Fünf Jahre vergeblich geübt?

Tja, playitagain, ein unengagierter 08/15-Abfertigungs-Unterricht.

In einem guten Unterricht werden die musikalischen oder technischen Dinge, die noch nicht passen, normalerweise gemeinsam durchgegangen und konkret geübt. Entweder anhand der betreffenden Stelle oder mit zusätzlichen vorbereitenden oder ergänzenden Übungen.

Der Lehrer sorgt dafür, dass der Schüler jeweils im Unterricht deutlich erlebt, dass er, wenn er es wie gezeigt übt und umsetzt, es erfolgreich wie angestrebt spielen kann. Das häusliche Üben ist "lediglich" ein Wiederholen, Festigen und Auf-andere-Stellen-und-Situationen-Übertragen des bereits in der Stunde exemplarisch Geübten.

Um dies wiederum zu ermöglichen, muss der Lehrer sicherstellen, dass die durchgenommenen musikalischen und technischen Punkte dem Schüler zu Hause präsent sind, z.B. auch durch Notieren von Hinweisen und Anweisungen in ein gesondertes Aufgabenheft (NICHT die Noten vollkrickeln!).
 
@hasenbein

Das klingt überzeugend. Kannst du aus deinem eigenen Unterricht mal an einem Beispiel erläutern, wie du das Musikalische durch ergänzende Übungen unterrichtest?
 
In einem guten Unterricht werden die musikalischen oder technischen Dinge, die noch nicht passen, normalerweise gemeinsam durchgegangen und konkret geübt. Entweder anhand der betreffenden Stelle oder mit zusätzlichen vorbereitenden oder ergänzenden Übungen.

Der Lehrer sorgt dafür, dass der Schüler jeweils im Unterricht deutlich erlebt, dass er, wenn er es wie gezeigt übt und umsetzt, es erfolgreich wie angestrebt spielen kann. Das häusliche Üben ist "lediglich" ein Wiederholen, Festigen und Auf-andere-Stellen-und-Situationen-Übertragen des bereits in der Stunde exemplarisch Geübten.

Um dies wiederum zu ermöglichen, muss der Lehrer sicherstellen, dass die durchgenommenen musikalischen und technischen Punkte dem Schüler zu Hause präsent sind, z.B. auch durch Notieren von Hinweisen und Anweisungen in ein gesondertes Aufgabenheft (NICHT die Noten vollkrickeln!).

Dann schätze ich mich glücklich, guten Unterricht zu erhalten. :-)
Im übrigen erwartet meine KL auch, dass ich ein paar Minuten vor Ende der Klavierstunde meiner Tochter dabei bin, damit sie mich - zusätzlich zum im Hausaufgabenheft Notierten - für die Übewoche meiner Tochter „instruieren“ kann. Erwartet wird zudem, dass ich das Üben zumindest weitestgehend betreue.
 
z.B. auch durch Notieren von Hinweisen und Anweisungen in ein gesondertes Aufgabenheft (NICHT die Noten vollkrickeln!).
Notieren kann ich so viel und wohin ich will, das ist kein Thema. Und das mache ich auch.
Entweder anhand der betreffenden Stelle oder mit zusätzlichen vorbereitenden oder ergänzenden Übungen.
Gibt es, aber als Hausaufgabe. Nicht in der Stunde.
Das muss ich dann vorspielen bei der nächsten Stunde. Wie ich das lerne interessiert nicht.
 
@hasenbein

Das klingt überzeugend. Kannst du aus deinem eigenen Unterricht mal an einem Beispiel erläutern, wie du das Musikalische durch ergänzende Übungen unterrichtest?

Lieber Tastimo,

wenn eine Stelle noch nicht gut klingt, ist es entweder so, dass der Schüler nicht verstanden hat und nicht hört, was dort musikalisch los ist (der häufigste Fall). Oder dass er hört, dass es nicht gut klingt, aber nicht weiß, wie er es verbessern kann (technisches Problem, oft in Verbindung mit noch mangelndem musikalischen Verständnis).

Im ersten Fall ist es Aufgabe des Lehrers, dem Schüler den musikalischen Inhalt so zu vermitteln, dass er hört, was dort los ist. Das kann durch sehr verschiedene Herangehensweisen und Übestrategien erfolgen. Dabei gehen musikalisches Verständnis und technische Umsetzung oft Hand in Hand, so dass gesondertes technisches Training überflüssig wird (schwere, technisch herausfordernde Stellen ausgenommen).

