Richter das vor kapp 70 Jahren schon in einem schönen Metrum gespielt. Das ist wohl mit einer der wenigen Bachwerke, die mit der Zeit wieder etwas langsamer gespielt werden.
 

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