Motor im Kopf
Also bei "suchen" hab ich nichts zu dem Thema gefunden.
Ist das aber nicht etwas gefährlich, denn gerade bei langen Stücken kann es doch passieren, dass man in Gedanken Takte auslässt.
Aber ich begreife vor allem nicht, wie man dadurch die Technik verbessern soll, das ist doch eine motorische Sache:confused:
Hi Hacon,
das eben ist ein fundamentaler Irrtum. Technik ist eine motorische Sache, wenn du dein Auto reparieren lässt, weil der Motor Probleme macht.
Der Mensch und sein Gehirn funktionieren aber ganz anders. Insofern hast du ein bischen Recht, dass alle Bewegungen natürlich zur Motorik gerechnet werden können. Aber die Welt des Menschen formt sich durch seinen Willen, sein Vorstellungsvermögen. Ich kann jetzt hier keinen langen Diskurs darüber führen aber es gilt prinzipiell: Je genauer, ausdifferenzierter, besser und detailreicher wir uns eine Handlung vorstellen können, umso besser gelingt sie uns. Die Technik nennen wir dann die Fähigkeit, diese inneren Vorstellungen ausserhalb unseres Gehirns, also real, umzusetzen. Wenn wir einen Gegenstand ergreifen möchten (z.b. den Salzstreuer auf dem Tisch) so haben wir vor dieser Handlung eine genaue Vorstellung, wie wir das machen und sehen das Ziel der Handlung: Salzstreuer ist in unserer Hand - mit unserem inneren Auge, wobei wir nie Zweifel haben, dass uns das auch gelingen wird. Oder wurdest du mal von solchen geplagt: Oh weh, der salzstreuer steht ja so weit weg, das sind ja mondestens 52 Zentimeter, ob ich das wohl schaffen werde? Nicht? aber bei einem Sprung auf der KLaviatur von vielleicht 32 cm kommen bereits Zweifel, ob der C-dur akkord wohl erreicht werden kann?
Aus der Sicht eines unvoreingenommen Aliens wäre vielleicht das Balancieren einer Flüssigkeit in einem Löffel und dann auch noch das überschwappfreie Heranführen an die Essöffnung des Humanoiden eine weitaus tollere Leistung als das Spiel eines Volksliedes auf dem Klavier.
Das reale Spiel eines Klavierstücks gelint dann wunderbar, wenn du eine genaue innere Vorstellung entwickelt hast. Über den Grad der Genauigkeit dieser inneren Vorstellung gibt es allerdings und leider unterschiedliche Meinungen. Der Schüler meint oft.: Ich weiss genau, wie es klingen soll, kann es aber nicht spielen. Das heisst aber nur, der Schüler glaubt zu wissen, wie es klingen muss, ist sich aber über die Komplexität der benötigten inneren Vorstellungen garnicht im Klaren und kann es deshalb nur unvollkommen spielen, nämlich genauso unvollkommen, wie seine Vorstellungen, seine inneren Bilder von dem Stück sind.
Aus diesem Grund ist es von grossem Vorteil, wenn ein Stück, und jetzt meine ich das im Sinne auch von Teilstück genau studiert wird. Natürlich erstmal mit Hilfe der Noten. Da suche man sich ein passendes Teil heraus. Die ersten 8 Takte und versuche alles zu verstehen, was da notiert ist. sofort muss der wille da sein, bei diesem ersten Durchlesen Klang zu hören. Gelingt das noch nicht, nehmen wir die Hände zu Hilfe und spielen uns kleine Fragmente durch, solange bis wir sie innerlich schon gut hören. Ganz sicher bei schwierigen stellen üben wir das mit jeder Hand für sich (Verweis Changonline: Single Hands S.H.). durch dieses Einstudieren verbessert sich nach und nach unsere innere Vorstellung, die uns dann in die Lage versetzt, dieses Teilstück auch abseits vom Klavier geistig durchzugehen. Entdecken wir Löcher in unserer Vorstellung oder haben wir Zweifel, ob wir es richtig innerlich hören, müssen wir wieder den Notentext zu Rate ziehn. Durch diese Lerntechnik kannst du nun deine Übezeit erheblich beschleunigen, denn du kannst das von dir gewünschte Stück ja überall üben. Und wenn es gut im Kopf verankert ist, übt dein Gehirn sogar im Schlaf weiter. Mozart soll ganze Werke in Billardsälen vorkomponiert haben und Beethoven hat während seiner Spaziergänge komponiert. Das sind natürlich nur Legenden aber mit einem grossem Wahrheitsgehalt. In Wirklichkeit haben die pausenlos komponiert und zwar ständig und überall. Die Kunst bei einem komponierenden Künstler ist nicht das Komponieren, sondern davon auch mal abzuschalten.
Man muss keinesfall besondere Muskeln aufbauen, um besondere KLavierpassagen zu spielen, aber man muss seine Muskeln und die Nerven daraufhin konditionieren, dass sie genau das ausführen, was unser Geist will.
Dieser Wille, der genau weiss , was er will (klingt lustig, ist aber so)wird dann immer genauer und schafft einen ständig wachsenden Vorrat an Möglichkeiten der Umsetzung. Heisst: Deine Technik, die Umsetzung des inneren Hörvermögens auf die Tastatur verbessert sich.
Noch etwas Grundsätzliches zum sogenannten Techiküben: Eine D-dur Tonleiter bleibt eines Solche, ob in einem Mozart oder Schubert Werk. Kann man sie grundsätzlich flüssig ausführen, dann kann man das in jedem zukünftigen Stück. Es muss natürlich der Situation angepasst werden. Tempo, Dynamik, Anschlagsart usw. das sollte klar sein. Aber bestimmte Elemente der Klaviertechnik kommen immer wieder vor: Z.B. Tonleitern, Arpeggien, Triller, Repetitionen usw., sodass man auf früher Gelerntes zurückgreifen kann.
Wenn ich in einer Cramer oder Czerny etüde bestimmte verschachtelte Arpeggien gut studiert haben, muss ich im 3. Satz der Mondscheinsonate nicht bei Null beginnen. sondern weiss bereits: Aha, das sind diese Art von Arpeggien, die stehen in cis-moll, in Gis-dur, in Cis-dur usw. Habe ich nun früher solche Arpeggien wirklich ordentlich studiert stehen sie mir für jedes Stück und in jeder Ausprägung zur Verfügung. Ich muss dann nur noch genau hinschauen, wie sie hier genau eingepasst sind, also wo sie beginnen, gebt es Unregelmässigkeiten, wo ist der Zielpunkt usw.
So verhält es sich mit den meisten Passagen. einmal richtig geübt und auch verstanden funktioniert die Technik, diese auszuführen reibungslos. Neu ist dann jeweils nur die Art der speziellen Verwendung.
Anmerkung: Ich empfehle besonders den Klavierneulingen, diesen Absatz merhfach durchzulesen und bei Nichtverstehen einzelner Stellen, einfach rückzufragen. Natürlich erst nach gründlichem Durchdenken.
Viel Spass beim Üben
Das meine ich wörtlich, denn mir macht Üben grossen Spass. Das Wetter ist gut und ich werde heute ine kleine Fahrradtour machen und währenddessen auch ein Klavierstück einüben.