Diese Übestrategien bestehen z.B. im Spielen, Hören und später Kombinieren der einzelnen Stimmen (Fragen "wohin willst du spielen", wie willst du phrasieren", "was willst du ausdrücken", "was steht im Notentext" u.v.a.m. sind natürlich damit eng verbunden = musikalische Arbeit). Durch das Spielen der harmonischen Abläufe und einer zumindest teilweisen Analyse wird das harmonische Geschehen, die Beziehung zwischen den Harmonien in ihrer Abfolge von Spannung und Entspannung deutlich. Zusammenklänge werden in ihren Klangfarben, Dissonanzen etc. in Zeitlupe "durchgehört". Musikalische Ereignisse werden herausgegriffen, transponiert und in kleinen Übungen deutlich hörbar gemacht. Wenn sie dem Schüler unbekannt sind (z.B. Vorhalte), werden sie auditiv eingeführt (ein Vorhalt beispielsweise sollte erst einmal gehört werden in den Dissonanzen, die sich auflösen) und erst anschließend analysiert und benannt.

Was man hört, spielt man - was man nicht hört, kann man auch nicht spielen.

Die Schulung des Gehörs in enger Verbindung mit musikalischem Verständnis bestimmt den Weg zur Erarbeitung des Stücks und wird automatisch zu musikalischem und lebendigem Spiel führen. Es sind also weniger Übungen als Übestrategien, die dazu führen. Das Musikalische wird durch eine sehr kreative und flexible Herangehensweise an das Stück unterrichtet und gelernt (die Strukturen des Stücks bestimmen die übende Herangehensweise).

Technische Schwierigkeiten werden gehört (schließlich klingt es dann nicht gut) und in Einzelschritte zerlegt, die zur Problemlösung führen. Dazu sind individuell angepasste, meist kurze Übungen sehr hilfreich!

Wichtig ist, dass von Anfang an ein auf die Schulung des Gehörs (audiomotorisch) ausgerichteter Unterricht erfolgt! Dann wird es so gut wie unmöglich, dass ein Schüler mechanisch und ausdruckslos spielt.

Liebe Grüße

chiarina
 
Chiarina, sehr gut erklärt. Hat meinen Horizont erweitert: Nicht nur Ausdruckswille und Klangvorstellung hinsichtlich Dynamik, Klangbalance und Phrasierung, sondern ergänzend auch Gehörtraining am strukturellen Detail ist wichtig.
Also eigentlich das Zerlegen und neu Zusammensetzen des Stücks.
 
Notieren kann ich so viel und wohin ich will, das ist kein Thema. Und das mache ich auch.

Gibt es, aber als Hausaufgabe. Nicht in der Stunde.
Das muss ich dann vorspielen bei der nächsten Stunde. Wie ich das lerne interessiert nicht.
Wie gesagt, ein sehr typisches Beispiel für eine sehr verbreitete Art schlechten Klavierunterrichts.
Null Methodik & Didaktik.

Chiarina, sehr gut erklärt. Hat meinen Horizont erweitert: Nicht nur Ausdruckswille und Klangvorstellung, sondern auch Gehörtraining am strukturellen Detail ist wichtig.
"Gehörtraining" - mmmh, ja, meinetwegen, vielleicht meinst Du das Richtige, aber mir gefällt der Ausdruck nicht. Er klingt so nach "neben dem Spielen sorgen wir auch noch dafür, dass das Gehör auch trainiert wird, weil, das ist auch sehr nützlich".

Was man erreichen muss, ist ein ganzheitliches Verständnis von Musik: Sowohl kognitiv (Spielfiguren, Patterns, Motive, Phrasen, Formabschnitte, Akkorde etc. erkennen) als auch auditiv bzw. audiomotorisch (die jeweiligen "Legobausteine" der Musik sind dem Schüler auch als Klangphänomene und als zur Klangvorstellung passende - von der Klangvorstellung geformte - Bewegungsformen geläufig und aktiv abrufbar). Das greift alles unmittelbar ineinander, da gibt es eigentlich kein "Nebeneinander" oder "Nacheinander" (auch wenn man im Unterricht unvermeidlicherweise das eine Thema mal anfangs mit Hauptgewicht auf der auditiven, das andere mit Schwepunkt auf der kognitiven, das nächste mehr von der motorischen Seite einführt).
 
@hasenbein
Ich meine Gehörtraining, Gehörbildung, Gehörschulung natürlich als integrativen Bestandteil des Spielens im Ganzen. Wie gesagt, das Sezieren in einzelne Bestandteile, um es geistig-motorisch zu re-konstruieren, war mir neu.

Das geht übrigens in die Richtung, wie ein Chorleiter arbeitet, um mit dem Chor den „richtigen“ Klang(-Strom) zu finden.
 
Die von playitagain beschriebene Unterrichtsmethode ist übrigens sogar bis in Berliner Musikhochschulkreise verbreitet. Allerdings war das ein Kammermusik-Meisterkurs eines renommierten Geigenprofessors, der im Prinzip nur Anweisungen gegeben hat, ohne ein Miterleben und Durchdringen der Studenten zu ermöglichen.
 

Wie gesagt, ein sehr typisches Beispiel für eine sehr verbreitete Art schlechten Klavierunterrichts.
Aha, du findest also Notizen machen ist schlecht? Das ist sicher falsch.

Gehörtraining" - mmmh, ja, meinetwegen, vielleicht meinst Du das Richtige, aber mir gefällt der Ausdruck nicht.
Das ist doch klar verständlich.

Kann es sein dass du gar nicht mehr unterrichtest oder nur noch selten?
Denn deine Aussagen sind für mich sehr allein, wenig konkret und kaum griffig, so dass der Schluss nahe liegt, dass du gar nicht (mehr) real unterrichtest (kann mich natürlich täuschen).
Richtig?
 
Die von playitagain beschriebene Unterrichtsmethode ist übrigens sogar bis in Berliner Musikhochschulkreise verbreitet. Allerdings war das ein Kammermusik-Meisterkurs eines renommierten Geigenprofessors, der im Prinzip nur Anweisungen gegeben hat, ohne ein Miterleben und Durchdringen der Studenten zu ermöglichen.
Vlt bin ich ja bei sowas ....;-)
 
In der Grundschule gibt es (inzwischen glücklicherweise im Abnehmen begriffen) das absurde "Lesen durch Schreiben", bei dem es tatsächlich kein "Falsch" gibt. .

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen:

Die Methode "Lesen durch Schreiben" wurde in ihrer Reinform nur von wenigen Lehrkräften praktiziert. Viele haben allerdings ein Detail daraus entnommen, das ist die sogenannte "Anlaut-Tabelle", die es ähnlich schon viel früher, in der "guten alten Zeit", gab.

Mittlerweile ist die Methode untersagt.

Disclaimer:
Ich spreche nur vom Bundesland BaWü.

Die ganze Diskussion über das abnehmende Niveau im Abitur hier zu lesen ist wirklich amüsant, wenn man gerade über Stapeln an Abiturarbeiten sitzt und anerkennend feststellen kann, dass das Niveau in der 3. Fremdsprache ganz schön hoch ist.

Ich kann allen nur empfehlen, einmal in einer gut sortierten Buchhandlung einen Blick in die "roten Bücher" (=Abi-Vorbereitungsbücher) des Stark-Verlages zu werfen (Lösungen und Erwartungshorizonte sind dabei). Die gibt es für verschiedene Bundesländer.

Ein Abitur mit Schnitt 1,5 und besser bekommt man nicht nachgeworfen.
 
Gibt es, aber als Hausaufgabe. Nicht in der Stunde.
Es gibt einen Unterschied zwischen Methodik und Didaktik. Methodik bezeichnet die Methode, also das "Wie". Didaktik ist das "Was" - und das gibt es offenbar schon. Hausaufgaben aufgeben, ohne sie vorher beispielhaft durchzunehmen, ist auch nicht per se schlecht, wenn sie in der nächsten Stunde dafür behandelt werden. Man nennt diese Methode nach Anselm Ernst "Entdeckenlassendes Verfahren", das bedeutet, dass der Schüler nicht an die Hand genommen wird, sondern Dinge ausprobiert und findet.

Die von playitagain beschriebene Unterrichtsmethode ist übrigens sogar bis in Berliner Musikhochschulkreise verbreitet. Allerdings war das ein Kammermusik-Meisterkurs eines renommierten Geigenprofessors, der im Prinzip nur Anweisungen gegeben hat, ohne ein Miterleben und Durchdringen der Studenten zu ermöglichen.
Bei (angehenden) Profis ist es mMn nicht immer nötig, alles im Detail auszuarbeiten, wenn keine Zeit ist. In vielen Ländern hat man nur 60 Minuten Unterricht die Woche, da ist kaum Zeit für gemeinsames Üben. Es werden Dinge gezeigt und besprochen, die man dann selbst zu Hause umsetzt. Ideal ist das zwar nicht, aber wer damit nicht klarkommt, hat das Niveau für solche Kurse bzw. Unterricht eben noch nicht.
 
Es gibt einen Unterschied zwischen Methodik und Didaktik. Methodik bezeichnet die Methode, also das "Wie". Didaktik ist das "Was" - und das gibt es offenbar schon. Hausaufgaben aufgeben, ohne sie vorher beispielhaft durchzunehmen, ist auch nicht per se schlecht, wenn sie in der nächsten Stunde dafür behandelt werden. Man nennt diese Methode nach Anselm Ernst "Entdeckenlassendes Verfahren", das bedeutet, dass der Schüler nicht an die Hand genommen wird, sondern Dinge ausprobiert und findet.


Bei (angehenden) Profis ist es mMn nicht immer nötig, alles im Detail auszuarbeiten, wenn keine Zeit ist. In vielen Ländern hat man nur 60 Minuten Unterricht die Woche, da ist kaum Zeit für gemeinsames Üben. Es werden Dinge gezeigt und besprochen, die man dann selbst zu Hause umsetzt. Ideal ist das zwar nicht, aber wer damit nicht klarkommt, hat das Niveau für solche Kurse bzw. Unterricht eben noch nicht.
Also mein Unterricht im Studium war immer eine Art der Diskussion, der Auseinandersetzung, und die „Lösungen“ wurden nie vorgegeben. Auch bei nur 60 Minuten war das sehr effektiv. Dadurch war es auch sehr individuell. Bei Klassenvorspielen wurden manchmal die selben Stücke gespielt, die klangen jedes Mal ganz unterschiedlich.
Aber wahrscheinlich ist das bei einem Meisterkurs, wo es ja in kurzer Zeit um neue Perspektiven gehen soll, etwas anderes.
 
Ja, bei mir war / ist das auch so, und das war auch genau das, was ich in den ersten Jahren absolut gebraucht habe. Zuletzt bei Jerome Rose in New York war es eher Beispielhaft. Natürlich hat er auch einzelne Beispiele herausgegriffen und mit Schülern daran gearbeitet, bis es gut war. Aber er hat nicht ein Stück mit allen Details von vorne bis hinten besprochen, so ein Typ ist er nicht. Ich würde ihn auch niemals für jemanden empfehlen, der noch "Klavierspielen lernen" muss, so wie das bei deutschen Studenten zu Studienbeginn häufig ist.
Im Meisterkurs ist es ja noch krasser, da hat man einmal, zweimal, vielleicht dreimal Unterricht, und es geht eher darum, Ideen zu transportieren. Das kann verschieden geschehen: Indem man an sehr wenig Musik (z.B. wenige Zeilen, nur eine Exposition...) sehr detailreich arbeitet und der Schüler dies auf den Rest überträgt. Oder indem man nur selten ins Detail geht und dafür einmal von vorne bis hinten durchkommt, und mehr Ideen angedeutet werden.
 
Was man erreichen muss, ist ein ganzheitliches Verständnis von Musik: Sowohl kognitiv (Spielfiguren, Patterns, Motive, Phrasen, Formabschnitte, Akkorde etc. erkennen) als auch auditiv bzw. audiomotorisch (die jeweiligen "Legobausteine" der Musik sind dem Schüler auch als Klangphänomene und als zur Klangvorstellung passende - von der Klangvorstellung geformte - Bewegungsformen geläufig und aktiv abrufbar). Das greift alles unmittelbar ineinander, da gibt es eigentlich kein "Nebeneinander" oder "Nacheinander" (auch wenn man im Unterricht unvermeidlicherweise das eine Thema mal anfangs mit Hauptgewicht auf der auditiven, das andere mit Schwepunkt auf der kognitiven, das nächste mehr von der motorischen Seite einführt).

Und schon haben wir wieder die Wurzel der meisten Probleme am Wickel: Ca. 99% der Klavierschüler wollen ja gar nichts über Musik lernen oder tatsächlicher Musiker werden, sondern nur Klavier spielen.
 
Ich kenne auch Leute, die heutzutage durch's Abitur fallen, obwohl sie einen IQ von über 50 haben! Erstaunlich, was?...
 

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